27 - Valentine's Day {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

Samstag, 10.02.2063

 

Zu Hause duscht Fiona erst mal und richtet sich auf einen ruhigen Abend ein. Cutty aber weiß, dass sie sich heute freihalten musste und daher nichts vor hat. Er hat eine Flasche Jack Daniels Black Label sehr großzügig mit Valentine gespiked (theoretisch eine vermutlich tödliche Dosis, wenn man die ganze Flasche trinkt, aber eine einzige Mischung soll es ja bereits in sich haben) und ließ von einem Dewley-Kumpel den Verschluss wieder verlöten, damit er beim Öffnen knackt. In der Hoffnung, dass sie sich nicht kurzfristig etwas anderes vorgenommen hat, fährt er am Abend bei Fi vorbei und klingelt. Sie ist überrascht, ihn zu sehen, und er erklärt auch gleich mit Jack Daniels in der einen und Cointreau in der anderen Hand, dass er gerade Strohwitwer sei – Mona Lisa Overdrive gastieren gerade für das Wochenende in Fresno – und plötzlich den Impuls gehabt habe, sich bei Fi für sein damaliges Verhalten zu entschuldigen, nun, da sie wieder im Plex ist. Natürlich lässt sie ihn daraufhin ein, zumal er freundlich und harmlos, gleichzeitig aber auch ein bisschen nervös wirkt, aber das schiebt sie darauf, dass er sich für etwas entschuldigen möchte, das ihm peinlich ist. Sie geht davon aus, dass er an Neonas Seite endlich erwachsen geworden ist.

 

Cutty erklärt, er mache einen großartigen Lynchburg Lemonade (4 cl Jack Daniels, 2 cl Zitronensaft, 1 cl Triple Sec (Cointreau), Zitronenlimonade), und darf in ihrer Küche werkeln, agiert etwas fahrig, lässt fast ein Glas fallen, mixt aber erfolgreich die beiden Drinks, während er erzählt, wie unangenehm es ihm sei, in welcher Erinnerung sie ihn all die Monate in Europa wohl behalten haben muss.

 

Sie setzen sich auf die Couch, stoßen an und trinken, während Cutty von Neona erzählen soll – die ist jetzt gerade die Letzte, über die er sprechen möchte, aber er berichtet viel über die Band und wie er und Poison sie kennen gelernt haben. Da Fi ihm nicht schnell genug trinkt, stößt er mit ihr zuerst auf den gelungenen Run und dann noch mal auf ihre Rückkehr an.

 

Er beginnt die Wirkung von Valentine zu spüren und weiß, Fi geht es genauso: Sie wirkt verwirrt und unruhig, und schließlich entschuldigt sie sich rasch und läuft ins Bad. Cutty kommt das Warten wie eine Ewigkeit vor, und seine Jeans wird ihm viel zu eng. Endlich kommt Fi zurück, sieht nach wie vor erregt aus, setzt sich aber wieder auf ihren Platz und bemüht sich, sich nichts anmerken zu lassen. Cutty muss sich beherrschen, nicht über sie herzufallen, erzählt weiter, ohne sich darauf zu konzentrieren, und rückt näher. Als er sich sicher ist, dass sie nur noch eine Berührung braucht, um die Kontrolle zu verlieren, berührt er vorsichtig ihr Knie, und endlich stürzt Fi sich auf ihn und küsst ihn stürmisch.

 

Wie schon zuvor Meryl meint Fi nach dem ersten Durchgang außer Atem, dass etwas in den Drinks gewesen sein muss. Cutty fällt es schwer, sich zu konzentrieren, aber er hat sich ja alles vorher gründlich überlegt und lenkt nun den Verdacht von sich ab, indem er es gleichzeitig mit ihr sagt. Den Cointreau habe er ganz normal im Stuffer Shack gekauft, der Jack Daniels sei ein Geschenk von Gator gewesen, und—oh shit, das sei es! "Heb dir den für deine Kleine auf", habe er gesagt! Gator habe es wohl als witzige Idee empfunden, etwas unterzumischen, und Cutty sollte ihn deshalb mit Neona trinken... Cutty weiß genau, dass Fi immer noch brennt, und als er merkt, dass er wieder in die Gänge kommt, fragt er sie rundheraus: "Das Kind ist ohnehin in den Brunnen gefallen. Willst du noch mal?" Fi will nicht wollen, aber die Begierde ist zu groß, und zu George S. Clintons Brainscan-Main-Theme geht es weiter.

