23 - Before The Fall {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

1370 DR, Year of the Tankard: In der Woodland Lodge in Trademeet warten Fleece, Rhoedry, Jen, Theon, Raif und Kithain auf Ashe, Raveena, Spider und Zhai, die ja von Port Kir aus den Seeweg nehmen mussten. Man weiß nicht, wann sie ein Schiff nach Amn gekriegt haben, das dann obendrein The Race meistern muss, die piratenverseuchte Route um die Halbinsel Velen herum, und dann muss das Quartett ja auch noch von Murann aus nach Trademeet marschieren. Die Tage ziehen also ereignislos ins Land, aber es hat eher den Anschein von der Ruhe vor dem Sturm, denn wahrscheinlich steht ein Krieg mit Tethyr bevor. Nachdem Zaranda auf Grund des Affronts des Council of Six dem Ersuchen von Riatavin und Trailstone stattgegeben hatte, entsandte sie Truppen. Aus Amns Sicht betreten nun also Truppen einer anderen Nation den eigenen Boden, da das Council of Six die Sezession der beiden Städte schließlich nicht akzeptiert. Allerlei Gerüchte machen die Runde, von Truppenaushebungen in ganz Amn bis hin zu einer furchtbaren Serie von Attentaten an den führenden Köpfen von Riatavin und Trailstone, die angeblich auf das Konto der Schattendiebe gehen, aber es ist natürlich schwer, die Wahrheit herauszufiltern. Eines Abends sitzt Fleece in ihrem Zimmer und liest im Kerzenschein, während Rhoedry die Hunde Gassi führt und bei der Gelegenheit Kithain mitgenommen hat, denn das kleine Städtchen ist nachts natürlich viel ruhiger, so dass sich die weltfremde und kulturgeschockte Elfe etwas beruhigter umsehen kann. Als Fleece ein "Pst!" hinter sich vernimmt und erschrocken herumfährt, blickt sie in das lächelnde Gesicht von Jewel. Sie fällt ihr völlig überrascht um den Hals, doch als sich die erste Begeisterung und Überraschung gelegt haben, stellt sich natürlich die Frage, wo die Diebin aus heiterem Himmel plötzlich herkommt; Jewel antwortet mit einer merkwürdigen Gegenfrage:

 

Jewel: Hast du dich nicht gewundert? Als wir uns in Baldur's Gate trennten und Gathalimae, Théah, Tobold und Mace nach Waterdeep zogen, warum ich mich ihnen nicht angeschlossen habe? Einmal in Waterdeep angekommen, hätten sie nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass das nicht meine Heimatstadt ist, dass ich's nie auch nur aus der Ferne gesehen habe.

Fleece: Warum hast du gelogen?

Jewel: Waterdeep klang… Waterdeep war für mich immer der Inbegriff der großen weiten Welt gewesen, und der Ort, an dem sich die Spreu vom Weizen trennt, an dem nur die Besten nach oben kommen. Der Gedanke gefiel mir. Schon immer. (Sie lächelt freudlos.) Und ein Elfling hat gute Chancen, ernster genommen zu werden, wenn er aus der City of Splendors kommt. Dann hat er was drauf. Die Legende von der verwaisten Gossenratte, die es in den dunklen Gassen von Waterdeep zu einem bewunderten Dieb gebracht hat, kennt jeder. Die archetypische Geschichte.

Fleece: Also… woher kommst du wirklich? Die Dales? Ich hatte Recht, nicht wahr?

Jewel (leicht schmunzelnd): Ich hatte mir meinen unauffälligen "Könnte von sonstwo sein"-Akzent wirklich mühsam antrainiert.

Fleece: Aber die Dales scheinen doch immer wieder durch.

Jewel: Ich hatte angenommen, dass ich dich nicht ewig würde täuschen können.

Fleece: Also woher?

Jewel: Daggerdale. Dagger Falls, um genau zu sein.

Fleece (abwartend): Ein aufregendes Fleckchen Erde.

die beiden sehen sich lange an, und in Fleeces Miene findet eine allmähliche Veränderung vom Nichtwahrhabenwollen über einen Verdacht bis zur Gewissheit statt)

Jewel (nickt): Ja. Das ist es.

Fleece (sieht kopfschüttelnd zu Boden, atmet durch, schaut wieder auf und sieht Jewel durchdringend an): Erzähl.

Jewel: Du weißt so gut wie jeder andere Talländer, wie lange die Zhents bereits versuchen, von Daggerdale aus die Dalelands zu kontrollieren. Sie brauchten unauffällige einheimische Spione. Als Kind einer Hin und eines Elfen in einer Menschenstadt war ich in drei Welten zu Hause, kannte die Kulturen, konnte mich in allen dreien bewegen. Ich kannte die Elfengötter meines Vaters, die Hingötter meiner Mutter, und ich lebte entwurzelt unter Menschen und betete zu den ihren. Als Kind wurde ich ausgegrenzt und nicht ernst genommen, weder von den Menschen noch von den Elfen. Ich gehörte nirgendwohin.

     Genau das gefiel dem Werber. Er versprach mir Geld, aber darum ging es mir nicht. Er versprach mir auch Bildung – um die ging es mir. Um Bildung und… und um Anerkennung. Einen Zweck zu haben, eine Aufgabe zu erfüllen, für jemanden wichtig zu sein, gut zu sein in dem, was man tut… Als mir klar wurde, dass das, was ich tat, Leben zerstörte, machte man mir deutlich, dass ich nicht einfach würde aufhören können – sollte ich die Zhentarim im Stich lassen, würde meine Mutter dafür bezahlen. Also machte ich weiter, doch bald darauf flog ich auch schon auf. Randal Morn war auf mich aufmerksam geworden. Er nahm mich gefangen und stellte mich vor die Wahl: Entweder würde ich fortan für ihn die Zhents ausspionieren oder sterben. Also spionierte ich nun für beide Seiten – und es fraß mich auf. Ich lebte in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Der Balanceakt, sowohl den Zhents als auch Morns Rebellen nie zu viel, nie zu wenig zu geben, war unmöglich zu halten. Meine Mutter spürte natürlich die Veränderung, aber sie traute sich nie, zu fragen. Dieser Druck, diese Angst… ich wurde langsam zwischen zwei Mühlsteinen zermahlen. Ich war überglücklich, als sich in Teshwave etwas ergab und ich dorthin geschickt wurde. Ich spionierte zwar immer noch, aber wenigstens nur noch für eine Seite – und weil ich so endlos erleichtert war, nicht mehr zwischen den Fronten zu stehen, störte es mich auch nicht so sehr, dass ich weiterhin Leben zerstörte.

     Durch einen dummen Zufall traf mich einer von Morns Männern, der inkognito in Teshwave unterwegs war, erkannte mich, und das Spiel begann von Neuem. Lange ging es nicht gut. Mehrmals kamen mir die Zhents fast auf die Schliche, und am Ende stand ich mit dem Rücken zur Wand und konnte ihren Verdacht nur zerstreuen, indem ich ihnen Morns Mann ans Messer lieferte. Ich wusste nicht mehr weiter, ich ertrug es nicht mehr, und… und so lief ich davon. Bei Nacht und Nebel kehrte ich nach Dagger Falls zurück und bat meine Mutter um Verzeihung, aber ich konnte nicht mehr. Sie wollte mich zu meinem Vater schicken, aber wir beide wussten, dass das unmöglich war. Also ließ sie mich gehen. (Jewel schluckt hart, fährt aber beherrscht fort.)Das ändert jedoch nichts daran, dass ich sie im Stich ließ. (Sie schweigt sehr lange, und Fleece bringt es nicht über sich, etwas zu sagen.)

     Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist. Ich selbst wusste nicht, wohin. Ich stahl hier ein bisschen, dort ein bisschen, lebte ein paar Jahre mehr schlecht als recht in Yulash, bis mich der Krieg zwischen Zhentil Keep und Hillsfar vertrieb. Ich schlug mich nach Voonlar durch, wo ich die nächsten Jahre verbrachte. Irgendwann wurde ich beim Stehlen erwischt und floh über den North Ride Richtung Süden nach Shadowdale und nahm dort ein Boot den Ashaba runter nach Ashabenford. Erst dort kam ich wirklich zur Ruhe.

Fleece: Und dann lernten wir uns kennen…

Jewel: Dann lernten wir uns kennen.

Fleece: Ich wünschte, du hättest mir all das viel früher erzählt. (Jewel zuckt leicht die Achseln, Fleece schmunzelt leicht.) Ich hatte immer gedacht, wir seien ungefähr gleich alt.

Jewel: Das klingt, als wäre ich fünfzig. (Fleece grinst.) Du und Jethro, ihr wolltet Abenteuer erleben. (Sie lächelt.) Das war so eine herrlich unschuldige Erwartung. Einfach drauflos ins Ungewisse ziehen, sein eigener Herr sein, nicht an morgen denken, niemanden ausspionieren und niemandem Rechenschaft ablegen müssen und dennoch Teil von etwas sein.

Fleece (schüttelt den Kopf, als sie in ihren Erinnerungen kramt): Als Gathalimae und die anderen im Velvet Veil aufkreuzten, warst du es, die Jethro und mich beschwatzte, Kontakt aufzunehmen und uns ihnen anzuschließen.

Jewel: Ihr wolltet es doch genauso.

Die beiden lächeln einander unsicher an, als sie an damals denken.

Fleece: Dann hätte eigentlich alles gut sein müssen.

Jewel: Ja…

Fleece: Warum hast du dann immer davon gesprochen, nach Waterdeep "zurückzukehren"? Warum hast du uns verlassen, und wohin in Shaundakuls Namen bist du eigentlich gegangen?

Jewel: Erinnerst du dich, vor vier Jahren in Cormyr, als Loras der getürkte Brief Adhemars an seinen Bruder in die Hände gefallen war?

Fleece (runzelt die Stirn, da sie nicht weiß, worauf Jewel hinauswill): Ja.

Jewel: Als ich nach Suzail zurückkehrte, in die Schwarze Ratte, um Nimbul wissen zu lassen, dass mit seinem Namen Schindluder getrieben wurde? Du weißt schon, der—

Fleece: Der elfische Dieb und Attentäter, ich weiß.

Jewel: Als ich auf ihn wartete in dem leeren Schankraum, fragte ich mich, wie es wohl sein muss, es so weit gebracht zu haben, und das ohne einen Herren, ganz allein aus eigener Kraft. Und plötzlich war er da und sprach mit mir. Nannte mich sein kleines Juwel. Sagte, dass ich das Zeug dazu hätte, eine der ganz Großen im Geschäft zu werden. Ich hatte das nie vergessen können. Und dann, vor drei Jahren im Frühling, als sich die Diebesgilde von Baldur's Gate und die Händlerliga gegen den Eisernen Thron zusammenschlossen? Wir wurden in diese Lagerhalle geführt, und im Gebälk saß jemand, der uns erklärte, dass Giliath im Cloakwood Forest festgehalten wurde – und er nannte mich sein kleines Juwel. Ich wusste genau, es war Nimbul, ich hatte die Stimme wiedererkannt.

Fleece: Ich hab dir damals schon gesagt, dass es sehr unwahrscheinlich—

Jewel: Und ich habe dir gesagt, dass ich jede Stimme wiedererkenne, die ich einmal gehört habe. Es war Nimbul. (Jewel atmet durch und ordnet ihre Gedanken.) Ich kehrte allein dorthin zurück und bat um eine Unterredung mit ihm. Nach einigen Tagen war er bereit, mich zu empfangen, und er stellte mich vor die Entscheidung: Was war mir wichtiger? Mich zu vervollkommnen – oder meine Freunde? Er war nicht willens, mich unter seine Fittiche zu nehmen, wenn ich mir nicht selbst darüber im Klaren war, was ich wirklich wollte. Ich sagte zu… und noch am selben Abend erzählte ich dir erstmals, dass ich in absehbarer Zeit nach Hause würde zurückkehren müssen.

