67 - Accepting The Challenge {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

1374 DR, Year of Lightning Storms: Für Jendara, Jaq, Gilborn, Raif und Milandre geht es über Port Kir (für einen Abstecher nach Osten, um Kithain in Greenshade zu besuchen, bleibt leider keine Zeit) und Kirgard nach Mosstone, wo Jen, Jaq und Gilborn nun auch Raifs Tochter Niviane Trevana kennen lernen. Im Tardy Newt meint Gilborn beim Ale zu Raif, dass Viana immer noch sehr jung ist, dazu lebensfroh, sympathisch und hübsch sowieso – ob sich Raif keine Gedanken mache, wer ihr alles den Hof machen könnte. Gewiss, da sie keine Mitgift mitbringt, wird es niemand Bedeutendes sein, aber für einen jungen Kleinbauern wäre sie allemal ein Fang. Raif behagt die Vorstellung ganz und gar nicht, dass sich Viana verlieben und jemanden heiraten könnte, den Niviane, sobald sie sprechen kann, Vater nennt. Gilborn bemerkt das und betont, dass Raif damit werde leben müssen, denn Viana werde nicht ihr Leben lang allein bleiben und sich vor Sehnsucht nach Raif verzehren. Wenn er schon dieses unstete Abenteurerleben führen wolle, müsse er auch die Konsequenzen akzeptieren, und wenn er die verhindern wolle, wisse er ja, wie. Raif murrt, dass Gilborn schon wie Nelvana klinge (mit der Gilborn zugegebenermaßen viel Zeit verbracht hat), und wechselt das Thema.

 

Anders als sonst bleibt man im County Greenshores und reist über die Firedrake Road an den idyllischen Firedrake Shores hinauf über das ilmatranische Kloster St. Domin, über Valtreth, Viperstone und Rock Orchard nach Toaketh. Die Abenteurer, die nie zuvor in der Firedrake Bay waren, stellen fest, dass diese fruchtbare, durch die Halbinsel Velen behütete Küste eine ganz eigene Schönheit und friedliche Atmosphäre besitzt. Sie kommen nicht schnell voran, weil Gilborn unterwegs die Aufgaben eines Wanderpriesters erfüllt, aber wer wollte ihn ernsthaft dafür schelten?

 

Toaketh ist wie alle anderen Flecken, die man passiert hat, nur ein kleines Dorf. Am auffälligsten ist noch der neu aussehende Bootsanleger mit Ruder- und Segelboot, und draußen auf dem Wasser liegt ein kleines, wendiges Schiff vor Anker, mit dem man Truppenbewegungen melden kann. Die Toakethians staunen nicht schlecht: Jaq sieht unauffällig aus, aber ein Priester Chaunteas ist eine Respektsperson, ein teuer und nach amnischer Mode elegant gekleideter Schwertkämpfer nährt sofort die seit Jahren schwelenden Gerüchte, dass man bald vielleicht enger mit den Amniern zusammenarbeiten könnte (worauf aus Nationalstolz beide Seiten nicht scharf sind), und die Söldnerin in voller Platte hat offensichtlich schon viel durchgemacht.

 

Das befestigte Heerlager nördlich des Dorfes ist nicht zu übersehen. Jen schätzt die Truppenstärke auf etwa hundert Mann, das wären zwei Banner. Sie hat sich natürlich bereits als Offizierin kenntlich gemacht und meldet sich zum Dienst. Jen wird zum noch recht jungen Lt. Farril Vilvarin gebracht (steif, arrogant und sehr selbstbewusst), der sogleich signalisiert, dass sie sich besser nicht in seine Angelegenheiten einmischt, auch wenn sie im Rang über ihm steht. Ihre Papiere sind auf einen Adjutantenposten ausgelegt, um der befehlshabenden Hauptfrau zu assistieren, aber nun erfährt Jen, dass Captain Vitharn, eine erfahrene Spätfünfzigerin, vor ein paar Tagen überraschend im Schlaf an einem Herzanfall gestorben ist. Natürlich hat man sofort einen Boten nach Port Kir geschickt mit der Bitte um einen neuen Hauptmann, optimalerweise zwei, denn Captain Vitharn führte die beiden Banner allein als Doppelbanner (also als kleinstmögliches Bataillon).

 

Lt. Vilvarin hat natürlich übergangsweise das Kommando übernommen. Das gilt freilich nur solange, bis ein ranghöherer Offizier zugegen ist, und Captain Corthala ist ein solcher. Vilvarin jedoch zeigt sich von ihrem Auftreten und ihrer Ausstrahlung unbeeindruckt, und sie merkt ihm deutlich an, dass er von Schlachtfeldernennungen nicht das Geringste hält und davon ausgeht, dass sie vor einem "richtigen" Offizier klein beigibt.

 

Jen weiß, dass ihr ein Lt. Vilvarin in theoretischem Wissen weit überlegen ist, aber sie kann auch unmöglich ihre militärische Karriere beginnen, indem sie unter einem Rangniederen dient, der ihr mit nur schwach bemäntelter Verachtung begegnet. Bei jedem anderen Hauptmann wäre der Fall klar gewesen, es hätte sich überhaupt keine Frage gestellt – aber eine dahergelaufene Abenteurerin stante pede als neue Befehlshaberin zu akzeptieren, kommt für Vilvarin nicht infrage, und er erwartet von ihr offenbar einfach, das einzusehen, brav die Klappe zu halten, zu beobachten und zu lernen, bis aus ihr vielleicht irgendwann mal etwas geworden ist, das man mit einem zugedrückten Auge als so etwas Ähnliches wie eine Offizierin bezeichnen kann.

 

Jen muss sich nun die Frage stellen, ob sie sich zutraut, ohne tatsächliche Ausbildung zur Hauptfrau diesen Posten zu beanspruchen, ohne zu wissen, was hier überhaupt los ist. Ein Doppelbanner ist etwas anderes als ein Banner, und dieses bewacht obendrein ganz allein die Straße zum nur noch einen Steinwurf entfernten Murann, an dessen Rückeroberung sich Amn nun schon seit Jahren die Zähne ausbeißt. Eine Menge Verantwortung für eine Abenteurerin, die nur eine Schlachtfeldernennung in der Tasche, aber nie eine Kadettenakademie besucht hat. Andererseits hat sie deutlich mehr Erfahrung als dieser Schnösel, hat schon weit mehr Verantwortung übernommen und würde selbst ohne ihren Offiziersrang mehr Respekt von diesem Burschen erwarten, denn von dem, was sie in ihrem Leben bereits geleistet hat, wird ein Vilvarin auch in 50 Jahren nur träumen können.