 

Auf dem Weg zum Höhepunkt liegt er auf ihr, hält sie fest umschlungen und kann nicht anders, als immer wieder ihren Namen in ihre Halsbeuge zu stöhnen, und selbst in ihrem überdreht geilen Zustand merkt Fi, dass da nicht nur Ekstase mitklingt, und ihr ist sofort klar, dass er sie will und nicht Neona. Es hat sich nichts geändert... Leider schafft sie ihren Willenskraft-Wurf nicht: Sie möchte, dass er geht, und kann es doch nicht erwarten, dass er wieder zu Kräften kommt, damit sie es noch mal treiben können. Noch ist die Begierde zu groß, aber sie weiß jetzt schon, dass sie sich später, wenn sie wieder klar denken kann, dafür hassen wird, so schwach gewesen und einer Droge zum Opfer gefallen zu sein, ohne ihr etwas entgegensetzen zu können.

 

Fi ahnt nicht, mit welchem Plan Cutty hier aufgekreuzt ist, in ihren Augen ist er ebenso ein Opfer von Gators Scherz geworden wie sie. Sie kann nicht ansprechen, dass sie weiß, wie Cutty empfindet, denn sie hasst dieses Wissen, hasst den Teil von Cutty, der sich nicht dagegen wehren konnte, ihr mit Leib und Seele zu verfallen. Und dennoch: So sehr sie verabscheut, dass es Cutty ist, mit dem sie hier Sex hat, beginnt sie ihn zu massieren und zu küssen, um ihn wieder einsatzfähig zu bekommen.

 

Die dritte Runde beendet sie rittlings auf ihm, er hat seine Finger in ihren Rücken gekrallt und sein Gesicht in ihren Brüsten vergraben, und er flüstert immer wieder ihren Namen, während er es irgendwie schafft, nur das zu sagen und nicht all das, was dazugehört.

 

Fi weiß nicht, ob es eine Nebenwirkung der Droge ist oder ihre Abscheu vor der Situation, aber sie läuft ins Bad und übergibt sich. Sie sammelt sich wieder und bringt die Stärke auf, Cuttys Kleider zusammenzusuchen und ihn aufzufordern, zu gehen. Er bettelt sie an, nur kurz zu warten, er könne gleich wieder, und will sie berühren, um sie wieder schwach werden zu lassen. Mühelos nimmt sie ihn nackt in einen Judogriff, um ihn daran zu hindern, doch die enge Berührung beider Körper kriegt ihren Widerstand fast wieder klein – fast, ihr Wurf gelingt. Sie wirft Cuttys Klamotten in den Flur, schiebt ihn raus und schließt per Sprachbefehl die Wohnzimmertür ab. Auf dem Flur bettelt und jammert Cutty weinerlich, denn er bekommt schon wieder eine Erektion und ist gleichzeitig emotional viel zu fertig, um sich noch beherrschen zu können. Fi ruft durch die Tür, er solle an Neona denken, und Cutty erwidert reflexhaft, Neona sei ihm egal. Fi reagiert nicht mehr auf seine Bettelei und bleibt standhaft, bis Cutty irgendwann endlich verschwindet. Als die Kamera ihn beim Verlassen des Hauses zeigt, sie also in ihrer eigenen Wohnung wieder sicher ist, weint sie sich aus.