Fleece (verwirrt): Aber du tatest es nicht. Du sagtest es zwar hin und wieder, aber du tatest es nicht. Dann hast du es allen angekündigt – und bliebst dennoch.

Jewel: Weil ich hin- und hergerissen war. Weil ich die einzigen Freunde, die ich auf der Welt hatte, nicht verlieren wollte. Weil ich nicht sicher war, ob es dieses Opfer wert sein würde.

Fleece: Aber letzten Endes haben wir dich dann doch zum Schiff nach Norden begleitet. Was gab den Ausschlag für deinen Entschluss, zu gehen?

Jewel (schweigt kurz): Als Gathalimae herausgefunden hatte, dass in der Gruppe ein Verräter sein Unwesen trieb, fiel ihr Verdacht sofort auf mich. Warum?

Fleece (etwas verwirrt vom Themawechsel): Du bist eine Diebin. Sie dachte wahrscheinlich—

Jewel: Weil ich eine Diebin bin, fiel ihr Verdacht auf mich und nicht etwa zum Beispiel auf Spider? Nein.

Fleece: Worauf willst du hinaus?

Jewel: Ich hatte mir diese Frage immer gestellt, von kleinauf. Der da, diese Bemerkung, die er hat fallen lassen – weiß er etwas über mich, habe ich mich verraten? Die da, die sieht mich so merkwürdig an – ahnt sie, dass ich eine Spionin bin? Den größten Teil meines Lebens habe ich Angst davor gehabt, enttarnt zu werden. Und kaum schließe ich mich dieser Gruppe an, bin ich die erste Verdächtige, als herauskommt, dass sich ein Verräter in ihr befindet?

Fleece: Jewel…

Jewel: Du weißt nicht, wie das ist, wenn du dazugehören möchtest, aber um jeden Preis deine dunklen Geheimnisse verbergen musst. Ich habe mich so für sie geschämt, sie so lange mit mir herumgetragen und niemandem anvertraut, und doch hatte ich das Gefühl, als könne sie mir jeder an der Nasenspitze ansehen. Gathalimae. Théah. Und vor allen Dingen Spider.

Fleece: Spider?

Jewel: Vergiss nicht, er war ein Zhentilar. Er weiß, wie die Organisation funktioniert. Und er wusste über mich Bescheid, die ganze Zeit.

Fleece: Aber das ist doch Unsinn, dann hätte—

Jewel: Wir sprechen über Spider. Ich bin felsenfest davon überzeugt, er wusste es. Blicke… zweideutige Bemerkungen… er wusste es.

Fleece: Er hat nie irgendetwas in der Richtung erwähnt, das versichere ich dir.

Jewel: Aber er hätte es gekonnt, Fleece, jederzeit. Du kannst dir nie sicher sein, was in ihm vorgeht, warum er tut, was er tut – und ob und wann er es wird. Meine Angst, dass meine Vergangenheit ans Licht kommt, wuchs und wuchs. Wir alle waren jeden Tag zusammen, und ich fragte mich ständig, ob ich mich durch diese oder jene Kleinigkeit verraten haben könnte.

Fleece: Hättest du uns reinen Wein eingeschenkt, dann—

Jewel: Wie stellst du dir das vor, Fleece? Hätte ich euch erzählt, dass ich zuvor eine Spionin für die Zhents gewesen war, wäre doch jeder überzeugt gewesen, dass ich damit auch der Verräter sein musste – man brauchte doch nur eins und eins zusammenzuzählen. Hättet ihr mir meine Unschuldsbeteuerungen dann noch geglaubt? (Jewel wartet auf eine Antwort, doch Fleece schweigt.) Ich fühlte mich bald selbst wie dieser mysteriöse Verräter. Um genau zu sein, fühlte ich mich wie damals in Dagger Falls und Teshwave. Ich ertrug den Druck nicht mehr, die Heimlichtuerei, die Angst davor, mich aus Unachtsamkeit mit einer Bemerkung zu verraten. Lieber wollte ich euch verlassen, als als dreckige Zhent-Spionin dazustehen, der man nicht trauen kann. Diese Blicke der Enttäuschung…

Fleece (seufzend): Jewel...

Jewel: Also ging ich. Waterdeep vorzuschieben, meine angebliche Heimat, war bequem, denn es war ja niemand von euch je zuvor dort gewesen. Ich winkte euch von Bord aus zu, ging dann zur anderen Seite des Schiffes, ließ mich an einem Seil herab und stieg ins wartende Boot, das mich wieder zum Kai zurückbrachte. Ihr winktet dem Schiff hinterher, und ich… ich beobachtete euch von der Kaimauer aus.

Fleece: Du bist im Gate geblieben?

Jewel: Die ganze Zeit.

Fleece: Wegen des Mannes, den du für Nimbul hieltest? Du hast dich von uns verabschiedet, als sähen wir uns vermutlich nie wieder, und warst nur ein paar Straßen entfernt? Wegen eines Mannes, mit dem du vor vier Jahren ein paar Worte gewechselt und den du noch nicht einmal gesehen hattest?

Jewel: Fleece, er war für mich, was Storm Silverhand für dich ist. Stell dir vor, du begegnetest ihr, und sie ließe dich wissen, dass sie für dich eine große Zukunft sieht. Wie gut bist du wirklich? Und wie gut kannst du werden?

Fleece: Das hat doch damit nichts—

Jewel: Doch, das hat es.

Fleece: Warum hast du uns wirklich verlassen, Jewel? Weil du Angst vor der Entdeckung hattest, oder weil wir dich in deiner Karriere behinderten?

Jewel: Ein Ziel zu haben, das mit euch nichts zu tun hatte, machte es mir leichter, loszulassen und endlich zu gehen. Erzähl mir nicht, du würdest eine Aufnahme in diese Bardenhochschule in Waterdeep—

Fleece: New Olamn.

Jewel: ... eine Aufnahme in New Olamn ausschlagen, wenn du die Chance hättest, von Storm höchstpersönlich unterwiesen zu werden. Fleece, du kannst, indem du deine Fähigkeiten einsetzt, sehr gut werden, aber weißt du, wie gut du werden könntest, wenn einer der Allerbesten sich deiner annimmt? Ich habe dir gegenüber nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie wichtig mir das immer gewesen ist.

Fleece (schnippisch): Wenn deine Diebeskarriere so verdammt wichtig ist, dass alles andere daneben verblasst, warum kehrst du jetzt zu uns zurück?

Jewel: Weil ihr meine Freunde seid. (Die beiden sehen sich an, Fleece entgegnet nichts.) Ich habe in den letzten beiden Jahren viel gelernt. Dinge, die ich woanders nie gelernt hätte, Dinge, die mir vielleicht nur zehn Lehrmeister in ganz Faerûn hätten beibringen können. So oft hatte ich mir gewünscht, das mit jemandem teilen zu können. Aber es liegt nun mal in der Natur der Sache, dass der Dieb stets auf sich allein gestellt ist, auf niemanden angewiesen sein darf. Ich bin eine Diebin, von ganzem Herzen und aus tiefster Überzeugung, und ich hege absolutes Vertrauen in meine Fähigkeiten und mein Glück, so wahr Mask und Tymora meine Zeugen sind. Aber ich bin auch eine Frau, die ihre Freunde braucht. Ich bin nicht wie Nimbul, Fleece. So wichtig sie mir ist, füllt mich meine Berufung doch nicht vollends aus.

     Ich hätte bleiben können. Es gab und gibt immer noch so unglaublich viel zu lernen. Das Elfenblut in mir ist so viel stärker als das meiner Mutter, und Nimbul hatte das erkannt. Er wusste, ich würde meine menschlichen Zeitgenossen überleben, und um seine Fähigkeiten zu erlangen, muss man das. Ich weiß nicht, wie viele Jahre mir Corellon und Yondalla zugedacht haben. Anderthalb Jahrhunderte? Mindestens. Zwei? Mehr sogar? Doch ich bin jung, und ich lebe jetzt. Was nützt es mir, meine Talente vervollkommnet zu haben, wenn meine Freunde längst ihre Enkel auf dem Schoß wiegen? Zwei Jahre in Ravenscars Gilde haben mir gezeigt, dass meine Fähigkeiten nicht alles sind, das mir wichtig ist.

Fleece: Du hast alle Brücken hinter dir verbrannt?

Jewel (schmunzelt leicht): Nein. Zuerst hatte ich angenommen, dass ich eine... nun ja, eine Ausbildung wie jede andere absolvieren würde, du weißt schon. Aber dazu war Nimbul nicht bereit. Er machte von vornherein klar, dass er mir nicht alles in kurzer Zeit beibringen werde, wie es alle anderen halten. Jede einzelne Lektion beanspruchte Tendays, Monde sogar, tagein, tagaus tat ich immer und immer wieder dasselbe, und erst, wenn ich die Lektion im Schlaf beherrschte, folgte die nächste. Es ist unglaublich fordernd und erschöpfend, aber es trennt auch diejenigen, die sich der Kunst voll und ganz hinzugeben bereit sind, von denen, die einfach nur rasch ihr Handwerk erlernen wollen, um schnell zu Geld zu kommen. Die, die einfach nur darauf aus sind, zu lernen, wie man teure Spezialschlösser knackt, um reiche Adlige zu bestehlen, halten nur ein paar Tage durch.

Fleece: Wenn ich jemandem eine solche Disziplin zutraue, dann dir, aber... hat dich das nicht erschreckt?

Jewel: Ja. Und nein. Ich wollte es um jeden Preis, verstehst du, und mir war klar, dass eine Ausbildung bei Nimbul ungleich härter sein würde als die, die mir die Straßen von Dagger Falls erteilt hatten. Ich war mir nur nicht sicher, wie lange ich durchhalten würde. Die ersten Monde waren so furchtbar, dass ich mehrmals so kurz davor stand, aufzugeben, glaub mir. Aber diese Art zu lernen schult deine Disziplin ganz, ganz ungemein, und wenn ich bedenke, wie ich herumgepfuscht habe, bevor ich bei Nimbul in die Lehre ging... (Sie schnaubt lächelnd.)

     Doch tief in mir drinnen änderte es auch alles. Ich erkannte, dass Nimbul nicht gelogen hatte, als er sagte, es würde ein halbes Menschenleben dauern, bis er bereit sei, sein letztes Wissen mit mir zu teilen. Zuvor hatte ich angenommen, das sei übertrieben gewesen, um meine Entschlossenheit auf die Probe zu stellen. 'Ach, ein paar Jahre, und dann sehe ich meine Freunde wieder.' Aber so lange? Als ich es nicht mehr aushielt, trat ich mit zitternden Knien vor Nimbul hin und erklärte ihm, dass ich gehen würde. "Bist du sicher?" fragte er mich, und seine Stimme war so scharf wie eine Klinge. Da war ich überzeugt, dass ich nie zu ihm würde zurückkehren dürfen, aber ich bejahte. "Nein, mein kleines Juwel, du verstehst nicht", flüsterte er. "Bist du sicher?" Jetzt nahm ich nicht mal mehr an, lebend den Raum zu verlassen, aber ich riss mich zusammen und bejahte erneut. Was es wohl für die letzten zwei Jahre und meine Ausbildung bedeuten würde, wenn ich jetzt ginge, wollte er wissen. Ich erklärte ihm, dass mir das Erlernte zwar in Fleisch und Blut übergegangen war, doch wirklich angewandt hatte ich es noch nicht. Ich hatte stets nur getan, was man mir aufgetragen hatte, aber zu einer Diebin machte mich das nicht. Gefahren, die niemand für mich vorbereitet und auf mich zugeschnitten hat, müsse ich trotzen, sagte ich. Probleme lösen, die niemand ersonnen hat und die Lösungen erfordern, auf die noch niemand gekommen ist. Da zog Nimbul seinen Dolch, legte ihn ganz beiläufig auf den Tisch neben sich und fragte so kalt, dass die Luft zu gefrieren schien: "Das ist deine Überzeugung? Bist du sicher?" Jetzt war ich mir nur noch einer Sache sicher: dass ich euch nie wiedersehen würde. Aber für einen Rückzieher war ich bereits zu weit gegangen, ich musste meinen Weg zu Ende gehen. "Ja", sagte ich, "ich bin mir sicher." – "Das solltest du auch", antwortete er.