 

Die anderen, die vor den Zelten warten, sind natürlich ebenso Dorf- wie Lagergespräch, denn seit das Sothilisian Empire 1371 DR Murann eingenommen hat, gibt es hier keine Durchreisenden mehr, es sei denn Richtung Tulmene oder von dort, aber das hält sich stark in Grenzen.

 

Jen wäre nicht Jen, wenn sie zuerst klein beigäbe und es sich später anders überlegte. Ein anderer Umgangston und eine diplomatische Erklärung der Situation hätten es ihr möglich gemacht, sich zu fügen, aber diesem Bengel kann sie sich nicht unterordnen – schon gar nicht, wenn sie im Rang über ihm steht, er sie aber wie eine Korporalin behandelt. Dabei ist ihr durchaus klar, dass jeder andere Offizier, ob sie auf dem Papier nun ranghöher ist oder nicht, es für klug von ihr hielte, nicht sofort die Führung zu beanspruchen, aber diesen offensichtlichen Mangel an Respekt kann sie nicht tolerieren. Sie bedankt sich für sein Übergangskommando, entbindet ihn davon und befiehlt, das Lager in einer Stunde antreten zu lassen, nachdem er sie auf den neuesten Stand gesetzt hat. In diesem Moment betritt Lt. Noanar Merden das Kommandozelt (beide Leutnants waren Hauptfrau Vitharns Adjutanten). Vilvarin muss sich offenbar sehr zusammenreißen und insistiert brodelnd, dass die Lage unter Kontrolle sei, aber Jen beendet das Gespräch mit: "Das wäre dann alles, Lieutenant. Ausführen." Vilvarin weigert sich: Eine Schlachtfeldernennung sei wenig mehr als ein schriftliches Lob und verleihe niemandem durch Zaubermacht die Fähigkeit, ein Banner zu führen. Jen funkelt ihn an und entgegnet leise, dass sie sicher sei, sich seine Befehlsverweigerung nur eingebildet zu haben, womit sie ihm eine letzte Brücke baut. Vilvarin, ebenfalls bis zum Äußersten provoziert, entgegnet eisig, Befehle nehme er nur von Offizieren entgegen.

 

Jen dreht sich zu Lt. Merden um, die angesichts des Wortwechsels leichenblass geworden ist, lässt sie sich vorstellen und fragt sie, welche Erwiderung Vilvarins sie gehört hat. Merden will schlichten, muss aber letztlich bejahen, dass ihr Kamerad den Befehl verweigert hat, woraufhin Jen ihr befiehlt, ihn abzuführen und unter Zeltarrest zu stellen, bis sie sich überlegt hat, wie sie mit ihm verfahren will. Als Merden ihn vorsichtig hinausgeleitet – Jen sieht sofort, dass sie sich, obwohl im Rang gleich, ihm unterordnet –, hört Jen ihn leise schimpfen, dass dieses Weib für einen Herzog die Beine breitgemacht habe und dafür mit einem Offizierspatent belohnt wurde. Es war nicht demonstrativ laut, aber ein, zwei Soldaten in der Nähe mögen ihn gehört haben. Sofort eilt Jen hinterher ins Freie und fordert ihn auf, ihr das ins Gesicht zu sagen. Das tut er nicht, hält aber wütend Blickkontakt. Jen befiehlt, Vilvarin nicht in sein Zelt bringen, sondern in Eisen legen zu lassen. Lt. Merden zögert, aber Jens einschüchternd wiederholtem Befehl kommt sie schließlich nach.

 

Die anderen haben zumindest alles mitbekommen, was außerhalb des Zelts vor sich ging, und Raif ist irgendwie nicht erstaunt – warum sollte auch mal etwas glatt laufen? Er sieht Jen aber seinen Blick suchen und zum Dorf nicken, und er versteht: Sie will das allein ohne Verstärkung in der Hinterhand lösen. Also gehen die anderen vier wieder zurück zu der Handvoll Häuser, um zu fragen, wo sie hier ihr Lager aufschlagen dürfen.

 

Jen lässt Vilvarins persönliche Dinge aus dem Kommandozelt schaffen und bestellt Lt. Merden zum Lagebericht zu sich. Diese verhält sich zurückhaltend-respektvoll und lässt Jen wissen, dass Farril Vilvarin der zweitgeborene Sohn von Aureth Vilvarin aus Tulmene ist, einem reichen Adligen alter Schule, womit sie suggeriert, dass Daddy diese Nummer nicht gefallen wird. Farril habe außerdem die Kadettenakademie mit einem überdurchschnittlichen Abschluss hinter sich gebracht und Captain Vitharn gut vertreten.

 

Jen weiß, dass die Situation hier eine ganz andere ist als in Brost. Auch wenn jenes im Herzogtum Noromath liegt, ist es wegen des Sothilis-Problems in Amn (das bei der Neuordnung des Königreichs unmöglich vorherzusehen war) ständig Stein des Anstoßes, weil es viele Elfen stört, eine so exponiert und ungeschützt liegende Menschenstadt beschützen zu müssen. Schließlich wurde ein reguläres Banner dorthin verlegt (und darauf hatte Jen sich auch beworben, allerdings erfolglos), jedoch begann man nie den Bau einer Garnison. Jen hat bereits Gerüchte mitbekommen, dass sich Haedrak und Zaranda uneins sind: Zaranda möchte die Elfen über Rassengrenzen hinaus einbinden und so alle Bewohner des Königreichs zusammenwachsen lassen, Haedrak möchte die kritischeren Elfen hingegen nicht verärgern und sie lieber ihr eigenes Ding machen lassen, wenn sie das wünschen. Ein menschliches Banner war wohl ein Kompromiss, und der Bau einer Garnison hätte Dauerhaftigkeit signalisiert, was bei Hofe offenbar nicht gewünscht war, da Haedrak schließlich die fortschrittlicher denkenden Elfen nicht damit brüskieren wollte, dass man ihnen die Verteidigung von Brost nicht zutraut.

