75 - Academic Pursuits {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

Musik: Harry Potter, Hogwarts Legacy

 

1375 DR, Year of Risen Elfkin: Fleece und die anderen sind erst seit ein paar Tagen weg, und schon beginnt Jewel langweilig zu werden. Als Repräsentantin der Gemeinschaft der Ersten Sonne möchte sie einen untadeligen Lebensstil pflegen und darf sich nicht beim Stehlen erwischen lassen, obwohl sie gern in Übung bleiben würde.

 

Glücklicherweise erreicht sie eine Nachricht von Valmaxian, der sie zur achten Stunde zur Königlich Tethyrianischen Akademie der Arkanen Künste zu Zazesspur bestellt. Jewel putzt sich heraus und reitet auf Turtle zu dem imposanten Bauwerk. Die Torwache weiß Bescheid und führt sie in die Eingangshalle, wo ein strenger Magister sie erwartet, der zaubert und dann um Verständnis bittet, dass er sichergehen wollte, mit der Richtigen zu sprechen. Er stellt sich als Tyros Deskryn vor und führt sie zum Arbeitszimmer der Spektabilität, Elaida Eskorn. Während Deskryn steif und humorlos wirkt, erweist sich die kleine, gebückte, alte Magierin als sehr umgänglich und sympathisch. Sie erklärt Jewel, dass es gestern einen Mordfall gab. Die Garde erweckt nicht den Eindruck, vor Ideen nur so zu sprudeln, und die eigenen magischen Überprüfungen ergaben keine Spur.

 

Während des Gesprächs wird natürlich immer wieder gezeigt, wie Jewel ihre Umgebung in sich aufsaugt und auch auf belangloseste Kleinigkeiten achtet: die ausgestopfte Eule, deren eines Glasauge minimal von der Blickrichtung des anderen abweicht, die Stelle am Boden, die darauf hinweist, dass der Globus dort lange gestanden haben muss und nun an anderer Stelle platziert wurde, die gräuliche Verfärbung an Deskryns linker Hand, der Ohrring Eskorns in Fuchsform, der ausgestopfte Rabe, dem der Kopf fehlt...

 

Bei der Toten handelt es sich um Kiara Gislahar, Studiosa im dritten Jahr. Sie war eine hervorragende Studentin ohne bekannte Feinde und wurde in ihrem Zimmer von ihrer Zimmergenossin Niatara Aslade erstochen aufgefunden. Bei der Waffe muss es sich um einen besonderen Stoßdolch mit drei Seiten gehandelt haben, der ins Herz gerammt, aber nicht zurückgelassen wurde, und nichts deutet auf einen Kampf hin. In Kiaras Becher wurde ein leichtes Schlafmittel gefunden, und sie wurde in ihrem Bett ermordet. Sonst war niemand zugegen, da sich die meisten Schüler noch in der Mensa befanden, denn gestern wurden die Prüfungen der Candidati gefeiert, die allesamt bestanden haben.

 

Bei der Garde denkt man vermutlich, dass Magier doch besser als sie in der Lage sein sollten, in solchen Fällen zu ermitteln. Magister Deskryn hatte daher die Idee, sich an jemanden von außen zu wenden, der den Fall vielleicht diskret aufklären könnte. Jewel fragt nach, warum die Akademie nicht auf die Garde vertraut, und Eskorn erwidert, dass sie einen Ruf zu wahren hat, und der sollte nicht darin bestehen, dass man sein Kind in Lebensgefahr stürzt, wenn man es zur Akademie schickt.

 

Durch geschicktes Nachhaken entlockt Jewel den beiden etwas, das ihnen sichtlich unangenehm ist und das sie zuerst eigentlich nicht hatten erwähnen wollen: Es hat letztes Jahr bereits zwei Morde an Studiosi gegeben. Überführt wurde der 15-jährige Sohn des Hausmeisterpaares, bei dem dieser fremdartige Dolch gefunden wurde und den das städtische Gericht daraufhin zum Tode verurteilte. Jedoch ist nun auffällig, dass alle drei Morde auf dieselbe Weise begangen wurden: immer mit diesem speziellen Dolch ins Herz ohne Anzeichen von Gegenwehr. Die beiden sprechen es nicht aus, aber Jewel kann sich denken, wie schnell man sich damals mit dem angeblichen Schuldigen zufrieden gab. Das Hausmeisterpaar wurde natürlich entlassen und ein neues eingestellt, der Dolch wanderte als Beweismittel zum Magistraten und verstaubt vermutlich in irgendeiner Kammer. Die Mordopfer des letzten Jahres hießen Camodar Belzime, Studiosus, und Yarpen Saleorne, Candidatus.

 

Sie werden sich handelseinig, und damit ihr kein Aufpasser an die Seite gestellt werden muss, der sie ständig legitimiert, will Deskryn sie morgen in der Mensa beim Frühstück vorstellen, damit jeder weiß, dass er ihre Fragen beantworten muss. (Jewel findet diesen Fall äußerst spannend und ist heilfroh, sich beschäftigen zu können – hätte sie keinen Ruf zu wahren, hätte sie ihn sogar umsonst übernommen.) Deskryn besteht darauf, regelmäßig auf dem Laufenden gehalten zu werden. Zum Abschied weist Jewel Eskorn scherzhaft darauf hin, dass ihrem Raben der Kopf fehlt. Deskryn meint, er habe ihn beim Vorbeigehen versehentlich zu Boden gestoßen, lobt aber Jewels gutes Auge: Vielleicht sieht sie ja, was allen anderen bisher verborgen blieb.

 

Wie geplant stellt Deskryn am nächsten Morgen Jewel zuerst dem Kollegium und dann den Schülern vor. Valmaxian kennt sie ja (der sich hier zwar eingekauft hat, aber dennoch unterrichten muss, wenn er die Bibliothek benutzen will, also auch seine Pflichten hat), und er interessiert nicht im Geringsten für den Mord, sondern will nur in Ruhe studieren, die ständigen Unterrichtsstunden sind schon lästig genug.

 

Jeder Dozent hat mindestens ein Spezialgebiet, das er weitgehend exklusiv lehrt, aber im Grunde kann jeder vertretungsweise jedes Fach unterrichten, wenn auch nicht für alle Jahrgänge gleich gut. (Wer sich seit seiner Ausbildung nicht mehr mit Sternkunde befasst hat, kann die Grundlagen noch im Elevium vermitteln, beim Novizium ist es dann schon mit viel eigenem Lernen verbunden, und spätestens beim Studium scheitert man dann.) Die Grundlagen (Algebra, Arithmetik, Kalligraphie, Geographie, Geschichte etc.) unterrichten alle.

 

Spektabilität Elaida Eskorn unterrichtet nur, wenn jemand ausfällt.

Magister Tyros Deskryn wirkt streng, steif, bitterernst und sehr ordentlich.

Magistra Lyphane Kasmyrin wirkt streng, kalt und herablassend.

Magistra Perihel Estevon wirkt ruppig und burschikos, erweist sich aber als umgänglich.

Magistra Flarra Nethlond wirkt ein bisschen verpeilt und abgehoben, aber fröhlich und aufgeschlossen.

Magister Saldremor Rivryn wirkt schweigsam und verschlossen, aber nicht unfreundlich.

Magister Thrail Adalbran wirkt den Schülern gegenüber schroff, abweisend und streng, dem Kollegium gegenüber aber freundlich.

Magister Isran Kirzaur (der auch für die Bibliothek zuständig ist) wirkt ständig müde und ist unfassbar langweilig und einschläfernd.

Gastdozent Ralagas Therim (Sir David Jason) aus Myratma wirkt etwas schusselig und liebedienerisch, aber geradezu putzig.

 

Jewel merkt Deskryn an, dass er sich daran stört, dass Jewel etwas ausführlicher mit den Dozenten spricht – in seinen Augen dürfte ja wohl klar sein, dass der Mörder kein respektabler Kollege sein kann.

 

Nach dem Frühstück teilen sich die Schüler und Dozenten auf die Lehrräume auf, denn der Lehrbetrieb läuft ganz normal weiter. Jewel rennt also immer wieder durch die halbe Akademie, um zu den Hörsälen zu gelangen und sich dort mal diesen, mal jenen Schüler herauszupicken und leise zu befragen. Mancher Dozent lässt das aber auch nicht zu, damit die Aufmerksamkeit nicht gestört wird, und hier und da muss sie warten, Vorträgen zuhören, deren Inhalt nicht unverständlicher sein könnte, beim Aufmalen von magischen Diagrammen zusehen und in der Alchimie-Vorlesung den Gestank nicht gelungener Tränke ertragen. In Valmaxians Vorlesung muss sie innerlich die Augen verdrehen: Ihr Gefährte macht keinen Hehl daraus, dass dies nur eine lästige Pflicht ist. Wie soll man dabei etwas lernen?

 

Die Altersspanne der Schüler reicht hier von zehn bis zwanzig Wintern, aber der Mord wird als spannend und aufregend, weniger als bedrohlich empfunden – vermutlich, weil die Umstände so geheimnisvoll und so wenig brutal oder wahllos wirken, sich die Schüler also nicht bedroht fühlen. Den Schülern aus Kiaras Jahrgang geht es da natürlich ein wenig anders.

 

Natürlich bekommt Jewel allerlei Gerüchte zu hören: Der Hausmeistersohn führt seine Mordserie jetzt als Geist fort, in Rivryns Giftschrank wurde eingebrochen, die Mordwaffe war ein magischer Gegenstand, auf dem ein Fluch liegt, Kiara war der Liebling der Spektabilität, die Schattendiebe stecken hinter den Morden, ein Kobold sucht die Akademie heim, Magistra Estevon hat ein Verhältnis mit der Frau des Hausmeisters, Belzime wollte das Studium abbrechen, Saleorne musste unbedingt die Prüfung auf Anhieb schaffen, weil er schon bei seinem Mäzen als Dienstmagier unterschrieben hatte, und so weiter. Von den Lehrern erfährt sie, dass es den letzten Todesfall an der Akademie vom letzten Jahr abgesehen vor acht Jahren gab, aber das war ein Unfall, und es traf auch keinen Schüler, sondern eine Lehrerin, Magistra Nurmengard.

 

Auf ihren Wegen durch die Akademie stößt Jewel hin und wieder auch auf einen Pseudodrachen, der mal durch die weiten Hallen fliegt und es sich mal um einen Säulenkopf geschlängelt gemütlich macht und Jewel spielerisch-misstrauisch beäugt. Sie erfährt, dass es sich hier um Magpie handelt, auch Maggie genannt, eine sehr von sich überzeugte Zeitgenossin, katzenhaft-launisch und wählerisch, mit wem sie kommuniziert, den Spitznamen trägt sie, weil sie gern klaut, was ihr gefällt, und es heißt unter den Schülern vielleicht scherzhaft, vielleicht wahrheitsgemäß, dass sie sich für eine echte Drachin hält. Aber auch sonst ist dieser Ort für Jewel ungewöhnlich, begegnet sie doch weit mehr magischen Effekten als gewohnt: Bilder, deren Motive sich beim Betrachten zu bewegen scheinen, ein Springbrunnen, dessen steinerne Meerjungfrauenverzierung auf Ansprache durch die Luft zu schwimmen beginnt, in den Büros der Dozenten selbsttätig schreibende Federn, Abwasch, der sich von alleine macht, Tee und Gebäck, das sich selbst serviert und so weiter.

 

Jewel wartet auch Saldremor Rivryns Vorlesung ab und befragt ihn nach dem Schlafmittel, das er untersucht hat. Er konnte es zuerst nicht genau identifizieren, mithilfe von Magistra Nethlond dann aber schon: Es handelte sich um einen Ockerblatt-Sud. (Jewel merkt ihm an, dass er vermutlich wegen seiner Entstellung so zurückhaltend ist und sich ihrer schämt.) Sie sucht also das Gewächshaus auf und erfährt von der angesichts der Umstände schon fast unpassend fröhlichen Herbologin, dass Ockerblatt auch hier gezogen wird, Nethlond habe allerdings nichts vermisst. Da der Sud aus den Blättern gewonnen wird, darf sich Jewel die Bäumchen ansehen und zählt nach, wie viele Blätter abgeknipst worden sind – mehr, als es Nethlond zufolge für ihre Zwecke hätten sein dürfen. Jewel lässt sich kurz die Zubereitung zeigen und fragt, wie einschläfernd Ockerblatt ist. Nethlond erklärt, dass es für sich gesehen nicht stark ist, die Wirkung aber mit Teremon verstärkt werden kann, das aber geruch- und geschmacklos ist und daher nicht nachgewiesen werden kann. Wo man das herbekommt? In der Stadt gibt es sicherlich einige Anlaufstellen, Rivryn besitzt auch etwas, es fehle aber nichts und bei ihm sei auch nicht eingebrochen worden.