Fleece: Er hat dich auf die Probe gestellt – deine Überzeugung und deinen Willen.

Jewel: Natürlich, ich sitze ja hier, nicht wahr, also muss es wohl so gewesen sein. Aber du hättest an meiner Stelle auch mit deinem Leben abgeschlossen, hättest du ihm gegenübergestanden. Im Rückblick klingt das so deutlich, nicht? Aber es war alles andere als das. Wie dem auch sei, auf diesen Punkt hatte Nimbul hingearbeitet. Ohne Disziplin übersteht seine Ausbildung niemand, aber er will ja keinen willenlosen Zögling heranzüchten, der ihm aufs Wort gehorcht, sondern einen Dieb mit einem eigenen Kopf, einen Dieb, der die Konsequenzen seiner Entscheidungen akzeptiert. Wie sich herausstellte, war Nimbuls Ausbildung auf ein halbes Menschenleben ausgelegt, weil er Wanderschaften eingeplant hatte, in denen man das Erlernte in die Tat umsetzt und erst dann in die höheren Mysterien vordringt – und die nächsthöheren und so fort. So halten es die Steinmetze ja auch. Ich fragte ihn, ob er nicht enttäuscht von mir sei, dass ich mich, obwohl er mich zur Einzelgängerin erzogen hatte, nach meinen Freunden sehnte. Er entgegnete, mit euch zu reisen, würde Herausforderungen versprechen, und nur aus diesen gewinne man Erfahrung. Was meine Beziehung zu euch betraf, meinte er, ich würde wohl auf die harte Tour lernen müssen, dass ich mich auf niemanden verlassen kann.

Fleece (zieht die Augenbrauen hoch): Wie nett.

Jewel (zuckt die Achseln): Jedenfalls war er zwar nicht begeistert, dass ich jetzt schon gehen wollte – er hätte mich noch ein, zwei Jahre dabehalten –, aber da ich meinen Entschluss bereits gefasst hatte, machte es auch keinen Sinn, zu bleiben, wenn mein Herz längst woanders war. Er meinte, er habe den Grundstein gelegt. Sollte ich die Herausforderungen, die die nächsten Jahre für mich bereit halten, überleben, möge ich zurückkehren.

Fleece: Und dann wieder ein paar Jahre Ausbildung, ein paar Jahre Wanderschaft?

Jewel (nickend): Hm-hm.

Fleece (sieht Jewel eine Weile lang an): Warum erzählst du mir jetzt die Wahrheit?

Jewel: Weil ich in den letzten beiden Jahren viel über mich gelernt habe. Ich bin, wer ich bin, Fleece. Als Kind hatte ich eine Wahl, und ich hatte für viele Menschen die falsche getroffen – aber die richtige für mich. Damit muss ich leben. Und ich muss dafür die Verantwortung übernehmen. Das bedeutet nicht, dass ich nach Daggerdale gehen und mich Randal Morns Urteilsspruch stellen werde, aber—

Fleece: Sag nicht, er hat…?

Jewel: Doch, letztes Jahr. Daggerdale hat die zhentischen Besatzer vertrieben, Randal ist der rechtmäßige Lord of the Dale.

Fleece (klatscht in die Hände): O gütiger Ilmater, das ist ja wundervoll! Hier unten bekommt man so wenig mit von daheim. (Sie hält inne.) Entschuldige. Hättest du mich an dieser Stelle unterbrochen, hätte ich dir die Fleckenpest an den Hals gewünscht. Du übernimmst die Verantwortung für deine Vergangenheit, sagtest du.

Jewel: Ja. Das bedeutet, dass ich aus ihr kein Geheimnis mehr machen darf, zumindest nicht denen gegenüber, die mir etwas bedeuten. Masks Dogma der Verhüllung mag das Leben einfacher machen, aber Freundschaft erträgt nur ein gewisses Maß davon.

Fleece (verträumt lächelnd): Ich hatte nicht geglaubt, dich je wiederzusehen. (Lebhafter, als ihr etwas einfällt:) Wie hast du uns eigentlich gefunden?

Jewel (lächelnd): Ich wusste ja, dass ihr nach Amn gereist wart. Eines schönen Tages vertraute ich also Tymora die Entscheidung an: Im Gate bleiben oder nach euch suchen?

Fleece (lachend): Du hast deine Münze geworfen?

Jewel (grinsend): Wie immer. Dass ich mich dafür entschied, aufs Geratewohl nach Amn zu reisen, amüsierte Nimbul. Ich hatte gestohlen wie eine Elster und ein kleines Vermögen angehäuft. Hätte ich nicht neun von zehn Teilen an die Gilde abgeben müssen, wäre ich jetzt reich, glaub mir. Geld war jedenfalls nicht das Problem. Warum ich mir aber einbilde, euch ausfindig machen zu können, fragte er. Ich erklärte ihm, dass, wenn Tymora es will, sie mir schon den rechten Weg weisen wird – denn schließlich ruhte ja ihr Segen auf meinem Vorhaben. Davon hielt er nicht besonders viel. (Sie grinst.)

     Er gab mir die Adresse einer in der Nähe von Imnescar lebenden Magierin. Also schloss ich mich einer Karawane den Coast Way hinab an. Ich wusste, meine Chancen, euch zu finden, waren selbst mithilfe der Magierin verschwindend gering, aber ich vertraute auf Tymoras Lächeln. Und siehe da, an dem Tag, an dem die Magierin einen Blick in ihre Glaskugel warf, lächelte Lady Luck mir zu. Wir sahen euch von einem elfischen Rastposten tief im Wald aufbrechen. Die Magierin erkannte die Twin Towers of Tethir, und sie sah auch, dass ihr auf dem Trade Way den Weg Richtung Norden eingeschlagen hattet. Das konnte nur bedeuten, dass Trademeet euer nächstes Ziel sein würde – von Imnescar aus ein Katzensprung. Euch hier zu finden, war ein Kinderspiel.

 

Während des nun folgenden Vorspanns werden Ashe, Raveena, Spider und Zhai auf ihrer Reise abseits der Straßen gezeigt, fort von der fruchtbaren Küste und in bewaldetere Regionen hinein (Jpg 23001-23017).

 

Jewel lernt in den nächsten Tagen Rhoedry und Kithain kennen und nimmt auch sehr erstaunt zur Kenntnis, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Fleece und Jen gewandelt hat.

 

Schnitt auf einen staubigen und in schmuddelige "Freizeitkleidung" gehüllten Cordian Tarbeck (Jpg 23018-23020), von dem sich der Zuschauer zunächst fragen muss, inwieweit er für die Handlung relevant ist. Er sitzt in einer trotz des grellen Tageslichts dunklen Kaschemme, die von raubeinigem Volk frequentiert wird, und löffelt billigen Eintopf, während Elminster erzählt, dass sein Vater Silas Tarbeck ein anerkannter Priester Helms war. Die Kirche Helms ist in Amn bekanntlich in den Überseehandel mit Anchorome eingebunden, und von jeher war es Cordians Kindheitstraum gewesen, dieses fremdartige Land einmal mit eigenen Augen zu sehen, von dem ihm sein Vater so glühend berichtet hatte. Schon früh trat Cordian zur Freude seines Vaters der Kirche Helms bei. Leider lag ihm der unbedingte Gehorsam nicht so stark im Blut wie seinem Vater – und ein leichter Hang zu persönlichem Ruhm war ihm ebenfalls zu eigen –, und so geriet er dann und wann mit seinem Vorgesetzten aneinander. Stets bemühte er sich aktiv darum, dem Überseehandel zugeteilt zu werden, doch natürlich entscheiden ganz andere darüber, wo ein kleiner Priester seinem Gott am besten dienen kann. An einem folgenschweren Tag, den er noch heute bereut, platzte ihm in einem Gespräch mit seinem Vorgesetzten der Kragen, und dieser verurteilte ihn zum Strafdienst, der Karawanenbewachung auf der sehr sicheren Gem Road zwischen Keczulla und Esmeltaran – und diesen denkbar wenig herausfordernden, undankbaren, langweiligen Dienst übt er nun schon seit zehn Jahren aus, und vermutlich wird er das bis an sein Lebensende tun. An manchen Tagen ist er niedergeschlagen und schicksalsergeben, an anderen legt er eine "Euch zeig ich's schon noch!"-Attitüde an den Tag und sucht – natürlich erfolglos – nach einer Möglichkeit, sich der Kirche zu beweisen. Als Elminster fertig ist, tritt auch schon ein Kamerad an Cordians Tisch und sagt ihm, er solle sich fertig machen, man rücke noch heute ab.

 

Die vier Nachzügler erreichen endlich die Woodland Lodge, und Jewel, die von Fleece in den vergangenen Tagen ausführlich über die letzten zwei Jahre informiert worden ist (und Junge, was Jewel alles verpasst hat!), lernt nun auch Ashe und Zhai kennen. Sie verhält sich so aufgeschlossen wie möglich, doch als Halbelfe hat sie es nicht leicht, eine Halbdrow anzuerkennen, gleichwohl sie sich darum bemüht, fair zu sein. Zhai bleibt ihrerseits auf Abstand und fragt, ob sie dieses neue Gesicht als vollwertiges Gruppenmitglied akzeptieren soll, obwohl sie es gar nicht kennt, was wiederum Fleece wurmt, die mit Jewel ja schon viel erlebt hat. Nun aber ist es nach erheblichen Ablenkungen endlich an der Zeit für Ashe, Raziels nächste Spur zu erläutern.

 

Ashe: Das Ei des Dorevar.

Alles schweigt, weil man mehr erwartet, doch Ashe sieht nur zufrieden in die Runde – vermutlich aber vielmehr, weil er es geschafft hat, dabei nicht zu stottern.

Jen (zieht eine Augenbraue hoch): Das Ei des Dorevar.

Ashe (nickt kräftig): D-d-d-das war's.

 

Ashe hat von Raziel letztlich nur erfahren, dass Dorevar, ein Eremit, der in den Small Teeth lebte – wann, weiß er nicht –, ein Ei besitzt, und dieses soll den Weg zum nächsten Schlüssel weisen. Nun ja, das haben mehr oder wenige alle bereits gewusst, sind aber davon ausgegangen, dass Ashe, wenn es soweit ist, mehr dazu erzählen würde. Schon kann sich Jewel nützlich machen, und so treibt sie sich in den nächsten Tagen in Trademeet herum, um mit Gather Information herauszufinden, ob hier irgendjemand etwas mit dem Namen Dorevar anfangen kann – denn die Small Teeth sind schließlich verdammt groß.