 

Hier aber sieht die Sache anders aus, denn Toaketh liegt mitten auf der Grenze zwischen den Grafschaften Greenshores im Osten (unter Graf Jordy Gallum) und Fyraven im Westen (unter Graf Tanar Keelson) im Herzogtum Cape Velen. Auch wenn der Wald Richtung Osten und Norden der Wealdath ist, haben die Elmanesse aus dem Herzogtum Noromath in diesem Teil nichts zu sagen und halten sich auch von ihm fern. Die Oger, die sich am Rand des Wealdath schon des Öfteren eine blutige Nase geholt haben, wissen das erfreulicherweise nicht und haben noch nicht versucht, an dieser Stelle zwecks Landgewinn nach Süden vorzudringen, aber es gibt immer wieder Versuche, Raubzüge zu starten, die bisher erfolgreich abgewehrt wurden. In letzter Zeit aber ähnelten die Vorstöße eher Aufklärungsmanövern, als wolle man die Verteidigung austesten, und Captain Vitharn befürchtete eine Offensive. Beim letzten Scharmützel fielen einige Soldaten, andere wurden verwundet, und etwas über 80 einsatzbereite Soldaten stehen aktuell zur Verfügung. Jen studiert die Karten, die Lt. Merden ihr vorlegt.

 

Der Herbst zeigt sich von seiner freundlichsten Seite, es ist für die Jahreszeit untypisch noch immer fast sommerlich warm. Von vorn rauscht die Brandung, von hinten erklingen Grillenzirpen und Schafblöken, und während sich Gilborn Äcker und Vieh ansieht, genießen Raif, Milandre und Jaq, die in Ufernähe zelten, die Entspannung. Sie alle halten es für fahrlässig, hier oben nur ein Doppelbanner zu stationieren, aber die Besetzung Muranns liegt schon über drei Jahre zurück – vielleicht war hier mal ein Bataillon stationiert und wurde nach und nach abgezogen, weil nie etwas Großes passierte und man die Truppen woanders benötigte?

 

Vor dem Abendessen lässt Jen das Lager zum Appell antreten und liest in vielen Gesichtern Unsicherheit, in manchen gar Ablehnung. Unsicherheit, weil Kompetenzgerangel unter den Offizieren die Truppe immer nervös macht, Ablehnung, weil Vilvarin die Soldaten gut geführt hat und man nun nicht weiß, wer diese Unbekannte da ist. Was sie in den Gesichtern nicht liest, ist Begeisterung, und daraus schließt sie, dass sich noch nicht herumgesprochen hat, dass sie zur Gemeinschaft der Ersten Sonne gehört. Nun ist Jen aber in so vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Fleece: Niemals würde sie sich selbst beweihräuchern, indem sie vom Schwertzug berichtet, von der Evakuierung Esmeltarans, von Goblin Town, Milvian Bridge, der Belagerung von Brost, von Cormyr oder Chessenta. Erstens möchte sie die Erwartungen an sich nicht über alle Maßen steigern – von einer Heldin der Gemeinschaft erwartet ja mancher, dass sie übers Wasser gehen können müsste –, und zweitens will sie das auch gar nicht nötig haben. Sie möchte um ihrer selbst willen respektiert werden und nicht wegen etwas, von dem man nur gehört hat. Auch sagt sie nichts über Vilvarin, weil das die Truppe nichts angeht. Die Ansprache ist kurz, knackig und demonstriert ihr Selbstbewusstsein.

 

Im Kerzenschein arbeitet sich Jen ein, indem sie die säuberlich abgelegten Berichte, Inventarlisten und auch die Truppenrolle studiert. Für morgen plant sie viele Einzelgespräche, um die Truppe besser kennen zu lernen. Kurz bevor sie sich jedoch fürs Zubettgehen fertig macht, treten bewaffnete Soldaten unter Führung von Vilvarin in ihr Zelt, und nun ist es dieser, der Jen ihres Kommandos enthebt. Jemand muss für ihn heimlich Verbündete gesucht und schließlich Vilvarin mit der Bitte befreit haben, das Kommando wieder zu übernehmen. Vermutlich würde Jen mit diesen vier Soldaten und Vilvarin spielend fertig, selbst unbewaffnet wie jetzt gerade, aber möchte sie so ihre offizielle militärische Karriere beginnen? Also bleibt sie cool und begleitet die Soldaten wie befohlen nach draußen, und nun ist es an ihr, im kleinen Gefängniszelt in Eisen gelegt zu werden.

 

Am Morgen erkundigt sich Raif nach Captain Corthala und erfährt (obwohl Vilvarin Stillschweigen angeordnet hat) von ihrem Schicksal, aber zu ihr vorgelassen wird er auch nicht. Er verlangt, Lt. Vilvarin zu sprechen, aber der habe gerade zu tun. Raif dreht den Spieß um und regt sich deutlich hörbar darüber auf, wie hier mit der Gemeinschaft der Ersten Sonne verfahren wird. (Einigen mag der Name Jendara Corthala auch bekannt vorgekommen sein, aber damit wussten, wenn überhaupt, nur Wenige etwas anzufangen, und nur unbestätigte Gerüchte machen gerade im Lager die Runde, doch noch nicht prominent genug, um sich zu verselbstständigen.) Das fordert natürlich Nachfragen heraus, die Raif selbstredend gern beantwortet und so Vilvarin ins Freie lockt, der Schadensbegrenzung betreiben will (und tatsächlich nicht wusste, wer Jen ist). Mit guten Diplomacy-Checks schimpft Raif über die Behandlung, die man der Hauptfrau angedeihen lässt – und das ist jetzt der Dank für all die Dienste, die die Gemeinschaft dem Königreich geleistet hat?