 

Cutty hatte sich das alles in seinem völlig von sich selbst überzeugten Narzissmus ganz anders vorgestellt: Fi würde ihn bitten, die Nacht bei ihr zu verbringen, er würde am nächsten Morgen aufwachen, während Fi, die ihn im Schlaf beobachtet hat, ihn verliebt ansieht, und sie würde endlich verstehen, dass sie zusammengehören. Fetzen seiner Phantasie, die dies zeigen, fliegen durchs Bild (Erinnerungen an One Hour Photo werden wach), als er sich wütend und zusammenhanglos vor sich hinstammelnd auf seine Emperor setzt und mit Autopilot-Unterstützung losfährt, denn selber fahren kann er nicht, weil ihn die Lichter der Autos und der Neonreklamen quälen. Hin und wieder gerät er gefährlich ins Schlingern, weil er sich wegen der Nebenwirkungen nicht auf den Verkehr konzentrieren kann (das Motorrad fährt zwar selbst, aber er muss schließlich in den Kurven das Gewicht verlagern). Er merkt, er wird früher oder später einen Unfall bauen, hält an und kehrt in Santa Monica in die nächstbeste Bar ein, um sich frustriert und wütend volllaufen zu lassen.

 

Nach ausgiebiger Dusche checkt Fi ihr Kommlink: mehrere entgangene Anrufe von Stu und einer Service-Nummer, er hat ihr per Drohnenfracht etwas zugeschickt. Sie sieht im Port nach und findet ein abgewetztes Kommlink, darauf sind Fotos der Drohne und deren Daten. Eigentlich möchte sie sofort reagieren, fühlt sich aber wegen der Neben- und Nachwirkungen furchtbar und geht schlafen.

 

Sonntag, 11.02.2063

 

Zuwena war in letzter Zeit mit dem Verzaubern schwer beschäftigt und hat endlich wieder ein paar Tage frei. Ghost muss sich schonen, also bringt sie ihm Frühstück in sein kleines Apartment (CP 2077, FTP Watson, Kabuki, Kabuki Market) und hört sich seinen Bericht an. Natürlich fragt sie betont beiläufig, aber doch auffällig nach Star, und ebenso neutral antwortet Ghost. Natürlich gefällt es ihr nicht, dass sie gestern beim Warten Stunden miteinander verbracht haben.

 

Meryl hat sich in East L.A. in einem Sarghotel einquartiert und erhält einen Anruf von Lee: Ob sie sich treffen können? Sein Tonfall lässt sie hoffen, dass alles gut wird, und sie macht sich auf den Weg.

 

Star hat sich bei Darius Coburn angekündigt und fährt zum Fixx, um ihm die Daten zu zeigen: Vielleicht möchte Mr. Hemingway das gute Stück kaufen oder kennt einen Interessenten. Danach ruft sie Kit an und informiert sie, dass sich ihr Schieber bis morgen gemeldet haben will. Kit lädt sie kurzerhand zum Training ein. Star möchte eigentlich nicht, beschließt aber, dass es gut für sie ist, sich abzulenken und auszupowern, also treffen sie sich in Jonahs Studio und kämpfen ein paar Runden gegeneinander. Kit bemerkt spöttisch, dass Fi etwas eingerostet ist – Europa hat ihr nicht gut getan, hm? Im Gym gehen sie an die Geräte, doch hier macht Kit viel früher schlapp, sie fühlt sich nicht gut. Fi zeigt sich besorgt, Kit zögert, rückt dann aber mit der Sprache heraus: Sie ist schwanger. Deshalb wollte sie noch mal einen Shadowrun mit dem alten Team durchziehen, denn bald wird das, wenn die Schwangerschaft komplikationslos verläuft, nicht mehr möglich sein. Fi will sie dafür kritisieren, sich schwanger in Gefahr begeben zu haben, doch Kit würgt sie ab – sie weiß, was sie sagen will. Damit ist es jetzt ja vorbei, dieses Kapitel ist abgeschlossen.

 

Sie und Tommy haben sich noch nicht entschieden, wie sie das Ganze handhaben wollen. Soll das Kind eine SIN bekommen, müsste Tommy behaupten, mit irgendeinem SINlosen Chippie geschlafen zu haben, und die Frau war nicht in der Lage, sich um das Kind zu kümmern – doch dann wäre es offiziell nicht Mitsukos Kind. Die andere Variante ist, das Kind mit gefälschten SINs aufwachsen zu lassen – dann aber wäre es offiziell nicht Tommys Kind. Die ganz klassische Variante – Heirat und Familie – wird nicht klappen, dieser Durchleuchtung seitens Winter Systems wird Mitsukos SIN nicht standhalten.

