46 - Face To Face {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

1372 DR, Year of Wild Magic: Die von Finglas Ashwillow begleitete Gruppe durchquert den friedlichen Forest of Tethir, als sie von Joneleth Quenril (Jpg 46001-46002) abgefangen wird, einem Waldläufer aus Brost, der sich aufgemacht hat, um Hilfe zu holen, nun aber unterwegs auf die Gemeinschaft der Ersten Sonne stößt. ("Folk call me Red Jon. Or just Red. Or just Jon.") Er erklärt, dass es in Brost große Schwierigkeiten gibt, weil sich Unruhen gegen die elfischen Beschützer richten. Der Sohn des Bürgermeisters Landon Stalfore, Wynch, wurde vor einem Tenday mit Pfeilen gespickt in die Stadt gebracht, woraufhin man einige Elfen festsetzte, darunter auch den "Mörder", den man ausfindig gemacht zu haben glaubte. Der zuständige "Graf", wenn man so will, Glorandal Diamonddew, ist ein sehr zurückhaltender, zögerlicher Elf, der nichts falsch machen möchte und menschliche Hilfe wünscht. Quenril berichtet von der Berstenden Truhe, einer amnischen Handelsgesellschaft, die sich in Brost eingenistet hat, Stimmung gegen die Elfen macht und offenbar auch für Zwischenfälle sorgt, bei denen die Elfen schlecht dastehen. Höhepunkt war dann der Tod von Wynch Stalfore auf einem Stadtfest. Der angebliche "Täter", Nolthanin Shadowsong, ist natürlich nur willkürlich herausgesucht worden, und die aufgeschaukelten Städter hatten die Elfen hinausgeworfen. Der zaghafte Glorandal tut sich schwer, etwas zu unternehmen, da er eine Eskalation fürchtet, denn die Berstende Truhe hat inzwischen auch die Five Silvers angeheuert, amnische Söldner, 150 Mann stark. Fleece fragt nach den beiden Druiden Ancrull Northshield und Meliamne (Jpg 13237-13238) und dem Halbling Barnas Trufflehunter (Jpg 13240), die ja alle im Stadtrat saßen, doch Quenril beruhigt sie, dass sie bei den Elfen Zuflucht gesucht hatten, als die Berstende Truhe mitsamt ihrer Söldner die Kontrolle über die Stadt an sich riss. Zhais Mutter Anluth (Jpg 13241) tat es ihnen gleich.

 

Man setzt seine Reise also fort, und unterwegs fällt auf, wie ungewöhnlich Joneleth Quenril für einen Waldläufer ist: Der rote Schnurrbart ist stets perfekt gewachst, die Kleider immer überraschend sauber und in Schuss, und er ist seiner Tätigkeit zum Trotz ausnehmend reinlich und eitel. Dazu trägt er ein auffallend prunkvolles Schwert, das man niemals an der Seite eines Waldläufers erwarten würde. (Vorbild war natürlich Colorado Charlie Utter, Wild Bill Hickocks bester Freund.) Kithain freundet sich sofort mit seinem großen Treibhund Digger an.

 

Die große Reisegruppe biegt nach Osten ab und lässt sich schließlich von Jon zu Glorandal Diamonddew und seinen Leuten bringen (Jpg 46003). Glorandal gehört zu den Elmanesse und ist hier, im östlichsten Teil des Herzogtums Noromath, so etwas Ähnliches wie ein Graf für Herzog Allain Kevanariel und zuständig für das eingemeindete Brost. Glorandal erzählt vom Gründer der Berstenden Truhe, einem Elfenfreund, sich vor Generationen im südlichen Amn niederließ und mit den Elfen Handel trieb. (Heute jedoch ist die Berstende Truhe natürlich eine herzlose Handelsgesellschaft wie jede andere auch.) Glorandal, offenbar ein sehr friedliebender, wenig konfrontativer Zeitgenosse, möchte das ihm von Duke Allain Kevanariel verliehene Recht – mit der Faust auf den Tisch zu hauen und Brost zu zeigen, wer das Sagen hat – nicht wahrnehmen, um die guten Beziehungen zwischen Menschen und Elfen nicht zu gefährden. Er wirkt sehr zaghaft und überfordert und bittet Fleece inständig um Hilfe.

 

Natürlich sagt sie zu, und man macht sich auf den Weg zur Stadt. (Spider und Zhai, vor denen sich die Elfen auch massiv erschrocken hatten, bleiben hier zurück, bis man sie holt.) Während des Ritts lässt sich Fleece von Jon über die Zusammensetzung des Stadrats informieren:

 

Mortencre (Jpg 46004-46006), Berstende Truhe: alt, herrisch, rücksichtslos

Gorpane (Jpg 46007-46012), Berstende Truhe: jung, galant, etwas ölig

Katarn (Jpg 46013), Berstende Truhe: eitler Geck, Stammkunde bei Rosalind (Gepflückte Rose)

Lugnazim (Jpg 46014), Berstende Truhe: sehr unangenehm, wirkt wie ein Killer

Orrun (Jpg 46015), Berstende Truhe: Gorpanes Cousine, scharf auf ihn, eifersüchtig auf seine Weiber

Balthus Quenril (Jpg 46016): hier geboren, Jons großer Bruder

Hegadorn (Jpg 46017): hier geboren, Holzhandel

Malfrade (Jpg 46018): hier geboren, Obsthandel (Zwetschgen, Mirabellen) und Brennerei, sein eigener bester Kunde, hat den Tod der geliebten Frau vor 1,5 Jahren nie verwunden, oft in der Gepflückten Rose

Pelendur (Jpg 46019-46020): hier geboren, Urgestein, angeblicher Elfenfreund, aber opportunistisch geworden, inzwischen hochverschuldet bei der Truhe, handelt mit Fellen

Klamath (Jpg 46021): hier geboren, Halbelfe, Apothekerin

Furmenglaive (Jpg 46022): hier geboren, Chauntea-Priester

Landon Stalfore (Jpg 46023): Bürgermeister

 

Von Jon hat sie außerdem erfahren, dass seine Familie dem Landadel angehört. Sein ein Jahr älterer Bruder Balthus hat den Familiensitz geerbt, so dass sich Jon früh einen Lebensunterhalt suchen musste. Seit vielen Jahren ist er im und um den Wealdath herum unterwegs, kehrt aber immer wieder nach Brost zurück.

 

Brost ist seit jeher schwer zuzuordnen, da es sich weder Amn noch Tethyr kulturell absolut zugehörig fühlt. Da der alte Patriarch Corvian SunJon sich nie um die Ritterwürde bemüht hatte (zuerst zu weit ab vom Schuss, dann kam das Interregnum), genießt auch Balthus sie nicht, obwohl er gern würde. Jon beschreibt Fleece den Rat. Die Leute der Truhe traten nach und nach in ihn ein, je mehr ursprüngliche Ratsmitglieder selbigen verließen, denn ein tödlicher "Unfall" machte den Auftakt, und danach folgten Gerüchten zufolge ganz eindeutige Drohungen. Weil sich Furmenglaive für Nolthanin eingesetzt hatte, hat Balthus veranlasst, ihn von zwei Wachen beschützen zu lassen, mit denen er auch befreundet ist. Dass er der Berstenden Truhe sogar zutraut, sich an einem Gottesdiener zu vergreifen, spricht Bände.

 

Fleece und Jen diskutieren über die Vorgehensweise. Ashe mischt sich ein, widerspricht Jens Vorschlag der harten Hand, meint, man müsse jetzt sehr diplomatisch vorgehen, und versetzt Jen gar noch einen Stich, als er anfügt, er sei froh, dass Fleece zur Ritterin geschlagen wurde und nicht sie. Fleece holt weiteren Rat bei Vardis und Cordian ein: Vardis ist für Härte, Cordian für Diplomatie. Fleece entscheidet sich für Härte: Man muss Stärke demonstrieren und so den Gegner aus seiner Deckung hervorlocken.

 

Im abendlichen Zwielicht trifft die große und sehr beeindruckende Gruppe in Brost ein. Der sympathische Sergeant Revel (Jpg 46024) bringt sie zum Rathaus, wo Bürgermeister Stalfore, Mortencre und Gorpane Party machen. Den für die Hintergrundmusik sorgenden Barden Partholon (Owain Phyfe, Jpg 46025-46026) identifiziert Fleece sogleich als "Kollegen". Sie riecht verschiedene billige Parfüms in der Luft, was bedeutet, dass man wohl Huren vor dem unerwarteten Besuch versteckt hat. Fleece tritt knallhart auf, klagt Stalfore des Verrats an, lässt Revel ihn ins Verlies werfen und gibt für morgen früh die Order, die Büros der Berstenden Truhe hier im Rathaus zu räumen, die haben hier nichts zu suchen. Gorpane gibt sich als guter Verlierer und zieht sich respektvoll zurück (weil er es sich mit dem überraschenden neuen Machtfaktor Fleece noch nicht verderben will), aber der alte Mortencre zeigt ihr deutlich seine Verachtung.

 

Jon hat währenddessen seinen Bruder Balthus geholt, der nicht erwarten kann, die Helden kennen zu lernen. Er stellt sich als etwas laut und etwas großspurig heraus, aber auf Fleece wirkt er anständig, und er ist darauf versessen, die Berstende Truhe hochkant aus "seiner" Stadt zu werfen. Fleece versammelt Jen, Valmaxian und Naneetha, um sich mit Balthus', Jons und Revels Hilfe up to date zu bringen, denn nun ist sie de facto die Bürgermeisterin. Man arbeitet die Nacht durch, indem man die willkürlichen Urteile der Inhaftierten liest und die Freilassung der meisten anordnet, und zwar morgen früh, wenn der Rat eintrifft, denn Fleece beraumt eine Sondersitzung an – und noch während dieser tagt, sollen Ausrufer in der Stadt die Auflösung des Rates verkünden. (Um Nolthanin Shadowsong möchte sie sich aus politischen Erwähungen erst später kümmern, da sie nicht Knall auf Fall alles umwälzen möchte, um keine gegen die Elfen heraufbeschworenen Ressentiments auf sich zu lenken.) Der Rest hört sich im Zerbrochenen Fass um, wobei Jaq und Jewel neue Freunde und Informationen gewinnen. In Brost herrscht Denunziationsatmosphäre, Partholon und andere machen gezielt Stimmung für Amn und gegen Elfen, amnische Spione befinden in der Stadt, niemand traut sich, noch den Mund aufzumachen, da man für jede Kritik im Verlies landen kann. 150 Mann der Söldnertruppe Five Silvers aus Amn unter dem unangenehmen Hauptmann Greff (Jpg 46027) sind hier stationiert. Zuerst hatten sie sich ganz fürchterlich benommen, seit einem Monat gebärden sie sich dagegen handzahm. Greff soll zum Hauptmann der Stadtgarde gewählt werden, und was ein Vertreter der Berstenden Truhe im Rat einbringt, wird auch umgesetzt.