 

Raif hatte auf die Verehrung gebaut, die die Gemeinschaft der Ersten Sonne gerade beim einfachen Volk genießt, und er sieht den Soldaten ihre Reaktionen an: Scham bei denen, die nichts für die Situation können, und Nervosität oder gar Furcht – und teilweise auch immer noch Ablehnung – bei denen, die gegen Jen gemeutert haben. Vilvarin merkt, wie ihm die Situation entgleitet, denn nun, da die Katze aus dem Sack ist und auch er kapiert, wer Jen ist, kann er sie unmöglich weiter gefangen halten, ohne sich den Zorn von Herzog Hembreon zuzuziehen. (Zumindest denkt er das.) Mit einigen Soldaten und Raif geht er zu ihrem Zelt und fragt sie bemüht um Würde ringend, warum sie nicht gesagt hat, wer sie ist. Die angepflockte Jen erwidert cool, seit wann man sich bei Untergebenen mit seinem Lebenslauf bewerben muss. Oh, das saß...

 

Vilvarin aber versucht sich nichts anmerken zu lassen und signalisiert sehr verklausuliert: "Nichts für ungut, richtig?", während er ihre Eisen aufschließen lässt, aber Jen verzichtet auf eine Antwort. Stattdessen ordnet sie nun einfach erneut Vilvarins Fesselung an, der geschockt reagiert – er hatte offensichtlich erwartet, dass eine Hand die andere wäscht, hat er ihr doch schließlich den "Gefallen" getan, sie freizulassen, obwohl sie hier frecherweise Offizierin spielt.

 

Jen: Ich bin Captain Corthala, Lieutenant. Mehr als meinen Rang müsst Ihr nicht von mir wissen. Eure Vorgesetzte zu sein, entbindet mich von der Notwendigkeit, mich bei Euch beliebt zu machen, damit Ihr mir die Freundlichkeit erweist, mir zu gehorchen.

 

Wer nicht gerade auf Posten oder Dienstgang ist, hat sich ohnehin schon ganz "unauffällig" in der Nähe versammelt, um dem ungewöhnlichen Schauspiel beizuwohnen und einen Blick auf Helden der Gemeinschaft zu werfen. Jetzt muss Jen das Kommando übernehmen, komme da, was wolle – die Situation lässt ihr keine andere Wahl. Abermals hält sie keine Ansprache, sondern lässt sich beide Schlüssel für die Ketten aushändigen – womit sie die Truppe beschämt, da sie ja zeigt, dass sie offensichtlich niemandem trauen kann, dass er Befehle befolgt – und geht zurück zum Kommandozelt. Natürlich ist sie froh, dass Raif interveniert hat, aber irgendwie ist sie auch sauer auf ihn, und er bemerkt ihren kühlen Blick.

 

Raif: Was?

Jen: Was?

Raif: Ich kenne diesen Blick. Als hätte ich deinen Tabak versteckt und deine Pfeife in die Latrine geworfen.

Jen: Ich hatte vor, die Truppe durch meine Fähigkeiten zu überzeugen. Nicht, für vergangene Taten angehimmelt zu werden und Vorschusslorbeeren einzusammeln, ohne diesen Soldaten etwas bewiesen zu haben.

Raif: Oh, entschuldige. Mir war nicht klar, dass du die Situation komplett unter Kontrolle hattest.

Jen: Ich habe jede Situation unter Kontrolle.

Raif: Mh. Sah nur so aus, als hättest du das nicht, aber in Wahrheit hattest du das natürlich.

 

Raif kennt sie: Sie wollte das hier allein schaffen, ohne schon zu Beginn auf die Hilfe ihrer Freunde angewiesen zu sein. Deshalb nimmt er ihr ihre Reaktion auch nicht übel und begleitet sie so selbstverständlich ins Zelt, als gehörte er zur Truppe.

 

Jen bezieht also erneut das Kommandozelt und bestellt Lt. Merden zu sich, die wortkarg und verschämt vor sie tritt. Jen lässt sie wissen, dass sie, nachdem sie einen Leutnant verloren hat, Merden nicht auch noch entbehren kann, aber ihr ist nicht entgangen, dass sie die ganze Nacht angekettet war, ohne dass jemand versucht hätte, die Meuterei zu beenden und die Ordnung wiederherzustellen. Merden soll die Truppe wissen lassen, dass Jen nicht plant, zu ermitteln, wer die Meuterei möglich gemacht hat, weil sie die Truppe nicht schwächen will, aber sie macht auch klar, dass sie beim nächsten leisesten Anzeichen von Insubordination klar Schiff machen wird.

 

Danach befiehlt sie Merden, sämtliche Lanzenführer antreten zu lassen. Dabei strahlt Jen absolute Autorität aus – wenn sie etwas kann, dann das. Sie wäre sowieso nicht der Typ dafür, aber selbst wenn sie den Impuls hätte, andere gezielt für sich einzunehmen, indem sie tut, wovon sie glaubt, dass es denen gefällt, würde sie sich an Vardis' wichtigste Lektion erinnern: Soldaten wollen keinen Freund, Soldaten wollen geführt werden.

 

Zum einen lernt sie die Lanzenführer kennen und kann den einen oder anderen schon mal einschätzen, zum anderen will sie, dass die Feldwebel ihren Eindruck von ihr zurück in ihre Lanzen tragen und so Jens Stand festigen, damit die Idee, Vilvarin erneut zu befreien, nicht mehr viel Zuspruch empfängt und auf genug Gegenwehr stößt. Außerdem hat sie schon mal Ausschau nach einem Lanzenführer gehalten, der das Zeug dazu hat, als kommissarischer Leutnant zu dienen, denn sie wird Vilvarin nicht mehr einsetzen, sondern um seine Ablösung und Bestrafung bitten – das Schreiben hat sie bereits aufgesetzt.

 

Jen bedrängt Raif, nach Hause zu reisen, aber er ist dagegen. Ihm ist klar, dass das hier ihr Ding ist, aber er hätte das Gefühl, sie im Stich zu lassen, denn erstens steht die Truppe noch nicht wirklich geschlossen hinter ihr, und zweitens liegt Ärger mit den Ogern in der Luft. Drittens – aber das erwähnt er nicht – denkt er nostalgisch an den Schwertzug zurück, und das hier erinnert ihn ein bisschen daran, und wo er damals stolz darauf war, Vardis als Hauptmann zu sehen, ist er heute stolz auf Jendara, und er wäre gern noch etwas länger dabei, um zu sehen, wie sie in ihre Rolle hineinwächst.