 

Jewel befragt weiter die Schüler in ihren Vorlesungen und bekommt vom vorgestrigen Abend allmählich ein Bild: Die gesamte Schülerschaft feierte mit den Lehrkräften in der Mensa, doch zwischen der elften und zwölften Stunde kann sie neben Kiara Gislahar drei Schüler, allesamt Studiosi, identifizieren, die die Feier verlassen haben. Baredena Norbane, Ravate Krune und Kelterran Jund – zum gestrigen Frühstück waren aber alle drei wieder anwesend.

 

Also macht sie sich über diese drei kundig und findet im weiteren Verlauf des Tages heraus, dass Camodar Belzime, eines der beiden Mordopfer im letzten Jahr, mit der Freundin von Ravate Krune angebandelt und sie verführt haben soll, und über das andere, Yarpen Saleorne, heißt es, er habe für seine privaten Ausschweifungen bei verschiedenen Studiosi Schulden gemacht, darunter auch Baredena Norbane. Kelterran Jund soll um den gestrigen Mittag herum sogar im Innenhof einen Streit mit Kiara gehabt haben. Er ist dafür bekannt, ein besonders frommer Mystra-Anhänger zu sein und sehr oft den Tempel zu besuchen.

 

Jewel findet Ravate Krune, der sich in der Secunda Studiosa befindet und in jeder Hinsicht durchschnittlich und etwas langweilig wirkt. Auf Camodar Belzime angesprochen reagiert er nervös, aber das könnte auch dem Umstand zuzuschreiben sein, dass er nicht unschuldig als Verdächtiger gelten will. Er bestätigt das Gerücht, weist aber jede Schuld von sich. Warum er die Feier verlassen hat, beantwortet er mit dem Fest seines Onkels, der in seinen Geburtstag hineinfeierte, Ravate hat die Erlaubnis, die Akademie zu verlassen, schon im Vorfeld bei der Spektabilität beantragt und bekommen. (Eskorn bestätigt das später.)

 

Baredena Norbane hat gerade die Tertia Studiosa angetreten, also ganz frisch das Novizium erfolgreich beendet. Sie wirkt schüchtern, wenn nicht gar ein wenig nervös. Jewel fragt sie, woher sie stammt und wie ein Mädchen aus Karlaggar in der Unterstadt es sich leisten kann, einem Mitschüler Geld zu leihen, wo doch die Ausbildung schon so teuer sein muss – sie hat Yarpen Saleorne doch Geld geliehen, oder? Baredena entgegnet, dass er nicht nur bei ihr Schulden hatte: Die wenigsten Schüler verfügen über viel Geld, also machte er Kleinschulden bei vielen, und für die paar Silbertaler bringt man doch niemanden um, zumal Tote ihre Schulden nicht begleichen können. Dass sie die Feier verließ, begründet sie nach einigem Winden damit, dass sie ein kleines Techtelmechtel mit dem Sohn des Hausmeisters hatte, aber das dürfe Jewel bitte niemandem verraten, sie könne dafür von der Akademie fliegen. Ihre fahrige Nervosität würde sie eigentlich unglaubwürdig machen, aber wegen des Themas erscheint sie wiederum glaubhaft.

 

Auf der Suche nach dem Hausmeistersohn Bellion wird Jewel in die Kellergewölbe geschickt, wo Maggie sie erschreckt und ihr zuerst den Weg versperrt, sich dann aber hissend zurückzieht. Jewel findet den recht stattlichen jungen Burschen beim Einlagern von Lebensmitteln (er muss nur die Kisten in die Lagerräume schleppen, den Rest erledigen permanente Unseen Servants), und auf Baredena angesprochen läuft er sofort feuerrot an. Als Jewel das Stelldichein anspricht, gibt er es sofort zu, bekniet sie aber ebenfalls, zu schweigen, denn dafür könnten seine Eltern hier rausfliegen.

 

Kelterran Jund, ein auffällig gut aussehender junger Mann in der Prima Studiosa (dem letzten Jahr des Studiums), wirkt verschlossen und wenig hilfsbereit. Auf den Streit mit Kiara angesprochen behauptet er, dass es nur um magiephilosophische Themen ging, doch Jewel glaubt ihm nicht. Er habe die Feier für eine Mitternachtsandacht im Mystra-Tempel verlassen, die wegen einer besonderen Sternenkonstellation gehalten wurde.

 

Der junge Mann hat etwas zu verbergen, da ist sich Jewel sicher, also sucht sie Thrail Adalbran im Turmobservatorium auf, bewundert die astrometrischen Armillarsphären und das riesige Teleskop und befragt ihn nach der Konstellation, doch er erklärt ihr die Thematik und die Bedeutung für die Kirche Mystras – Junds Alibi hat Hand und Fuß. Natürlich könnte sie im Tempel nachfragen, doch traut Jewel so jungen Menschen nicht die Abgebrühtheit zu, so geplant zu morden und danach befragt so ruhig zu bleiben.

 

Deskryn lässt Jewel am Abend zum Report abholen und sie in seinem Arbeitszimmer warten. Erneut wird ausgiebig gezeigt, wie Jewel beim langsamen Herumschlendern jedes Detail in sich aufsaugt, Deskryn erscheint aber schon nach ein paar Augenblicken und will einen Bericht hören. Eigentlich möchte Jewel gar nichts erzählen, da sie noch keine vernünftigen Hinweise hat, aber Deskryn will offenbar sehen, was sie für ihr Geld tut, also berichtet sie das Nötigste und benennt die drei Schüler, die zur Tatzeit nicht bei der Feier waren, was aber nicht ausschließt, dass auch andere sich davon entfernt haben und es nur nicht auffiel, und was auch nicht viel bedeutet, da der Täter schließlich kein Schüler gewesen sein muss. Ja, wer denn sonst, fragt Deskryn – ungesehen von außen in die Akademie zu gelangen, ist kein Kinderspiel, und sie verdächtige doch wohl nicht die Lehrer? Jewel lügt, dass sie das natürlich nicht tue, doch natürlich hält sie die für potenziell verdächtiger als Kinder und Heranwachsende.

 

Nachts ist die magische Beleuchtung gedimmt, und Jewel spaziert in friedlicher Atmosphäre durch die menschenleeren, aber geheimnisvollen Gänge und denkt nach. Einen Ansatzpunkt hat sie noch nicht gefunden, aber sie lässt alle Informationen Revue passieren.

 

Sie hat ein Gespür dafür, beobachtet zu werden, wundert sich hier aber nicht darüber, denn in der Akademie geht ihr das oft so. Wegen ihres sechsten Sinns erschrickt sie selten, doch jetzt zuckt sie zusammen, als plötzlich Feuerwerk ertönt, bunte Lichter in der Luft flirren, der Duft von Schwarzpulver in der Luft liegt – und eine winzige nackte, zugleich drollige wie hässliche Gestalt fröhlich singend und feixend den Gang hinunterläuft. Jewel läuft hinterher, doch hinter der nächsten Ecke ist nichts mehr von ihr zu sehen.

 

Der zweite Tag bietet mehr vom Gewohnten: Jewel schaut Zauberübungen der Studenten unter Anleitung zu, beobachtet, wie sich Novizen mit ihren ersten winzigen magischen Effekten Streiche spielen (Prestidigitation ist ja extrem vielseitig einsetzbar), sieht amüsiert mit an, wie Maggie einem Schüler ein Kleinod stiehlt und damit davonfliegt, und unterhält sich mit Schülern und Lehrern. Natürlich erwähnt sie hier und da auch ihre nächtliche Begegnung, und die Schüler meinen einhellig, dass sie Poppycock kennen gelernt hat, den Kobold der Akademie. Gut, vielleicht war das ja doch kein albernes Schülergerücht.

 

Sie sucht auch wieder Valmaxian auf und fragt ihn, ob es vielleicht in der Geschichte der Akademie interessante Hinweise gebe. Max, das wandelnde Lexikon, hat sich die Chroniken der Akademie natürlich längst zu Gemüte geführt und kann sie im Schlaf hersagen – wüsste er etwas, hätte er es schon erwähnt. Jewel fragt sich, wie ihn dieser Mord so kalt lassen kann, aber er ist wirklich nur zum Forschen hier und schert sich weder um die Akademie noch um die Menschen darin.

 

Die Bilder aller einstigen und aktuellen Lehrer hängen über die ganze Akademie verteilt, also schaut sich Jewel auch diese an, wird auf das Bild der verunglückten Magistra Nurmengard aufmerksam und erkundigt sich weiter nach ihr.

 

Auch an diesem Abend muss Jewel zum Report bei Deskryn antreten. Dieser ist unübersehbar unzufrieden damit, dass sie keine weiteren Fortschritte erzielen konnte, und fragt sie, warum sie ihn nicht längst gebeten hat, sich die Besitztümer der drei "Verdächtigen" ansehen zu dürfen. Er fügt hinzu, er habe nicht gelogen, als er sagte, dass er Jewel mit Rat und Tat unterstützen würde: Ein Anfangsverdacht reicht, die Schlafstätten dieser drei überprüfen zu lassen.

 

Zusammen mit Jewel sowie Magistra Kasmyrin als Zeugin marschiert er zuerst zu den Mädchen, lässt Baredena den Inhalt ihrer Wäschetruhe ausleeren und weist Jewel an, auch Bett und Kleider zu durchsuchen. Man findet nichts und zieht weiter zu den Jungen. Kelterran ist nicht anwesend, aber Deskryn erlaubt Jewel, die Truhe zu knacken. In dieser findet sie nichts Ungewöhnliches und auch keinen doppelten Boden, aber zwischen Bettgestell und Matratze liegt ein dreieckiger Stoßdolch (auch Scheibendolch, Rondeldolch oder Kettenbrecher genannt) mit leichter Blutkruste an der Parierscheibe. Auf dem Boden sind keine auffälligen Spuren zu erkennen. Während Deskryn wütend die Zimmergenossen fragt, wo Kelterran ist (die erschrockenen Studiosi antworten, er sei schon weg gewesen, als sie ankamen), ertastet Jewel, als sie die Hand zwischen Kissen und Matratze schiebt, etwas, das niemandem mit schwächer ausgeprägten Sinnen aufgefallen wäre: eine minimale Verkrustung auf der Unterseite des Kopfkissens. In einem unbeobachteten Moment hebt sie es an und sieht eine mit inzwischen getrocknetem Blut geschriebene Vier auf dem Kopfkissen – an der Naht erkennt sie, dass dies die Oberseite ist, es also umgedreht wurde. Ihrem Instinkt folgend macht sie nicht darauf aufmerksam, als sich Deskryn ihr wieder zuwendet und mit ihr auf den Gang geht. Jewel meint leise zu ihm, dass es exakt auf diese Weise schon vor einem Jahr ablief, und recht offensichtlich erwischte es damals den Falschen. Deskryn aber will nichts davon hören – wie sonst soll dieser Dolch, obendrein so ein außergewöhnlicher, in Junds Bett zu erklären sein?

 

Während Deskryn die Garde verständigen lässt, zieht sich Jewel unauffällig zurück. Das ist ihr zu einfach, zu offensichtlich. Eilig begibt sie sich zum Stall, schwingt sich auf Turtle und reitet auf einer geschickten Abkürzung zum Mystra-Tempel (da sie sich jede Stadt, in der sie Zeit verbringt, genau ansieht und einprägt). Dieser ist nicht groß, und sie war noch nie darin, aber mit einem großzügigen Opfer verschafft sie sich Zutritt. Hier lernt sie die Magistra Asmolinia Imbralym kennen, die Kelterran heute aber noch nicht gesehen hat. Jewel begründet ihren Wunsch, ihn zu sprechen, mit Problemen an der Akademie und muss warten.

 

Schließlich bringt Asmolinia Kelterran zu ihr, und Jewel fällt auf, dass er keine Überbekleidung trägt, hier also recht leger herumläuft. Sie fragt ihn, warum er die Akademie verlassen hat. Kelterran lügt, Jewel konfrontiert ihn damit, ihr Intimidate sitzt, und er gesteht, dass er wegen der blutigen Vier abhaute. Eigentlich hatte er schon länger geplant, die Akademie zu verlassen, aber... weiter kommt er nicht, denn ein Novize lässt einen Gardeleutnant herein, der verkündet, Kelterran Jund wegen Mordes verhaften zu wollen, wenn ihm kein Tempelasyl gewährt wird.

 

Die Magistra ist erschüttert, kann aber nicht aus purer Sympathie Asyl gewähren und muss zusehen, wie Kelterran abgeführt wird. Jewel vertraut ihr an, dass sie nicht glaubt, dass er der Täter ist – vielleicht kann Asmolinia Licht in die Sache bringen?