 

Am Morgen erwartet Fleece mit Neetha, Casmar, Cordian und Jen den Rat, erklärt ihn für aufgelöst, beruft gleich die fünf alten Ratsherren in den neuen Rat, schmeißt die Vertreter der Berstenden Truhe samt und sonders raus und schwört dann die Alten auf ihren Kurs ein. Malfrade wirkt wie ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, trinkt offen am Ratstisch und fordert Fleece heraus: Warum sollte man sich auf ihre Seite schlagen? Sie werde schon sehen, dass die Berstende Truhe stärker ist. Fleece gewinnt mit guten Argumenten und glaubwürdigem Vortrag seine Achtung und zieht ihn auf ihre Seite. Pelendur erweist sich als schwieriger. Zwar freut er sich, dass jemand Anständiges nach Brost gekommen ist, aber er hat inzwischen hohe Schulden bei der Truhe. Dennoch wickelt Fleece auch ihn um ihren Finger. Sie beschwört den Rat, zusammenzustehen, denn nur so könne man der Truhe Paroli bieten.

 

Im Anschluss reitet Fleece mit Cordian, Jen, Kithain und Jon zurück zum Treffpunkt, um Glorandal um seine Truppen zu bitten und diese gut sichtbar vor Brost aufmarschieren zu lassen. Anluth hat, als sie von den unheimlichen Gästen hörte, natürlich alles stehen und liegen gelassen, um ihre Tochter zu begrüßen und sich von ihrem bisherigen Leben erzählen zu lassen, was sie mit großem Stolz erfüllt und sie darin bestätigt, dass sie sie so lange beschützt hat.

 

Fleece bittet Kithain und Jon, Glorandal zu begleiten und dafür zu sorgen, dass sie ihre Männer kriegt, aber sie glaubt selbst nicht mehr daran. Als man Rauch aus Brost aufsteigen sieht, reiten sie, Cordian, Jen, Spider und Zhai zurück, wobei Letztere in der Nähe des Stadttores bleiben – wenn sich bis Sonnenuntergang keiner hat blicken lassen, bedeutet das Probleme.

 

In der Stadt eilen viele Menschen zum Feuer: Pelendurs Kontor brennt. Die anderen sind schon hier und reihen sich in die Eimerkette ein, aber Raif läuft hinein, um zu sehen, ob noch jemand drin ist, und in der Tat: Nachdem er sich durch Feuer und Rauch gekämpft hat, gelangt er zu einem Zimmer, in dem er eine junge Frau und ein Mädchen geknebelt und an einen Balken gefesselt vorfindet. Er befreit sie und bringt sie gerade noch rechtzeitig hinaus. Sie stellen sich als Lamril und Nieva heraus, Pelendurs Enkelin und Urenkelin. Lamril berichtet aufgelöst, ein Mann in schwarz mit langem braunem Haar, kurzem Bart und Augenklappe habe sie gefesselt, das Feuer gelegt und gesagt, sie mögen sich nicht so sorgen, diese Idioten würden schon kommen, sie zu retten...

 

Nun trifft Furmenglaive ein und warnt die Gruppe: Die Berstende Truhe hat sich wieder als Rat eingesetzt und die Order an die Five Silvers ausgegeben, jedes Gruppenmitglied festzunehmen. Jeder ist überrascht von der Dreistigkeit und Offenheit, mit der man hier agiert, aber gegen die Söldner hätte man keine Chance. Furmenglaive nimmt alle mit in den nahegelegenen Chauntea-Tempel (ein umfunktioniertes Wohnhaus, da der alte Tempel abgebrannt war) und hoch auf den Dachboden, wo Furmenglaive Raif, Lamril und Nieva stärkt.

 

Für Fleece ergibt es Sinn, dass es in Mabelrodes Interesse liegt, sie aufzuhalten – so können sie dem nächsten Tipp nicht nachspüren. Also könnte es durchaus sein, dass der Mann mit der Augenklappe Janos Slynt war. Fleece ist schwer frustriert, und man beratschlagt, was zu tun ist, aber Fleece entwickelt schon die ersten Ideen.

 

Fleece: Reverend Father, I trust the aldermen who have been killed first were the most respected, the most influential ones?

Furmenglaive: Yes, absolutely.

Fleece: Surely they were well-to-do, too, surely there's a painting of one or two of them. I need to see one.

Jaq: Are you planning what I think you're planning?

Fleece: Yep.

Jaq: But they're dead.

Fleece: Yep. (Jaq sieht sie an.) I need them dead. It's better that way. (Jaq sieht sie noch fragender an.) Look, we know how these guys work: They lie, they cheat, they manipulate. They have their own bard, for crying out loud. We can't fight them with steel, we have to fight them with their own weapons, and we could start by giving the people of Brost something to believe in, a glimmer of hope: One of their own, coming back from the grave to assure them that the Fellowship of the First Sun has come to end this mess, if only they stand firm on our side and believe in us. See, I don't know where this is going, but when push comes to shove, we need the people on our side. You can do that. But you're gonna have to do a lot more.

Jaq: Well, what else am I being volunteered for?

Fleece: We need to get to one of the Bulgers, get one on our side. I could charm Gorpane. And you could get us there unseen. Oh, and Spider would be of help, too.

Jaq: Right. What then?

Valmaxian: Even if charmed, Gorpane won't consent to anything that could damage him.

Fleece: No, but he could keep us from harm. And tell us what in Mask's name is going on here. And give us the whereabouts of the elves, because if we want to get anything done here, we have to set them free. Spider and Jewel could help with that.

Jaq: Uhm, so, first you get the people on our side with, uhm, a ghost.

Fleece: Exactly. One they remember fondly. One who talks us up a little, bangs our drum, makes clear that we're their only hope.

Valmaxian: What do you want with the peasants? Raise an army?

Fleece: No, silly. But they could lie for us, or hide us, if it comes to that. If the Bulgers wanted to kill the whole town, they wouldn't have put up with keeping up appearances. And we need all the help we can get.

Jaq: Right. So first we give the people something to talk about, and then what?

Fleece: Then, in the dead of night, we'll visit Gorpane, get him to talk. Then you will impersonate him, disguise a couple of us as mercenaries, and we'll release the elves.

Valmaxian: It's not gonna be that easy.

Raif: We'll improvise. We always do. We're good at that.

Valmaxian: I'd rather have a plan instead of relying on the ingenuity of undereducated thugs in shining armor.

Fleece: Not that undereducated. I'm a trained bard, thank you very much.

Valmaxian: Which makes you a hedge wizard. Practically one step above a charlatan at the village fair.

Fleece: Look, we can't make elaborate plans for two reasons. One: We know next to nothing. Not why they're here, not why they're throwing so much money to the wind for what practically amounts to abandoning Brost to the goblins, not where the elven captives are, not if every Bulger shares the same motives, and so on.

Raif: And reason number two: Things never go as planned. Not ever.

Fleece: Exactly.

Valmaxian: Because you suck at planning. Jaqeera does her little ghostly sideshow, after that she turns Jewel invisible so she can break into Gorpane's abode in broad daylight when there's no one around, right? Will there be anyone at home, a maid for example? Will Jewel find a place to hide until Jaq gets us there after nightfall under an invisibility sphere, to open the door and let us in? Will Gorpane be home that night, and if so, will he be alone or will he be entertaining guests?

Fleece: Well, we can't wait it out in here, we don't have the luxury of time, now, do we? They're looking for us.

Valmaxian: Quite the contrary. They don't know we're still around. With every hour that passes that they can't find us, Brost not exactly being a place brimming with hiding spots, the assumption that we've left town must grow to the point of certainty. Let's not forget, getting into or out of Brost is easy, what with the missing palisades to the Wealdath side. So: We have three miniature skulls to keep in touch, don't we? Why put all our eggs in one basket? Spider could go to Gorpane's, he can hide everywhere, see if that amounts to anything at all. Jaqeera, how many people can you disguise today?

Jaq: Myself a lot of times, and three others.

Valmaxian: Right. So you can disguise Fleece and maybe someone else for backup, to go to the Plucked Rose. You stay here to turn us invisible if someone should drop by, Fleece charms one of the girls she befriended, finds out about appointments, who's due when. Quite easy to overpower someone with their trousers around their ankles, isn't it? That opens up Jewel who could break into the townhall, starting with the Bulging Chest's offices to look for documents which could tell us a little more about what to expect from the mercenaries, what the merchants are doing here, what timetable they're on, and so forth. If we're gonna play by their rules, let's at the very least do it right. Like, you know, judicious, smart folks would.

Fleece: I was gonna come to that!

Valmaxian: Well, then why didn't you?

Fleece: Because you didn't let me finish.

 

Man hört die Wachen reinkommen, Jaq lässt den Dachboden, in dem alle dicht an dicht sitzen, leer erscheinen, die Wachen ziehen sich zurück, die Tür fällt ins Schloss, aber da hört man eine Kutsche nahen und vor dem Tempel halten. Eine Frau betritt den Tempel, entschuldigt sich laut für das Missverständnis und die schlechte Behandlung und bittet um eine Unterredung. Sie würde nicht mit dem leeren Tempel reden, wenn sie nicht wüsste, dass die Gruppe da ist, also setzt sich Fleece gegen die anderen durch, die dagegen sind, und als die Frau den Tempel verlassen hat, folgt sie ihr hinaus. So lernt sie die unverschämt teuer gekleidete Yuria Bormul (Cate Blanchett, Jpg 46028-46035) kennen – der Name ist bekannt, so dass er auch Fleece etwas sagt. Scheinbar sind sie hier auf der Straße gerade allein (Fleece nimmt allerdings an, dass dem nicht so ist) und gehen etwas spazieren. Yuria entschuldigt sich nochmals, aber nun werde alles anders, denn nun sei sie hier, um sich persönlich um alles zu kümmern. Sie lässt durchblicken, dass man sich Brost für einen Treffpunkt zwischen tehyrianischen und waterdhavischen Händlern ausgeguckt habe – eine Wiederbelebung des Handels zwischen den beiden Reichen, und hier soll sie beginnen. Die Berstende Truhe ist nur eine Gesellschaft, derer sich Yuria bedient und die hier die Vorbereitungen treffen soll, da man ja Gäste aus Waterdeep erwartet. Leider, so bedauert Yuria, könne man sich nicht immer aussuchen, mit wem man arbeitet. Sie lässt durchblicken, dass Fleece für sie den schönen Schein wahren, allem einen offiziellen Anstrich geben soll, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Fleece wiederum liegt es fern, den guten Namen des Herzogs für simple Händler und Halsabschneider zu riskieren, und fordert uneingeschränkte Macht in Brost, um so wenigstens die Ordnung wiederherzustellen – im Zeichen des Dachses. Sie macht auch keinen Hehl daraus, dass sie die Übeltäter in den Reihen der Berstenden Truhe der Gerechtigkeit zuführen möchte. Zu ihrer Überraschung sagt Yuria ihr in jedem Punkt zu.