 

Meryl und Lee umarmen sich zur Begrüßung, und Lee macht deutlich, dass er diese Episode nicht zwischen sie kommen lassen will. Es wird nur etwas schwer für ihn, wieder mit ihr ins Bett zu gehen, also möchte er das noch etwas aufschieben. Meryl ist natürlich endlos erleichtert.

 

Montag, 12.02.2063

 

Mr. Coburn meldet sich bei Star zurück: Er beginnt bei ¥ 85.000, Star bei ¥ 125.000, und sie treffen sich bei ¥ 105.000. Abzüglich der ¥ 10.000 für Mr. Kim und der Kosten für Straßendoc und Reparaturen an Bison und Quattro bleiben damit ungefähr ¥ 85.000, also grob ¥ 14.000 pro Kopf. Der erbeutete Van wird von Brubaker gerade für den Weiterverkauf repariert und umlackiert, und Stu trifft sich mit Star und bringt die Drohne mit dem Bison ins Fixx.

 

Star hält sich beschäftigt, so gut sie kann: Sie besucht Kit, um ihren Anteil auszuzahlen (Tommy ist leider gerade bei Verwandten, aber sie machen aus, sich bald kennen zu lernen), verabredet sich mit Meryl zum Abendessen (mit dem Plan, Meryl auch Cuttys Anteil zu geben und sie zu bitten, ihn weiterzuleiten) und besucht zu dessen Überraschung auch Ghost. Der Besuch verläuft verkrampft, da beide nur über Oberflächliches reden – sie haben den ganzen vorgestrigen Tag miteinander verbracht, aber nun, wo sie miteinander allein sind, befindet sich ihre gemeinsame Geschichte wie eine erdrückende Präsenz im Raum. Star erwägt kurz, Ghost zu askennen, entscheidet sich aber dagegen.

 

Später trifft sie sich mit Meryl im Pizza Planet. Die junge Frau ist immer noch ziemlich angeschlagen und humpelt stark, ist aber gut zusammengeflickt worden. Sie haben eine nette Zeit, und schließlich bittet Star Meryl (unter dem Vorwand, dass sie keine Zeit habe), Cutty seinen Checkstick zu geben, da sie ihn sicher eher sieht. Star verfügt nicht über Prides Fähigkeiten des Aurenlesens, aber über ein feines zwischenmenschliches Gespür, und sie merkt, wie merkwürdig Meryl wirkt. Aus einem Impuls heraus (Stars Ausstrahlung, gekoppelt mit ihren Pheromonen, sorgt nun mal dafür, dass man rasch Vertrauen fasst und sich ihr öffnet) erzählt Meryl von der Valentine-Geschichte mit Cutty. Star hört nach außen ungerührt zu, während ihr immer klarer wird, dass der Samstagabend nicht auf Gators Kappe geht – Cutty hat das geplant, und damit war es eine Vergewaltigung! Unter Aufbietung all ihrer Schauspielkunst meint sie, irgendeine Pizza-Zutat nicht vertragen zu haben, eilt zu den Toiletten und übergibt sich.

 

Dienstag, 13.02.2063

 