 

Über die verschiedensten Informationen, manche davon absurd, manche davon vielleicht zutreffend, gerät die Gruppe nach langer Suche an einen in den Small Teeth einheimischen Führer (Jpg 23021), der sie in die Berge bringt (Jpg 23022-23034). Als man an einem lange aufgegebenen Wachturm sein Lager aufschlägt, geraten Jewel und Ashe in ein Streitgespräch über Ashes Profession. Damit spricht Jewel natürlich vielen aus dem Herzen, doch Ashe läuft zu leidenschaftlicher Hochform auf, wird aber auch wütend, weil er wegen seines Stotterns nicht so gut argumentieren kann, wie er gerne möchte. Das wiederum wirkt sich auf den Ton der Unterhaltung aus, bis Jen ein Machtwort spricht und Nachtruhe verordnet. Die Kamera zeigt den eingeschüchterten mitreisenden Führer, der von Ashe zu Zhai zu Spider sieht und sich wohl wünscht, diesen Auftrag nie angenommen zu haben, während Elminster aus dem Off darauf hinweist, welches Schicksal seinerzeit Fergal Freeborn widerfahren war.

 

Da der Führer das letzte Mal vor vielen Jahren hier war, findet er die Hütte nicht auf Anhieb – und wie sich herausstellt, ist sie auch nur noch eine Ruine. Windschiefe Holzwände machen das Betreten zum Spiel mit Leib und Leben, da das Dach jederzeit einbrechen könnte. Ausgiebiges Suchen lohnt sich aber eh nicht, da außer etwas zusammengestürztem Mobiliar und Splittern von Tongeschirr keinerlei Einrichtung zu erkennen ist. Fleece fragt den Führer nach dem nächsten Hillfort. In Hillfort Ishla (Jpg 23035-23039) lässt sie sich erklären, dass der Eremit Dorevar schon vor vielen Jahren das Zeitliche gesegnet hat. Der aus noblem Hause stammende Garnisonskommandant des Hillfort Ishla, Hylar Penderrin, hatte seine Besitztümer beschlagnahmt. Vor ein paar Jahren hat er sich in Esmeltaran zur Ruhe gesetzt. Also trennt sich die Gruppe von ihrem Führer und hält sich gen Norden, um die Straße nach Gambiton und schließlich nach Esmeltaran zu nehmen (Jpg 23040-23049).

 

Esmeltaran ist genauso bezaubernd, wie man es in Erinnerung hat (Jpg 23050-23071). Um der guten alten Zeiten willen steigt die Gruppe im riesigen und nach wie vor gut besuchten Golden Sands Inn ab (Jpg 23072-23074) und lässt es sich gut gehen, denn die weitere Arbeit übernehmen Jewel und Fleece – schließlich gilt es herauszufinden, wo Penderrin wohnt und was für ein Typ er ist. Da Esmeltaran eine große Stadt ist, wird das seine Zeit dauern, also richtet man sich auf ein paar Tage Aufenthalt ein. Fleece übernimmt diese Aufgabe sogar sehr gern, da sie so Esmeltaran kennen lernen kann (in #13 – SHADOWS OF AMN war ihr das ja nicht vergönnt gewesen). Ashe macht es ebenso nervös, wieder in Amn zu sein, wie es Dexter nervös macht, sich in Waterdeep aufzuhalten, doch hat Ashe mehr Grund dazu: Die Blacktydes kochen nur mit Wasser, aber Karthak gehört zu den Cowled Wizards, die landesweit die Benutzung von Magie registrieren – wer weiß, was für Tricks er in petto hat, wenn es um das Auffinden Ashes und insbesondere Raziels geht?

 

Was eben diesen betrifft, so erlaubt sich der gut aufgelegte Scherzbold Raif einen kleinen Streich. Allen ist aufgefallen, wie sehr Ashe an dem Totenschädel hängt, dass er ihn nicht einfach nur im Gepäck transportiert, sondern ständig um sich hat, ihn bei jeder Gelegenheit in der Hand hält oder ihn abends bei der Einkehr auf den Tisch stellt (dass er das tut, weil Raziel mitkriegen will, was um ihn herum vorgeht, weiß ja niemand). Raif schnappt sich Raziel also, als Jen den stocksteifen Ashe auf die Tanzfläche schleppt, um ihn etwas aufzulockern, und tränkt ihn draußen bei der Latrine in Pferdeurin. Die anderen verdrehen die Augen, amüsieren sich aber insgeheim auch prächtig. Als Ashe zurückkehrt, klärt ihn Raziel natürlich sofort auf. Man fragt sich zwar, wie Ashe so schnell darauf gekommen ist, muss aber auch erneut feststellen, wie bitter ernst ihm dieser Totenschädel ist, und dass er in dieser Hinsicht keinerlei Spaß versteht.

 

Während sich die Gruppe in Esmeltaran amüsiert, blickt Hillfort Ishla, das bereits in #13 – SHADOWS OF AMN von den Goblinoiden heimgesucht wurde, seinem Ende entgegen: Konzentriert und planmäßig fallen Goblins (darunter auch Käfer- und Worgreiter), Hobgoblins, Oger, Ettins und Hügelriesen über das Fort her (Jpg 23075-23112).

 

Am dritten Tag des Aufenthalts in Esmeltaran steigt auch Cordians Söldnerkompanie im Golden Sands Inn ab, bei dem es sich schließlich um die erste Adresse für Karawanenpersonal und Söldner handelt. Auf dem riesigen Gelände mit all den vielen Menschen kann unmöglich jeder jedem über den Weg laufen, doch ihm fällt unter anderem schon wegen ihrer Statur Jen auf, die er ein paar Sekunden zu Gesicht bekommt.

 

Am selben Abend kommt Fleece gerade wieder zurück und lässt sich von ihren besorgten Gefährten berichten, dass heute eine Söldnerkompanie eingetroffen ist. Fleece nimmt sich vor, dem nachzugehen, berichtet aber erst mal, dass sie und Jewel Penderrins Haus ausfindig gemacht haben. Jewel ist dort geblieben, sitzt in einer offenen Taverne auf der anderen Straßenseite und wartet auf die Dunkelheit. Sie trinkt Tee, beobachtet die Menschen und das Treiben und wartet engelsgeduldig. Als die Taverne schließt, wartet sie noch etwas, da immer noch der eine oder andere Heimkehrer unterwegs ist. Als sie sich aber bereit macht, langsam rüberzuschlendern, erspäht sie unter dem Vordach von Penderrins Haus Bewegungen – da bricht jemand ein...

 

Jewel wartet ab, klettert dann selbst an der Fassade hoch und belauscht durch das geöffnete Fenster die Vorgänge drinnen. Die Einbrecherin hatte es wohl von vornherein auf diesen Raum abgesehen, denn sie kramt nur in diesem herum und murmelt nervös vor sich hin, wo das verdammte Ding denn sei. Als sie es gefunden hat, klettert Jewel wieder hinab, verbirgt sich im Schatten und verfolgt die Diebin durch die halbe Stadt, bis sie eine kleine Taverne erreicht. Offenbar hat man einen Deal mit dem Wirt gemacht, der bis eben hinter seinem Tresen auf einem Stuhl geschlafen hatte und nun aufschließt. Jewel kann natürlich schlecht auch hineingehen, also beobachtet die Diebin durchs Fenster nun im Licht eine attraktive Frau (Salma Hayek, Jpg 23113-23125), die sich zu einer an einem kleinen Tisch wartenden nicht minder attraktiven Frau (Kate Beckinsale, Jpg 23126-23142) gesellt. Jewel muss draußen warten, bis die beiden die Taverne verlassen, bekommt so aber leider von dem Gespräch nichts mit. Sie kann nur beobachten und stellt fest, dass die rassige Südländerin sehr aufgeregt zu sein scheint, während ihr Gegenüber skeptisch und schroff wirkt.

 