 

Man kehrt zurück zum Rathaus, wo die persönliche Elitegarde der Bormuls bereits Spalier steht und keinen Zweifel daran lässt, wer hier das Sagen hat. (Jedoch ist es, wie Fleece durchaus klar ist, komplizierter: Yuria ist als Bormul die Mächtigste hier, aber nicht allmächtig. Deshalb braucht sie Fleece ja auch – wenn ihre Motivation den Tatsachen entspricht, wohlgemerkt.) Hier lässt sich Fleece sehr publikumswirksam die Schlüssel zur Stadt übergeben und lässt sich unter den Augen des schockierten Hauptmanns Greff die Befehlsgewalt über die Five Silvers zugestehen. Sie weiß, dass die Söldner keine Schwierigkeiten machen dürfen, und sie ist sich absolut sicher, dass sie das nicht werden, solange Vardis sie kontrolliert – also stellt sie ihnen General Vardis Yardane aus Chessenta vor, der das Regiment übernehmen wird. Jen steht ihm dabei als Adjutantin zur Seite.) Ferner setzt sie Sergeant Revel erneut in Lohn und Brot (er war für die Kollaboration im Verlies gelandet) und lässt eine neue Sitzung des Rates anberaumen, um den Ratsherren Stärke zu demonstrieren: 'Seht ihr, ich habe alles unter Kontrolle.'

 

Fleece glaubt Yuria natürlich kein Wort. Es müsste schon ein großer Zufall sein, wenn sie hier nur einen Tag nach der Ankunft der Gemeinschaft eintrifft. Glaubhafter erscheint Fleece, dass es die Berstende Truhe heillos übertrieben hat, Yuria jedoch langfristiger denkt und die Wichtigkeit des rechtmäßigen Scheins zu schätzen weiß, auf den Tisch gehauen hat und nun versucht, zu retten, was zu retten ist, auch wenn sie Fleece dafür erst mal ihre eigenen Leute versprechen muss. (Was sie vermutlich nicht einhalten wird, aber so hat sie Zeit gewonnen.) Brost ist gewiss kein sich aufdrängender Ort für eine Zusammenkunft von tethyrianischen und waterdhavischen Händlern. Es ist zwar die nördlichste tethyrianische Stadt und wirklich weit ab vom Schuss, aber es liegt dennoch auf tethyrianischem, also nicht neutralem Grund und Boden, ist obendrein weit von der Sea of Swords entfernt, und der Landweg führt durch Kriegsgebiet, bevölkert von Tausenden von Goblins und Ogern. Gewiss wird es so sein...

 

Fleece will nun endlich Nolthanin Shadowsong freilassen, doch seine Zelle ist leer. Jewel untersucht sie und kann am Stroh erkennen, dass jemand gegen seinen Willen herausgezerrt worden ist, allerdings in die Richtung des Ganges, der in einer Sackgasse endet. Sie stellt sich an die Wand, ihre feine Nase nimmt feuchten, modrigen Geruch wahr, und sie entdeckt eine Geheimtür, die in die winzige Kanalisation Brosts führt, ein einziger, sehr niedriger Hauptfluss, in den unbegehbare Seitenflüsse münden. Auch kann sie ganz schwach ein Herrenparfüm erschnuppern. Die ganze Gruppe rüstet sich aus und folgt ihr, nicht ahnend, wohin es geht – doch der Weg führt nur einmal unter dem Rathaus und dem Marktplatz hindurch und durch eine weitere Geheimtür in den Vorratsraum des Zerbrochenen Fasses. Hier erfährt Fleece von Uled (und Raif, Jaq und Jewel von den Leuten, mit denen sie sich angefreundet hatten), dass erst vor einer halben Stunde zwei Männer, auf die die Beschreibung von Janos Slynt und Karyl Vance passt, mit einem Elfen mit Sack über dem Kopf durchgekommen sind. (Sie wussten von dem Gang und haben Uled bezahlt, und weil sie sehr gefährlich wirkten, wollte er keine Probleme.)

 

Derweil spaziert Kithain mit Finglas durch ein aus Baumhäusern bestehendes Elfendorf im Wald (Jpg 46035), unterhält sich mit ihm über die unvereinbar scheinenden Welten von Elfen und Menschen, zwischen denen er vermittelt, und sie werden von Glorandal in dessen Haus empfangen, wo Kithain mit ihm verschmilzt. Dabei erfährt Glorandal nicht nur alles, was sie erlebt hat, sondern dem Zuschauer wird auch eine Erinnerung Glorandals gezeigt, wie Klamath die Ernte von wunderschönen Blumen überwacht. Die Art und Weise, wie dies gezeigt wird – brutal, die Natur schändend, düster –, verdeutlicht, wie Glorandal dies empfindet...

 

Vardis und Jen sehen den Söldnern zu, die Greffs Sachen aus seinem Zelt schleppen, damit sie es beziehen können. Vardis ordnet an, dass eine Patrouille entsandt wird, die alle Männer für die Nacht aus der Stadt holt, und zieht mit Jen in sein neues Zelt ein.

 

Die Gesuchten sind nach links abgebogen, und da es erst früher Abend und noch Leben auf den Straßen ist, kann man sich durchfragen, ob sie hier und hier und hier durchgekommen sind. Jewel wird auf einen jungen Burschen aufmerksam, der sie ungeschickt "heimlich" verfolgt, spricht ihn an und erfährt, dass er Tarek heißt und als Diener für Malfrade arbeitet – und dass diese unangenehmen Leute, die die Gruppe sucht, heimlich bei ihm wohnen. Er beschreibt die Lage des Hauses, das auf dem Weg der Gruppe zum Stadttor liegt. Jewel fischt sich Jaq heraus, lässt sich von Ashe einen Schädel geben ("Lass die anderen einfach weiterlaufen, und wenn sich die Spur verliert, haltet euch bereit, ich melde mich.") und geht mit Jaq zu Malfrades Haus. (Die Gruppe lässt sie uninformiert, weil sie so höchst überzeugend an Malfrades Haus vorbeilaufen wird. Natürlich hätte Jewel ihr einen Tipp geben können, aber sie arbeitet lieber allein und nimmt Jaq nur als mögliches Ablenkungsmanöver mit.) Die lässt sie draußen warten und klettert geschickt an der Fassade hinauf zum Lastkran, über den sie ins Warenlager gelangt. Dort stößt sie auf viele Säcke mit wohlduftenden Blättern.

 

Kithain und Finglas erreicht das Abendrot nicht mehr, wie sie im Zwielicht nackt auf weichem, mit Moos bewachsenen Waldboden liegen und sich einander hingeben. Kithain hat zwar ein paar neue Informationen für ihre Freunde, aber wie Elfen so sind: Das hat bis morgen Zeit...

 

Jewel hat sich in die Eingangshalle des Wohnbereichs vorgearbeitet, und siehe da: Malfrade lebt höchst feudal, das Haus ist aufs Feinste ausgestattet, und in Wandschalen liegende Lichtquarze tauchen alles in ein blaues Licht. Hinter einer Tür hört sie eine summende weibliche Stimme und Küchenarbeit – Jewel hat keine Ahnung, aber der Zuschauer könnte nun auf Klamath tippen. Jewel knackt die Eingangstür, winkt die unsichtbare Jaq herbei und teilt ihr ihren Plan mit, den der Zuschauer nicht hört – er bekommt nur Jaqs entgeistertes "Wie bitte?" mit. Jewel teilt nun Raziel mit, die Gruppe möge langsam herkommen, sich aber noch bedeckt halten, Jaq macht Jewel unsichtbar, und diese verschließt die Tür wieder. Daraufhin klopft es...

 

Jewel geht zur Seite und beobachtet, was nun geschieht: Malfrade kommt persönlich die Stufen herunter, schließt die Tür auf und schaut erstaunt seinen Gast an: Jaq macht sich nun Mabelrodes Aussehen, Stimme und Manierismen zu Eigen, die sie in der Zisterne von Arbassara so gut hatte beobachten können. "Mabelrode" fragt Malfrade sogleich, wann er ihn das letzte Mal gesehen hat, und zwar eindringlich. Sie macht nicht den Fehler, frei heraus zu sagen, dass sie der echte Mabelrode sei und hier ein Doppelgänger herumlaufe, denn Mabelrode erklärt sich den Geringeren gegenüber nicht – vielmehr impliziert sie es durch ihr Verhalten und ihre Fragen, wann und worüber sie das letzte Mal gesprochen haben. Oben erscheint Janos Slynt, den "Mabelrode" anherrscht, wieder zurück ins Zimmer zu gehen, aber Slynt gehorcht nicht, sondern kommt lässig die Stufen runter, lächelt seinen "Boss" lieblich an und versperrt den Rückweg. "Mabelrode" weist ihn gerade zurecht, als der echte Mabelrode, mit dem Slynt eben noch im selben Zimmer war, mit Karyl Vance auf die Balustrade tritt. Draußen bauen sich die anderen vor dem Haus auf, bereit, loszustürmen. Drinnen liefern sich die beiden Mabelrodes einen verbalen Schlagabtausch, und mit genau den richtigen Worten zur rechten Zeit und einem Bluff-Check von 30 wirkt Jaq echter als der wahre Mabelrode und überzeugt sogar seine Schergen: Vance packt seinen Boss, schleppt ihn die Treppen runter und wirft ihn zu Boden. "Mabelrode" weist Slynt an, den Elfen zu holen, stürmt erbost auf den wahren Mabelrode zu, hält ihm den Dolch vor die Nase, um ihn zum Schweigen zu bringen, und beschuldigt ihn, die liederliche Jaqeera aus den verkommensten Winkeln der verkommensten Stadt Calimshans zu sein – er wisse alles über sie! Janos Slynt holt derweil den gefesselten Nolthanin Shadowsong, und als sie alle da hat, wo sie sie haben will, gibt Jaq Jewel und daraufhin Jewel Raziel das Signal, und die anderen stürmen herein. Die unsichtbare Jewel läuft derweil Klamath hinterher, die rausgeschaut und sich erschrocken wieder zurückgezogen hat – gerade will sie durchs Fenster entkommen, aber Jewel ängstigt sie durch geworfene Tiegelchen und ihre flüsternde Stimme zu Tode, da sie ja unsichtbar ist, und bringt sie so unter Kontrolle.