 

Die Magistra lobt Kelterrans Hingabe an Mystra, die ihn so oft hierher geführt hat. Hier lernte er auch die Tempelnovizin Naratha kennen, sie verliebten sich ineinander, und nun ist sie schwanger von ihm. Asmolinia holt die junge Frau, und Naratha berichtet unter Tränen, dass Kelterran Angst vor seinem überaus strengen, brutalen und herzlosen Vater hat, der sein Studium finanziert, um dann einen eigenen Magier zu haben, dem er befehlen kann, was er will. Die Aussicht, nach seiner Examinatio in zwei Jahren zu seiner Familie zurückkehren zu müssen, bereitet Kelterran Grauen. Sein Plan war immer gewesen, die Examinatio abzulegen, das Gildensiegel zu erwerben und als ausgebildeter Adept Reißaus zu nehmen und sich irgendwo weit weg von hier zu verdingen. Doch Narathas Schwangerschaft verkompliziert die Dinge, denn mit einer jungen, an den Tempel gebundenen Frau und einem Baby kann er nicht mal so eben von der Bildfläche verschwinden, zumal sein Vater vor seiner Examinatio davon erführe. Also überlegte Kelterran, schon vor der Geburt mit Naratha durchzubrennen (was auch Asmolinia gerade zum ersten Mal hört). Warum sollte er unter diesen Umständen einen Mord begehen?

 

Die Magistra und Jewel sprechen wieder unter vier Augen. Asmolinia hält es zwar für möglich, dass Kiara Wind von seiner heimlichen Liebschaft und der Schwangerschaft bekommen hat und Kelterran damit erpresste, aber vorstellen kann sie es sich bei diesem Mystra so fromm ergebenen und vielversprechenden Studiosus nicht. Jewel gibt zu bedenken, dass Deskryn jetzt vermutlich darauf besteht, dass der Schuldige gefunden wurde, und ohne Zugang zur Akademie hätte Jewel keine Chance mehr, den wahren Schuldigen zu finden. Wenn die Magistra jedoch einen Brief aufsetzte, in dem sie darum bittet... Asmolinia sieht Jewel bedeutsam an und nimmt sie mit in ihr Arbeitszimmer. Jewel kann nur raten, warum die Erzpriesterin ihr damit vertraut.

 

Jewel reitet beim Ordenshaus vorbei und hofft, Jaqeera anzutreffen, denn nun liegt Keltarrans Leben in ihren Händen, und mit der Hilfe einer Magierin kommt sie in der Akademie vielleicht doch weiter als allein. Sie hat Glück: Die Illusionistin ist heute zeitig zu Hause und hat nichts Besseres zu tun, zumal sie sich auch in der Akademie auskennt, da sie dort viel Zeit mit den Studien verbracht hat, die der Herzog ihr wegen der Kampagne in Cormyr geschenkt hatte. Jewel zieht sie ins Vertrauen: Den jungen Schülern traut sie diese Kaltblütigkeit nicht zu, den Erwachsenen schon viel eher. Jaq hatte nicht mit allen Lehrkräften zu tun und kann nur etwas über Kasmyrin und Estevon sagen, was sich mit Jewels Eindrücken deckt. Diese erwähnt, dass auch ein Gastdozent aus Myratma an der Akademie ist, Ralagas Therim. Jaq erbleicht: Den kennt sie noch von früher – das ist der kleine Bruder ihrer damaligen Spektabilität...

 

Jewel hat sich Gedanken gemacht: Wenn der angebliche Täter gefangen wurde und Jewel nicht mehr in der Akademie herumschnüffelt, wiegt sich der wahre Täter vielleicht in Sicherheit und begeht einen Fehler. Sie möchte Eskorn bitten, zu erlauben, dass Jaq zu Studeinzwecken an die Akademie zurückkehrt. Jaq wehrt erschrocken ab: Ralagas würde sie erkennen, und das will sie vermeiden, verrät Jewel aber nicht den Grund dafür. Diese muss das akzeptieren und will Eskorn fragen, ob sie eine magische Scharade gestattet. Jaq überlegt sich ein Konzept und nennt den Namen Rephexa Galt, sollte einer nötig sein.

 

Sie bleibt allein im Ordenshaus zurück und denkt nach. Jaq hat mit der Gemeinschaft der Ersten Sonne einen langen Weg hinter sich. Ihr Akademiesiegel, das sie als Gildenmagierin ausweist, ist zugleich ihr größter Stolz wie auch Merkmal ihrer Schande, hat sie es doch unter falschem Namen erworben. Das war in ihrem Leben vor der Gemeinschaft der Ersten Sonne nie ein Problem, aber diese Gruppe wird immer prominenter – und damit auch Jaq selbst. Es muss nur einmal irgendjemand eine Nachfrage in Myratma stellen, und schon fliegt sie auf und kann für ihren Betrug schwer bestraft werden. Sie hat in der Gruppe eine Familie, eine Heimat, sogar eine Bestimmung gefunden, und sie könnte ihr niemals den Rücken kehren, doch schämt sie sich ihrer Herkunft und hat ständig die Sorge, aufzufliegen, dem Ansehen der Gemeinschaft zu schaden und sie unter Zwang verlassen zu müssen. Diese Sorge hindert sie auch daran, sich voller Stolz als Mitglied dieser Gemeinschaft zu präsentieren. Vielmehr führt sie nach wie vor mithilfe ihres kostbarsten Schatzes, dem Ring of Masks, viele vorgetäuschte Leben und selten das eigene. Ihre Gefährten schreiben das ihrer Bescheidenheit zu, dabei täte sie nichts lieber, als die Früchte ihrer Arbeit zu genießen und sich endlich prominent als Mitglied der Gemeinschaft, am liebsten sogar des Ordens der Ersten Sonne zu zeigen.

 

Oft schon hat sie überlegt, nach Myratma zurückzukehren und die dortige Spektabilität, Malganas Therim, ein letztes Mal mit ihrem Wissen zu erpressen, um die Studentenrolle abzuändern und mit ihrem echten Namen zu ergänzen. Doch mit jedem Tag, den sie der Gemeinschaft angehört, fühlt es sich falscher an, so etwas Unrechtes zu tun, und sie hat auch Angst davor, dass sie, wenn sie versagt, ihren eigenen Untergang selbst herbeiführen könnte. Doch wer weiß, ob der alte Malganas überhaupt noch lebt? Wenn ja, ist er bereits sehr alt – bei seinem Nachfolger käme sie nicht mehr an die Studentenrolle heran. Spielt ihr das Schicksal einen Streich oder gibt es ihr einen Wink, indem es jetzt seinen Bruder an die Königlich Tethyrianische Akademie schickt und einen Grund dafür bereitstellt, dass sich ihre Wege kreuzen? Zumindest könnte sie so in Erfahrung bringen, ob Malganas noch die Spektabilität der Schule des Seienden Scheins ist.

 

Jewel kehrt an die Akademie zurück, läuft zu ihrem Glück Flarra Nethlond über den Weg und lässt sich von ihr zu Eskorns Arbeitszimmer bringen, um den sturen Deskryn zu umgehen. Erneut hat sie Glück: Die alte Dame ist noch wach und empfängt Jewel. Deskryn war natürlich schon hier und hat die Spektabilität stolz in Kenntnis gesetzt. Jewel präsentiert Magistra Imbralyms Brief und schließt sich deren Skepsis an, ob man mit Keltarran Jund wirklich den Täter hat. Eskorn fragt sie direkt, was sie denn nun zu tun gedenkt. Jewel erklärt ihren Plan, Eskorn lehnt entrüstet ab, aber mit einem tollen Diplomacy-Check bequatscht Jewel sie so lange, bis sie zumindest gesprächsbereit wird. Was für ein Signal würde sie ihren Dozenten senden, wenn sie ihnen so offen misstraute, dass sie sie nicht einweiht? Außerdem ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine illusionäre Maskerade auffliegt – sie sind hier schließlich an einer Magierakademie! Jewel entgegnet, dass die getarnte Jaq ja nur studieren würde und nicht prominent aufträte.

 

Seufzend setzt Eskorn eine rückdatierte Bewilligung der Bibliotheksbenutzung für Rephexa Galt für einen Tag auf und macht klar, dass sie morgen Abend ein Ergebnis erwartet, denn länger duldet sie diese Scharade nicht. Jewel möchte ihr Blatt nicht überreizen, doch ihr brennt die Frage unter den Nägeln, warum Eskorn sie nicht sofort achtkant hinausgeworfen hat. Hält sie es für möglich, dass einer ihrer Lehrer ein Mörder ist? Wenn ja, hat sie einen Verdacht? Vermutlich keinen starken, denn sonst würde sie Jewel sanft in eine Richtung stupsen, aber zumindest muss Eskorn es für möglich halten, sonst ließe sie sich nicht auf diesen Betrug ein.

 

Jewel kehrt zum Ordenshaus zurück und bespricht sich mit Jaq. Ein Tag ist nicht viel Zeit, und Jewel will ja eben nicht gesehen werden, aber zur Verfügung stehen können, sollte es nötig sein. Daher hat sie vor, Jaq morgen zu begleiten und in der Zauberlohe zu warten, einer Taverne in der Nähe (Stichwort Studentenkneipe für Magier). Wenn sie etwas besitzt, dann Geduld – einen ganzen Tag lang herumzusitzen und Tee zu trinken, ist keine Herausforderung. Dort kann Jaq sie antreffen, wenn sie sie braucht.

 

Am Morgen richtet sich Jaq mit Masks als Rephexa Galt her, eine junge, unerfahrene Adepta minor aus dem hiesigen Kulturkreis, und betritt allein die Akademie. Sie kennt sich natürlich aus und schafft es, vor dem Gewächshaus "zufällig" Flarra Nethlond über den Weg zu laufen und diese nach dem Gastdozenten zu fragen. Nethlond weist ihr fröhlich den Weg, und "Rephexa" betritt leise den Hörsaal, legt Hut und Stab ab, setzt sich ganz hinten hin... und fragt sich, ob sie im falschen Hörsaal gelandet ist, denn das da vorn ist nicht Ralagas Therim. Gerade will sie wieder aufstehen, weil sie glaubt, einen Fehler gemacht zu haben, als sie merkt, dass er für professionelle Ohren schrecklich dilettantisch  über Illusionsmagie schwadroniert, aber nur Allgemeinplätze liefert, was den Eleven jedoch noch nicht auffallen kann. Sie wohnt der ganzen Vorlesung bei, und nach deren Ende tritt sie nach vorn und fragt ihn, ob er Ralagas Therim aus Myratma sei. "Das bin ich, junge Adepta, was kann ich für Euch tun?" Jaq hat sich einige Fragen nach der Schule des Seienden Scheins überlegt und merkt schnell, dass er noch nie an der Akademie war, vermutlich noch nicht mal in Myratma.

 

Jaq verfügt nicht über True Seeing, aber über Keen Sight, und sie hat den Mann eine Stunde lang beobachtet und ist sich todsicher: Hier liegt keine Illusion vor. (Gastdozenten werden sowieso magisch auf Herz und Nieren geprüft, und sein Vortrag machte ja schon klar, dass er von dem Thema keine Ahnung hat.) Vermutlich würde sich, fragte sie herum, herausstellen, dass hier niemand Ralagas Therim zuvor persönlich kannte. Er muss ein Magier sein, er muss ein Siegel haben (das sehr wahrscheinlich nicht von der Schule des Seienden Scheins ausgestellt wurde), und er muss eine Erklärung haben, warum er ein anderes trägt. Jedenfalls ist er nicht der, der er zu sein vorgibt.

 

Sie fragt sich nach Valmaxian durch und findet ihn in der Bibliothek mit dem Drachenskelett unter der Decke. Witzigerweise ist er komplett unüberrascht und schaut nicht mal auf, als sich Jaq zu erkennen gibt, sondern stellt einfach nur eine Frage, die nur sie beantworten kann. Seit seine Glasses of True Sight verloren gegangen sind, hat auch er keine Möglichkeit mehr, Illusionen magisch zu durchschauen, aber die Spektabilität hat welche, und die durchleuchtet jeden. Magister Kirzaur legt denkbar leidenschaftslos den Finger an die Lippen und stößt das langweiligste "Sssshhhht!" der Welt aus.