Rhoedry sitzt im Mondlicht draußen unter der Überdachung und betrachtet die Sterne. Fast lautlos nähert sich Kithain und fragt ihn, ob er nicht schlafen könne. Man redet über dies und das, kommt aber auf das Thema, das sie verbindet – sie sind weit weg von daheim, und nur die Sterne sehen von überall auf Toril gleich aus. Als Kithain ihn fragt, wo er herkommt und was ihn in die Gruppe verschlagen hat, erzählt er frei heraus, dass er auf Gwynneth in einer einfachen Familie aufgewachsen ist, die vom Jagen und Fischen lebte. Als Jüngling von 16 Jahren – also vor etwa 20 Jahren – hatte er sich in Aegwynn verliebt, die Tochter der reichsten und mächtigsten Witwe des Dorfes, doch diese war strikt gegen eine Heirat. Rhoedry war bereit gewesen, seine Familie hinter sich zu lassen und mit Aegwynn wegzulaufen, und sobald er diesen Entschluss gefasst hatte, wartete er auf eine günstige Gelegenheit. In einer stürmischen Nacht, in der der Dorfrat abgehalten wurde, wartete er hinter einer Böschung, bis Aegwynns Mutter das Haus verließ, schlich sich hinein und sprach die vor dem Kaminfeuer strickende Aegwynn an und bat sie, mit ihm fortzugehen. Als sie aufstand und sich umdrehte, war es zu Rhoedrys Erschrecken Aegwynns Mutter, die auf ihn losging und ihn anbrüllte, sofort sein Haus zu verlassen. Aus einem Reflex heraus schubste er sie, und sie stürzte hintenüber mit dem Kopf ins Kaminfeuer. Ihr Haar fing Feuer, sie schrie wie am Spieß, und Rhoedry versuchte die Flammen mit einer Decke zu ersticken. Aber er war so aufgeregt, dass er ganze Arbeit leistete und auch Aegwynns Mutter erstickte, denn als er die Decke fortnahm, war sie tot. In Panik rannte Rhoedry zum Ufer, sprang in ein Fischerboot und ruderte auf die stürmische See hinaus – ohne Proviant, ohne Plan, ohne nachzudenken. Als ihm klar wurde, was er getan hatte, nahm er an, die See würde ihn strafen und verschlingen, doch wie ein Wunder kenterte die Nussschale nicht. Zwei Tage lang trieb er ohne Wasser und Nahrung auf hoher See, bis er das unverschämte Glück hatte, auf ein kleines Schiff zu stoßen, das von den Moonshaes aus zur Schwertküste unterwegs war. Er erzählte den Seeleuten, er habe zu seinem Onkel in Oranstone südlich von Candlekeep übersetzen wollen (das Dorf gibt es wirklich – Rhoedry wusste davon, weil die Nachbarsfamilie dort Verwandte hat), um bei ihm in die Lehre zu gehen, aber bei der Überfahrt sei all sein Proviant über Bord gegangen. Die Matrosen lachten über die Dummheit des Jungen, diese unmögliche Überfahrt mit einem Fischerboot zu unternehmen, und gingen davon aus, er habe wohl etwas ausgefressen und sich aus dem Staub machen wollen – nicht ahnend, dass er die Mutter seiner Angebeteten auf dem Gewissen hatte. Das Schiff nahm ihn mit und setzte ihn an der Anlegestelle nach Beregost ab, aber Rhoedry zog natürlich in eine andere Richtung, verzweifelt und am Boden zerstört, denn auf sich allein gestellt und mittellos konnte er nicht überleben. Er fing an zu stehlen, um nicht zu verhungern. Irgendwann traf er auf reisende Steinmetze und Zimmerleute, die zu einem Großauftrag in Riatavin unterwegs waren, um einen Tempel zu errichten. Sie nahmen ihn unter ihre Fittiche und gaben ihm zu essen – dafür half er nach Leibeskräften. Wenngleich er unglücklich war und ihn Albträume plagten, machte es ihm Spaß, eine Aufgabe zu haben und unter so netten Leuten zu weilen, die ihm so etwas Ähnliches wie ein neues Zuhause zu geben versuchten. Aus dem schmächtigen Burschen wurde ein kräftiger Mann, doch das neue Glück hielt nicht lange. Bei der Einweihungsfeier legte er sich mit dem reichen Kaufmann höchstpersönlich an, der einen Großteil der Arbeit finanziert hatte, um sein Seelenheil im Jenseits sicherzustellen. Rhoedry hatte viel zu viel getrunken, und obwohl sich der Kaufmann zwar belästigt fühlte, verhielt er sich dennoch fair. Rhoedry aber ließ nicht locker, beschimpfte ihn und redete sich volltrunken dermaßen in Rage, dass er mit einem Mal über ihn herfiel und ihn halbtot schlug. Als ihm klar wurde, dass er erneut einen gewaltigen Fehler begangen hatte, rannte er hinaus in die nächtlichen Wälder; und wieder stand er da, aus eigener Dummheit mittellos und auf sich allein gestellt in der Wildnis. Da man vermutlich nach ihm suchte und ihm mindestens der Kerker drohte – wenn nicht gar mehr, sollte der Kaufmann die Attacke nicht überlebt haben –, musste er sich in den Wäldern verstecken. Ziellos zog er umher, ernährte sich von Beeren und Nüssen und lernte auf die harte Tour, was man besser nicht essen sollte. Dabei hatte er unverschämtes Glück, an nichts zu geraten, das ihn tödlich vergiftet hätte, wenn er auch einige Male nahe dran war. Eines Tages geriet er an abgerissene und wahrlich ruchlose Banditen, denen er sich anschloss – einerseits, um nicht zu verhungern, und andererseits, weil er sich nach Gesellschaft sehnte. Diese Banditen taten alles dafür, um zu überleben, und Rhoedry musste das wohl oder übel auch. Irgendwann hatte er genug davon und lief einfach weg. Inzwischen konnte er sich allein durchschlagen, und ausgerüstet war er ja auch. Er zog nach Osten, aber im Wald von Shilmista schloss er erste Bekanntschaft mit den Elfen, die so rein gar nicht erbaut von seiner Anwesenheit waren. Tagelang floh er vor ihren Nachstellungen, fest davon überzeugt, sie würden ihn töten – aber vermutlich war das nur ihre Art, ihn aus ihrem Wald zu vertreiben. Er überquerte die Snowflake Mountains und lebte fortan in den Wäldern von Erlkazar. Dort stieß er eines Tages erneut auf Banditen, diesmal aber auf eine größere und geordnetere Gruppe, angeführt von einem ehemaligen Oberst des tethyrianischen Königreichs – Marbrand. Da Rhoedry wieder einsam war, schloss er sich ihnen an, und erneut begannen die Verbrechen. Bei Marbrand ging es nicht ganz so skrupellos zu wie bei den menschlichen Bestien, auf die Rhoedry Jahre zuvor gestoßen war, aber skrupellos genug. Rhoedry genoss keine einzige seiner Taten, doch stumpfte er im Laufe der Jahre ab. Von einem Waldläufer unter den Banditen lernte er sein Handwerk nun auf ordentliche Weise, und ihm oblag die Hege und Pflege der Bluthunde. Eines Tages überfiel man einen reisenden Kleinhändler und stahl ihm nicht nur sein ganzes Hab und Gut, sondern auch zwei verspielte Hundewelpen, aus denen einmal stattliche Jagdhunde werden würden. Sie waren Luz' Beute, und da er im Rang weit über Rhoedry stand, wies er ihn an, sie abzurichten und ebenso scharf zu machen wie die eigenen Hunde. Die beiden weckten etwas in Rhoedry, ihr unbedarftes, verspieltes Wesen war etwas, das er nicht verderben wollte oder konnte. Nach einigen Tagen sprach er beiläufig mit Marbrand darüber, was denn wäre, wenn er ginge. Marbrand machte ihm sehr, sehr klar, dass sein Leben damit verwirkt wäre. Rhoedry hatte sich verraten – wer nicht gehen will, stellt eine solche Frage ja gar nicht erst. Also schnappte er sich in derselben Nacht kurzerhand die beiden Welpen und stahl sich bei Nacht und Nebel davon. Wenn man vom Land lebt, bleibt man in den heimischen Gefilden, in denen man sich auskennt, also wusste Rhoedry, dass er vor Marbrands Männern auf der Hut sein musste. Er wusste, Marbrand musste so handeln, um die Disziplin aufrecht zu erhalten, aber er würde auch keinen Herzschlag lang zögern, ihn zu töten, sähe er ihn wieder. Rhoedry widmete sich seinen beiden "Rettern", die das Gute und Unschuldige zurück in seine Welt gebracht hatten: Fang und Trog. (Fang hörte bereits auf den Namen, den ihm Luz gegeben hatte, aber der Bullterrier wollte sich partout nicht mit "Butcher" anfreunden. Da er ein Hund ist, aber so hässlich wie ein Troll, taufte ihn Rhoedry eben Trog.) Er richtete sie ab, verdarb sie aber nicht. Rhoedry freundete sich auch mit dem Druiden Jagreen an, der ihm viel Wissenswertes über die Natur beibrachte, das übers Jagen und Töten hinausging. Irgendwann machten ein paar von Marbrands Männern Rhoedry durch einen Zufall tatsächlich einmal ausfindig, als er gerade bei Jagreen war, und er musste sie jagen und töten, wenn er nicht wollte, dass sie von seiner Verbindung zu Jagreen berichten. Seither hatten sie Rhoedry nicht mehr aufgespürt. In den Gebirgswäldern bekommt man von Politik herzlich wenig mit – und so wusste Rhoedry nicht, auf wen er da eines Tages im Unterholz traf, gerüstet und im Wappenrock, gefolgt von Soldaten. Rhoedry floh, doch der Mann brüllte ihm hinterher, er wolle ihm nichts tun, das schwöre er bei Helms Panzerhandschuh. Rhoedry ließ sich anlocken und erfuhr, einen ehemaligen Herzog vor sich zu haben, der tatsächlich auch genauso aussah und wirkte wie einer – eben kein Räuberbaron, sondern ein anständiger, götterfürchtiger Mann. Rhoedry kenne sich offenbar gut in den Wäldern aus, meinte Herzog Hembreon – ob er nicht für ihn arbeiten wolle. Wie sich herausstellte, war Hembreon auf dem Weg nach Carrelath, wollte aber die Straßen meiden, und im Unterholz waren er und seine Männer aufgeschmissen. Rhoedry kam nicht umhin, sich abends am Feuer von Hembreons glühenden Reden auf Zaranda anstecken zu lassen. Wie er von ihm erfuhr, hatte Hembreon ursprünglich Llorbauth anvisiert, um König Valon Morkann um Unterstützungstruppen für Zarandas Kreuzzug zu bitten. Als er allerdings auf geheimnisvolle Weise – wie, verriet er natürlich nicht – erfuhr, dass Morkann Zaranda am liebsten tot sähe und bereits seine Fäden sponn, war Eile geboten: Eine seinem Ansinnen wohlgesonnene Baronin ("Hübsch, wie man hört, aber verheiratet, also freut Euch nicht zu früh, ha ha!") hatte den Argwohn des Königs auf sich gezogen, und Hembreon fürchtete nun um ihre Sicherheit. Da er und seine Männer abseits der Straßen viel zu langsam vorankamen, bat er Rhoedry, ein Auge auf sie zu haben – der Rest ist Geschichte, und zwar nachzulesen in #16 – KINGS AND QUEENS.

 

Im Morgengrauen des geschichtsträchtigen 09. Eleint 1370 DR, als einige Nachtarbeiter zum Frühstück die kleine Taverne ansteuern, kann Jewel nun auch gefahrlos auf einen Tee hereinkommen. Sie belauscht die beiden Frauen, die noch immer miteinander diskutieren, doch der interessanteste Teil muss natürlich bereits vor Stunden erörtert worden sein. Die Südländerin heißt Iari Rai und stammt offenbar aus Calimshan, und die elegante Einheimische hört auf den Namen Raina Belrain und scheint hier zur gehobenen Mittelschicht zu gehören. Jewel hofft, sie bleiben, obwohl sie schon so lange hier sind, noch ein Weilchen sitzen, damit sie mehr erfahren kann, aber auf der Straße nimmt die Aufregung zu, sie sieht Menschen an den Fenstern vorbeilaufen und hört Rufe, und das Ganze wiegelt sich recht schnell auf. Sie geht (wie auch die anderen besorgten Besucher) hinaus und fragt einen vorbeieilenden Passanten, was denn los sei. Was dieser erwidert, scheint zuerst unglaublich: Eine riesige Armee aus Goblins hält auf Esmeltaran zu. Raina tut diese News schroff als "Unsinn!" ab, aber der Flüchtende läuft weiter. ("Erzählt das den Goblins!") Da die Panik unübersehbar um sich greift, sind nun auch Raina und Iari in Sorge. Jewel wendet sich überraschend an die beiden: Sie wisse, wer sie sind und was sie getan haben, und sie möchte nur mit ihnen reden. Im Augenblick muss man aber offensichtlich die Flucht ergreifen, also wenn sie sich in Sicherheit bringen wollen, mögen sie ihr folgen. Jewel setzt sich in Bewegung. Iari, die ihr folgen möchte, gerät in einen kurzen Streit mit Raina, aber die Panik steckt sie an, und so kommen sie mit.

 

Sie erreichen das Golden Sands Inn, und natürlich ist inzwischen in der ganzen Stadt die Panik ausgebrochen und hat nur kurz vor ihrer Ankunft das riesige Inn erreicht. Jewel, Iari und Raina schlagen sich durch und finden die anderen, die händeringend auf Jewel gewartet haben. Für große Erklärungen bleibt keine Zeit – man hat bereits seine Siebensachen gepackt und ist reisebereit. Geschlossen tritt die (inzwischen ganz schön große) Gruppe auf den Hof, während Cordian gerade einen desertierenden Kameraden am Arm festhält. Dieser herrscht ihn an, für das bisschen Geld lasse er sich nicht abschlachten, und wenn Cordian schlau sei, tue er das auch nicht. Cordian lässt ihn los und beobachtet mit ausdrucksloser Miene, wie sich seine Einheit auflöst. Sie hatte hier eigentlich nur einen Zwischenstopp auf ihrem Zug nach Riatavin eingelegt, aber ohne sich mit anderen Einheiten verbunden zu haben, obendrein dezimiert, da gestern viele Männer bei Huren waren und noch nicht zurückgekehrt sind, darunter der Hauptmann, und letztlich, weil es nicht gegen tethyrianische Soldaten geht, sondern gegen Monster, bricht die Disziplin zusammen, und die Söldner suchen ihr Heil in der Flucht.