 

Raif zeigt auf Slynt – der gehört ihm. Man macht den beiden Platz, und nach einem kurzen Wortgefecht legen sie mit einem brutalen, aber auch schnellen und eleganten Klingentanz los. Es hätte so oder so ausgehen können, sie waren einander ebenbürtig, aber völlig ausgepowert und mit letzter Kraft durchbohrt Raif seinen Gegner.

 

Fleece verhält sich Mabelrode gegenüber anständig und bittet ihn, sie zum Rathaus zu begleiten. Er wirft Jaq einen schon fast anerkennenden Blick zu (sie ist mehr als mit sich selbst zufrieden), meint, er sei hierauf vielleicht nicht vorbereitet gewesen, aber dies sei noch nicht das Ende. (Ein Mabelrode, das weiß die Gruppe, hat immer einen Plan B. Jedoch brachte ihn hier seine eigene Denkweise zu Fall: Geld regiert die Welt, und jeder ist käuflich. Auch Tarek war fürstlich entlohnt worden. Mabelrode hatte nicht bedacht, dass das schlechte Gewissen und die Rechtschaffenheit eines Küchenjungen die Gruppe auf seine Spur bringen würde.) Auch Malfrade und Klamath werden unter Fleeces missbilligenden Blicken hinausgeführt. Jewel möchte bleiben, um das Haus in aller Ruhe auszuräumen. Fleece agiert hier zwar als Ritterin, aber was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß, und sie kann darauf vertrauen, dass Jewel sie nicht mit dem konfrontieren wird, was sie hier tut.

 

Mabelrode, Malfrade und Klamath werden zu Stalfore gesperrt, und Cordian bewacht die Gefangenen persönlich, zumal man ja nun auch von der Geheimtür weiß. Dann setzen sich Fleece, Zhai, Ashe, Valmaxian, Raif, Jaq, Rhoedry, Brannon, Nefirti, Naneetha, Sir Casmar und Miriel in den Ratssaal, um sich zu beraten. Nefirti betont, dass sie es für falsch hält, dass man seine Feinde einfach einsperrt, anstatt sie zu töten, denn so können sie ihnen immer noch nach dem Leben trachten. Fleece entgegnet aus dem Handgelenk etwas sehr Wegweisendes: Sie respektiert Nefirtis Standpunkt, weil es der Standpunkt einer Mulan ist, also einer, den sie vertreten muss. Nefirti bewege sich in einer Welt, die von in ihren Augen falschen Wertvorstellungen geprägt ist, und die Gruppe vertritt und lebt die falschesten von allen, die sie in Nefirtis Augen schwach wirken lassen müssen. Aber vielleicht sei das ja Nefirtis Sinn und Zweck im Gruppengefüge: Dass sie die anderen mit ihren fremdartigen Ansichten dazu bringt, die eigenen immer wieder zu überprüfen, infrage zu stellen und neu zu bewerten, auch, um sie zu schätzen zu wissen. Nefirti wisse, dass es gegen die Prinzipien der Gruppe verstoße, sich auf das Niveau ihrer Feinde zu begeben und sie so schlecht zu behandeln, wie sie es selbst tun würden, aber Fleece dankt ihr und ermutigt sie, ihre Ansicht immer wieder kund zu tun. Nefirti fühlt sich respektiert und wertgeschätzt und nickt.

 

Gorpane tritt auf – man sieht ihm am nur notdürftig gekämmten Haar und der nicht perfekt sitzenden Garderobe an, dass er wohl von einem Schäferstündchen weggeholt wurde – und meint, die Berstende Truhe würde gern über die Freilassung Mabelrodes verhandeln. Fleece fragt, warum seine Gesellschaft glaube, dass sie verhandeln würde. Gorpane erwidert, man habe Yuria Bormul (deren Leibmagierin, impliziert er, war offenbar Geld nicht ganz abgeneigt) und stelle sich einen Austausch vor. Dafür werde man auch den Elfen wieder die Herrschaft überlassen. Jemand werde mit einem Vertragsentwurf und entsprechenden Befugnissen kommen. Fleece kocht vor Wut über so viel Dreistigkeit, weist Revel an, sofort herauszufinden, wo Yuria Bormul in Brost residiert und was dort passiert ist, und vergräbt dann ihr Gesicht in ihren Händen und hört schweigend den anderen zu.

 

Schließlich weist Fleece Ashe an, Spider sofort zu instruieren, Gorpane zu folgen (auf dem Weg durch den Schattengrund hierher bleibt die Zeit für ihn stehen, so dass nur er das könnte), und Zhai soll herkommen. Er soll auch Vardis und Jen Bescheid sagen – es ist Vardis' Entscheidung, was er tun will. Auch Jewel muss informiert werden. Nun wird wild diskutiert. Valmaxian spricht sich dafür aus, zu verhandeln und dann endlich von hier wegzukommen, Naneetha will, dass Fleece über Mabelrode zu Gericht sitzt, notfalls will sie sich hier im Rathaus verbarrikadieren. Valmaxian entgegnet, dass man Yuria notfalls auf dem Marktplatz foltern werde, wenn sie Mabelrode nicht bekommen, gesetzt den Fall, sie steckt nicht mit den korrupten Händlern unter einer Decke. Die Berstende Truhe hat bis heute Mittag gerade noch so den Anschein gewahrt, sich aber dann ganz deutlich gegen die herrschende Ordnung gestellt und die Herrschaft an sich gerissen. Yuria Bormul hatte dies rückgängig gemacht, und nun ist sie selber eine Geisel – doch vielleicht ist auch das gelogen, und sie steckt mit den Übeltätern unter einer Decke und hält durch diese Finte ihren Namen rein. Aber so oder so hat man deutlich gemacht, dass es für die Berstende Truhe nicht viel braucht, um das Recht zu brechen. Sich hier einzuschließen und eine Gerichtsverhandlung zu führen, wäre absurd.

 

Fleece hat genug gehört. Sie gibt Valmaxian in allen Punkten Recht – und stellt sich doch auf Naneethas Seite. Ja, vermutlich werden die Gegner das Ganze recht schnell beenden, doch verdammt noch mal, als Ritterin Tethyrs werde sie nicht mit diesen Leuten gegen jedes geltende Recht verhandeln. Sogar Sir Casmar zollt ihr nun mit einem Blick Respekt. Währenddessen setzt sich Jaq zu Ashe, flüstert ihm zu, dass das alles hier in eine Niederlage führt, und bittet ihn, Spider von Gorpane abzukommandieren und stattdessen zur Geheimtür im Verlies zu kommen, und Ashe soll Jaq in ein paar Minuten unten im Eingangsraum treffen.

 

Derweil erklärt Vardis Jen, was er von Raziel erfahren hat. Jen meint, sie können nicht mit den tiefen Taschen der Berstenden Truhe konkurrieren. Gesünder wäre es, zu den anderen zurückzukehren, aber sie würde es hassen, da das nach Feigheit aussähe. Andererseits möchte sie durch ihren Stolz ja auch nicht dafür sorgen, dass der Feind noch mehr Druckmittel in die Hand bekommt. Vardis stimmt ihr zu und beruhigt sie: Es sei ohnehin seine Entscheidung. Dann nickt er zum Zeltausgang. ("Hauptfrau? Antreten lassen!")

 

Nach einem Schnitt betritt Fleece den kurzen Gang mit den drei Zellen und bittet Cordian hoch, um kurz mit ihm zu sprechen. Danach schleicht sich Ashe unsichtbar hinein, öffnet die Geheimtür und lässt Spider hinein, der Mabelrode hinauszerrt. "Fleece" steht mit Cordian im Eingangsraum, als oben die Tür aufgeht und ein paar Helden herauskommen – inklusive Fleece, die ungläubig auf sich selbst dort unten starrt. Cordian rennt sofort über den Platz zum Zerbrochenen Fass und fragt, in welche Richtung er muss – und Spider sieht ihm vom Dach der Taverne aus hinterher. Mabelrode hat keine andere Wahl, als anzunehmen, dass die Berstende Truhe Spiders Dienste gekauft hat, also verhält er sich still.

 

Fleece stellt sich selbst, also Jaq, zur Rede, woraufhin diese ertappt die Maske fallen lässt. Jaq erklärt erregt, dass jedermann weiß, dass man Mabelrode nichts antun würde, man also selbst kein Druckmittel hat, die Berstende Truhe mit Yuria dagegen sehr wohl. Man würde nicht wagen, sie zu foltern, wenn man wüsste, dass sie dasselbe mit Mabelrode tun. Fleece würde das niemals gutheißen, das ist ihr klar – aber Spider könnte das tun, und man kann nicht mal aus der Gruppe herauspressen, wo sie Mabelrode versteckt, weil nur Spider es weiß.

 

Fleece hat sich hier in Brost schon zuvor über ihr Gespräch mit Vala Valkazar Gedanken gemacht: dass sie vertrauen möchte, aber oft feststellt, wie nützlich es ist, jedem zu misstrauen, und wie gefährlich, dem Falschen zu vertrauen, denn Enttäuschungen versuchen sie dahingehend zu erziehen, niemandem zu vertrauen, was Valkazar natürlich für falsch hielt. Und siehe da: Fleece wird hintergangen, nun sogar von ihren eigenen Freunden. Abwechselnd wütend und bitter enttäuscht hält sie Jaq und Ashe eine Standpauke. Jaq sieht schuldbewusst zu Boden und bittet um Entschuldigung, aber Ashe versucht, zu widersprechen: Er habe es doch für Fleece getan, weil es das Beste gewesen sei. Fleece holt die richtig schweren Geschütze hervor, indem sie ihn fragt, ob das Theon zum Narren macht – dass er in dem Wissen, zu sterben, den Schlüssel Raif zuwarf. Nicht, weil er dachte, durch den Drachenhort würden alle reich werden – nein, verdammt, es spielt schon lange keine Rolle mehr, was sich eigentlich in diesem Drachenhort befindet, darum geht es nicht. Theon tat es für die Gruppe, weil unter seinen Augen etwas Einmaliges gewachsen war: eine Familie, eine Schar von Brüdern und Schwestern, die einander bedingungslos vertrauen können. Verrat, wie ihn Jaq und Ashe begangen haben, entwertet das alles. Jaq ist noch nicht lange genug dabei, aber Ashe sollte es besser als jeder andere wissen, denn welche Opfer hat Theon erbringen müssen, um ihm das Bleiben zu ermöglichen? Seinem Priesteramt hatte er entsagt, dem Heiligsten, das er besaß, aber die Gruppe stellte er selbst über dieses. Das macht einen Verrat an der Gruppe zu einem Verrat an dem, der für sie die größten Opfer gebracht hat, und zu einem Verrat an Lathander obendrein.