 

Jaq weiß von einer Illusion, mit der man ein bestimmtes Siegel vorgaukeln kann, aber Illusionen scheiden hier einfach aus. Außer auf ihrem Spezialgebiet eher nur mit Grundkenntnissen ausgestattet, fragt sie Max, ob man sein eigenes Siegel verändern kann. "'Grundkenntnisse' hielte ich in deinem Fall für schiere Prahlerei, und ja, die gibt es. Sobald dir die Leitung einer Akademie anvertraut wird, weiht man dich für gewöhnlich auch in dieses Mysterium ein. Gib mir Bescheid, wenn's soweit ist, denn auch mich interessiert das brennend." Jaq kann nicht fassen, wie gleichmütig er die Neuigkeit aufnimmt, dass ein Betrüger hier Gastvorträge hält – gewiss doch, um einen Grund für seine Anwesenheit zu haben, aber etwas anderes im Schilde zu führen, und es müsste schon mit Bhaal zugehen, wenn das nichts mit den Morden zu tun hat! Max entgegnet, dass Ralagas Therim erst seit zwei Tendays hier ist, für die Morde im letzten Jahr kann er also schwerlich verantwortlich sein. Jaq erwägt, die Spektabilität zu informieren, doch nun ist es Max, der ihr zu mehr Eigeninitiative rät, denn auf das Wort einer Betrügerin hin kann Eskorn wohl kaum einen renommierten Magier beschuldigen und gegen seinen Willen solange festhalten, wie es dauert, jemanden aus Myratma kommen zu lassen – da wird Jaq schon bessere Argumente brauchen.

 

Jaq setzt sich also in eine wunderschöne Leseecke unter einem auch im Inneren des Gebäudes stets in Frühlingsblüte stehenden Baum (ein Geschenk der Schule des Direkten Weges, das trotz der unterschiedlichen Gildenzugehörigkeit gern angenommen wurde), von wo aus sie den Eingang zu "Therims" Hörsaal beobachten kann, folgt ihm dann zu einem anderen, passiert diesen, legt über den vom Ring aufrecht erhaltenen Masks-Spell Disguise Self, um wie ein Eleve auszusehen, lungert hier herum, passt "Therim" erneut ab, folgt ihm abermals unauffällig, doch er begibt sich nur zu seinem Arbeitszimmer. Verdammt, während des Schulbetriebs wird er schon nichts Verdächtiges anstellen, und Jaq läuft die Zeit davon.

 

Nach dem Abendessen erteilt er Studenten der Prima Studiosa Nachhilfe, wie es von Gastdozenten erwartet wird, also weiß "Rephexa", wo er ist, läuft rasch zu Valmaxian und schickt ihn zur Zauberlohe, um Jewel zu holen, denn Jaq will "Therim" nicht aus den Augen lassen.

 

Genervt, aber schicksalsergeben holt Max Jewel und setzt sie auf den neuesten Stand. Als sie die Eingangshalle betreten, laufen sie Eskorn, Deskryn, Nethlond und Rivryn über den Weg, die erstaunt reagieren: Ein neuer Mord hat sich ereignet, und plötzlich taucht Jewel auf? Sie kann die vier vom puren Zufall überzeugen und erfährt, dass sie gerade auf dem Weg zu den Mädchenunterkünften sind, denn die Leiche der Studentin Purdyn Nagarythe wurde gerade in ihrem Zimmer tot aufgefunden. Deskryn sieht Jewel wütend an und scheint sie für ihre schlechte Arbeit schelten zu wollen, doch er war ja von Kelterrans Schuld überzeugt. Eskorn lässt sich mit Jewel zurückfallen und zischt sie an, welche Probleme ihr jetzt die Anwesenheit einer Illusionistin unter falscher Identität mit ihrem Wissen bereitet.

 

Auf dem Gang ist die halbe Akademie auf den Beinen, teils im Nachthemd, teils angezogen, und die Lehrer versuchen sie zu verscheuchen, denn die Leiche wurde nicht unauffällig entdeckt: Baredena Norbane hat sie gefunden und daraufhin einen Nervenzusammenbruch erlitten.

 

Die Tote liegt auf ihrem Bett, ist aber noch angekleidet, nichts deutet auf einen Kampf hin, sie weist die charakteristische Stichwunde auf, und Rivryn und Nethlond stimmen überein, dass sie in ihrem Wasserkelch Ockerblattsud riechen bzw. schmecken. Um diese Zeit schlafen die meisten Eleven und einige Novizen schon, aber die Studenten sind in der Regel länger wach und betreiben in der Bibliothek und in den Hörsälen Forschungsarbeiten, erledigen Aufgaben etc. – daher ist jetzt eine gute Zeit, in den Unterkünften jemanden allein abzupassen. Jewel findet keine mit Blut gemalte Zahl, weder auf dem Kopfkissen noch sonstwo, das Bett wurde nicht bewegt, die Wäschetruhe des Opfers ist unverschlossen, beinhaltet aber nichts Außergewöhnliches und wurde nicht durchsucht, weil Kleidung säuberlich gefaltet obenauf liegt. Jewel schnuppert kurz, schließt die Truhe wieder und schaut sich den Boden an, doch bei dem Kommen und Gehen hier wären Spuren auch dann verwischt, wenn es sie gäbe.

 

Als ein Eleve aufgeregt in die Nachhilfestunde hineinplatzte und von dem Mord berichtete, sind ihm die Studenten natürlich sofort hinterhergelaufen. Jaq machte sich unsichtbar, wartete "Therim" ab, der aber in eine andere Richtung ging, ließ ihm einen Vorsprung (wenn man allein und die Umgebung sehr still ist, ist es sehr schwer, zu schleichen, wenn man nicht so gut ist wie Jewel), doch als sie um die Ecke bog, war er verschwunden. Jaq weiß, dass eine Akademie stets auch ihre Geheimnisse birgt, versteckte Schalter und Türen dürfen hier nicht verwundern, doch die kennt sie nicht. Hilflos läuft sie hin und her, sucht hier, überprüft dort, doch ihr fällt nichts auf. Als sie das vertraute Fluggeräusch von Maggie einen Gang weiter hört, läuft sie ihr hinterher und ruft sie. Maggie lässt sich auf einem Blumensockel nieder und wartet. Jaq ist ihr bei ihrem damaligen Aufenthalt öfter begegnet und hat sich stets von ihr fasziniert gezeigt und sie respektvoll behandelt, also weiß sie, wie man Maggie behandeln muss. "Rephexa" verneigt sich und fragt verzweifelt, wohin jemand an der Stelle dort drüben von jetzt auf gleich verschwunden sein könnte. "Dort unter der Treppe? Oh, das ist die Koboldtreppe. Schon viele sind ihrem Geheimnis auf die Spur gekommen. Mehr, als es der alten Dame lieb sein kann." Jaq bittet Maggie inständig, ihr mehr zu verraten, gibt sich unterwürfig und lobt die Weisheit der Drachen, an der sie teilhaben möchte. Die Checks sitzen, die Taktik zieht: Maggie verrät der Gastschülerin (die sie vielleicht als Jaq durchschaut, vielleicht aber auch nicht), wie man den Kobold ruft, denn Maggie schert sich nicht um das Geheimnis, er aber kennt es.

 

Baredena wurde in das angrenzende Mädchenzimmer gebracht, um sich zu beruhigen, und Jewel versucht sie zu befragen, denn auch wenn sie es einem 16-jährigen Mädchen nicht zutraut – doch was, wenn sie die Täterin wäre, von einem zufällig des Wegs kommenden Schüler fast auf frischer Tat ertappt wurde und selber das Opfer "finden" musste? Doch es ist sinnlos: Baredena heult Rotz und Wasser, ist puterrot im Gesicht und schluchzt abgehackt-haltlos, als wenn sie vor lauter Weinen keine Luft bekäme – das ist schon für einen Theaterschauspieler sehr schwer vorzutäuschen, für so ein junges Mädchen nahezu unmöglich.

 

Eskorn und Deskryn beraten leise miteinander und geben Jewel "eine weitere Chance", den Täter zu finden. Derweil hat sich aber auch "Rephexa" zu den Schaulustigen gesellt und Jewel mit ihrer Mimik zu verstehen gegeben, dass sie mitkommen soll. Jewel, der gerade etwas aufgefallen ist, muss ihren Gedankengang vertagen, schnappt sich zur Überraschung der Magister Max und ruft: "Wir sind gleich wieder zurück!"

 

Unterwegs erklärt Jaq, wie man den Kobold ruft. Max fragt sie, ob sie den Verstand verloren hat, aber ohne handfeste Spuren ist Jewel zu allen Schandtaten bereit. Da sie sich inzwischen gut auskennt, klopft sie bei den Jungs an eine Tür der Eleven, zeigt ihnen Silbermünzen und bittet um so viele Süßigkeiten, wie sie erübrigen können. "Oh, du willst Poppycock rufen, was?" Ja, offensichtlich ist wirklich kein Geheimnis, wie man das anstellen muss.

 

Unter der Treppe legen Jaq und Jewel (unter Max' spöttischen Kommentaren) wie beschrieben eine Spur aus Süßigkeiten aus, von der kleinsten zur größten, und sagen "Poppy-, Poppy-, Poppycock" dreimal auf. In einer herrlichen Szene tapst der Kobold aus dem toten Winkel herbei, zündet eine Rakete, erfreut sich an dem Lichtspiel und fällt schließlich gefräßig über die Süßigkeiten her. Jewel redet ihm gut zu, und er lässt sich dergestalt bestochen entlocken, dass er ihr gern antwortet, wenn sie ein Rätsel löst: "Wie heißt dieser körperlose Geist, der in allen Sprachen Faerûns zu antworten vermag? Er lernte nie eine davon, doch beherrscht er sie ebenso gut wie ihr, wenngleich er euch stets nur zögernd antwortet." Da dies kein Zahlen- oder Logikrätsel ist, ist Max nicht sofort zur Stelle, doch Jewel löst es schnell: Es ist das Echo.

 

Poppycock erklärt, dass die Koboldtreppe ganz einfach funktioniert: Man muss nur beide Fußsohlen gleichzeitig auf die Unterseite der dritten Treppenstufe bekommen. Wohin die führt? Na, in die geheimen Gewölbe, zu denen nur die "Alten" Zutritt haben. Ob schon "Nicht-Alte" dort waren? Aber ja, oft. Aus den Bemerkungen des chaotischen Kobolds, der mal einfältig, mal clever, aber nie bösartig wirkt, kann Jewel folgern, dass die Benutzung der Koboldtreppe eine Mutprobe unter den Eleven ist (denn Poppycock verrät das "Geheimnis" ja gern, wenn man ihn besticht), doch kehren sie meistens nach kurzer Zeit aschfahl wieder zurück. Was genau dort zu finden ist, verrät Poppycock nicht, denn er will ihnen "ja nicht den Spaß verderben".

 

Ohne Max müsste man sich jetzt wirklich etwas einfallen lassen, aber mit Telekinese lässt er Jewel unter der Treppe schweben, dreht sie um und lässt sie weiter steigen – und sie verschwindet. Er tut dasselbe mit "Rephexa" und danach per Levitation mit sich selbst. (Die Gelegenheit, sich selber die restricted areas anzusehen, zu denen er als Gastdozent auch keinen Zugang hat, lässt er sich nicht entgehen.) Für alle drei kehren sich Oben und Unten plötzlich um, doch aus dieser Perspektive führt die Unterseite der Treppe in einen dunklen Treppenaufgang. Als man wieder etwas sehen kann, befindet man sich in einem muffigen, von ewigen Fackeln erleuchteten Kellergang, zu dem man "hochgestiegen" ist. Rechts und links gehen nur enge Abstellkammern ab, die mit allerlei Krimskrams vollgestellt sind, doch geradeaus lockt eine doppelflügelige, schwere Tür. Jewel kontrolliert sie auf Fallen, öffnet sie (sie ist unverschlossen) und sieht im großen Raum dahinter eine furchterregende Riesenspinne, die sich anspannt, aber sonst nichts tut. Jaq weicht ängstlich zurück, doch Jewel liebt die Herausforderung. Sie deutet mit einem Fuß an, die Schwelle zu übertreten, und die Spinne spannt sich noch stärker an, jeden Moment anzugreifen – doch offenbar nur Eindringlinge, und noch ist Jewel keiner. Ihr scharfer Blick erkennt eine Bodentür unter der Spinne, aber wie soll man an diesem Biest vorbeikommen?

 

Max hält die beiden an, auf sein Zeichen schnell in den Raum zu rennen. "Auf dieses Ding da zu?" fragt Jaq erschrocken, doch Jewel versteht, was er plant. Max geht zurück ans Ende des Ganges, die beiden geben den Weg frei, und mit Baleful Transposition tauscht er mit der Riesenspinne den Platz. Sie rennt durch den Gang, doch da er eng ist, ist sie nicht so schnell, wie sie normalerweise wäre – Zeit genug für Max, die unverschlossene Bodentür zu öffnen und mit den anderen beiden runterzuspringen.