 

Ein wohlhabender Händler lässt seine Karawanenwachen gerade das Tor zum Gelände schließen, und die Wachen stellen sich so auf, dass die, die raus wollen, nicht vorbei können. Panisch drängt der Händler seine Männer dazu, alles zum Verrammeln herbeizuschaffen. Anstatt sich mit den Wachen herumzuärgern, was zu viel Zeit kosten würde, geht Jen schnurstracks auf den Händler zu und versetzt ihm eine schallende Rückhand, die ihn gegen die Wand wirft. Als die Wachen blankziehen, tun es Raif, Raveena, Theon, Spider, Zhai und Rhoedry ebenso. Jen zischt dem Händler entgegen, umgehend das Tor öffnen zu lassen. Vor Angst wimmernd erklärt der Kaufmann, hier sei man wenigstens durch die Mauern geschützt. Jen entgegnet herrisch, das Einzige, was vor einer anrückenden Armee schützt, ist eine Burg oder die Flucht, solange noch Zeit bleibt, und eine Burg könne sie hier nirgends entdecken. Der Händler will erwidern, aber sie schneidet ihm das Wort ab – sie habe keine Zeit zum Diskutieren, er solle das Tor öffnen lassen. Eingeschüchtert winkt der Kaufmann seinen Männern, das Tor zu öffnen, und man zeigt kurz Cordian, der die Situation aufmerksam beobachtet hatte. Als das Tor offen steht und alle Anstalten machen, die Straße zu betreten, bleibt Jen stehen und sieht sich die verängstigten Menschen an, die hier kauern oder vor den Toren standen und um Einlass bettelten. Raif sieht, was in ihr vorgeht, und ergreift sie am Arm. ("Jen, wir können nicht jedem helfen!") Jen jedoch beachtet ihn nicht, erhebt stattdessen die Stimme und erklärt den Menschen, wer wolle, könne sich ihrer Gruppe anschließen – diese werde ihr Bestes geben, sie in Sicherheit zu bringen, aber es werde hart werden, es könne Kämpfe geben, und es werden keine Diskussionen geduldet. Froh, sich um jemanden scharen zu können, der (scheinbar) weiß, was er tut, und ihnen Schutz bieten kann, rotten sich die meisten Leute (darunter auch der Händler und seine Männer) zusammen. Theon sieht Jen zufrieden an, denn in diesem Moment hat sich schon bezahlt gemacht, dass er sie in #20 – WAKE OF THE RAVAGER von den Toten zurückgeholt hat. Der nächste Schnitt zeigt Cordian, der nach wie vor die Vorgänge beobachtet. Wer Elminster zugehört hat, weiß, dass für ihn nie in Frage kam, einfach so abzuhauen und die Menschen schutzlos ihrem Schicksal zu überlassen – er hat sich schließlich nur von seiner Kirche abgewandt, nie aber von seinem Gott. Nun sieht er eine sehr bunt zusammengewürfelte Abenteurertruppe, und Spider und Zhai, die dank der besonderen Umstände nun offen auftreten, hätten gestern noch einen Lynchmob auf den Plan gerufen. Und doch übernehmen sie, obwohl sie auf sich allein gestellt viel schneller flüchten könnten, die Verantwortung für die Menschen hier. Cordian weiß, dass sein Platz an ihrer Seite ist, und er fragt sich, ob Helm dafür gesorgt hat, dass diese Gruppe seinen Weg kreuzt, ob dies ein Zeichen ist. Nun setzt auch er sich in Bewegung, spricht den Umstehenden gut zu und bringt eine Marschordnung in die Flüchtlinge. Dabei ist zu betonen, dass es sich hier keinesfalls um abgerissene Gestalten handelt – die Hälfte ist gut bis sogar sehr gut gekleidet, die andere besteht aus Dienstboten und Hilfspersonal.

 

Jewel hat die Lage bereits ausgekundschaftet und weiß, durch welche Straßenzüge der Feind vorrückt. Man setzt sich also in Marsch durch teils aufgewühlte, später aber immer ausgestorbener wirkende Prachtstraßen, derweil sich immer mehr Verzweifelte dem Treck anschließen. Jen reitet nachdenklich voran, und man kann sich natürlich denken, was sie beschäftigt. Raveena kommt nach vorne geritten und fragt sie, was zum Henker sie eigentlich vorhat. Ohne Karte, entgegnet Jen, könne sie das nur ganz ungefähr sagen. Tatsache ist, dass die Goblins von Süden gekommen sind, da man ja nun gezwungen ist, nach Norden auszuweichen. Sie kennt ihre Größenordnung nicht und hat auch keine Ahnung, wie ihr Plan aussieht, aber das reiche und sichere Amn zu überfallen, dazu gehört mehr als eine Laune. Sie muss angesichts ihrer Erlebnisse in #12 – SHADOWS OF AMN davon ausgehen, dass sie aus den Small Teeth kommen, also Amn aus dem ganzen Süden heraus angreifen können. Jen kennt die Flussverläufe nicht, denkt aber, dass der Splendarrilur dem Treck früher oder später den Weg nach Norden abschneiden wird. (Sie denkt falsch – aber man muss auch mal zeigen, dass Landkarten selten sind, genauere Landkarten noch weitaus seltener, und dass die Menschen daher immer nur eine sehr ungefähre Vorstellung von ihrer Umgebung haben.) Wenn die Goblins das eroberte Gebiet erst mal gesichert haben, werden sie die Flüchtlinge verfolgen, wissend, dass sie sich nicht vom Wasser entfernen können, und das gibt es erst mal nur am Ufer des Lake Esmel (und weiträumiger an dessen Zuflüssen) – und dort werden sie sie niedermetzeln. Jen sieht die einzige Chance der Flüchtlinge jetzt darin, gleich vom Lake Esmel nach Nordwesten wegzuschwenken, die Goblins weitläufig nach Süden zu umrunden, durch den Esmel River zu schwimmen (da niemand mit schwerem Gepäck reist, ist das zumindest theoretisch machbar) und das Vale of Wailing Women zu durchqueren. (Man beachte: Das wiederum sind alles Orte, an denen Jen schon war. Daher weiß sie, dass das Vale of Wailing Women relativ gut passierbar für ungeübte Reisende ist.) Da sie annehmen muss, dass die Eroberung von ganz Amn auf dem Plan der Goblins steht, lautet das Ziel Tethyr, und sobald man erst mal den Wealdath erreicht hat, hat man die gröbste Gefahr überstanden. Raveena fragt fassungslos, ob Jen diese gewaltige Verantwortung übernehmen will, worauf Jen kühl erwidert, es sehe wohl so aus – sonst sei ja niemand dazu bereit. Raveena schnaubt und reitet wütend wieder zurück, und Jen blickt niedergeschlagen nach vorn. Sie muss die Starke spielen – zuerst hatte sie die Rolle aus einem Impuls heraus übernommen, aber die ganze Sache hat sich ja im Nu verselbständigt –, obwohl ihr ganz anders zumute ist, denn wenn man sich klar macht, dass Hunderte von Menschenleben von den eigenen Entscheidungen abhängen, von denen man selbst weiß, dass sie bestenfalls geraten sind, ist diese Verantwortung fast schon zu viel für einen einzelnen Menschen. Aber Tethyr hat seine Spuren hinterlassen, und auch Vardis spukt ihr im Hinterkopf herum und beobachtet sie in ihrer Phantasie jetzt gerade ganz genau.

 

Durch den Tethyr-Kreuzzug kennen sich Jen, Theon, Raif, Fleece und Raveena – der eine mehr, der andere weniger – mit den Problemen aus, die eine Reise mit so vielen Menschen mit sich bringt. Jen bittet Theon, mit Create Water und Create Food and Water all seine Kraft in den Dienst der Ernährung der Menschen zu stecken. Daher bittet ihn Jen ihn auch, sich auf gar keinen Fall auf Gefechte einzulassen. Als nächstes lässt sie ihre Freunde herausfinden, wer sich hier auf den Kampf versteht und zudem bewaffnet ist. Ferner weist sie Rhoedry und Kithain an, stets wenigstens eine Meile vorauszureiten, um die Route zu sichern. Jen untersagt sämtliche Feuer und teilt die Wachen ein. Sie mischt sich nicht unters Volk, um Worte des Trostes zu sprechen – darum, das zu tun, bittet sie Fleece und Theon –, sondern gibt sich als unnahbare Generälin, wobei sie sich weniger an Vardis oder Captain Tully orientiert, sondern eher an den Lords Blackthorn und Hembreon. Je weniger sie wie ihre Schutzbefohlenen wirkt, so hofft sie, umso mehr trauen diese ihr das Unmögliche zu. Cordian, der brav gewartet hat, bis Jen mit der Zuteilung der Aufgaben fertig ist, gratuliert ihr zu ihrem sehr guten Job. Das hat heute noch niemand getan, und als Jen dies hört, geht es runter wie Öl. Cordian stellt sich nun als Kleriker Helms vor, was Jen nur noch umso mehr freut, hat das Kompliment von eben doch nun wirklich eine Bedeutung erlangt. Gern nimmt sie seine professionellen Ratschläge an, stellt ihn den anderen vor und bezieht ihn stark in die Organisation ein. Als Theon hört, welchen Gott Cordian anbetet, ist er zwar froh über die Unterstützung, aber ansonsten wenig begeistert, da sich die Kirchen von Lathander und Helm nicht gerade wohlgesonnen gegenüberstehen.

 

Alle sind von diesem Tag zu Tode erschöpft, doch will Fleece natürlich von Jewel wissen, was es denn nun mit diesen beiden Frauen auf sich hat. Jewel bittet sie, sie erst mal in Ruhe zu lassen, denn Raina, die von Iari getröstet wird, scheint bei Esmeltarans Fall ihre ganze Familie verloren zu haben – oder hofft gegen jede Vernunft, dass sie rechtzeitig hatte fliehen können und den nachrückenden Goblins irgendwie wird entwischen können. Jewel teilt Fleece das Wenige mit, das sie weiß.

 

In Esmeltaran bezieht der von Riesen auf einer gewaltigen aus Holz und den Knochen riesenhafter Ungeheuer gezimmerten Sänfte getragene Oger Sothilis (Jpg 23143) den Stadtpalast, während all die gefangenen Städter wie Vieh zum Schlachten getrieben werden, denn Sothilis' Oger wollen ernährt werden. Im Gegensatz zu seinen tumben Vettern wirkt Sothilis so rein gar nicht wie ein typischer Oger.

 

Tags drauf begegnet man versprengten Menschen mit nichts als ihren Kleidern am Leib, die berichten, dass Gambiton dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die King's Arch, die große Brücke, die über den Esmel River führt, wird angeblich von Riesen gehalten. Man kann sich das Ganze nur schwer vorstellen, denn gesehen hat man die Invasoren ja noch nicht, aber die Berichte lasten schwer auf den Herzen aller, und viele sehen Amn bereits als verloren an. Fleece und Theon haben ihre liebe Mühe, so etwas Ähnliches wie Zuversicht zu spenden.

 

Man hat keine Landkarte, die Truppenbewegungen aufzeigt, aber irgendwie hat es der Flüchtlingsstrom nach zwei Tagen geschafft, beim weitläufigen Umgehen der Invasoren nach Süden keinen Goblinoiden über den Weg zu laufen, denn man erreicht das Ufer des Esmel River. Währenddessen ist das schlechte Wetter von den Small Teeth nach Norden heraufgezogen: Es ist zwar warm, aber es regnet pausenlos, und stürmisch ist es auch. Die allermeisten Flüchtlinge sind Gewaltmärsche nicht gewohnt, und so muss Jen eine Zwangspause einlegen. Diese wird genutzt, die Schwimmer von den Nichtschwimmern zu trennen und jedem Ersteren einen Letzteren zuzuweisen, in der Hoffnung, dass alle irgendwie das gegenüber liegende Ufer erreichen – obwohl der Fluss sehr schnell fließt, weil er viel Wasser trägt, und das Wetter das Überqueren nicht einfacher machen wird. Raif spricht Raina an, von der er ja nicht sehr viel mehr weiß, als dass sie irgendwie mit dem Einbruch in Penderrins Haus in Verbindung steht, gerät mit ihr aber schnell in einen Streit über eine Nichtigkeit. Als Raina seine Kampfeskunst in Zweifel zieht, ist das Maß voll: Raif spricht eine Herausforderung aus. Jen betrachtet verärgert diesen Unsinn, der nur noch mehr Unruhe in die Reihen bringt, ist aber gerade beschäftigt und kann nicht eingreifen. Am Ufer kämpfen Raif und Raina gegeneinander, und bald wandert der Kampf ins Wasser. Raveena feuert Raif nach Kräften an, doch Raina siegt – sie ist die bessere Technikerin. Wütend stapft Raif davon. Raveena versucht ihn zu trösten, dass diese Braut doch, wenn es wirklich darauf ankommt, vermutlich vor Angst die Klinge fallen ließe, aber Raif ist einfach nur sauer, verloren zu haben.