 

Zumindest verscheucht Jen ihn erst mal aus ihrem Zelt (wohl wissend, dass er als ihr Nicht-Untergebener kommen und gehen wird, wie es ihm gerade beliebt) und lässt Drills abhalten, um sich ein Bild von den Fähigkeiten der Lanzen zu machen. Ein Bote macht sich mit ihrem Brief auf in Richtung Tulmene, wo die nächste Garnison liegt.

 

Dank Gilborn hat sich auch bei den Toakethians herumgesprochen, dass hier echte Helden gastieren, weshalb man diese fragt, ob sie heute Abend vor Hesephs Haus zum Umtrunk kommen und ein paar Geschichten erzählen können. Als Raif hinzustößt, haut es ihn glatt um: Milandre sieht umwerfend aus! Ihm ist natürlich klar, dass Jaq nachgeholfen haben muss, aber er hat nie versucht, sich vorzustellen, wie Milandre aussehen könnte, wäre ihr Leben anders verlaufen, und ohne die entstellenden Narben und das Müde und Verlebte in ihren Zügen, leicht geschminkt und das Haar dezent frisiert – wow. Natürlich verhält er sich ihr gegenüber ein bisschen anders – ein ganz kleines bisschen charmanter und gentleman-like, ein ganz kleines bisschen weniger kumpelhaft –, und das entgeht auch Milandre nicht. Sie weiß, er meint es nicht böse, aber damit zeigt er ihr ja, dass er sie sonst überhaupt nicht als Frau wahrnimmt. Und warum? Weil sie zu entstellt ist, um für ihn Frau genug zu sein. Nie war ihr bewusster, wie sehr sie ihn will und wie lieb sie ihn gewonnen hat.

 

Raif wiederum muss, je mehr er getrunken hat, umso mehr darauf achten, nicht versehentlich mit ihr zu flirten, denn er weiß ja, dass ihr Aussehen nur eine Illusion ist (der Jaq nach zwei Stunden diskret nachhilft, weil sie die Wirkungsdauer im Auge hat).

 

Der folgende Tag verläuft ereignislos, aber wir sehen ein paar Szenen von Soldaten, die sich Lt. Vilvarins Achtung erarbeitet und nun festgestellt haben, dass die Mühen umsonst waren – dieselben, die ihn vorgestern befreiten. Jen sieht bei den Drills zu, um die Feldwebel besser einschätzen zu können, und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, nutzt sie auch die Chance, in die Drills einzugreifen und bei ein paar Waffengängen zu zeigen, was sie drauf hat. Im Kampf Mann gegen Mann wäre ihr hier niemand gewachsen, und sie will, dass die Truppe das weiß, damit erstens niemand auf dumme Ideen kommt, und zweitens, weil sie weiß, dass Soldaten keinen Anführer stärker respektieren als den, der ganz offensichtlich besser ist als sie und sich somit seinen Posten auch in den Augen des einfachen Mannes verdient hat.

 

Als sie einen handfesten Streit mitbekommt, der in ein Handgemenge auszuarten droht, greift sie nicht ein – das ist nicht ihre Aufgabe –, sondern beobachtet. Stein des Anstoßes ist natürlich sie. Der zuständige Feldwebel, Sgt. Marent, der für Jen bereits einer ihrer Kandidaten für den kommissarischen Leutnantsposten ist, geht beherzt dazwischen und hört sich die Argumente an. Wegen des schlechten Rufs von Schlachtfeldernennungen sorgt sich einer seiner Männer, dass die Hauptfrau nicht führen kann – Hauptfrau Vitharn konnte das, Leutnant Vilvarin konnte das auch. Und nun, wo man jeden Tag mit einem weiteren Vorstoß der Goblins rechnet, weiß man nicht, woran man ist. Marent handelt clever.

 

Marent: Weißt du, wer sie zur Hauptfrau ernannt hat?

Soldat: Ja, Sir.

Marent: Na, wer?

Soldat: Herzog Hembreon.

Marent: Und was weißt du über den Herzog?

Soldat: Na, dass er weit im Osten herrscht, Richtung Erlkazar.

Marent: Der Herzog war Prinz Rythans Bannerträger und hat ihn in seine letzte Schlacht begleitet. Prinz Rythan kennst du doch?

Soldat: Ja, Sir.

Marent: Paladin war er. Und als er im Sterben lag, hat er noch seinen Bannerträger geheilt, nicht sich selbst. Weil er wusste, der Bursche wird mal was ganz Großes. Hat im Schwertzug an der Seite der Königin gekämpft, der Herzog. Hat Riatavin vor den Goblins beschützt und ist mit zehn Bannern nach Cormyr gegangen, um deren König in seinem Krieg zu helfen.

Soldat (ratlos): Ja, Sir.

Marent: Klingt nach einem Mann, der sich auf dem Schlachtfeld auskennt, oder?

Soldat: Ja, Sir.

Marent: Und jetzt sagst du, der hat keine Ahnung, wen er da zur Hauptfrau macht?

Soldat (sieht beschämt zu Boden): Nein, Sir.

Marent: Na, dann ist es ja gut.

 

Jen ist zufrieden. Marent kann sie aus seiner Position nicht sehen, weiß also nicht, dass sie ihn beobachtet hat.

 

Für Gilborn gibt es hier, nachdem er als Geweihter einige Dinge in Ordnung gebracht hat, nun eigentlich nichts mehr zu tun, und Milandre würde sich lieber ihr eigenes Geld verdienen. Auch Jaq langweilt sich hier in Toaketh und würde lieber in der Akademie studieren. Raif hat keine wirklich guten Argumente, länger hier zu bleiben, zumal man in Toaketh wirklich nichts unternehmen kann. Er muss sich einverstanden erklären, dass sie morgen abreisen.

 

Den ganzen nächsten Tag jedoch gießt es wie aus Eimern, der Wetterumschwung könnte nicht stärker sein, und mit den stark abfallenden Temperaturen passt die Witterung nun endlich auch zur Jahreszeit. Unter diesen Umständen hängen die Abenteurer natürlich noch einen Tag dran, den sie eigentlich durchgehend in einer Scheune und abends zu Gast bei den Dörflern verbringen.