 

Das Gewölbe darunter ist noch älter, wird ebenso von ewigen Fackeln erhellt, aber die dunklen Inseln sind heillos von Devil's Snare befallen. Max lässt seinen Zauberstab aufleuchten und geleitet das Trio gefahrlos hindurch. Max würde sich liebend gern umsehen, aber verschlossene Türen interessieren Jewel nicht, sie suchen ja "Therim". Jewel vernimmt fast nicht wahrnehmbare Geräusche und will allein weiter, um leise zu sein, also belegt Jaq ihren Stab (den sie nur zur Zierde mitgenommen hat, um Rephexa zu verkörpern) ebenfalls mit Light, damit Jewel ihn mitnehmen kann. Tatsächlich: Eine Tür steht offen, und in dem Raum steht "Therim" an einem Pult und schreibt etwas, doch näher kann sie nicht heran, ohne sich mit dem Licht zu verraten, also muss sie zurück zu den anderen, woraufhin sie zu dritt offen auftreten.

 

Der alte Magier reagiert erschrocken, aber nicht feindselig, doch Max geht mit Hold Person auf Nummer Sicher. (Dass alle drei Nichtkämpfer sind, kann er nicht ahnen, aber selbst dann gewänne die Überzahl, was bedeutet, dieser Hochstapler hat keinen magischen Trumpf im Ärmel, der ihn aus dieser Situation befreien könnte.) Max sieht, dass er hier ein angekettetes Buch abschreibt, das mit zahlreichen Verzauberungen (gegen Entfernung der Kette, gegen magische Transkription etc.) gesichert ist.

 

Max wirft einen Blick auf das Buch: Er erkennt es als Liber de Obscura Vires, auch als Liber de Umbrae oder Buch der Schatten bekannt, ein verbotenes Buch über die Tenebromantie, die Schattenmagie, das zu Recht hier unten aufbewahrt wird. Während "Rephexa" den alten Magier damit konfrontiert, dass sie Ralagas Therim kennt und er es ganz sicher nicht ist, sieht sich Jewel um und bemerkt, was nur ihr auffallen kann: Der Boden, der auf Benutzung hinweist, das Pult mit den sehr weichen, glattbenutzten Handauflageflächen, das Abstellbord ohne Verfärbungen des Holzes durch langes Abstellen von Materialien, das neuwertige, hochklassige und leichtgängige Vorhängeschloss – dieses Buch bekommt viel regelmäßigen Besuch, doch der Hochstapler ist erst seit zwei Tendays hier.

 

Max liest derweil die Einleitung des Buches: "Denn kann nicht nur dort Licht sein, wo zuvor Dunkel war? Was ist das Dunkel, wenn nicht die Abwesenheit von Licht? Das Dunkel ist ewig und unzertrennlich, das Licht aber ist zeitweilig und lokal, und immerfort wird es von Schatten bedrängt. Wo es aufscheint, weichen die Schatten zurück, doch wo es verlischt, da rücken sie unerbittlich nach und schlucken jeden bleichen Schein. Das Licht ist Schein und Trug, ohne Bestand. Was ist es im Vergleich zu Finsternis? Ist es nicht die Sonne, die jeden Tag mühsam das Dunkel der Nacht durchschneidet und der es nur für eine Mittagsstunde gelingt, die Schatten zu vertreiben? Was bliebe ohne den Sonnenlauf? Nur immerwährende Schwärze. Wie viel machtvoller also müssen die Schatten sein?"

 

Unglaublicherweise bemerkt Jewel trotz der schlechten Lichtverhältnisse mit einem astronomischen Check sogar winzigste glitzernde Partikel auf dem Boden, die sie Max zeigt: zu Staub gemahlenes Silber, benutzt für allerlei Schutzkreise gegen böse Einflüsse oder Übergriffe. Auch gegen Schattenmagie? Ja, natürlich. Was würde man daneben auch noch benutzen? Eine Vielzahl möglicher Pulver kann hinzugegeben werden, darunter gemahlenes Horn, gemahlene Klauen, geriebene Blutulmenspäne und viele andere, je nachdem, wogegen man sich schützen will. In der Fachwelt herrscht auch keine Einigkeit, einige schwören für einen bestimmten Verwendungszweck auf gemahlene Eulenklauen, andere auf gemahlene Rabenschnäbel usw. Jewel fragt ihn auch, wonach es hier duftet, aber Max riecht nichts.

 

Jaq lässt die Rephexa-Schicht von Masks fallen, und darunter kommt mit der zweiten Schicht eine sehr kränklich und zugleich bösartig anmutende Jaq zum Vorschein, was dem Intimidate-Wurf zugute kommt. Sie sieht sich die rechte Hand des Hochstaplers an, erkennt das Siegel aber nicht, das Max als das der Fakultät der theoretischen und der angewandten Thaumaturgie, Hermetik und Alchimie zu Esmeltaran identifiziert. Jaq entlockt dem Alten, dass er Andrell Tannalorn heißt und sich als Lohnmagier auch für ausgefallene Wünsche verdingt. Seine anonyme Auftraggeberin – eine einäugige, grässlich entstellte Frau, die ihren Namen nie genannt hat – hat ihn angeheuert, ihr das Liber de Obscura Vires zu besorgen, von dem sie gehört hatte, dass es in der Asservatenkammer der Königlich Tethyrianischen Akademie liegen soll. Sie hat den echten Ralagas Therim in ihrer Gewalt, und mit seinen Informationen sollte Tannalorn ihn verkörpern, da ihn in der Akademie niemand persönlich kannte. Jewel lässt sich die Adresse im Ships' District nennen, wo Ralagas Therim festgehalten wird, und sich von Tannalorn auch die Gegend beschreiben, um sicherzugehen, dass er keine Lüge improvisiert. Therim sitzt mit einem antimagischen Halsband in einem Keller, aber es geht ihm gut, und die Auftraggeberin hat nur einen grobschlächtigen Helfer.

 

Jaq kannte jedenfalls das Gerücht, dass es leicht sein würde, in die Asservatenkammer zu gelangen, weil es angeblich ein Schlupfloch gibt, das Tannalorn finden sollte. Wie sich herausstellte, war das die Koboldtreppe, die gar nicht der eigentliche Zugang zur Asservatenkammer ist, die die Magier der Akademie trotz ihrer Bemühungen aber nie entzaubern konnten, weil ihre Magie nicht auf thaumaturgische Magie reagiert. Von den Eleven erfuhr Tannalorn also, wie man sich Zugang verschafft, besorgte sich einige Levitation-Scrolls, charmte die Wächterspinne, erspürte und entzauberte den Alarm-Spell an der Tür zu diesem Raum und kam so oft, wie er konnte, um eine Abschrift anzufertigen, denn er fand keinen Weg, das Buch mitzunehmen, die Schutzzauber sind zu hochklassig für seine beschränkten Fähigkeiten. Auf Jewels Laiennachfrage hin erklärt er, er besitzt nur sehr geläufige Zauber, mit denen man gut durchs Leben kommt, aber keine spezielleren. Daher beherrscht er auch nur den einfachen Dispel, mit dem man Spruchmagie zu Leibe rückt – gegen mit Ritualen verankerte Zauber hilft aber nur der Greater Dispel oder ein eigenes Ritual.

 

Währenddessen überprüft Max auf Jewels Bitte die Schutzzauber mit Analyze Dweomer und stellt fest, dass sie ganz frisch sind. Darauf angesprochen weiß Tannalorn auch nichts zu sagen, er hat daran nicht herumgespielt. Sie werden wohl regelmäßig erneuert, denn einmal ist er hier unten Leuten fast in die Arme gelaufen, konnte sich aber zurückziehen, bevor sie ihn bemerkten. Seitdem war er vorsichtiger, und doch befanden sich hier unten zwei weitere Male Menschen (es waren jedenfalls mehrere Stimmen), so dass er schnell wieder verschwand. Da das immer nachts der Fall war, suchte er seitdem nach Möglichkeiten, tagsüber hier einzusteigen (denn wenn er hier ist und jemand trifft ein, kann er nicht unbemerkt an ihm vorbei), muss sich aber auch oft und lange genug in der Akademie sehen lassen, um nicht vermisst zu werden. Deskryn aber ist offenbar bereits misstrauisch geworden, seit er einer von Tannalorns Vorlesungen über die Magica Phantasmagorica zugehört hat – Tannalorn gibt zu, über Illusionen nicht mehr zu wissen als das, was er in seiner Schulzeit gelernt hat.

 

Auf die Morde angesprochen reagiert er panisch und schwört bei Mystra, dass er nichts mit ihnen zu tun hat. Nach dem Mord an Kiara hat er seine Auftraggeberin bereits gebeten, ihn aus der Vereinbarung zu entlassen, aber das Geld lockte nun mal, und sie hat sogar noch etwas draufgelegt. Als er heute hörte, dass es ein weiteres Opfer gab, nutzte er die Chance, hier unten allein zu sein, denn nun würde ja garantiert jeder zu beschäftigt sein. Jewel prüft seine Abschrift: Weit ist er noch nicht gekommen, und sie kann sehen, dass seine Schrift zuerst schön begann, aber immer unordentlicher wurde, als wollte er immer schneller zum Ende kommen, was seine Behauptungen stützt. Sie fragt Tannalorn nach dem Inhalt des Buchs, und er gibt frei heraus zu, dass er ihm zu hoch ist. Seine Auftraggeberin verspricht sich etwas davon, dass ein Magier diese Abschrift anfertigt, doch seine Profession kommt ihm hier nicht zugute, dies sind höhere Mysterien, er ist nur ein Adept, der nie seinen Magus gemacht hat.

 

Der Hochstapler wirkt tatsächlich harmlos und verängstigt und bettelt die drei an, ihn gehen zu lassen, seine Auftraggeberin würde sich das gewiss etwas kosten lassen.

 

Jaq betrachtet nachdenklich das schwarze Buch. Verbotene Magie, gewiss, doch auch verlockende, denn Schattenmagie vermag Illusionen zu erschaffen, die gerade stofflich genug sind, um nicht erkannt werden zu können – wie sehr würde das ihr Repertoire bereichern! Doch die Angst vor dem, was in dem Buch zu finden sein könnte, ist größer, und vermutlich geht es darin nicht mal um Illusionen, sondern um ganz andere finstere Anwendungsgebiete. Was, wenn man mit der Lektüre Shar in sein Herz ließe? Das Buch ist ja nicht ohne Grund verboten.

 

Jaq fragt, was sie jetzt tun wollen, aber Jewel sieht sich wortlos weiter im Raum um. In einer Kiste, die dem Fehlen von Staub zufolge oft benutzt wird, findet sie nur zusammengerollte Matten – aber die sind auf der Unterseite staubig, was auf kürzliche Benutzung hinweist. Mit Concentration und Superior Senses findet sie in der Mitte des Raums auf dem Boden minimalste Einkerbungen von etwas Schwerem, das dort abgestellt, aber nie über den Boden verrückt wurde, während sich Jaq fragt, wie Jewel bei dem schlechten Licht und dem Geflacker überhaupt etwas erkennen kann.

 

Die Diebin erklärt schließlich, dass Magister Deskryn und fünf bis sechs Schüler diesen Raum vermutlich regelmäßig benutzen. Natürlich wollen Jaq und Max wissen, wie sie darauf kommt, und sie erklärt, dass der Boden zu staubig ist, um in den guten Schulroben darauf zu sitzen, also werden Matten benutzt, sechs an der Zahl, und das des Öfteren. Sie werden im Sechseck um die gedachte Mitte angeordnet, in der etwas Schweres abgestellt wird, das sich aber nicht hier befindet. Darum herum wurde ein Bannkreis gezogen, vermutlich um das, was sich darin befand, dort zu halten. Das Vorhängeschloss wird oft benutzt, also kommt das Buch regelmäßig zum Einsatz. Jaq hakt weiter nach, und Jewel erklärt, dass man sich in der Akademie für offizielle Anlässe sicher an den hauseigenen Materialien bedienen kann, doch deren Bestände werden natürlich nachgehalten – wenn man sie also heimlich besorgt oder herstellt, dann, weil man damit etwas Unerlaubtes tut. An Deskryns linker Hand bemerkte Jewel bei ihrem ersten Treffen eine Hautabschürfung in schraffierter Form wie von einer Feile, wenn man sie mit rechts einsetzt und mit links das zu feilende Objekt hält und versehentlich abrutscht. Welcher Magister lässt sich zu dieser niederen Arbeit herab? Bei ihrem zweiten Treffen nahm sie für einen Moment beim richtigen Lichteinfallswinkel ein fast nicht wahrnehmbares Glitzern auf seiner Schuhspitze wahr – genauso wie die Rückstände von Silberstaub hier unten. Angeblich hatte er den ausgestopften Raben in Eskorns Arbeitszimmer aus Versehen umgestoßen – doch Jewel nimmt an, dass er absichtlich den Kopf abgerissen hat, weil er kurzfristig einen Rabenschnabel brauchte, um ihn zu zermahlen. Und der ganz schwache Duft, der hier in der Luft liegt (irgendeine Substanz, die sie nicht kennt, muss verbrannt worden sein, doch nicht in großen Mengen), ist derselbe, den sie heute Abend an den Kleidern von Purdyn Nagarythe wahrnahm. Wenn man obendrein bedenkt, dass es sich hier um ein verbotenes Buch handelt, das unter Verschluss gehalten werden sollte, kann man sich den Rest denken.