 

Theon gesellt sich derweil zu Jewel, Fleece und Iari. Letztere wird ihm vorgestellt, und Jewel bittet sie, zu erzählen, was sie ihr erzählt hat. Iari erklärt, dass Raina und sie gute Freundinnen sind. Sie selbst ist ein Straßenkind, das sich, seit Iari ihren Mann an die Pocken verloren hat, so durchschlagen muss. (Sie erzählt es beiläufig, aber man kann sich denken, dass sich eine so schöne Frau gewiss oft hergeben musste, um zu überleben.) Sklavenjäger fingen sie ein und wollten sie verkaufen, doch sie konnte ihrem neuen Herren bereits nach kurzer Zeit entkommen und floh auf ein Schiff. Entdeckt wurde sie erst auf hoher See, und jeden anderen blinden Passagier hätte man den Fischen zum Fraß vorgeworfen, aber diesen reservierte sich natürlich der Kapitän, um sich die Reise zu verschönern, da er auf normale Weise nie an eine solche Schönheit geraten wäre. In Athkatla ging sie an Land und kam auf dem Markt, auf dem sie stahl, um etwas zu essen zu bekommen, mit Raina aus Esmeltaran ins Gespräch, die hier Familie besuchte. Man mochte sich auf Anhieb, und Raina bot ihr eine Bleibe in Esmeltaran an. An ihrem Tonfall und der Art, wie sie schnell weitererzählt, merkt Theon, dass es dabei ein Problem gegeben haben musste, vielleicht Rainas Eltern, die gegen die Aufnahme eines Straßenköters waren, vielleicht etwas anderes. Jedenfalls verbrachten die Freundinnen viel Zeit miteinander. So diplomatisch wie möglich versucht Iari zu erklären, dass Rainas Familie zwar den Schein zu wahren versuchte – die beste Ausbildung in Wissenschaft, den schönen Künsten, dem Reiten, dem ehrenvollen Schwertkampf für die Tochter, teure Garderobe, regelmäßiges Sehen und Gesehenwerden auf wichtigen Anlässen –, sich aber finanziell irgendwie verhoben haben musste. Iari versuchte Raina immer wieder davon zu überzeugen, sich etwas einfallen zu lassen, um zu Geld zu kommen, Diebstahl, Betrug, alles Mögliche. Und nun geschah das Unglaubliche: Fast wie gerufen geriet Iari in einer üblen Kaschemme in Esmeltaran an einen Krüppel – zwar handelte es sich um einen recht gut aussehenden blonden, bärtigen Mann, doch mit einem lahmen Bein gestraft. Dieser erzählte ihr für ein Ale und ein warmes Essen die Geschichte von einem "Zauber-Ei" und verriet ihr auch, wo es zu finden war. Er selbst konnte nicht hoffen, dort einzubrechen, um es zu stehlen, und vermutlich stimmte die Geschichte sowieso nicht. Iari hingegen könnte es drauf ankommen lassen... Hier hält Iari unvermittelt inne und lächelt. Theon nickt ihr aufmunternd zu, weiterzuerzählen, doch das  möchte sie nur, wenn Theon ihr etwas verspricht. Der Krüppel hat ihr erzählt, das Ei weise den Weg zu einem großen Schatz, und Iari ist tatsächlich hinter das Geheimnis des Eis gekommen. Sie kann nicht darauf hoffen, etwas mit dieser Spur anzufangen, wenngleich sie weiß, wohin sie führt. Die Gruppe ist der Herausforderung dagegen durchaus gewachsen. Iari möchte nicht mehr, als dass die Gruppe Raina und sie mitnimmt und die Beute am Ende mit den beiden teilt, ganz fair zu entsprechenden Anteilen.

 

Theon ist entwaffnet von Iaris Art: Trotz allem, was hinter ihr liegt, wirkt sie so unbekümmert und lebensfroh. Sicher hat sie oft genug in ihrem Leben gelitten, aber sie scheint jemand zu sein, der sich darüber nicht zerfleischt, keine Gedanken macht und ganz von allein wieder auf die Beine kommt und nicht zurückblickt – das imponiert Theon ungemein, denn diese lathandergefällige Wesensart hatte er sich oft schon für sich selber gewünscht. Er sammelt sich mühsam.

 

Theon: Iari, ich kann unmöglich das Blut zweier weiterer unschuldiger Frauen an meinen Händen verantworten.

Iari (unbekümmert): Schätzchen, wir sind doch alle erwachsen. Schau mal, Raina hat vor ein paar Tagen alles verloren, und ich, ich hab nie etwas besessen. Aber wir sind noch am Leben, und wir sind irgendwie Teil einer ganz unglaublichen Geschichte geworden. Ich meine, denk doch mal nach. (Sie nickt zu Jewel.) An dem Abend, an dem ihr herausgefunden habt, wo Penderrin wohnt, erzählt mir ein Krüppel die Geschichte von einem Zauber-Ei, das ganz einfach zu stehlen ist? Dasselbe Ei, wegen dem ihr hier seid? Gewiss, Tymora wirkt auf wundersame Weise, aber, ich meine… hallo? (Sie grinst.) Ob du willst oder nicht, wir sind Teil eurer Geschichte geworden. Irgendjemand hat dafür gesorgt.

Jewel (sieht Theon ruhig an): Sie hat Recht.

 

Theon entschuldigt sich – darüber müsse er nachdenken und auch mit den anderen sprechen. Jetzt liegt allerdings erst mal die Flussüberquerung an. Die geht leider nicht so glimpflich ab, wie man gehofft hatte: Einige Flüchtlinge ertrinken in den Fluten. Was die Helden betrifft, so haben sie ihre wichtigste Ausrüstung Fleeces Truhe anvertraut, und nun sehen wir auch, dass sich Zhais Schwimmtraining (das ihr Raveena in #20 – WAKE OF THE RAVAGER angedroht und am Anfang von #22 – HEARTWOOD FOREST in Zazesspur wahr gemacht hatte) auszahlt. Kithain und Rhoedry reiten wieder voraus, erblicken aber bald ein Hindernis... Rhoedry reitet zurück, um den Flüchtlingstreck zu stoppen, während sich Kithain im Gebüsch verborgen hält und ungläubig einen Tross aus Goblins, Ogern, Riesen, Worg- und Käferreitern beobachtet, der die Straße nach Westen zieht (vermutlich, um über Imnescar herzufallen) und kein Ende zu nehmen scheint. Erst lange, nachdem ihre scharfen Augen den letzten Goblin aus dem Blick verloren haben, wagt man die Überquerung der Straße und marschiert weiter in die nördlichen Ausläufer der Small Teeth.

 

Am Abend sucht Theon Spider auf, erzählt von Iaris Ansinnen und fragt nun als erstes ihn, was er davon hält. Einen Moment lang wird nur das ausdruckslose Gesicht Spiders mit den erschreckenden Augen gezeigt, dann antwortet er, als sei es das Normalste der Welt, dass er der Erste ist, der gefragt wird. Er hat nichts dagegen – soll sich doch umbringen, wer will –, aber mal sehen, was Jen und Fleece dazu sagen, denn schließlich geht es am Ende ja auch um das Aufteilen der Beute. Die beiden gehen also zu den Damen und klären auch sie auf. Jen hat ganz andere Dinge im Kopf und reagiert unwirsch – es scheint ja fast so, als betrachten ihre Freunde diese kleine Invasion lediglich als störende Verzögerung auf ihrem Weg. Theon dagegen wollte Jen eigentlich nur ein optimistisches Ziel bieten und darüber reden, was man tun wird, wenn das hier ausgestanden ist. Das klassische Missverständnis wird nicht aufgeklärt, doch Jen meint, wenn sie dabei sein wollen, sollen sie sich auch gefälligst nützlich machen – die Gruppe kann keinen Ballast gebrauchen, den sie beschützen muss und der nichts dafür einbringt. Es ist entschieden, die beiden können mitkommen, gesetzt den Fall, sie überleben das hier. Als die anderen später davon Wind bekommen, sind sie teilweise verärgert, nicht gefragt worden zu sein, besonders Raif und Zhai. Theon sucht Ersteren auf und "tröstet" ihn.

 

Die Kamera zeigt die Strapazen der beschwerlichen Reise: Nervenzusammenbrüche, ältere Menschen, die einfach nicht mehr können und zurückgelassen werden möchten, Krankheiten, die wie ein Lauffeuer um sich greifen, so dass Theon zwischen Wasser und Nahrung für viele und Cure Disease für Einzelne abwägen muss, Vergiftungen durch Schlangenbisse, für die Neutralize Poison ebenfalls wichtige Slots kostet, Unfälle und tödliche Abstürze – und wieder kann nur Theon helfen, dessen Gewissensentscheidungen dieselbe Tragweite aufweisen wie die von Jendara. Helm sei Dank gibt es nur harmlose Feindkontakte, zuerst mit einem Trupp Scamps, die die berittenen Helden schnell niedermetzeln, bevor sie eine Meldung absetzen können, und ebenso verfährt man mit einer größeren Rotte Goblins, obwohl diese Auseinandersetzung bereits das Leben dreier Flüchtlinge kostet. Während all dessen berichtet Elminster aus dem Off, was sich im Rest von Amn abspielt:

 

• Eleasis 9th: The Skullgnashers and the Spearbiters descend on Esmeltaran, quickly destroy the few organized defenders of the city, and occupy the castle of Dahaundar and large parts of the city, including the docks. The only armed forces in Esmeltaran by nightfall are giants, goblins, and a few Cyricists or traitor soldiers who joined them to save their lives.

• Eleasis 11th: The army of Amn reaches Hillfort Keshla, pulling in more than half of the fort's contingent and assimilating them into the army. Commanders are assigned and battle planning begins. They plan to continue in three days toward Riatavin to meet the Tethyrian forces in battle.

• Eleasis 12th: Riders from the army reach Hillfort Torbold, ordering a third of the fort's troops east toward the army marching on Riatavin. Just after the scouts and the legions leave the fort heading to Keshla, a squad of wounded riders arrives from beleaguered Esmeltaran, alerting Major Olehm of the dangers to the west. Sending his fastest scouts to catch up with the eastern army, he readies his troops and fort for full-scale war.

• Eleasis 14th: Word of Esmeltaran's fall reaches General Craumerdaun at Hillfort Keshla. Within a day, half of the army is pulled out of the planned attacks on Riatavin to immediately march toward Esmeltaran despite the poor condition of the roads. The remaining troops are ordered to remain in Keshla until the return of the general and the rest of the army.

• Eleasis 16th: The kobolds and the rest of the goblin tribes, under the command of a female ogre mage named Cyrvisnea, march on Imnescar. The forces lead the attack just before dawn. By highsun, the second army arrives, and by day's end the town is in ruins, its equipment and food stores claimed by the invaders. Hydcont Hall is nearly all that survives of Imnescar; a small part of the town's citizenry remains safe behind its walls.