Star verbringt den ganzen Tag allein in ihrer Wohnung, ignoriert eingehende Anrufe und igelt sich ein. – sie fühlt sich einfach krank. Immer und immer wieder lässt sie ihre ganze Geschichte mit Cutty Revue passieren. Sie weiß, dass er im Grunde wie ein egoistisches, verzogenes Kind ist, nach dessen wechselnden Launen sich alles zu richten hat, und wenn er seinen Willen nicht kriegt, bekommt er einen Wutanfall. Damit weiß sie schon mehr über ihn als viele andere, doch sein jungenhafter Charme täuscht immer gut darüber hinweg, was für ein narzisstischer Soziopath er ist. Das ist Star in dieser Deutlichkeit noch nicht klar geworden, und auch bei ihr war es stets seine sympathische Ausstrahlung, die sie für vieles Entschuldigungen hat suchen und sie über vieles hat hinwegsehen lassen. Lange hatte sie sich für etwas, für das sie gar nichts konnte (nämlich Cuttys Fixierung auf sie), selbst Vorwürfe gemacht und sich auch seine Ausraster angelastet – denn der arme Kerl konnte ihrer Ansicht nach doch nichts dafür, ihr so verfallen zu sein, er ahnte ja nicht, dass sie genau dafür designt wurde.

 

Star hatte so viel Raum und Zeit wie möglich zwischen sich und alle anderen gebracht, um unbeeinflusst von ihnen einen Weg zu finden, irgendwie damit klarzukommen, dass sie kein echter Mensch ist, sondern nur eine Software, die auf einem anderen Menschen läuft, den sie überhaupt nicht kennt. Damit hatte auch Cutty viel Zeit, sich von ihrer Wirkung auf ihn zu entwöhnen, und er schien sie ja genutzt zu haben mit seiner ersten Langzeitbeziehung, die nach allem, was man so hörte, durchaus ernst zu sein schien. Doch kaum kehrte Star zurück, war auch Cutty wieder ganz der Alte, nur mit dem Unterschied, dass er jetzt zum erbärmlichsten Mittel griff, um sie dazu zu bringen, mit ihm zu schlafen. Sie ist nach extrem schweren Phasen, in denen sie viele Fehler gemacht hat, inzwischen gefestigt genug, zu wissen, dass sie das unter keinen Umständen und um keinen Preis der Welt je wieder tun würde – und er zwang sie dazu, indem er sie unter Drogen setzte.

 

Wenn schon nichts anderes, so hatte sich Star zumindest nicht von ihm bedroht gefühlt, hätte ihm niemals zugetraut, dass er sie vergewaltigen würde. Sich an diesen Samstagabend zu erinnern, an ihre unbändige Begierde, ihre explodierende Geilheit, ihre Ekstase, lässt ihr die Magensäure die Speiseröhre hochwandern. Alles, was bei ihr für ihn an echter Zuneigung vorhanden war, hat er im Handumdrehen ausgelöscht – jetzt sind da nur noch Wut und Ekel.

 

Mittwoch, 14.02.2063

 

Wir sehen Cutty an einer Tankstelle auf dem Bordstein sitzen: Er hält sein Kommlink in der Hand, schaut in den Kontakten auf Stars Eintrag und überlegt, ob er sie anrufen soll, entscheidet sich aber dagegen. Eben gerade haben er und der Dewley Bigelow die orkische Betreiberin zu bequatschen versucht, für die Dewleys eine Ladung zwischenzulagern, obwohl die Orkin von den Techgeists die Order hat, die Finger von anderen Gangs zu lassen, damit sie nicht in irgendetwas hineingezogen werden, von dem sie nicht mal etwas wissen. (Cutty weiß genau, dass diese Tankstelle an einer Techgeists-Strecke liegt, wollte es aber darauf ankommen lassen.) Genervt hat Cutty stattdessen die Emperor getankt, und Bigelow hat sich den Kloschlüssel geben lassen.

 

Cutty denkt sich wie so oft in Rage: Seiner Meinung nach war er schon so respektvoll, Fi Zeit zu geben, diesen großartigen Abend zu verarbeiten und sich über ihre Gefühle endlich klar zu werden, aber verdammt noch mal, der Ball liegt jetzt in ihrer Spielhälfte – sie sollte sich bei ihm melden! Stattdessen Funkstille seit vier Tagen, als hätte der Samstagabend nichts bedeutet!

 

Motorengeräusche werden lauter, aber er ist so sauer, dass er zunächst gar nicht registriert, dass mehrere Motorräder vorfahren – sieben Techgeists, angeführt von der Chefin Elza Walker persönlich. Er hat sie zuletzt im Juni 2061 gesehen, als er es sich endgültig mit ihr verdorben hatte (#016 – WITH FRIENDS LIKE THESE).