 

Doch wie passen nun die Morde an Kiara Gislahar und Purdyn Nagarythe (und im Vorjahr an Camodar Belzime und Yarpen Saleorne) dazu? Max verweist auf den Buchdeckel des Liber de Obscura Vires, der den Titel in einem Kreis innerhalb eines Kreises zeigt. Das ist das Symbol Shars, Herrin der Schatten, der Rache, des Vergessens und des Verlusts. Jaq fragt, ob diese Morde vielleicht Initiationsrituale an Mitschülern darstellen könnten, je näher sie dem Täter stehen, umso besser, um den Verlust zu symbolisieren? Jewel erwähnt, dass es Eskorn zufolge interessanterweise ausgerechnet Deskryns Idee war, die Gemeinschaft hinzuzuziehen, um den Mord an Kiara aufzuklären. Jewel hat diesbezüglich zwar eine Theorie, möchte sie jedoch erst überprüfen, bevor sie sie mitteilt.

 

Sie haben hier nichts gefunden, mit dem sie Deskryn eindeutig festnageln können, zumal sie nicht wissen, ob er nicht nur unter den Schülern, sondern vielleicht auch unter den Lehrern Verbündete hat. Jewel gibt zu bedenken, dass Deskryn gewarnt wäre und Anlass hätte, seine Spuren zu beseitigen, würde man jetzt Tannalorn der Garde übergeben. Da man den Hochstapler aber auch nicht aus den Augen lassen kann, ohne dass er türmt, schlägt Jewel vor, sich von ihm zum Versteck seiner Auftraggeberin führen zu lassen, und wenn er gut kooperiert und sie Therim rausholen können, versprechen sie, ihn laufen zu lassen, fairerweise mit dem Zusatz, dass sie ihn bei der Garde anzeigen werden. Tannalorn pflichtet ihr sofort bei, erleichtert, wenigstens die Chance auf eine Flucht zu haben, denn die ganze Sache ist ihm heillos über den Kopf gewachsen.

 

Schnitt: Deskryn, drei Schüler und eine Schülerin betreten den nun leeren Raum, holen ihre Matten heraus und setzen sich hin, doch eher formlos, und sie haben auch keine Ritualgegenstände dabei. Deskryn bleibt wie ein Lehrer am Pult mit dem Buch der Schatten stehen, sieht streng in die Runde und fordert Berichte. Die Schüler sehen einander zaghaft an, offenbar möchte keiner "drangenommen" werden. Da niemand antwortet, fordert Deskryn einen Studenten namens Berdew auf, zu berichten. Der unauffällige Bursche muss beichten, nichts gefunden zu haben, "aber die anderen doch auch nicht, Hochgelehrter Herr! Keiner von uns!" Deskryn lässt eine beherrschte, aber erboste Tirade los, wie es sein kann, dass jemand sie nach und nach ermordet, und mit all ihren Mitteln gelingt es ihnen nicht, herauszufinden, wer ihnen nach dem Leben trachtet? Erst Kiara, dann Purdyn, wer ist der Nächste? Und nicht genug damit, einen Mörder unerkannt in den eigenen Reihen zu wissen, hat die Abenteurerin für ihre Spurensuche nun auch noch den unerträglichen Valmaxian akquiriert. Dieser gefiel Deskryn besser, als er sich für nichts interessierte.

 

Deskryn schweigt kurz, atmet durch und verkündet, dass ihre Treffen zu gefährlich geworden sind, sie werden sie also aussetzen, bis der Mörder gefasst wurde, und in der Öffentlichkeit hat jedes Gespräch über Shar, den Shadow Weave oder Schattenmagie zu unterbleiben, egal, wie unverfänglich, und egal, mit wem.

 

Alle zucken zusammen und sehen sich gehetzt um, als körperloses Wispern mal hier, mal dort im Raum mitten unter ihnen ertönt. Plötzlich erlöschen draußen nach und nach die ewigen Fackeln, im Gang hört man die Teufelsschlingen rascheln, die sich nun in der Dunkelheit ausbreiten, und es scheint, als bilde sich im dunklen Türrahmen eine noch tiefere Schwärze, ein finsterer Nebel, der über den Türrahmen hinausfasert, und Deskryn, der der Tür am nächsten steht, spürt einen deutlichen Hauch von Eiseskälte. Die Schüler geraten in Panik, werden aber von Deskryn zur Ruhe gerufen, der gefesselt den Türrahmen anstarrt. Nun erklingt aus diesem gut hörbar eine flüsternde, doch fürs Flüstern wiederum zu laut vernehmbare Stimme: weiblich, samtig, dunkel und verheißungsvoll. In absoluter Gänsehaut-Atmosphäre fragt sie sehr langsam: "Dost thou not ken thy mistress when thine eyes meet nothingness? Wouldst thou not kneel before what thou covetest most?"

 

Tatsächlich lässt sich Deskryn mit entgeisterter Miene auf die Knie fallen. Die Stimme tadelt ihn ob seiner Erfolglosigkeit, fraglos zurückzuführen auf mangelnde Hingabe – doch dürfte die Quelle der Kräfte, die er sich zunutze macht, nicht genau die erwarten? Tatsächlich wirft sich Deskryn vor der Schwärze zu Boden und bittet um Vergebung: Er sei nicht würdig, ihrer ersichtig zu werden. Die Stimme erwidert, sie erwarte einen Beweis, und Deskryn verspricht, jeden zu erbringen, den sie wünscht. Er möge jeden aus seinen Diensten entlassen, dem er nicht die erforderliche Hingabe aus vollstem Herzen zutraut. Deskryn pflichtet ihr bei, natürlich sei keiner der vier Schüler würdig, er werde die Herrin der Schatten nicht mehr mit ihrer Anwesenheit belästigen. Gut, dann mögen sie gehen – jetzt!

 

Deskryn fordert atemlos seine völlig verängstigten Schüler auf, zu verschwinden, und Shar kenne keine Gnade, wenn ihnen auch nur ein Sterbenswort entweicht! Die Schwärze wird diffuser, als öffne sich eine Tür in den stockdunklen Gang, die Dunkelheit scheint wieder normal. Deskryn scheucht die Schüler auf, die nun Angst davor haben, Shar zu erzürnen, indem sie ein Licht entfachen, doch in der Dunkelheit kommen sie nicht an den Teufelsschlingen vorbei. Berdew, offenbar der Mutigste, zaubert Light, die Ranken weichen vor ihm zurück, und die anderen drei drängen sich panisch an ihn.

 

Deskryn sieht sich ratlos um – hat Shars Präsenz ihn verlassen? Nein, ertönt das Flüstern, mit ihm sei sie noch nicht fertig.

 

Schnitt auf den Gang, wo auch die verängstigten Schüler das Flüstern vernehmen, doch zu ihnen spricht es andere Worte: Shar sei auch die Herrin des Verrats. Sie sollen zur Spektabilität eilen, alles gestehen und sie hierher zu Deskryn holen, denn der ist es, der Shar enttäuscht hat. Sind sie folgsam, fliegen sie zwar von der Akademie, bleiben aber vielleicht am Leben. Die vier sehen zu, dass sie so schnell wie möglich von hier wegkommen.

 

Zurück im Raum fordert das Flüstern Deskryn auf, das Buch zu holen, es auf dem Boden aufzuschlagen und zur Sühne die Stelle, die er als passend empfindet – wenn seine Hingabe so groß sei, wie er behauptet, wisse er, welche sie meint –, laut vorzulesen und immer und immer wieder zu wiederholen. Deskryn folgt in religiöser Ergriffenheit der Aufforderung und preist die Herrin der Schatten.

 

Das geht so einige Minuten, bis wieder Licht im Gang aufleuchtet und Eskorn und Nethlond eintreffen, und auch wenn sie es vielleicht nicht glauben wollten, hören sie es nun mit eigenen Ohren. Als Deskryn sie bemerkt, ist es zu spät, er hat knieend und mit lauter Stimme wie in einer Anrufung aus dem Buch der Schatten vorgelesen. Zwar schnellt er hoch, doch mit stummer Geste paralysiert Eskorn ihn aus dem Handgelenk. Nun werden plötzlich Jaq, Max, Jewel und Tannalorn sichtbar, die bis eben unter einer Invisibility Sphere hockten.

 

Rückblende: Jewel hat gerade vorgeschlagen, mit Tannalorn zu Therims Versteck zu gehen und den Magier dort herauszuholen, als Jaq dagegenhält, dass sie hier und jetzt die Chance haben, Deskryn auffliegen zu lassen. Ja, sie möchte den echten Ralagas Therim gern so schnell wie möglich befreien, weil sie ihn persönlich kennt, aber eine Nacht mehr wird nach zwei Tendays keinen Unterschied für ihn machen. Wenn Tannalorn hier unten nachts oft auf Menschen gestoßen ist, dann werden sie heute Nacht – wegen welcher Verbindung auch immer zu dem Mord an Purdyn – doch erst recht aufkreuzen, oder?

 

Jewel fragt also, wie Jaq sich das vorstellt, und die erklärt, dass Menschen stets umso stärker dazu bereit sind, etwas Unglaubliches zu glauben, je mehr es ihren Erwartungen entspricht. Die Leute, die sich an diesem Ort heimlich treffen, fühlen sich hier seit Langem absolut sicher und unbeobachtet, und sie spielen mit dunklen Mächten herum. Wenn eine Inszenierung genau das aufgriffe, würde keiner an eine Illusion denken. Mit Ghost Sound würde sie beginnen, Valmaxian könnte aus der Ferne mit Greater Dispel Magic die ewigen Fackeln verlöschen lassen, und ein Major Image beinhaltet auch Akustik und Temperatur.

 

Jewel ist erstaunt: Das ist mutig. Und dann? Dann improvisiert Jaq, das kann sie am besten. Max fragt sie augenbrauenzuckend, ob sie keine Angst um ihr Seelenheil habe, die dunkelste aller Göttinnen zu verkörpern, aber Jaq rechtfertigt ihre Unbesorgtheit damit, dass ihre Illusion nichts behaupten, allenfalls Suggestivfragen stellen wird – für den Rest sorgen die Erwartungen und die Phantasie des Publikums.

 

Zurück in der Gegenwart ist Max dabei behilflich, den paralysierten Deskryn per Telekinese zu transportieren. Eskorn gibt sich beherrscht, doch Jewel merkt ihr an, wie erschüttert sie ist, hatte Deskryn hier doch eine Vertrauensposition inne. Mittlerweile ist es spät genug, dass wirklich alle im Bett liegen und man diese Angelegenheit diskret behandeln kann. Jewel muss Eskorn jedoch vertrösten, was ihre eigentliche Aufgabe betrifft – den Mörder aufzuspüren –, denn zuvor muss sie etwas anderes erledigen. Mit Magister Therim im Schlepptau? Ja, das ist jetzt ein bisschen schwer zu erklären, später gern mehr, sie werden spätestens bei Tagesanbruch zurück sein.

 

Nun geht es also mitten in der Nacht durch die Oberstadt. Ein Gardist auf Streife hält sie auf, doch aus der Nähe sieht er, dass er es mit Respektspersonen zu tun hat: zwei Magiern. Max behauptet kurzerhand, in wichtigen Akademieangelegenheiten unterwegs zu sein, und lässt ihn einfach stehen.

 

Im Ships' District erreichen die vier das Haus, auf das Tannalorns Beschreibung passt – zumindest hierüber hat er sie nicht belogen. Jaq schlägt vor, nun einfach Andrell Tannalorn zu verkörpern, sie hat ihn lange genug erlebt, um ihn zu kopieren. Therim wird ja gefangen gehalten, weil man nicht weiß, ob man ihn noch braucht, und nun benötigt Tannalorn eben Informationen, die er hat, um seine Rolle weiter überzeugend zu spielen. Sie würde ja Jewel und Max gern unsichtbar mitkommen lassen, aber die Enge der Räumlichkeiten lässt das nicht zu. Wenn es ihr jedoch drinnen gelingt, die anderen von der Tür wegzubekommen, könnte Jewel das Schloss knacken und mit Max dazustoßen. Einfach wird es so oder so nicht, denn alle drei sind Nichtkämpfer, und die paar Mindwedges, die Max zur Verfügung stehen, werden nicht kriegsentscheidend sein.