 

Irgendwann in der Nacht hört der Regen endlich auf, auf die Zelte zu trommeln. Am Morgen – es ist noch nicht mal hell – wachen die Abenteurer von der Betriebsamkeit im Soldatenlager auf und sehen natürlich sofort nach. Jen hat Meldung von einem Späher bekommen, dass eine an die 200 Köpfe zählende Horde aus Goblins, Hobgoblins, Bugbears und zwei Ogern über die Straße aus Murann auf sie zuhält und in zwei Stunden hier sein dürfte.

 

Jen, erfahren im Kampf gegen Goblinoide, weiß um deren Blutrünstigkeit und mangelnde Organisation, was sie berechenbar macht. Man könnte die Dörfler im Fort versammeln, aber dieses bietet mit seinem Palisadenzaun nur schwachen Schutz, Toaketh würde verwüstet, das Fort sicherlich auch, und man wäre seinem Befehl nicht nachgekommen, einen Einfall ins Königreich zu verhindern. Also erklärt sie das Gelände vor dem Fort am Waldrand zum Schlachtfeld, denn wenn sich Opfer schutzlos den Goblins präsentieren, werden diese den Lockvogel schlucken und frontal angreifen.

 

Sie teilt die Truppen zur Arbeit ein (und verpflichtet auch alle Dörfler): Die einen heben einen breiten Graben vor Jens anvisiertem Schlachtfeld aus (da es 24 Stunden durchgeregnet hat, ist der Schlamm leicht umzugraben), die nächsten graben rechtwinklig dazu an den Flanken den Boden um und wässern ihn, um ihn noch schlammiger zu machen, und der Rest baut den hinteren Teil des Palisadenzauns ab, zersägt die Palisaden und spitzt sie noch stärker zu. Im Krieg bleibt keine Zeit für langwierige Erklärungen, erst recht nicht angesichts der kurzen Zeit bis zum Eintreffen der Horde. Hier steht und fällt alles mit Jens Leadership-, Diplomacy- und Intimidate-Checks, ob sie ihr Doppelbanner dazu kriegt, zu tun, was sie sagt, obwohl es sinnlos scheint und viele ihr nicht zutrauen, dass sie sie gut führen kann. Auf den letzten Metern ihres Abenteurerlebens lassen die Würfel sie nicht im Stich: Sie befiehlt autoritär und klar und koordiniert gut, die Arbeit läuft wie am Schnürchen.

 

Die Pfähle sollen schräg in den Graben eingelassen werden, woraufhin Jen will, dass Jaq eine Illusory Wall darüber legt. Die erste Schlachtreihe stellt Jen versetzt gestaffelt auf: Fernkämpfer vor Nahkämpfer. Die Fernkämpfer sollen die Horde also von vorn unter Beschuss nehmen und kurz vor dem Angriff durch die Lücken zurücktreten, damit die Nahkämpfer einen leichten Schildwall bilden können – leicht, weil sich die erste Reihe nur um die kümmern muss, die den mit Pfählen gespickten Graben überwinden, und das werden hoffentlich nicht viele sein.

 

Nach dem ersten Frontalangriff wird die Front also hoffentlich durch Pfähle und Leichen unpassierbar sein, und während der Gegner gezwungen ist, ihre Flanken zu attackieren, können die Fernkämpfer die geteilte Streitmacht bei der Umrundung weiter unter Beschuss nehmen, die Nahkämpfer formieren sich neu und bilden rechts und links zwei Schildwälle, und die Goblins laufen in besonders schwieriges, weil schlammiges Gelände. Optimalerweise reicht das, um den Angreifer in die Flucht zu schlagen, denn das ist Jen ganz wichtig: Sie will die Horde nicht einkesseln, denn wer eingekesselt ist, kämpft wie ein in die Enge gedrängter Hund. Lass dem Gegner immer einen Fluchtweg offen...

 

Plan C tritt in Kraft, wenn alle Stricke reißen: Auf Jens Signal hin soll die unsichtbare Jaq ein Major Image in Form eines aus Verteidigerrichtung über das Schlachtfeld hinwegfliegenden Drachen hervorrufen, was hoffentlich für Unruhe und eine Senkung der Moral sorgt, was die Verteidiger ausnutzen können. Jedoch möchte Jen nicht durch Angst diesen Kampf gewinnen, denn Angst verfliegt irgendwann auch wieder. Sie möchte ihn in der Sprache gewinnen, die der Gegner am besten versteht und die ihn am nachdrücklichsten davon abhält, erneut anzugreifen: Verluste.

 

Jen stellt also ihr Doppelbanner auf, verabredet mit Merden und den Lanzenführern die Signale und stellt sich zuerst überraschend hinten auf, als wollte sie von hinten führen und nicht von vorn, wie es ihr Naturell ist. (Raif und Milandre gesellen sich selbstverständlich zu ihr.) Das liegt aber daran, dass die vorderen Reihen bis auf die erste sowieso Ablenkung sind und ohnehin die Flanken verstärken werden, und Jen wird sich dann auf die Flanke schlagen, die mehr Hilfe braucht. Sie schwört die Truppe darauf ein, dass heute kein Goblinoider diese Grenze verletzen und in ihr geliebtes Königreich eindringen wird, und betont noch einmal, dass auftauchende Ungeheuer von hinten auf ihrer Seite und nicht auf der gegnerischen stehen.

 

Der Plan geht auf, Jen hat den Gegner dank ihrer Erfahrung richtig eingeschätzt. Er wird frontal dezimiert, läuft in die Falle, die erste Reihe wird mit denen fertig, die den Graben überwinden, und man hat sogar Glück, dass einer der beiden Oger ebenfalls in die Pfähle stürzt und sich nicht mehr befreien kann. Wie vorausgesehen teilt sich die Horde, die Fernkämpfer bestreichen sie weiterhin, die Goblins geraten in schwieriges Terrain, die Schildkämpfer halten die Linie rechts stabiler als links, also hilft Jen links aus und nutzt die Lücken zwischen den Schilden, um mit einem Speer abzuräumen. Raif und Milandre schickt sie nach rechts, als sie erkennt, dass der zweite Oger dort durch den Schlamm watet.