 

Über Raziel und Ashe spricht Fleece mit Spider und bittet ihn, zurückzukommen. Er hat von alledem ja nichts mitbekommen und meint, der Plan sei gut, aber Fleece muss gar nicht darauf eingehen. Spider wirft sich auf Mabelrode, erhebt seinen Dolch und flüstert, dass es nie leichter als jetzt war, endlich ein Hindernis aus dem Weg zu räumen, das ihnen schon seit über vier Jahren das Leben schwer macht, und stößt zu – allerdings dicht neben Mabelrodes Kopf in die Dachschindeln. ("Count your lucky stars that we're better than that.")

 

Vardis baut sich mit Jen vor den versammelten Five Silvers auf und hält eine Ansprache, in der er vom Schwertzug erzählt und dass seine Erfahrungen und auch die Tatsache, dass er durch sie in Tethyr eine zweite Heimat gefunden hat, es ihm unmögich machen, jetzt einfach wegzulaufen, aber es sei nun mal so, dass bald die offizielle Order eingehen werde, wieder das Kommando in Brost zu übernehmen – gegen jedes geltende Recht. Er stehe auf Seiten von Dame Jhessail Scarpe. Wer sich ihm anschließen wolle, könne das jetzt tun. Über jeden anderen wären die Söldner jetzt vermutlich hergefallen wie hungrige Hyänen, aber Fleece wusste schon, warum sie Vardis geschickt hat.

 

Während man wartet, lässt Raif Zhai herein, und diese bewegt sich gleich Richtung Ashe. ("Du. Immer wieder du.") Aber sie lässt ihn links liegen und knöpft sich Jaq vor, erklärt ihr sehr bestimmt, dass sie in hundert Jahren nicht Zhais Stellung in dieser Gruppe erreichen wird, und wenn sie sie noch einmal so hintergeht wie eben, werde sie das ganze Gewicht ihrer Stimme einsetzen, dass sie verstoßen wird – um sie dann plötzlich in viel kollegialerem Ton dafür zu loben, was sie in Malfrades Haus geleistet hat, ihr auf die Schulter zu klopfen und weiterzugehen. Fleece nimmt das aus dem Augenwinkel stolz zur Kenntnis.

 

Balthus trifft mit ein paar Freiwilligen ein: Er hat von der Situation Wind bekommen und mitgebracht, wen er finden konnte. Der theatralische Krieger brennt auf einen Kampf.

 

Fleece überspielt die maßlose Enttäuschung und ihre Wut exzellent und kümmert sich um das Wohlbefinden der anderen Wartenden. Sie setzt sich zum Beispiel zu Raif und fragt ihn, wie es ihm nach seinem Kampf mit Slynt geht. Raif meint, dass ihm die Rache an Slynt nichts gegeben hat, und er wird sich immer fragen, ob er ihn auch ohne den Challenger hätte besiegen können. Fleece entgegnet, dass er so nicht denken dürfe. Der Challenger, das heilige Artefakt Tempus', hat ihn erwählt und ist in seiner Hand "erwacht". Das allein zeigt, was Raif von sich und seiner Kampfkunst zu halten hat. Raif wechselt das Thema und meint spöttisch: "The Battle of Crown Ridge... the Battle of Crown's Gap... the Battle of Milvian Bridge... the Siege of Brost." Die beiden erinnern sich an die Minuten vor der Schlacht von Crown's Gap, und Fleece, die von Berufs wegen ein hervorragendes Gedächtnis für solcherlei Dinge hat, gibt den Wortwechsel zwischen Zaranda und dem Parlamentär Lankwell getreu wieder, was seine aufpeitschende Wirkung nicht verfehlt und in Raif wieder die Zuversicht und die Lebensgeister weckt.

 

Vardis, Jen und 20 Söldner treffen ein, die sich ihm angeschlossen und ihren alten Waffengefährten den Rücken gekehrt haben. Unglaublicherweise ließ man sie ziehen – vermutlich, weil sie sowieso keinen Unterschied machen werden –, und kurz darauf setzte sich der Rest in Bewegung. Die Five Silvers werden also bald hier sein. Man verbarrikadiert sich, so gut es geht, postiert Cordian und ein paar Mann unten im Gang mit der Geheimtür, und Fleece lässt Ashe Jewel zu den Elfen schicken, um Alarm zu schlagen. Sie hat's nicht weit: Sie muss nur zum Waldrand und ihre Absicht kund tun, und schon tritt ein Elf heraus und nimmt sie mit zu Glorandal, Jon, Kithain und Finglas. Dort erfährt Jewel, dass Klamath aus den hier abgebauten Kräutern Rauschgift herstellt. Jewel drängt jedoch zur Eile, ihren Freunden zu helfen. Da eine große Konfrontation nun offenbar unausweichlich ist, gibt der zögerliche, friedliebende Glorandal nach und lässt seine Elfen am Stadtrand postieren, wo die Five Silvers bereits Barrikaden errichtet haben.

 

Gleichzeitig versammelt sich das Gros der Söldner vor dem Rathaus, und auch einige Mitglieder der Berstenden Truhe schauen zu. Greff ruft, man möge sich ergeben, anderenfalls werde das Rathaus gestürmt. Als drinnen niemand reagiert, geht es an zwei Fronten los: Vorn werden zuerst die oberen unverbarrikadierten Scheiben mit Steinen zerstört, um dann Flaschen hineinzuwerfen, die zerplatzen und einschläfernde Dämpfe freisetzen. (Klamath hat dieses Zeug auf Anforderung kesselweise hergestellt.) Gleichzeitig wird die Geheimtür aufgebrochen, und auch unten wirft man Fläschchen. Fleece erkennt, dass hier früher oder später alle umkippen werden, und befiehlt den Ausfall. Draußen geht es also hoch her, jeder stürzt sich in den Kampf, doch die Five Silvers haben natürlich Reserven, die Helden nicht. Der Kampf kippt jedoch, als Ashe die Scythe of the Reaper in die heranstürmenden Reservekämpfer lenkt und ein äußerst brutales Blutbad anrichtet, bei dem Körperteile fliegen und die Verschonten über und über mit Blut bespritzt werden. Greff, selber in Blut gebadet, sieht, dass dies der Moral seiner zahlenmäßig eigentlich hoffnungslos überlegenen Truppe den Rest gegeben hat, und ergibt sich. Fleece befiehlt die sofortige Übergabe Yurias und bekommt sie auch.

 

Man sieht den Dörflern, die sich getraut haben, aus den Fenstern zuzuschauen, durchaus an, wie erschreckend sie die letzten Szenen fanden. Auch gruppenintern wird darüber diskutiert, aber Fleece schlägt sich überraschend auf Ashes Seite: Nein, natürlich möchte niemand mit solchen grausamen Zaubern in Verbindung gebracht werden, und natürlich wünscht sie sich das auch für die Gemeinschaft der Ersten Sonne nicht. Aber Ashe hat getan, was getan werden musste, und damit den Kampf beendet, den die Berstende Truhe gesucht hatte, nicht die Gemeinschaft. Außerdem ist Krieg die Hölle, und starke Zauber sind nun einmal dafür da, weh zu tun, wenn man sie wirklich braucht.

 

Raif geht nach unten, um nach Mabelrode zu schauen, doch daran, wie er da an seinem Gitter steht, in der Bewegung innehaltend, merkt Raif, dass etwas nicht stimmt. So kann er gerade noch rechtzeitig reagieren, als er von einer aus ihrer Unsichtbarkeit heraus mit einem Dolch attackierenden Gestalt angegriffen wird, die deshalb im selben Zuge sichtbar wird – es ist die maskierte Gestalt, mit der Theon in #07 – AN EYE FOR AN EYE in Baldur's Gate gekämpft und die in #13 – SHADOWS OF AMN bei dem Wrack der Dauntless aufgetaucht war, um die Zinnflasche zu erbeuten. Raif ringt mit ihr, zieht sein Schwert – nutzlos im Gerangel und dem engen Gang, aber er nutzt den Knauf, um der Gestalt die Maske vom Gesicht zu schlagen. Völlig erschüttert hält er inne, denn er blickt in Azariah Ilsombres Gesicht. Das Haar ist blond und kürzer, der Gesichtsausdruck ein anderer, aber das ist unzweifelhaft sie. Endlich besinnt sich Raif darauf, nach Verstärkung zu rufen, und als Cordian und Vardis angerannt kommen, tritt "Azariah" Raif zu Boden und entkommt durch die Geheimtür.

 

Tags drauf übernehmen die Elfen wieder das Kommando in Brost und überwachen den Abtransport der Verwundeten und der Toten. Nun kann man aber nicht einfach von hier verschwinden, denn schließlich muss über Mabelrode, Stalfore, Malfrade und Klamath im Verlies gerichtet werden. (Mabelrode wurde inzwischen unter schwerer Bewachung an einen geheimen Ort verbracht, zu dem kein Geheimgang führt.) Die Berstende Truhe wird es sich nicht nehmen lassen, ein "faires" Verfahren zu suchen, und Fleece kann sich nicht über tethyrianisches Recht hinwegsetzen – sie hat die Herrschaft über Brost beansprucht, also ist sie die Richterin.

 

Jedoch kann und möchte sich die Gemeinschaft nicht leisten, bei ihrer Suche nach dem fünften Schlüssel noch mehr Zeit zu verlieren. Es läuft also auf eine Trennung hinaus, und es müssen genug zurückbleiben, um einen möglichen dritten Befreiungsversuch abwehren zu können. Fleece rät Jen, nach Amn mitzugehen, es sei doch schließlich ihre Heimat. Jen aber lehnt ab, Amn sei ein Land wie jedes andere auch, sie bleibe lieber hier. In Einzelgesprächen geht es hin und her, bis schließlich feststeht, dass Fleece, Jen, Valmaxian, Jewel, Jaq, Spider, Ashe und natürlich Kithain hierbleiben und Vardis, Cordian, Zhai, Naneetha, Casmar, Raif, Bran, Rhoedry, Nefirti und Miriel nach Amn gehen werden.