 

Gesagt, getan, Jaq wirft den letzten Disguise Self für heute und klopft mit dem Signal, das Tannalorn ihr verrät, an die Tür. Der vierschrötige Thassad öffnet und zerrt "ihn" rein, schaut noch mal auf die Straße und schließt die Tür. Jewel bekommt dank ihres feinen Gehörs mit, dass drinnen drei Stimmen ertönen, davon eine weiblich. Tannalorn sieht sie flehend an: "Siehst du? Ich habe nicht gelogen!" Jewel weiß, dass er sich sorgt, ob sie ihn wirklich laufen lassen.

 

"Tannalorn" trifft auf die Auftraggeberin mit Augenklappe und wirklich ziemlich schlimm entstellter linker Gesichtshälfte. Vom Auftreten her ist sie ein harter Hund, die Kleider sind jedoch von nur durchschnittlicher Beschaffenheit – theoretisch unauffällig, aber bei diesem Gesicht spielt das keine Rolle, denn das merkt sich jeder. Jaqs Grund, hier zu sein, ist zu gut, als dass sie die Frau groß überzeugen müsste, aber sie muss kurz Bericht erstatten, wie weit "Tannalorn" mit der Abschrift ist.

 

Im Keller trifft sie auf den echten Ralagas Therim, der hier aber gut untergebracht wurde: Er sitzt lesend am Tisch, weil ihm Bücher besorgt wurden, hat zu essen und zu trinken und ein Bett. Derweil vernimmt Jewel, dass sich alle drei von der Tür entfernt haben, und das einfache Schloss ist im Nu geknackt. Sie sieht Tannalorn an, nickt lächelnd, er nickt dankbar zurück, und sie schleicht hinein. Max kommt nach, ohne den sympathischen Hochstapler noch einmal anzusehen, und die beiden hören an der Treppe den Stimmen von unten zu. "Tannalorn" erklärt, dass er von Magister Deskryn zu einem Mitternachtsimbiss geladen wurde, weil er plötzlich mehr über die Schule des Seienden Scheins erfahren wolle.

 

Jewel bugsiert Max hinter die einzige Ecke im obigen Raum, huscht zur Tür, klopft hart und huscht wieder zu Max. Thassad geht nach oben, um nachzusehen, während die Frau "Tannalorn" fragt, ob ihm jemand gefolgt ist, aber leider nicht mitgeht. Oben öffnet Thassad die Tür, sieht niemanden, und Max brät ihm einen Greater Mindwedge über (aus Level 4 in Level 7 viermal vorbereitet, weil er keine 7er-Spells besitzt). Dadurch steigt die Save-DC auf 22, was Thassad nicht schafft, also seine Handlung und seinen halben Speed verliert und Mali erleidet, aber er prallt dabei natürlich laut stöhnend gegen die Tür. Das alarmiert die Frau, die "Tannalorn" aber für harmlos hält. Sie läuft nach oben, wo Max Thassad mit dem nächsten Greater Mindwedge beharkt, und Jewel zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich, weicht ihr aber immer wieder blitzschnell und geschickt aus und lässt sich nicht in die Ecke drängen. Max stützt per Telekinese das schwere Vorratsregal auf sie, dann abermals per Telekinese den gusseisernen Kochtopf als Geschoss, doch beides knockt sie nicht aus, und sie rappelt sich wieder hoch, der benommene Thassad leider ebenfalls. Immerhin kommt zum Schaden, dass beide ihre Handlung immer wieder mit Aufstehen verschwenden müssen. Mit einem dritten Spell nutzt Max violent thrust, um beide gegen die Wand zu werfen, und endlich bleibt die Frau bewusstlos liegen. Max holt telekinetisch den Kochtopf heran und lässt ihn drohend schweben, und Thassad ergibt sich.

 

Unten hatte Jaq auf ein Ablenkungsmanöver gehofft, um Ralagas Therim vom antimagischen Halsband zu befreien und ihm so zu ermöglichen, oben einzugreifen. In einer drolligen Szene ist sie zwar stolz auf sich, dass sie das einfache, aber filigrane Schloss so schnell geknackt hat, doch Therim ist ein Illusionist, und für im Kampf nützliche Zauber wie Scintillating Pattern fehlen ihm die Materialien.

 

Dennoch hat Max es mit Jewel als Ablenkungsmanöver allein geschafft, und die Diebin rennt los, um die Garde zu holen. (Wie erwartet ist Andrell Tannalorn draußen nicht mehr zu sehen.)

 

Jaq lässt Disguise Self fallen, und Therim sieht sie entgeistert an, umarmt sie glücklich und nennt sie dabei natürlich Mirhiban. 20 Jahre muss das her sein, und nun ist sie von allen Orten der Welt ausgerechnet jetzt hier, um ihn zu retten – Mystra muss sie geschickt haben! Wie kann er das nur wiedergutmachen? Nun, meint sie zögernd, was wäre, wenn sich in der Schülerrolle ein Erfassungsfehler eingeschlichen hätte? Was, wenn da ein falscher Name stünde? In der Bürokratie passieren doch immer wieder Fehler, oder? Ralagas schmunzelt und fragt, wie sie wirklich heißt: Jaqeera Banazir. Ja, da ließe sich vielleicht etwas machen, aber sie müsste mitkommen, um sich mit ihrer Unterschrift neu einzutragen.

 

Gardisten transportieren alle zur Wache, um die Aussagen aufzunehmen, und unterwegs erfährt man auch, dass es sich bei dieser Frau um die bereits aktenkundige Ganovin Furlyn One-Eye handelt, die nicht als Mörderin, aber als Betrügerin und Diebin bekannt ist. Sie war zufällig in derselben Reisegesellschaft wie Therim, als sich dieser nach Zazesspur begab, und er erzählte ihr arglos, was er dort wollte. Sie entführte Therim kurzerhand und heuerte Andrell Tannalorn an, der bereits zuvor einmal für sie gearbeitet  hatte (sie stellt sich nie vor, wenn sie nicht muss). Es sieht so aus, als hätte sie Therim tatsächlich wieder gehen lassen, sobald sie das Buch (oder eine Kopie davon) hat. Ob sie aus Eigeninitiative gehandelt hat oder selbst nur Auftragnehmerin oder Mittelsfrau war, stellt sich heute nicht mehr heraus, denn Furlyn schweigt eisern.

 

Auf der Wache gibt man sich untröstlich, einräumen zu müssen, dass man entweder Magister Therim befreien oder Tannalorn bewachen konnte, aber nicht beides, also bedauert man sehr, dass Letzterer ihnen leider "entwischt" ist.

 

Am Morgen kehren die Helden mit dem echten Ralagas Therim in die Akademie zurück. Jaq fragt Max, ob ihn der gestrige Tag nicht wieder auf den Geschmack gebracht hat, ob ihm all das nicht fehlt. Sein gleichmütiges, achselzuckendes "Hm" lässt sie grinsen, denn sie fasst das als ein Ja auf.

 

Die Abenteurer werden bei Elaida Eskorn vorstellig, die ihren Ohren nicht traut. Sie werde sich um die Sicherheitsvorkehrungen wohl Gedanken machen müssen, aber wer rechnet denn auch mit so etwas? Sie kommt auf die Bezahlung zu sprechen, doch Jewel wirft ein, dass sie ihre eigentliche Aufgabe noch immer nicht gelöst hat, aber zuversichtlich ist, das im Laufe der nächsten Stunde tun zu können. Freundlich fragt sie Eskorn, ob sie sich das winzige Parfümfläschchen da hinten im Schrank ausleihen darf, und lässt ganz offiziell nach Baredena Norbane schicken. In der Zwischenzeit sucht sie die Küche auf, schnappt sich Hausmeistersohn Bellion und setzt ihn mit ihrem freundlichen Lächeln, das sie so einschüchternd wirken lassen kann, unter Druck: Hatte er am Abend der Feier wirklich ein Stelldichein mit Baredena? Als sie ihn auf Baredena ansprach, schoss ihm sofort die Röte ins Gesicht, obwohl er da noch gar nicht ahnen konnte, dass Jewel vom angeblichen "Techtelmechtel" weiß – also warum dann? Wegen des schlechten Gewissens, das er mit ihr verbindet? Sie ist ihm nicht gleichgültig, das ist offensichtlich. Womit hat sie ihn dazu gebracht, für ihn zu lügen?

 

Indem Jewel ihre Eindrücke und Hinweise in einen Kontext setzt und als Tatsachen präsentiert, hat ihr Gegenüber natürlich den Eindruck, dass sie Bescheid weiß und Leugnen nichts bringt, also gibt er sofort zu, dass er ihr im Gegenzug für das Alibi das Versprechen abnahm, an ihrem freien Tag dann wirklich mit ihm ins Bett zu gehen. Erneut läuft er rot an, weil er sich dafür schämt, das aber damit erklärt, dass er so verliebt in sie ist. Nein, was sie an dem Abend getan hat, weiß er nicht, und Jewel glaubt ihm.

 

Sie kehrt zurück zum Arbeitszimmer der Spektabilität und weiß, dass Baredena inzwischen längst angekommen sein muss und bereits einige Zeit hat warten müssen – das ist natürlich Absicht, um ihre Nervosität zu steigern. Jewel präsentiert ihr den kleinen Flakon und behauptet, bereits wenige Tropfen dieses Präparats, das sie Magister Rivryn habe mischen lassen, würden den Ockerstaub der Blätter auch noch Tage nach ihrer Benutzung auf den Händen sichtbar machen. Erwartungsgemäß geht Baredena sofort in die Gegenoffensive, weil sie nun eine Erklärung improvisieren muss, warum sie mit Ockerblatt hantiert hat, und die gerät nicht überzeugend, denn dann müsste Magistra Nethlond ja davon wissen, nicht wahr? Wo es gerade um Wissen geht: Warum weiß eigentlich niemand, dass Baredena Norbane Inveris Nurmengards Tochter ist? Warum hält Baredena das geheim? Unangenehm kann es ihr wohl kaum sein, es sollte sie vielmehr mit Stolz erfüllen, vielleicht hätte dieser Umstand ihr sogar eine Ersparnis bei den Studiengebühren verschafft. Baredena wird sehr fahrig und stammelt sich zusammen, dass sie es auf sich allein gestellt ohne die Hilfe des guten Namens schaffen wollte, aber Jewel fällt ihr ins Wort: Was ihr wichtiger ist als ihre akademische Karriere ist Sühne für den Tod ihrer Mutter, nicht wahr?

 

Baredena bricht zusammen und gesteht: Vor acht Jahren erzählte ihre Mutter zu Hause Baredenas Großmutter, dass sie sehr sicher war, dass um das Liber de Obscura Vires herum ein Zirkel aus Schülern und mindestens einem Lehrer entstanden war, der Lehrer also seine auserwählten Schüler Shars dunkler Umarmung zuführte, doch sie hatte keine Beweise. Mutter und Großmutter ahnten nicht, dass Baredena heimlich lauschte, und nur Tage später kam die Nachricht vom unglücklichen Sturz vom Balkon. Baredenas Familie war nicht bedeutend, und wem würde man ohne Beweise glauben – ihr oder einem respektablen Magier? Baredena war erst acht, schwor aber ihrer Großmutter bereits, den Tod ihrer Mutter zu sühnen. Sie brachte bei den Priestern in den Tempeln der Stadt alles über die Religion Shars in Erfahrung, was sie konnte, nahm zwei Jahre später den Namen ihres Onkels an, bestand unter diesem die Aufnahmeprüfung und wurde an der Akademie angenommen. Seit sechs Jahren lernt sie und plant ihre Rache. Vor Ort fand sie Hinweise, die die Theorie ihrer Mutter stützten, und bald wusste sie mit Sicherheit, welche Schüler diesem Zirkel angehörten und wer ihr Mentor war: Tyros Deskryn. Worum es bei den beiden Morden letztes Jahr ging, wusste sie nicht mit Sicherheit, nahm aber an, dass auch sie etwas mit dem Zirkel zu tun hatten. Die Garde stürzte sich letztes Jahr nur so auf die Akademie, und Baredena glaubte, wenn sie diese Morde kopierte, würde die Garde sich die Akademie noch genauer ansehen – sie hatte keine Vorstellung davon, wie hoch die Bereitschaft ist, die Magier alles unter sich regeln zu lassen, und wie gleichgültig man der Möglichkeit gegenübersteht, vielleicht den Falschen hingerichtet zu haben. Baredena machte sich bei Waffenschmieden in der Fortress schlau und erstand einen dreieckigen Stoßdolch, der dieselben dreieckigen Wunden hinterlassen würde, von denen letztes Jahr die Rede war. Damit plante sie, den Zirkel auszudünnen, und begann mit Kiara Gislahar. In Alchimie ist Baredena eine gute Schülerin, beim Pflanzenpflegedienst war es einfach, an die Blätter zu kommen, und so gab sie Kiara auf der Feier einen präparierten Becher, so dass Kiara müde wurde und sich zurückzog. Baredena beging den ersten Mord ihres Lebens, funktionierte danach irgendwie und rang Bellion (von dem sie wusste, dass er in sie verliebt ist) das Versprechen ab, auf Nachfrage zu behaupten, sie seien zusammengewesen.