 

Normalerweise ist es in solchen Situationen ja meistens so, dass erst mal jede Menge Redshirts sterben, bevor es den VIPs an den Kragen geht. Heute aber läuft es gänzlich anders: Auf beiden Flanken ist noch kein einziger Gefallener zu beklagen, als der Oger mit seinem riesigen Speer ungezielt in den Schildwall sticht – bei der ersten Attacke passiert nichts, bei der zweiten reißt er eine Lücke, weil durch die Wucht zwei Mann zu Boden gehen, bei der dritten durchbohrt er den Bauch des dahinter stehenden und aus dem Gleichgewicht gebrachten Raif, hebt ihn hoch und wuchtet ihn überkopf hinter sich, Seong Mi-na style. Alles geht rasend schnell, aber Raif lässt bei dieser tödlichen Verwundung natürlich sofort sein Schwert fallen, um den Speer zu umfassen, der ihn hochhebt, und wir sehen das ausdruckslose Visier von Milandre. Sie lässt ihrerseits ihren Speer fallen, stürzt sich in den Matsch, hebt den Challenger auf, bricht durch die vom Oger in den Schildwall gerissene Lücke und stürzt sich schwertschwingend blind in die gedrängte Gegnerhorde. In diesem Moment akzeptiert der Challenger Milandre als rechtmäßige Trägerin, sie schafft ihren Will-Save, und das Artefakt aktiviert Determination so wie einst in Raifs Händen in #35 – AFTER THE SUNSET. Die Angriffe prasseln nur so auf Milandre nieder, aber jede ihrer Attacken erzielt einen zusätzlichen D6 Schaden – bis zum Grundschaden plus 6D6 pro Attacke. Mit drei Attacken pro Runde plus Cleave plus Great Cleave räumt sie unfassbar auf.

 

Jen bekommt auf der rechten Flanke überhaupt nichts davon mit, und diese hält dem Angriff vorbildlich stand. Für die unsichtbare Jaq im Hintergrund jedoch war unübersehbar, wer da so brutal aus der gesichtslosen Menge herausgerissen wurde: Raif! Sie wartet also natürlich kein Signal ab, sondern beschwört ihr Major Image in Form eines Drachen – oder jedenfalls dessen, was sie für einen hält, da sie zuvor nur Nyx gesehen hat, und die Erinnerung an ihn wirkt längst nicht gefährlich genug – und lässt ihn brüllend über die rechte Flanke fliegen. Danach beschwört sie drei weitere Major Images in Form von weiter hinten versprengten Hobgoblins, die fliehen und von dem Drachen in Brand gesetzt werden. Der Moral-Check der Horde geht wunschgemäß daneben, und die Goblinoiden lösen sich auf der rechten Seite panisch auf, mit Verzögerung auch auf der linken. Jen sieht den Oger immer noch herumlaufen, steigt an einem Soldaten hoch, um die Truppe überblicken zu können, sieht jenseits des Schildwalls niemanden stehen und gibt Schießbefehl. Die Bogenschützen holen den Oger von den Beinen.

 

Jubel ist hier und da zu vernehmen, doch Jen ruft zur Disziplin auf. Sie will nicht riskieren, dass sich die versprengten Goblinoiden im Wald zusammenrotten und neu formieren, also befiehlt sie, die Linien zu halten, und läuft dahinter entlang – und sieht Gilborn zuerst laufen, dann durch Schlamm und Goblinleichen waten, hinfallen, aufstehen und weiterwaten. Alarmiert schließt sie auf, denn aus der Ferne ist gar nichts zu erkennen – wer dort liegt, ist ebenso anonym braun und schlammverschmiert wie jeder andere. Erst aus der Nähe kann sie sehen, dass inmitten der toten Goblinoiden auch Raif liegt.

 

Gilborn spricht hastig seinen einzigen Wundsegen über Raif, obwohl er nicht mal weiß, ob er überhaupt noch lebt. Schnitt.

 

Raif erwacht, gewaschen und in Ersatzkleidern, im Bett einer Toaketh-Familie, neben dem Jaq wacht. Von seiner brutalen Bauchwunde ist nicht mehr viel zu erkennen, obwohl ihm dort noch alles weh tut, und ihm ist, als hätte er von Theon geträumt, aber die Erinnerung daran verfliegt schon, während er darüber nachdenkt. Jaq erklärt ihm kurz, dass Vater Fenring sein Leben gerettet hat und dass dieser sich immer noch um die Verletzungen der Soldaten kümmert. Schnitt auf Gilborn, der später eintritt und sich an Raifs Bett setzt. Er erklärt ihm, dass Milandre tot ist. Dabei wird kurz zu ihm zurückgeblendet, wie er im Matsch neben Milandre kniet, die in ihrer schweren Rüstung gerade von zwei Soldaten auf den Rücken gedreht wird. Er öffnet ihr Visier, im leichenblassen Gesicht sind nur wenige Blut- und Schlammsprenkel zu sehen, das Blut läuft ihr aus dem Mund bei dem Versuch, zu sprechen, aber sie bekommt keinen Ton heraus. Die gepanzerte Hand tastet kraftlos nach etwas, Gilborn drückt ihr den Challenger in die Hand, und der war wohl, was sie suchte. Sie umfasst den Griff noch einmal schwach, und die Hand wird schlaff. Er hätte sie retten können – stünde ihm ein zweiter Wundsegen pro Tag zur Verfügung...

 

In der Gegenwart schenkt Gilborn Raif einen Heiltee ein, drückt seine Schulter und geht.

 

Jen war professionell geblieben, ordnete zwei Soldaten ab, Raif nach hinten zu bringen, und ließ sich von Merden Bericht von der rechten Flanke erstatten, denn auf der linken gab es keinerlei Verluste, nur einige leichte Verwundungen. Die Horde war weit überwiegend die Straße hinauf geflohen, die im Wald Versprengten betrachtete Jen als Risiko, mit dem man leben kann, und so erklärte sie den Kampf für beendet. Dieses Doppelbanner hat es ohne einen einzigen Toten und mit nur zwölf Verletzten geschafft, davon keiner lebensbedrohlich – und dabei zwei Oger und an die 60 Goblinoide getötet. Was für eine verblüffende Bilanz. Ihr wäre es lieber gewesen, sie hätte es ganz allein geschafft ohne Jaqs unschätzbare Hilfe, aber diese Hilfe hat Leben bewahrt. Auf Milandre hat sich Jen ebenso wenig eingelassen wie Milandre auf irgendjemanden außer Raif – und doch hat sie unter schrecklichsten Bedingungen Seite an Seite mit ihren Freunden im Leuchtenden Süden ihren Mann gestanden und war auch hier sofort zur Stelle, und das verdient Jens tiefsten Respekt. Doch viel stärker steckt ihr der Schreck in den Knochen, Raif zu verlieren.