 

Fleece erklärt Naneetha, dass sie und Casmar sich den nach Amn Ziehenden anschließen müssen. Naneetha wehrt ab, stehen hier doch Urteile über Mabelrode, Stalfore, Malfrade und Klamath aus. (Und eigentlich auch über die Mitglieder der Berstenden Truhe, wenngleich jeder annehmen muss, dass es nicht dazu kommen wird.) Fleece aber will dieses als Ritterin Tethyrs selber sprechen, ohne sich hinter Amaunatorianern zu verstecken. Daher erinnert sie Naneetha daran, dass Miriel und Rhoedry nach Amn gehen werden, und auf diese ein Auge zu haben, sei Naneetha ja schließlich von Luminifacta Assumbar aufgetragen worden. Somit bleibt Naneetha gar keine andere Wahl.

 

Fleece bittet im Acht-Augen-Gespräch mit Vardis, Cordian und Zhai, sich nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Naturgemäß werden Naneetha und Casmar ihren Claim abstecken wollen, aber in dieser Gruppe bestimmen nicht sie. Jedoch war Fleece auch nicht untätig: Von Yuria Bormul hat sie erfahren, dass Haldane Cormond vermutlich gerade an der Grenze östlich von Trademeet ist – das Heerlager dürfte nicht zu übersehen sein. Sie übergibt Vardis also Yurias Empfehlungsschreiben, das sie freundlicherweise aufgesetzt hat und das der Gemeinschaft den Weg ebnen dürfte.

 

Am Abend vor dem Aufbruch unterhält sich Raif mit Jon in einer Taverne und erfährt, dass der Waldläufer verheiratet war und drei Kinder hat, doch ein wohlhabender amnischer Händler spannte ihm die Frau aus, die kurzerhand die Kinder mitnahm und ihm seither untersagt, sie auch nur zu besuchen, gleichwohl er es ein paar Mal versucht hat. Jon räumt jedoch ein, nicht ganz schuldlos zu sein, denn er war nie viel zu Hause: Sobald er zu lange an einem Ort verweilt, wird er ruhelos, und draußen in der Wildnis fühlt er sich am wohlsten. Seine Frau, die selbst aus einfachen Verhältnissen stammte, fand durch die Nähe zu Balthus' Familie aber immer mehr, dass sie etwas Besseres verdient hatte als den Zweitgeborenen, der beim Erbe leer ausgegangen war, und hatte Glück, den durchreisenden Händler so umgarnen zu können, dass er sogar bereit war, drei fremde Kinder bei sich aufzunehmen.

 

Währenddessen bestellt Fleece Jaq zu sich ins Ratszimmer, gießt ihr und sich einen Wein ein und macht es sich bequem.

 

Fleece: Du hast Schwierigkeiten, zu vertrauen. Das verstehe ich. Aber wenn das hier mit uns funktionieren soll, musst du daran arbeiten. Denn auch wir müssen dir vertrauen können. Sachen wie vorgestern machen das nicht unbedingt einfacher.

Jaq nickt.

Fleece: Erzähl mir deine Geschichte.

Jaq: Bitte?

Fleece: Erzähl mir deine Geschichte. Wo du zur Welt kamst, wie du aufgewachsen bist, wie du dein Leben verbracht hast.

Jaq: Ich... (Sie zuckt ratlos die Achseln.)

Fleece: Jaq? Das muss sein. Jetzt. Hier. Von Angesicht zu Angesicht.

Jaq (atmet tief durch und sieht Fleece rätselhaft an): Ich wuchs in Alhamazad auf, einer kleinen Stadt an der Nordküste Calimshans. Mein Vater lebte von der Hehlerei, aber was er wirklich liebte, waren Betrügereien. Sich als überfallener Händler auszugeben, der seine Schätze vergraben hat, um sie vor Banditen zu schützen, und nur etwas Geld brauchte, um zurück zum Versteck zu kommen. Solcherlei Geschichten.

Fleece: Und der Rest deiner Familie?

Jaq: Meine Mutter und meine drei Brüder. Wir alle wurden von Kindesbeinen an dazu erzogen, unseren Teil beizutragen. Natürlich war das nicht dumm: Kinder sind klein, unauffällig, wendig und flink. Wir lernten die Beutelschneiderei, Klettern, Schlösserknacken und mussten jeden Tag Beute heimbringen, und wehe, wir wurden erwischt oder kamen mit leeren Händen. (Sie macht eine Pause.) Ich habe immer versucht, wenn schon nicht die Liebe, dann doch wenigstens die Anerkennung, den Respekt meiner Eltern zu gewinnen – doch egal, wie gut ich mich auch anstellte, es waren meine Brüder, auf die sie stolz waren und die sie in hohen Ehren hielten. Ich war nur das Mädchen. (Sie zuckt die Achseln.)

Fleece: Dein Vater stahl nicht? Er hehlte nur?

Jaq: Er war kein guter Dieb. Ungeschickte Hände. (Fleece nickt, um sie zum Fortfahren zu ermutigen.) Eines Tages brachte einer der Diebe meinem Vater seine Beute. Er hatte ein hübsches Schmuckkästchen gestohlen und die Dokumente darin gelassen, weil sie vielleicht etwas wert sein würden. Unter ihnen fand mein Vater einen Brief auf sehr teurem Papier, geschrieben mit teurer Feder in unglaublich eleganter Handschrift, dabei das Schreibzeug, Wachs und das Familiensiegel. Damit konnte man, wenn man sich beeilte, allerlei Schindluder treiben, und das geschah natürlich auch. Aber es war der Brief, der meinen Vater auf eine Idee brachte. Der Verfasser – ich habe vergessen, wer es war, ein reicher Erhabener auf der Durchreise, nicht aus Alhamazad – kündigte wortreich und elegant an, dem Empfänger, einer namentlich nicht genannten Magierakademie, demütig seine hochbegabte neunjährige Tochter Mirhiban zu schicken. Mein Vater dachte dabei zu keiner Sekunde an mich. Vielmehr fragte er sich, welcher seiner Söhne das überzeugendste Mädchen abgäbe. Erst später, im Gespräch mit meiner Mutter, akzeptierte er endlich, dass kein Junge eine so aufwändige, zeitraubende Scharade würde aufrecht erhalten können. Nun kamen sie auf mich. Ich war acht, also ungefähr im richtigen Alter, aber von richtiger Herkunft war ich nicht. Kein Gauner auf der Straße kann einen Gelehrten abgeben. Mein Vater ließ also alle möglichen Bücher stehlen, um mich ein Jahr lang alles lesen zu lassen, was Seiten hatte – aber was wussten wir schon, was eine Neunjährige aus gutem Hause wissen muss? Woher hätte man das erfahren sollen?

Fleece: Niemand wird an einer Akademie aufgenommen, ohne vorher das Schulgeld bezahlt zu haben.

Jaq: Ja, und mein Vater fiel aus allen Wolken, als er erfuhr, dass er über 100 Goldmünzen allein für das erste Jahr würde aufbringen müssen – für eine preiswerte Akademie, gern das Doppelte, Dreifache, Vierfache für eine renommierte. Es musste also etwas ganz Einfaches sein, allein schon, um nicht der echten Mirhiban über den Weg zu laufen.

Fleece: Er wollte es trotzdem tun?

Jaq: Er hatte sich völlig in den Gedanken verliebt, nein, verrannt, einen Magier in seiner Familie zu haben, der Schatten zaubern kann, wo keine sind, der dich unsichtbar macht oder deine Gedanken beherrscht. Was man mit solchen Fähigkeiten alles stehlen könnte! Wenn du keinen Magier kennst, denkst du ja, ein jeder von ihnen sei ein allmächtiger Halbgott. Was wussten wir schon? Wir waren eine Familie von ungebildeten Dieben, die in einer unbedeutenden Stadt lebten. Mein Vater versuchte also, so viel wie möglich herauszufinden, und dabei stieß er auf die Schule des Seienden Scheins zu Myratma. Nicht genug damit, dass sie preiswert war, sie lehrte auch noch die Magica Phantasmagorica. Nun kam keine andere Akademie mehr infrage, es musste Myratma sein. Er hatte ein Jahr, das Geld zusammenzukratzen, und er hat es tatsächlich geschafft. Also nahmen wir ein Schiff nach Myratma – und in eine völlig andere Welt. Nördlich von Memnon erinnert ja nichts mehr an Calimshan, es war so aufregend und neu. Doch je näher wir unserem Ziel kamen, desto tiefer sank mein Herz. Nichts hatte mich je so eingeschüchtert wie die Schule des Seienden Scheins. Mein Vater war ausstaffiert in teurem Garn, den er für edel hielt, der ihn aber wie einen Narren aussehen ließ, der versuchte, erhaben zu wirken, aber das wusste weder er noch ich. Ich wollte nur fortlaufen, bettelte ihn an, umzukehren, mich wieder mit nach Hause zu nehmen, aber er hielt mich am Arm fest und zerrte mich durch die Tore und über den Hof, übergab mich, zahlte das erste Jahr und ließ mich zurück.

Fleece: Was dachtest du in dem Moment?

Jaq: Was soll ich schon gedacht haben, ich war neun. Ich dachte an alles und nichts zugleich. Ich weiß nur noch, welch große Angst ich vor diesem Gemäuer und den Zauberwirkern darin hatte. Ich war nun eine Probandin, zum ersten Mal von Magiern umgeben, die meine Eignung prüften. Nach drei Tagen gaben sie meinem Vater Bescheid, dass ich die Probatio bestanden hatte und sie mich aufnehmen, und er reiste sofort zurück, ohne sich auch nur noch einmal zu verabschieden. Da war ich also, eine frischgebackene Scholarin. Die Tertia Elevia war so unglaublich hart. Ich gab mir wirklich Mühe, aber es fehlte mir so sehr an Allgemeinbildung, dass an ein Vorankommen kaum zu denken war. Natürlich würde ich die Prüfungen nicht bestehen und nicht in die Secunda Elevia wechseln, natürlich würde ich die Tertia wiederholen müssen. Dabei wusste ich doch, dass mein Vater auf glühenden Kohlen saß und sich irgendwie eingebildet hatte, nach einem Jahr sei ich bereits eine Jungmagierin und würde ihn unterstützen können. Es hatte ja niemand geahnt, dass man im ganzen Elevium nicht einmal zaubert. Aber das schrieb ich ihm nicht. Hätte ich ihm geschrieben, dass ich erst im vierten Jahr beginnen würde, mich auch nur mit den Grundlagen der Spruchmagie zu befassen, hätte er einen Grund gefunden, mir die Schuld daran zu geben. Als könnte ich den Stundenplan ändern. (Fleece schüttelt bedauernd den Kopf.) Na ja, nun ist es so, dass wir Kinder von kleinauf dazu erzogen worden waren, immer nach Gelegenheiten, nach Lösungen zu suchen. Und der Dieb, der beim Beutelschneiden von seinem Opfer entdeckt wird und es doch immer wieder beim selben Opfer versucht, wird seine Hände nicht lange behalten, also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Um es kurz zu machen: Ich brach in die Schreibstube ein und schrieb die Prüfungsfragen ab. Von da an fiel das Lernen sehr viel leichter.