 

Jewel wirft ein, dass sich der zweite Mord dann schon schwieriger gestaltete. Sie wurde beim Verlassen des Zimmers gesehen und musste sich nun plötzlich darauf einstellen, die Leiche "gefunden" zu haben, richtig? Baredena nickt weinend. Jewel fährt fort, dass ihr Nervenzusammenbruch beim "Auffinden" von Purdyns Leiche echt war, nur rührte er nicht daher, dass sie zum ersten Mal mit der Leiche einer Ermordeten konfrontiert wurde, sondern daher, dass ihr klar wurde, dass sie bereits ihren zweiten Menschen getötet hat. Das Mädchen schluchzt haltlos und nickt.

 

Und Kelterran? Baredena wehrt erregt ab, sie hatte nie gewollt, dass es einen Unschuldigen trifft. Der Dolch im Bett, die blutige Vier? Nein, damit hatte sie nichts zu tun. Als Jewel hinzugezogen wurde, wusste Baredena nicht, ob das nun besser oder schlechter als die Garde ist, ging aber davon aus, dass ein junges Mädchen wie sie so oder so nicht verdächtigt würde, war jedoch nervös, weil Jewel wirklich überall herumfragte. Solange sie nachforschte, wollte Baredena kein Risiko eingehen, doch als es plötzlich hieß, dass Kelterran des Mordes an Kiara überführt worden sei, musste sie ihn retten, indem sie schneller als geplant den zweiten Mord verübt, um zu zeigen, dass die Garde den Falschen hat, zumal Jewels Arbeit an der Akademie ja angeblich auch beendet war.

 

Spektabilität Eskorn lässt traurig die Garde verständigen – die Sechzehnjährige muss sich nun für zwei Morde verantworten.

 

Jewel hat die richtigen Zusammenhänge hergestellt. Bellions Reaktion auf Baredenas Namen hatte sie zwar im Kopf archiviert, doch für sich gesehen war sie nicht ungewöhnlich genug, um Misstrauen zu erwecken. Dass neben tausend anderen Nebensächlichkeiten Erwähnung fand, dass Baredena in der Nacht des Mordes leise weinte, war auch nicht weiter verwunderlich für ein junges Mädchen, das erstmals mit dem gewaltsamen Tod einer Mitschülerin konfrontiert wird. Als sich Jewel aber nach Inveris Nurmengard erkundigte, erfuhr sie, dass sie ungewöhnlicherweise aus einfachen Verhältnissen in Karlaggar stammte – ebenso wie Baredena –, an der Akademie mit Auszeichnung bestanden hatte, sofort von der Schülerbank ins Kollegium gewechselt und vor acht Jahren unglücklich von einem Balkon in den Innenhof gestürzt war. Ihr Gemälde zeigte eine strahlende Inveris, und als Jewel nach dem Mord an Purdyn die völlig aufgelöste und weinende Baredena befragte, fiel ihr plötzlich die sonst nicht so augenfällige Ähnlichkeit auf, da Strahlen und Weinen ähnliche Muskelpartien benutzen und die Ähnlichkeit somit zum Vorschein brachten. Das verlieh Jewel zwar keine Gewissheit, aber die folgenden Erkenntnisse (dass dem dunklen Zirkel  ursprünglich sechs Schüler angehörten, dass nur unter ihnen gemordet wurde, dass noch drei männliche Schüler, aber nur eine Schülerin übrig waren – weil es für ein Mädchen einfacher ist, sich unauffällig in den Schlafgemächern der Mädchen zu bewegen), hatte sie eine Grundlage für ihre Theorie, die sie mit Intuition, Manipulation und gut geratenen Suggestivfragen erhärtete.

 

Eskorn zeigt sich beeindruckt und dankbar: Die Gemeinschaft der Ersten Sonne hat ihrem guten Namen alle Ehre gemacht und fast auf ganzer Linie alle Erwartungen übertroffen. Fast, weil ihr ja leider der Hochstapler durch die Lappen ging, der sich als Ralagas Therim ausgegeben hatte, doch Eskorn weiß natürlich einzuschätzen, dass die Abenteurer Prioritäten setzen mussten. Jaq, die mit dem echten Ralagas so unübersehbar vertraut ist, hatte Eskorn nicht auf dem Zettel, doch ohne sie wäre Deskryns Zirkel nie aufgeflogen. Sie fragt sie also, ob sie sich etwas wünscht. Eskorn wäre bereit, sie unter Aufsicht wenige Stunden mit dem Buch der Schatten arbeiten zu lassen, gerade lange genug, einen Zauber zu übertragen. Ohne die Lektüre um die Zauber herum würde das wohl kaum ihr Seelenheil gefährden. Jaq ist skeptisch, doch im Grunde auch Feuer und Flamme, zumindest einen schattenmagischen Zauber in ihr Repertoire aufnehmen zu können.

 

Auch Magister Valmaxian hat sich sehr um die Akademie verdient gemacht. "Wie wär's? An die Halle des Quecksilbers kehrt Ihr doch ohnehin nie zurück, und Ihr könnt es doch gar nicht erwarten, einen Blick in den Giftschrank zu werfen. Es ist gerade ein fester Lehrstuhl frei geworden." Zu Jaqs freudiger Überraschung sagt Max ab: Er möchte sich nicht schon wieder binden, wo er doch (mit einem Seitenblick zu Jewel und Jaq) gerade erst die letzte eheähnliche Lebensgemeinschaft überlebt hat. Nein, er bleibt lieber Gastdozent und widmet sich seinen Forschungen. Wenn Eskorn ihm allerdings unbedingt etwas Gutes tun möchte, kann sie ja vielleicht etwas am Lehrplan drehen, hm?

 

Was Jewel erst später erfahren wird, ist, dass sich aus den Aussagen der vier verbleibenden Schüler von Deskryns Zirkel ein Gesamtbild rekonstruieren lässt. Deskryn war beim heimlichen Studium des Buchs der Schatten schleichend den Verlockungen Shars erlegen. Seit bald zehn Jahren rekrutierte er sehr wählerisch die wissbegierigsten Schüler, trug dabei jedoch nicht offen seine Verehrung Shars zur Schau, sondern vermittelte den Eindruck, etwas Geheimes, aber Vertretbares zu tun, so dass die Auserwählten glaubten, an gefährlichen, aber für die Zukunft wahnsinnig wertvollen Studien teilzunehmen, die die Weiße Gilde zwar nicht erlaubt, die Graue aber durchaus, also kann es doch nicht so furchtbar sein, nicht wahr? Ihre Bereitschaft, immer skrupelloser vorzugehen, wuchs erst im Laufe der Zeit, bei den einen schneller, bei den anderen langsamer, bei wiederum anderen gar nicht. Es ging bei diesem Zirkel um die Erforschung von Schattenmagie, nicht um die Verehrung Shars. Deskryn wusste, er kann göttergefällig aufgewachsenen jungen Leuten nicht plötzlich mit der Herrin des Verlusts kommen und Anbetung erwarten – aber wenn der eine oder andere im Laufe der Jahre durch die Studien empfänglich für... tiefergehende Mysterien wird?

 

Tragischerweise war Kiara sogar noch die Unverdorbenste von allen, während Baredena als Außenstehende davon überzeugt war, dass jedes Mitglied dieses Zirkels von Grund auf böse sein muss, was aber bei der aktuellen Zusammensetzung wirklich nur auf Berdew Aldevain zutrifft, auf sonst niemanden.

 

Natürlich war es vor acht Jahren Deskryn persönlich, der Inveris Nurmengard vom Balkon stieß, um die unbequeme Schnüfflerin loszuwerden, die seine Karriere gefährdete. In den folgenden Jahren kamen und gingen die Schüler (einige bestanden die Examinatio und verließen die Akademie, andere taten sich mit wissenschaftlichen Leistungen hervor und wurden rekrutiert), und bis heute blicken die Ehemaligen auf von der Weißen Gilde offiziell verbotene, aber moralisch eigentlich nicht verwerfliche Experimente zurück, die sie zwar nicht zugeben dürfen, derer sie sich aber nicht schämen müssen.

 

Im letzten Jahr drohten zwei Schüler, Camodar Belzime und Yarpen Saleorne, Dendar Lethed, einem Mitglied des Zirkels, auf die Schliche zu kommen und ihn bei der Spektabilität anzuschwärzen. Dendar nahm aus einem "Mystra bewahre mich, jetzt fliege ich von der Akademie!"-Impuls das einzige Mordwerkzeug, das er besaß (einen Scheibendolch, den er beim Auszug von zu Hause für den Notfall mitgenommen hatte), versah ihr Wasser mit einem Schlafmittel und tötete die beiden im Schlaf, um auf Nummer Sicher zu gehen, denn er hatte noch nie zuvor gemordet und wollte Gegenwehr vermeiden. Als blutiger Amateur hatte er nicht bedacht, wie obskur so ein Scheibendolch ist, da er schließlich sehr charakteristische Wunden hinterlässt. Als er Deskryn seine Tat gestand, wurde dieser wütend, gestand sich aber insgeheim ein, dass Dendar ja nur seinen Zirkel beschützt hatte – um jeden Preis, wie es sich gehört. Anstatt ihn (und damit seine eigenen Umtriebe, für die er aus der Gilde ausgeschlossen werden würde) zu verraten, deckte er ihn. Damit die Garde nicht unnötig intensiv herumschnüffelt, schob Deskryn den blutverschmierten Scheibendolch dem Sohn des Hausmeisters unter und machte Druck, damit es zu einer schnellen Verurteilung kommt.

 

Für den Mord an Kiara Gislahar (und später Purdyn Nagarythe) hingegen hatte Deskryn keine Erklärung, und natürlich war besonders besorgniserregend, dass die Morde vom letzten Jahr kopiert wurden. Ihm war klar, dass Spektabilität Eskorn um den guten Ruf der Akademie als sichere Lehranstalt besorgt war, und um der Garde (und Eskorn) zu signalisieren, dass er alles in seiner Macht Stehende tut, schlug er vor, sich über Valmaxian an die Gemeinschaft der Ersten Sonne zu wenden, da dieser ihr ja angehörte. Tatsächlich traute Deskryn der Garde mehr zu als irgendwelchen Abenteurern, die nur durch gute Kontakte zu Ruhm und Ehren gekommen waren, und fühlte sich damit sicherer als mit der Alternative.

 

An Jewels erstem Tag entsandte er Berdew Aldevain, einen Schüler aus seinem Zirkel, einen Scheibendolch zu besorgen, doch Berdew kehrte mit leeren Händen zurück, denn so eine spezielle Waffe wird längst nicht überall angeboten, und Berdew stammte aus gutem Hause und war nie in der Fortress, sondern nur bei Waffenschmieden der Oberstadt, die ihr Angebot natürlich auf ihre Klientel zuschneiden. Deskryn vertagte sein Manöver also, und am zweiten Tag gelang es Berdew, einen Scheibendolch aufzutreiben. Er suchte sich einen Straßenhund, um die Klinge mit Blut zu verschmieren, und sammelte etwas davon, um damit die Vier auf Kelterrans Kissen zu malen. Dem sollte damit suggeriert werden, dass er das vierte Opfer sein würde, denn Kelterran ahnte bereits, dass der kleine Schülerbund, in dem Kiara mitmachte, nicht so harmlos ist, wie er scheint, und darüber stritt er sich mit Kiara auch am Nachmittag ihres Todestages. Sie erwiderte, dass Kelterran maßlos übertreibt und sich den Studienzirkel viel schlimmer vorstellt, als er ist – und die Tragik ist, dass sie davon tatsächlich selbst überzeugt war.

 

Kelterran reagierte auf die von Berdew hinterlassene Drohung wie gewünscht, denn Berdew wusste, dass der junge Mann familiäre Probleme hatte und wohl schon seit Längerem mit einem spontanen Ortswechsel liebäugelte, und die Drohung gab den Ausschlag. Kelterran nahm nur seine Geldbörse mit und verließ die Akademie, was niemanden wunderte, ging er doch ständig zum "Beten" in den Tempel. (Jedoch nicht nur dafür, doch das wusste niemand.) Während Deskryn Jewel in seinem Arbeitszimmer empfing, ließ er Berdew den Dolch bei Kelterran deponieren – was einmal funktioniert hatte, würde wieder funktionieren. So würde er den unbequemen Kelterran loswerden, und wenn der nach seiner Festnahme irgendetwas erwähnte, machte das auch nichts, denn wer würde einem so offensichtlichen Mörder schon glauben? Würde der nicht alles Mögliche erfinden, um von seiner Schuld abzulenken?

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