• Eleasis 18th: The army arrives at Hillfort Torbold after many delays and mishaps on the march through the hills. It continues on toward Esmeltaran with the original third of Torbold's troops added to their own. Major Olehm is left behind, with orders to collect and command more forces should the strike against Esmeltaran's invaders fail.

• Eleasis 19th: The rest of the forces, under the command of Sythillis the ogre mage, march on Trademeet. As they are not intent on capturing the town, most of it is set aflame. The fortified Kapparthall and a number of other stone buildings allow some of Trademeet's citizens to survive. Lord Logan Coprith is nearly killed by ogres while protecting children escaping from an orphanage. The weakened noble survives and collects forces to resist the siege at Murann. He works directly with the Citadels and Hillfort Torbold rather than the Council, as its poor strategies helped cause these massacres.

• Eleasis 20th: A lone scout who escaped the slaughter at Imnescar staggers into Hillfort Torbold, with information that the monstrous armies' primary target is Murann. The information is sent along immediately to Hillfort Keshla, with the command to abandon the attack on Riatavin in favor of preventing the loss of their country's secondary port. Despite the orders of Major Olehm, some officers ignore the orders and remain in place for a few days.

• Eleasis 21th: The Amnian army enters Esmeltaran, believing itself the superior force, but the giants and goblins utilize their entrenched positions and the city's plundered armories to slay half the army in the first day's battles. By dawn, General Craumerdaun is resigned to a siege, using the Scimitar as his primary camp; he and his battle-ravaged troops settle in. A third of the city is ruined.

• Eleasis 22th: All remaining Sythillisian forces arrive at Murann, which gained enough advance warning to fortify the gates and man the walls with defenders. Although the city expected a major offensive upon the arrival of the armies, Sythillis simply sets in for a siege, apparently leaving the Muranni escape routes by sea.

• Eleasis 23th: Subsequent reports from Imnescar and Esmeltaran force many lesser army officers nearly to mutiny – they coerce their commanders to march out with their forces from Keshla to support Major Olehm's offensive rather than watch Amn fall. Taking up a forced march, the troops reach Torbold within 30 hours and continue on toward the Tethir Road as the quickest route to Murann.

• Eleasis 24th: The Black Alaric and a number of unmarked pirate ships tighten a blockade around Murann's port, having spent the early days of the siege capturing ships fleeing the city. Now, with Murann closed off on all sides, it only seems a matter of time before it falls.

• Eleasis 25th: A locally conscripted army of peasant soldiers and mercenaries meets the Sythillisian forces outside Murann. While it reduces the number of kobold troops on the perimeter, Amn's forces are likewise reduced and suffer worse losses.

• Eleasis 26th: The army led by Major Olehm and others arrives at the smoldering ruins of Trademeet, where they build encampments. Given the previous day's attacks on the Sythillisian forces, they choose to wait, both to rebuild their strength after the forced march and to coordinate with the Citadels and any other forces so they might free both Murann and Esmeltaran rather than waste lives.

 

Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und dank der Alten und der Kinder kam man nicht so schnell voran, wie Jen gehofft hatte. Dennoch erweisen sich ihre Entscheidungen im Nachhinein als richtig, obwohl sie auf teilweise erratenen und erhofften Voraussetzungen beruhten. Nach einer entsetzlich anstrengenden Reise über die Small Teeth erspäht Kithain jedoch Beobachter weit oben in den Bergen. Ausgerechnet jetzt, auf der letzten Etappe, die über freies Feld führt, muss Jen den zu Tode erschöpften Flüchtlingstreck zu einem weiteren brutalen Gewaltmarsch antreiben. Längst tragen die Pferde (bis auf die von Kithain und Rhoedry) nicht mehr ihre ursprünglichen Reiter, sondern die Gebrechlichsten. Zwei äußerst angespannte Tage vergehen. Endlich hat man die Tethir Road hinter sich gelassen. Bei strahlendem Sonnenschein  überwindet man wenig später einen Hügelkamm, und nur eine Meile weiter erstreckt sich der gewaltige Forest of Tethir, der Weg dorthin führt durch ein prachtvolles Feld voller hoher Sommerblumen. Erleichtert fallen sich die Menschen um die Arme und danken Jen überschwänglich. Doch hinter ihnen rückt plötzlich eine bunt zusammengewürfelte Kompanie aus bis an die Zähne bewaffneten Goblinoiden über den Kamm an, darunter zwei Riesen, von denen einer gar zwei Köpfe und vier Arme aufweist (Jpg 23143). In Zeitlupe werden die Gesichter der Helden und einiger Flüchtlinge gezeigt – so kurz vor dem Ziel… Jen brüllt die Flüchtlinge an, die Beine in die Hand zu nehmen, und macht sich bereit, den Rückzug zu decken und die Goblins aufzuhalten, solange es eben geht. Teilweise schwach und resigniert, teilweise entschlossen greifen die Abenteurer zu den Waffen und beziehen Aufstellung, während panisch weinende Flüchtlinge durch ihre Reihen laufen, sich gegenseitig stützen oder sogar tragen. Rhoedry sitzt ab und gibt sein Pferd einem Greisenpärchen, Kithain bleibt sitzen, da sie hoch zu Ross am besten zu kämpfen versteht. Iari bittet Raina, mit ihr zu flüchten, doch die bleibt bei den Helden.

 

Iari (an Rainas Ärmel zerrend): Komm, bitte!

Raina (atemlos): Du hast ihnen doch versprochen, wir würden uns unser Brot selbst verdienen.

Iari: Du hast noch nie auf Leben und Tod gekämpft!

Raina: Einmal ist immer das erste Mal. (Sie sieht sie jetzt an.) Geh.

Iari: Raina…

Raina: Ich kann nicht! Geh!

 

Als die unbesiegbaren Gegner nahen und die Kamera ausführlich genug die todgeweihten Helden gezeigt hat, regnet ein Pfeilhagel aus dem Unterholz auf die Goblinoiden nieder – Waldelfen haben am Rand des Wealdath in Lauerstellung gelegen und wollten sich wohl nicht eher zeigen, bis endgültig feststand, dass der Feind die Flüchtenden auch in den Wald verfolgen würde. Rhoedry und Jen erkennen sogar ein sehr bekanntes Gesicht unter den unerwarteten Rettern: Talarand. Nun beginnt die größte DDM-Schlacht, die wir je mit unseren Minis geschlagen haben. Zwar waren nicht genug vorhanden, um die tatsächlichen Größenverhältnisse widerzuspiegeln, aber die konkurrenzlos umfangreichste war es dennoch: Sie setzt sich zusammen aus den Charakteren und folgenden Figuren samt Stat Cards:

 

4 x Graycloak Ranger (CR 4) – CR 16

2 x Timber Wolf (CR 1) – CR 2

2 x Deepshadow Elf (CR 7) – CR 14

1 x Elf Ranger (CR 2) – CR 2

4 x Elf Archer (CR 1) – CR4

5 x Elf Warrior (zu behandeln wie Elf Archer) – CR 5

1 x Wood Elf Ranger (CR 5) – CR 5

1 x Warden of the Wood (CR 8) als Commander, Vadania-Mini – CR 8

1 x Greenfang Druid (CR 10) als Commander – CR 10

1 x Unicorn (CR 3) – CR 3

1 x Treant (CR 8) – CR 8

1 x Talarand (CR 8) – CR 8

CR insg.: 85

 

2 x Skullcrusher Ogre (CR 5) – CR 10

1 x Ogre War Hulk (CR 7) – CR 7

2 x Ogre Mage (CR 8) – CR 16

2 x Bugbear Footpad (CR 4) – CR 8

2 x Bugbear Gang Leader (CR 5) – CR 10

2 x Bugbear Champion (CR 3) – CR 6

4 x Hobgoblin Archer (CR 3) – CR 12

1 x Hobgoblin Warrior (CR 1/2) – CR 0,5

4 x Hobgoblin Sergeant (CR 3) – CR 12

6 x Bladebearer Hobgoblin (CR 4) – CR 24

1 x Goblin Sneak (CR 1) – CR 1

2 x Snig the Axe (CR 3) – CR 6

7 x Silent Wolf Goblin (CR 3) – CR 21

1 x Goblin Underboss (CR 6) – CR 6

2 x Giant (CR 11) – CR 22

CR insg.: 139,5

 

Die abwechslungsreiche und wirklich sehr taktische Schlacht wiederzugeben, ist hier natürlich unmöglich. Dabei ist Ashe eine unschätzbare Hilfe, denn er agiert zwar nur wenig offensiv, kann aber mit mehreren Walls of Bones gegnerische Truppenteile bündeln (um sie den Flame Strikes des Greenfang Druids auszusetzen), ihnen den Weg abschneiden oder sie einfach beim Vorankommen behindern, damit man sich konzentriert anderen Gegnern widmen kann. Außerdem – und dieses Bild muss man sich wirklich vor Augen rufen – heilt der Necromancer mit Sacrifice das in vorderster Front kämpfende Einhorn. Kithain agiert sehr mobil und besiegt fast im Alleingang durch Schüsse den auf seinem Worg heranreitenden Goblin-Boss Rupsta (Jpg 23144), während Zhai den Hobgoblin-Boss (Jpg 23145) vergiftet, so dass die Elfenkämpfer leichtes Spiel mit ihm haben. Raina – das muss Raif ihr zugute halten – ist nicht geflohen und schlägt sich für eine hervorragende Technikerin (aber ohne jede Erfahrung im Kampf auf Leben und Tod) sehr wacker. Friedlich aussehende Dryaden verwandeln sich in Furcht erregende, knorrige Baummonster und marschieren gegen den Feind (Jpg 23146-23152). Das größte Problem sind natürlich die Riesen. Nachdem man einige seiner mächtigsten Kampfzauber dem Fußvolk gewidmet hat, schlagen ein Riese und ein Treant die Schlacht der Titanen. Unterstützt von den Bogenschützen kann der Treant den Riesen bezwingen, doch da kommt der zweite – jener mit den zwei Köpfen und vier Armen – des Wegs, macht dem Treant den Garaus und zerschlägt die geordneten Reihen der Verteidiger. Mit Righteous Might wächst Cordian auf doppelte Größe an und schenkt dem Riesen gut ein, doch mit einem einzigen Schlag bringt dieser ihn auf mehr als -20 HP. Dementsprechend ist auch nur eine Mulde im Boden zu sehen, aus der schrumpfende Gliedmaßen herausschauen, als sich die mit Blut und Gewebe verklebte Keule wieder hebt. Mit einer phänomenalen Attackeserie besiegt Talarand den Riesen im Alleingang. Als nur noch die Nachhut übrig ist, ergreift sie die Flucht.

 

In einer Kloß-im-Hals-wunderschönen Szene geht Theon in der freundlichen Nachmittagssonne unbeachtet von den sich erleichtert um den Hals fallenden Abenteurern – natürlich begrüßt Rhoedry auch über alle Maßen glücklich den sympathischen Kentauren – an die Mulde, in der die zermalmten Überreste von Cordian liegen, geht langsam in die Knie, legt die Hand auf Cordians zertrümmerten Brustkasten und betet. Elminster hüllt sich derweil in Schweigen. Nach und nach werden seine Freunde auf ihn aufmerksam – und auf das, was er da tut. Ein in blutige Lumpen gehüllter und sehr angeschlagener, aber lebender Cordian rührt sich ächzend in seinem "Grab". Aus seiner Perspektive sieht man den den lächelnden, von der Sonne angestrahlten Theon, der der Kamera die Hand entgegenstreckt und ihm aufhilft.

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