 

Elza bleibt wie die anderen Ganger auf ihrer Maschine sitzen und sieht Cutty, der sich unübersehbar genervt erhebt, eiskalt an.

 

Elza: Hast du dich verlaufen, Flintloque?

Cutty (übellaunig): Okay, Einschüchterungstaktik, alles klar. Können wir so tun, als hätten wir das hinter uns gebracht, mir schlottern die Knie, und du hast deinen Leuten gezeigt, wer die Hosen anhat?

Elza: Weißt du noch, was das Letzte war, das ich je zu dir gesagt habe?

Cutty: Hilf mir auf die Sprünge, du weißt doch, ich bin so vergesslich.

Elza: Ich riet dir, dir ganz genau zu überlegen, was du als nächstes sagst.

Cutty: Ist mir völlig entfallen. Ich bin ohnehin schon so gut wie weg.

Er setzt sich in Bewegung zu seiner Emperor, aber einige MPs richten sich sofort auf ihn.

Elza: In Eile, hm? So nicht, mein Freund. Nicht genug damit, dass du dich aufführst, als seist du... jemand, du bist auch noch so verschissen dreist, diese Tankstelle für deine Neandertaler-Kumpels klarzumachen? (Cutty holt Luft, Elza fährt schneidend fort.) Das ist unsere Strecke, und das weißt du verdammt genau!

Cutty: War einen Versuch wert, honto?

Elza: Warum genau denkst du noch mal, dass du mir auf der Nase herumtanzen kannst? Glaubst du, dir kann nichts passieren, weil wir uns schon so lange kennen?

Cutty: Weißt du was? Spar dir den Drek, ich hab's kapiert, Elza gut, Cutty böse! Pfeifst du jetzt deine Ballerinas zurück? Ich hab Besseres zu tun, als mit dir—

 

Dank Reflexbooster und Smartgun liegt schneller, als Cutty schauen kann, Elzas MP in ihrer Hand, und eine Salve trifft ihn in die Brust. Er beginnt erst allmählich zu verstehen, was da gerade passiert ist, und reißt erstaunt die Augen auf. Nach ein paar Sekunden sacken ihm die Beine weg, und er geht zu Boden. Bigelow war im Hintergrund vom Klo gekommen und dann stehen geblieben, als er die Situation erkannte. Deutlich hebt er die Hände.

 

Elza: Haltet euch von unseren Strecken fern. Betrachte das hier als Ausrufezeichen. Kapiert?

Bigelow: Kein Stress, Elza. Ist angekommen.

 

Die Techgeists starten ihre Maschinen und fahren gemächlich davon, und Bigelow eilt zu Cutty, doch der spuckt nur Blut und kann nichts sagen, obwohl er es versucht – alle drei Kugeln haben seine Lunge durchschlagen.

 

Freitag, 16.02.2063

 

Kitsune besucht Ghost in seinem Apartment. Er bleibt im Bett liegen und öffnet die Tür per Sprachbefehl.

 

Kit: I've got bad news.

Ghost: I heard. (Kit tritt ein.) I'd offer you something, but I think it's easier if you helped yourself. Take whatever you like. (Er nickt zum Kühlschrank. Kit nimmt sich einen Softdrink und setzt sich an den Tisch.) How are you doing?

Kit (atmet durch): I'm not sure. I think I haven't quite realized it yet.

Ghost: Give it time.

Kit: We've been through so much. It's hard to imagine him just... not being around anymore. (Sie schweigt eine Weile.) It's much easier for you, I figure. You've never liked him, have you?

Ghost: Not particularly.

Kit: Why?

Ghost: Well... knowing Cutty, I guess he saw himself as some Peter Pan character, the boy who just wouldn't grow up. Very romantic self-perception, if you ask me. He never seemed to take anything seriously. Didn't know his place in the world and banked on charms and sheer luck to get by. I'm amazed he made it this far. One of the luckiest guys I've ever known.

Kit: And yet he was part of the team.