Fleece: Wie war es für dich auf der Schule?

Jaq: Furchtbar. Ich war die Calishitin. In einer tethyrianischen Akademie obendrein. Ich hatte keine Freunde. Dazu kam, dass ich als Dummchen verachtet wurde, weil mir viele Fächer so schrecklich schwer fielen. Im Elevium waren das vor allem Algebra und Arithmetik. Puh...

Fleece: Hattest du ein Lieblingsfach?

Jaq: In Kalligraphie und Rhetorik war ich gut.

Fleece: Du hast einen ausgeprägten tethyrianischen Akzent. Stammt der aus deiner Akademiezeit?

Jaq (nickt): Mein Glück war, dass unser Vater uns zweisprachig erzogen hatte, weil er wollte, dass wir auch Ausländer ausnehmen können. Mit neun fällt es einem noch leicht, an seiner Aussprache zu arbeiten, und ich bemühte mich, den Akzent der anderen zu imitieren, um weniger fremd zu wirken.

Fleece: Hat nicht funktioniert, hm?

Jaq (schüttelt den Kopf): Aber der Akzent ist mir trotzdem in Fleisch und Blut übergegangen. Ich spreche Chondathanisch sowieso sehr gern, ich mag die Sprache. Ich wünschte nur, ich hätte damals schon verschiedene Akzente geübt – heute würde mir das sehr helfen. (Fleece lacht leise.) Aber damals hatte ich genug anderes im Kopf. Ich bemühte mich wahnsinnig, mit den anderen mitzuhalten, und ich weiß nicht mal, warum. Mir wurde schon in den ersten Tagen klar, dass der Plan meines Vaters nicht aufgehen konnte. Trotzdem wollte ich es so gut machen, wie ich eben konnte. (Fleece nickt sowohl bedauernd als auch verstehend.) Im Laufe der Zeit wurde es normal für mich, die Prüfungsfragen abzuschreiben, und ich wurde entspannter, konnte besser lernen. Ich blieb eine furchtbare Scholarin, die aufs Schummeln angewiesen war, um zu bestehen, aber es ging irgendwie. Es wurde normaler.

Fleece: Und irgendwann war das Jahr vorbei.

Jaq: Irgendwann war das Jahr vorbei. Ich bestand meine Prüfungen gerade so – und das, obwohl ich die Fragen vorher gekannt hatte, man stelle sich vor –, aber ich bestand sie und wurde zur Secunda Elevia zugelassen. Nun blieb mir keine Möglichkeit mehr, ich musste meinem Vater schreiben, dass ich noch nicht gezaubert hatte. Ich wusste, er hatte keine weiteren 100 Goldmünzen, er würde kein weiteres Jahr bezahlen können. Oder auch nur wollen. Natürlich schrieb er wütend zurück, es sei meine Schuld, ich sei zu dumm, meine Brüder wären an meiner statt längst Magier geworden. (Sie schnaubt.) Er glaubte das wirklich. Woher hätte er es auch besser wissen sollen.

Fleece: Verlangte er, dass du zurückkommst?

Jaq: Dazu schrieb er überhaupt nichts. Er erging sich nur in Tiraden, wie sehr sich meine Familie für mich schäme.

Fleece: Du gingst nicht zurück.

Jaq: Ich hatte bestanden. Ich war zur Secunda Elevia zugelassen.

Fleece: Nur, weil du geschummelt hattest.

Jaq: Ich hatte mein Ziel mit meinen Mitteln erreicht. Ganz allein. Und ich hatte in diesem Jahr gelernt, was vor mir liegen könnte. Was plötzlich möglich war. Welches Kind aus einfachen Verhältnissen kann das von sich behaupten?

Fleece: Du wolltest bleiben.

Jaq: Zu Hause wäre ich nur...

Fleece (nickend): Ich weiß.

Jaq: Ich war zehn. Varkeena allein weiß, wie ich es geschafft habe, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich nahm mir das alte Empfehlungsschreiben vor, stahl gutes Schreibzeug und Papier aus der Schreibstube und übte so lange, bis ich die Handschrift gut imitieren konnte. In Kalligraphie war ich wirklich gut, das lag mir. Also setzte ich einen Brief meines Vaters auf, in dem ich erklärte, das Geld für das zweite Jahr sei leider auf dem Weg nach Myratma verloren gegangen, aber es würde natürlich sofort nachgeschickt werden, und bat um Geduld.

Fleece: Und dann?

Jaq: Kennst du die Schule des Seienden Scheins?

Fleece: Nur vom Namen her.

Jaq: Meines Vaters Plan war geradezu lächerlich, und er hat nie erfahren, dass er nur in Myratma hatte funktionieren können. Ich wusste, es war Varkeenas Wille, dass ich bleibe. Schau, unter der Regentschaft des Philosophenkönigs Vendrik Anfang des zwölften Jahrhunderts zog es viele seiner Jünger nach Myratma, die dort mithilfe von Rauschkräutern und farbenprächtigen Illusionen ihren Wahrnehmungshorizont erweiterten. Als dann der Zirkel der Fünf nach der Krone griff, verhängte Palamon, Vendriks Sohn, einen Bann gegen die Gildenmagierschaft, drei Akademien wurden aufgelöst, und mehr als zweihundert Gildenmagier mussten das Land verlassen. Die Schule des Seienden Scheins entging dieser Welle der Magierfeindlichkeit nur, indem sie sich offiziell von der Zauberei abwandte und fortan als einfache Gauklerschule auftrat. Doch hinter der Fassade wurden in den nächsten Jahren auch weiterhin vereinzelt Gildenmagier ausgebildet. Als 1299 DR das Phantasmagorische Institut zu Zazesspur seine Tore schloss, angeblich aufgrund Mitgliedermangels, verschlug es einige Lehrmeister nach Myratma. Ihr Zuzug und der Ausbruch der Schwarzen Wut 1302 DR weckten den gildenmagischen Akademiezweig aus seiner Starre. Fortan wurde wieder reger Kontakt zu anderen Gildenakademien gesucht, die gildenmagische Ausbildung wieder breiter angelegt und die so lange aufrecht erhaltene Tarnung langsam, aber sicher fallen gelassen. Jedoch hatten Finanzen und Ansehen in all der Zeit massiv gelitten. Die Schule brauchte Schüler, um zu überleben. An jeder anderen hätte ich nicht mal die Probatio bestanden, wäre niemals aufgenommen worden.

Fleece: Ich verstehe.

Jaq: In Myratma gilt es als eine der wichtigsten Aufgaben, die Phantasie der Scholaren anzuregen, denn Phantasie ist das Arbeitsmaterial des Illusionisten. Darstellungen exotischer Orte und Wesenheiten aus der Sammlung der Akademie, Exkursionen in die Rotflussfelder und die Purpurhügel und die feste Einbindung in das festliche Leben der Stadt sollen Inspirationen liefern. Die starke und lliiragefällige Hinwendung zum Weltlichen führt aber auch dazu, dass Myratmaner Magier mit zu den unbewandertsten Gildenmagiern in den theoretischen Bereichen der Magie gehören. Verstehst du? An keiner anderen Akademie hätte ich mit meiner Bildung überhaupt erst eine Chance gehabt. Aufgenommen haben sie mich, weil sie das Geld brauchten, nicht, weil ich über die nötige Allgemeinbildung verfügte, und bestehen konnte ich nur, weil ich in der einen Akademie gelandet war, die am wenigsten von allen den Schwerpunkt auf die Fächer legte, die mich zur Verzweiflung brachten, weil mir die Vorbildung fehlte.

Fleece: Vielleicht war es wirklich göttliche Fügung, hm? Du erwähntest die Einbindung ins festliche Stadtleben?

Jaq: Prüfungen werden häufig im Rahmen eines rauschenden Festes abgelegt, bei dem die Scholaren nicht nur ihre magischen und schauspielerischen Fertigkeiten unter Beweis stellen, sondern auch ihr Lampenfieber beherrschen und ihr korrektes Auftreten proben müssen. Die unorthodoxe Ausbildung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Myratma hervorragende Illusionsmagier hervorbringt, es ist das faerûnische Zentrum der Magica Phantasmagorica.

Fleece: Was wird dort eigentlich noch gelehrt?

Jaq: Magica Clarobservantia natürlich. Gerade die Lehrmeister verstehen sich darauf. Das musst du auch, wenn sich deine Schüler unsichtbar machen können. (Beide grinsen.) Dann natürlich etwas Magica Controllaria, aber nur in Bezug auf Illusionszauber mit dem Merkmal Einfluss, und ein wenig von der Magica Transformatorica noch, aber mehr nicht. Das Curriculum ist dort wirklich sehr spezialisiert. Das ist auch einer der Gründe, warum so viele Akademien auf die Schule des Seienden Scheins herabblicken. Und natürlich wegen der unorthodoxen Lehrmethoden, der Lliiragefälligkeit, der fehlenden Seriosität. Natürlich, je nach Lehrmeister erinnert der Unterricht entweder an ein mystifiziertes Ritual oder an ein Theaterspektakel. Aber wie dem auch sei, ich wollte ja auf das myratmanische Lebensgefühl hinaus. Weißt du, Tethyr mag jedes Überbleibsel calishitischen Einflusses leugnen, aber in Myratma spürst du ihn noch, nicht zuletzt dank der Macht der Sune-Kirche. Wir haben ja ein ganz anderes Verhältnis zu berauschenden Mitteln als ihr Nordländer, doch in Myratma gehören sie noch zur Kultur. Es kommt nicht von ungefähr, dass Myratma Vendriks Lieblingsstadt war. Natürlich waren sie offiziell an der Schule verboten, aber jeder Schüler nahm sie – und wurde immer wieder erwischt. Nun, Zithabar, gut getrocknet, hält sich ewig, ebenso wie sorgfältig eingelegtes Ilmenblatt. Samthauch, Alphana, Cheriacha, was immer das Herz begehrt. Also verschaffte ich mir Zutritt zur Asservatenkammer—

Fleece (ungläubig lächelnd): Du hast die Rauschkräuter, die die Lehrer den Scholaren abgenommen hatten, gestohlen und sie an die Scholaren zurückverkauft?