Ghost: He was.

Kit: You don't have to go easy on me.

Ghost: What do you want to hear? I knew you and Fi liked him. Not on professional grounds, but... That alone was reason enough to keep him around, far as team-building's concerned. We needed a good rapport back then. We had to take what we could get anyway, with spellslingers being so fragging rare. Not that he was a horrible runner, he pulled his weight all right. Just wasn't my brand of beer. (Kit sagt nichts.) Doesn't mean I hated him or anything. (Kit schweigt weiter.) How do you feel?

Kit: Asking professionally? Or asking, knowing I... used to like him? (Ghost zuckt eine Achsel und sieht sie nur geduldig an.) Feels like a really long time ago, although it wasn't. Well, long enough, I suppose. Did you talk to anyone else about him?

Ghost: I just heard this morning. It's gonna be tough on Fi. You about to swing by her place, too?

Kit: Next thing. You know how he died?

Ghost: Former buddy of his, right? The Techgeists boss? Apparently on gang business, but I've heard a couple of times before there was bad blood between them. A year ago, they said she really had it out for him. I reckoned back then something might happen. Things seemed to have calmed down, but... you never know.

Kit: You never know.

Ghost: You're not, you know... thinking about doing something, are you?

Kit: I would've assumed you might be thinking about doing something. You're always very concerned about our rep.

Ghost: I'm concerned about our rep being strictly professional. He got zeroed on account of gang business and, from what I hear, a drekload of disrespect on his part. They say he had it coming. Hard to feel offended by any of that.

Kit: What if it had been me?

Ghost: Wouldn't have been you. You're not likely to die because of your own stupidity.

Kit: What if it had been me anyway?

Ghost: What do you want me to say? In the same situation as Cutty, with you bringing holy vengeance down on yourself? No. No, I wouldn't... do something.

Kit (schweigt wieder eine Weile): Tomorrow night there's some kind of... memorial party, if you will, at the Rockin' Chair, hosted by the Dewleys. I don't know if you—

Ghost: I'll be there.

 

Samstag, 17.02.2063

 

Eigentlich soll er sich schonen, aber Ghost will nicht versäumen, Cutty seinen Respekt zu erweisen. Der Rockin' Chair läuft natürlich im Normalbetrieb, aber den hinteren Teil haben die Dewleys für sich und die Trauergäste reserviert. Kit und Fi sind schon da – Ghost würde Fi ganz unbefangen freundschaftlich umarmen, wenn er den Eindruck hätte, dass sie trauert, doch sie wirkt nicht aufgewühlt. Meryl kommt mit Lee an und entschuldigt Stu: Er hat eine Fahrt, die sich nicht verschieben lässt. (Tatsächlich waren seine Worte: "You think I'm gonna reschedule for this fucking idiot?", aber das gehört nicht hierher.) Auch Billy trifft ein. Bis auf sie und Meryl kannte niemand Neona, die von den Dewleys (mit denen sie an Cuttys Seite manchen Abend verbracht hat) wie die trauernde Witwe behandelt wird.

 

Bei Neona hat sich Cutty natürlich ständig ausgekotzt, wie beschissen sich dieser hier und jener dort ihm gegenüber verhalten hat (weil er sich ständig nicht angemessen wertgeschätzt, benachteiligt und übergangen fühlte, was natürlich sein Ego nicht vertrug), und so hatte sie mit dem Schlimmsten gerechnet, aber Ghost und Kitsune stellen sich als wirklich nett heraus. (Über Star hat Cutty nie mehr Worte als unbedingt nötig verloren.)

 

Star kennt Gator noch von früher, auch wenn sie ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie spricht ihn an und meint, Cutty habe vermutlich gar keine Chance gehabt, sich bei ihm für das tolle Überraschungsgeschenk zu bedanken. Sie weiß ohnehin, dass das eine Lüge gewesen war, aber Gators ehrlich ratlose Reaktion bestätigt sie. Sie winkt ab, Cutty habe vermutlich von einem anderen Dewley gesprochen, und sie habe fälschlich angenommen, dass er Gator meinte.