Jaq (lächelnd): Ja. Und wo ich schon einmal dort war, ließ ich auch noch das eine oder andere eingelagerte Kleinod mitgehen. Es fiel mir nicht schwer, in der Stadt die richtigen Leute kennen zu lernen, um die Beute zu Geld zu machen.

Fleece: Du wurdest nie erwischt?

Jaq: Ein schüchternes zehnjähriges Mädchen, ganz allein in der Fremde, aber ganz offensichtlich ein Straßenkind ohne Scheu vor düsteren Spelunken... Jeder Gauner dachte, ich sei nur die Botin des Diebes, der nicht selbst in Erscheinung treten wollte. Aber es war sehr schwer. All das kostete viel Zeit, und studieren musste ich schließlich auch, gegen die Secunda war die Tertia ja der reinste Pegasusflug.

Fleece: Die Schreibstube, die Asservatenkammer... an einer Magierakademie! Unfassbar, dass du da so einfach reingekommen bist.

Jaq: Es waren ordentliche Schlösser, die jeden aufhalten, der sich nicht darauf versteht, sie zu knacken. Für die Scholaren reicht das allemal. Und du darfst nicht vergessen, es war die Schule des Seienden Scheins, verarmt und belächelt von den "richtigen" Akademien. Keine verankerten Zauber, keine gebundenen Elementare. Es gab ja nichts zu bewachen. Gegen Studiosi, die sich unsichtbar gemacht hatten, war man gewappnet, aber doch nicht gegen Eleven, die sich darauf verstehen, sich ohne magische Hilfe zu verbergen und Schlösser zu knacken.

Fleece: Gut für dich.

Jaq: Ja, so besorgte Mirhiban, die Tochter eines reichen Erhabenen, also das Geld für ihr zweites Jahr. Im Laufe der Zeit mochten mich viele Scholaren dann auch etwas lieber als noch in der Tertia.

Fleece: Die Schule konnte unmöglich so viele Rauschkräuter eingezogen haben, um zehn oder mehr Jahre zu finanzieren.

Jaq: Wer viel herumkommt in Stuben, in denen er nichts zu suchen hat, erfährt viele Dinge. Sagen wir, ich konnte die Spektabilität davon überzeugen, mir ein Stipendium zu gewähren. Im Namen der Völkerverständigung zwischen Tethyr und Calimshan.

Fleece schüttelt langsam ungläubig lächelnd den Kopf.

Jaq: Varkeena war mir hold, meine Spectatio am Ende des Eleviums bestand aus einer Abschrift eines Zauberbuchs. Algebra oder Arithmetik hätte mich den Kopf gekostet. Und mit dem Novizium begann eigentlich erst alles...

Fleece: Ich weiß.

Jaq: Die Fächer, denen ich nicht gewachsen war, wurden nicht einfacher, und neue, noch viel schlimmere kamen hinzu. Sphärologie, Alchemie, Thesisfixierung, o Mistaril... Ich musste die Tertia Novizia wiederholen, es war einfach zu viel für jemanden mit meiner Herkunft.

Fleece: Ich weiß, Jaq, ich stamme auch aus einfachen Verhältnissen. Aber man kann sich viel aneignen.

Jaq: Oh ja. Das musste ich auch. Es ist gut, dass man dabei so jung ist, da kann man das noch. Im Laufe des Noviziums holte ich langsam ein wenig auf, aber es kostete mich mehr als einmal einige Überzeugungskraft, mich bestehen zu lassen. Die ganze Theorie fiel mir so unsagbar schwer, ich bin nie akademisch interessiert gewesen. Aber die Praxis, die Spruchmagie... Sich vom staunenden Gossenmädchen, das Magiern mit Ehrfurcht begegnet, zu wandeln in jemanden, der arkane Energien lenken und Unmögliches geschehen lassen kann...

Fleece: Keiner, der die Kunst nicht selbst lenkt, wird das je verstehen können.

Jaq: Meine Fingerfertigkeit kam mir bei den Gesten sehr zugute. Zum ersten Mal war ich die Beste unter den Novizen, zum ersten Mal war ich es, die anderen unter die Arme greifen musste. Eigentlich zum ersten Mal in meinem ganzen Leben. Meine Mitnovizen mussten mir bei so vielem helfen, aber in der Somatik war ich die Klassenbeste. Ich glaube, da begriff ich erst, was für einen Weg ich da eingeschlagen hatte – und wie sehr sich Varkeena hatte bemühen müssen, mich darauf zu bringen und zu halten. Sich das zu überlegen, macht sehr demütig. Am Ende des Noviziums war sie mir erneut gewogen, die Arkanatio bestand in praktischer Anwendung, und die ging mir ja von Anfang an leicht von der Hand – auch wenn ich die Konzepte dahinter nie zur Gänze verstand.

Fleece: Dann kam das Studium.

Jaq: O Mistaril, die Tertia Studiosa war das schlimmste Jahr von allen. (Sie schnaubt.) Die musste ich auch wiederholen. Da waren die meisten meiner Mitstudenten aus dem Elevium schon Candidati. Ich konnte es mir nicht leisten, zu feiern wie die anderen, ich musste lernen, lernen, lernen. Den anderen waren eine gute Herkunft und Zugang zu Bildung in die Wiege gelegt worden, sie wussten so viel mehr von der Welt als ich. Diese Grundlagen musste ich mir aneignen, während meine Tage ohnehin schon zu wenig Stunden hatten, die vor Hermetik, Sphärologie, Thaumaturgie, Spagyrik, Venerik, Sympathetik, Alchemie nur so barsten. So oft überlegte ich mir, alles hinzuwerfen und mein Glück in den Straßen von Myratma zu versuchen, aber dann machte ich mir immer bewusst, wie undankbar das Varkeena gegenüber wäre, die doch Berge versetzt hatte, um mir zu ermöglichen, hier zu sein. Also machte ich weiter. Irgendwie. Das Jahr als Candidata war viel zu wenig, um mich auf die Examinatio vorzubereiten, ich scheiterte kläglich. Beim zweiten Anlauf versagte ich in der Disputatio, konnte kaum eine Frage richtig oder vollständig beantworten. Aber die Demonstratio gelang mir mit Auszeichnung. Das Kollegium beriet sich, und die Spektabilität sprach sich dafür aus, mich bestehen zu lassen – damit ich endlich von der Schule verschwinde und nichts mehr ausplaudern kann. (Sie grinst.) Ich war eine Adepta minor. Ich war eine Magierin. Das Beutelschneiderkind aus dem ärmsten Viertel Alhamazads hatte es irgendwie geschafft.

Fleece: Du hast deinen Magus nicht mehr gemacht?

Jaq: Bist du wahnsinnig? Es war ein göttliches Wunder, dass ich meine Adepta geschafft hatte. Wem nützt das auch? Dem, der sich in der Gilde einen Namen machen möchte, gewiss, oder dem, der für einen Adligen oder Erhabenen arbeiten möchte, aber mir doch nicht.

Fleece: Was geschah dann?

Jaq: Zwölf Jahre in der Fremde waren genug, ich hatte Heimweh und ging zurück nach Calimshan. Aber nicht nach Hause, nein. Das, was ich war, gehörte mir, das wollte ich nicht teilen. Schon gar nicht mit meiner Familie. Ich ging nach Memnon, das war ja nicht weit, einmal über die Grenze. Dann musste ich mir überlegen, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Kaum angekommen, lernte ich in einem Teehaus einen jungen Mann kennen, Pacal Qizil. Berauscht vom Zithabar kamen wir uns näher, aber am nächsten Morgen nahmen wir wieder Abschied voneinander. Er war ein wunderschöner Mustang, dem man nicht einfach Sattel und Trense anlegen und ihn in den Stall stellen kann. Bald darauf stellte sich jedoch heraus, dass man mir schlechte Narawurzel verkauft hatte. Erwähnte ich, dass ich in Alchimie und Botanik immer ganz schrecklich war?

Fleece: Du warst schwanger...

Jaq: Ich brachte einen wunderschönen Jungen zur Welt. Sabal. Das bedeutet—

Fleece: Rubin.

Jaq: Ich arbeitete für einen Kaufmann, wohlhabend, aber nicht reich, der mit schönen Illusionen angeben wollte, während er seine Gäste bewirtete. Aber eine Illusionistin mit einem Kind konnte er nicht gebrauchen, also verstieß er mich, als ich kurz vor der Niederkunft stand. In der Zwischenzeit war mir auch Pacal wieder über den Weg gelaufen, und ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber... der eitle Frauenheld war überglücklich und wollte für uns sorgen. Er nahm mich zu sich und ging in seiner Rolle als Vater voll und ganz auf. Aber ich wusste, dass er mich nur als die Mutter seines Sohnes ehrte, nicht um meiner selbst willen.

Fleece: Womit verdiente Pacal sein Brot?

Jaq (skeptisch lächelnd): Wer kann sagen, warum mich das Schicksal in seine Arme gesandt hatte? Er war ein Dieb, ein Betrüger, ein Spieler, ein Lebenskünstler. Eines Tages wurde er auf frischer Tat ertappt und in den Kerker geworfen – er würde in der Sklaverei seine Schuld abarbeiten müssen. Allein bekam ich meinen Sohn nicht durch, und geschwächt durch ständigen Hunger wurde er krank und starb. (Sie schweigt lange.) Ich denke, um mit der Situation besser fertig zu werden, redete ich mir ein, Pacal habe mich im Stich gelassen – er hätte ja besser aufpassen können. Allein setzte ich mein gesetzloses Leben fort, wobei mir mein erlerntes magisches Rüstzeug sehr zugute kam. Die Bücher, die ich brauchte, um mich als Illusionistin weiterzubilden, stahl ich. Mal arbeitete ich mit anderen zusammen, mal nicht, und so kam ich im Laufe der Jahre ganz gut herum. 1366 DR lernte ich Tarquin kennen, einen ganz einzigartigen Mann. Ich liebte ihn, und auch wenn es Männer waren, mit denen er sein Lager teilte, so liebte er auch mich – auf seine Weise. Auch er war ein Betrüger. Zusammen mit einigen Freunden stellten wir vieles auf die Beine und lebten immer ein paar Monde im Jahr wie Halassaren – bis wir Anfang 1371 DR für den Falschen arbeiteten. Es war Schicksal, dass wir uns treffen, ihr und ich. Ich wünschte nur, es hätte einen Weg gefunden, uns zusammenzuführen, ohne Sabal und Tarquin sterben zu lassen. (Sie schweigt eine Weile.) Ja, und hier sind wir nun.

Fleece (lehnt sich vor, legt eine Hand auf die von Jaq): Danke.

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