 

Natürlich hat Gator mit Cutty fast nur feuchtfröhliche Abende verbracht und wenig Chancen gehabt, seine wahre Natur kennen zu lernen, also verwundert nicht, dass er ehrlich betroffen von Cuttys Tod wirkt. Dasselbe gilt für ein Dutzend anderer Dewleys, und man merkt: Cutty war hier wirklich schwer beliebt. Star ist nicht überrascht: Auch sie hat ihn sehr lange furchtbar gern gehabt, und wäre der letzte Samstag nicht gewesen, täte sie das sicherlich immer noch. Nun aber funktioniert sie nur automatisch und versucht, sich auf nichts zu lange zu konzentrieren, denn im Grunde möchte sie auf den Tresen springen und die Leute anschreien, ob sie denn nicht wissen, was für ein krankes Schwein der Kerl war, den sie hier betrauern.

 

Unter den Besuchern, die wegen Cutty hier sind, befinden sich auch die Hexe Minerva, Chilicut von der USS Tomahawk und sogar Jinx. Da Cutty das Wolfpack gelinkt hatte, kann es schwerlich jemanden aus seinen eigenen Reihen schicken, aber Jinx als Associate stellt eine diplomatische Lösung dar.

 

Ghost macht das Beste aus der Situation, indem er mit Chilicut ins Gespräch kommt und ihre Nummer ergattert, und wie sich herausstellt, ist sie überhaupt nur deshalb gekommen: um Kontakte zu knüpfen.

 

Nach Absprache mit Ghost tut Star dasselbe mit Minerva, denn auch die Hexe kann sehr nützlich sein. Star merkt, dass die schüchterne Minerva in Cutty verknallt war, und beim Gedanken daran dreht sich ihr schon wieder der Magen um.

 

Meryl kommt mit Jinx ins Gespräch und merkt schnell, dass die Bikerbraut hier nur ihre Anstandszeit absitzt – sie ist in der Tat nicht freiwillig hier, sondern geschickt worden. Natürlich ist sie auf Cutty nicht gut zu sprechen und macht daraus trotz des Anlasses keinen Hehl: Er hat sie ach so ritterlich aus dem Wolfpack "rausgeholt", dann aber sofort jedes Interesse an ihr verloren und sie komplett sich selbst überlassen. Meryl wundert das nicht: Cutty begeisterte sich schnell für Menschen und wurde ihrer ebenso schnell überdrüssig, mal mit (oft eingebildetem) Grund, mal ohne, und daran war er natürlich nie schuld, sondern immer die anderen.

 

Ausgerechnet Neona wird auf Star aufmerksam, als diese mit sich zu kämpfen hat, und hält ihre Art für einen Hinweis darauf, dass sie vor Trauer die Fassung zu wahren versucht. Sie spricht sie kurzerhand an, und auch wenn es absurd ist, schämt sich Star dafür, mit Cuttys eigentlicher Freundin zu sprechen, während sie diejenige ist, die er immer gewollt hatte und mit der er Neona vor einer Woche sogar betrog. Natürlich ist da der Impuls, ihr die Wahrheit zu sagen, doch wem würde das irgendetwas nützen? Neona liebte Cuttys Fassade und hatte nicht genug Zeit, hinter sie zu blicken – vermutlich würde sie Star nicht mal glauben, weil Cutty so charmant war, dass ihm niemand etwas Böses zutraute.

 

Dabei merkt Star, wie sympathisch sie Neona tatsächlich findet: Sie geht offen mit ihren Gefühlen um, hat sie aber unter Kontrolle, ist extrovertiert und frei heraus und wirkt dabei doch charakterlich sehr gefestigt. Ihre Offenheit, mit der Neona anspricht, dass sie Star ansehen kann, wie sehr sie alles mitnimmt, macht es nur noch schwerer, die Fassung zu wahren, und Star kann nicht mehr und bricht in Tränen aus. Neona versteht das dem Anlass entsprechend komplett falsch, umarmt Star und tröstet sie wie eine große Schwester.

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