 

Sie hat viel zu organisieren: Der Palisadenzaun muss sofort wieder instand gesetzt werden, aber sie befiehlt auch, eine Allee aus aufgespießten Goblinoidenköpfen die Straße hinauf zu errichten. Ja, das ist barbarisch und stößt nicht überall auf Zuspruch, aber sie tut, was sie kann und für nützlich hält, und sie hat gelernt, dass psychologische Kriegsführung nicht zu unterschätzen ist und wie man sich bei den Goblinoiden den meisten Respekt verschafft. Auch die Berichte, die Neuzuordnung der Späher und die Warnketten wollen organisiert sein.

 

Es ist schon Nachmittag, als sie endlich die Zeit findet, Raif zu besuchen, doch der hält bereits seit Stunden Totenwache in der Scheune, in der Milandres Leichnam aufgebahrt liegt, um morgen in allen Ehren beigesetzt zu werden. Gilborn hatte ihr den Challenger in die Hände gelegt, und Raif findet das sehr angemessen. Er hatte heute viel Zeit zum Nachdenken, erst recht, seit er an Milandres Seite wacht. Im Herbst 1370 DR erbeutete Zhai in #25 – THE GAUNTLET den Challenger und schenkte ihn Raif. Dass er seine Kampfkunst verstärkte, merkte er sofort, aber erst im Spätsommer 1371 DR entfesselte er in #35 – AFTER THE SUNSET dessen Macht zum ersten Mal, als Raina so brutal verwundet wurde, dass er rot sah und die Orks niedermetzelte. Im Frühling 1372 DR wurde ihm in #45 – BROKEN CHAINS dann so langsam klar, was ihm da wirklich in die Hände gefallen war. Seitdem hatte er mehrere Tempus-Tempel aufgesucht und um Rat gefragt, und je deutlicher wurde, dass es sich beim Challenger nicht nur um ein Zauberschwert, sondern um ein sakrales Artefakt handelte, umso größer wurde die Verantwortung. Ihn belastete immer mehr, nie genau zu wissen, wie gut er eigentlich war, welchen Kampf er und welchen Kampf der Challenger gewonnen hatte, und er redete sich ein, dass es einen Grund geben müsse, dass er in seinen Händen gelandet war. Daher konnte er das Schwert nicht einfach im nächsten Tempel abgeben, sondern hatte die einzigartige Gelegenheit, es im Sinne der Gemeinschaft der Ersten Sonne zu deren Vorteil einzusetzen. So, wie Raif es sah, erbrachte er der Gemeinschaft ein Opfer, indem er an einem sakralen Schwert festhielt, das er eigentlich am liebsten losgeworden wäre.

 

In Amn stieß er auf die Geschichte von Benjen und Pelinal Whitestrake. Der Challenger war auf welchem Wege auch immer in Benjens Besitz geraten, und dieser nahm ihn nur zur Abschreckung mit, um pöbelnde Söldner zur Ordnung zu rufen. Sie erschlugen ihn wie einen Hund, und Raif hatte sich immer gefragt, ob der Challenger Benjen nicht beschützte, weil er ihn gar nicht zog, sondern nur mit ihm drohen wollte. Sein halbwüchsiger Sohn Pelinal nahm das Schwert auf, forderte den Mörder seines Vaters heraus und tötete ihn, womit er auch seine Spießgesellen vertrieb. Gut, also hatte Pelinal es im Gegensatz zu seinem Vater richtig gemacht und spürte sogar die Aura des Challengers, denn schließlich wollte er danach sein Leben Tempus weihen. Viel tempusgefälliger geht es nicht, also warum bewahrte ihn der Challenger dann nicht davor, nur Tage später ebenfalls wie ein Hund totgeprügelt zu werden, weil andere das Schwert begehrten, in deren Händen es garantiert nicht gut aufgehoben war?

 

Im Sommer 1372 DR passierte Raif in #48 – TO CHASE A DREAM etwas Ähnliches: Rundeen stachen ihn in Imnescars Glasbläserei kurzerhand ab, obwohl er der Träger des Challengers war, und hätte sich unter Myrvarnions Leuten kein Kleriker befunden, wäre Raif tot gewesen, ohne auch nur einen Gegner im Kampf zu besiegen, auf den sich diese Meuchelmörder gar nicht erst einließen. Die Lehre, die Raif daraus zog, war, dass der Challenger seinen Träger nicht beschützt, sich gar nicht darum schert, in wessen Hände er gerät.

 

Im Frühjahr 1373 DR verfolgte Raif die Brotkrumenspur nach Dead Man's Respite in Cormyr, wo sich die Geister des ersten Trägers des Challengers, Sir Coren Belgrave, und seines Mörders, Sir Lornan Belgrave, auf ewig bekämpften. Hier würde er das Schwert endlich loswerden, doch Sir Coren nahm es nicht entgegen. Merkwürdigerweise konnte sich Raif selbst kurz danach schon nicht mehr daran erinnern, was genau Sir Coren gesagt hatte. Nur in etwa, dass der Heimweg des Challengers noch nicht beendet, der Challenger noch nicht geläutert sei. Dass immer etwas vom letzten Träger in ihm verbleibe, und der letzte – fraglos der, der ihn im Gauntlet trug und dort verstarb – war wohl nicht der feinste Kerl Faerûns und das Schwert, nun ja, befleckt? Zumindest nicht in der Verfassung, in der es hätte sein sollen.

 

Jedenfalls erschreckte Sir Coren Raif damit, dass der Träger des Schwertes, bevor es zu Sir Coren zurückkehren kann, im tempusgefälligen Kampf mit dem Challenger sterben muss. Das bedeutete für Raif, er würde ihn zu Lebzeiten eben nicht loswerden – das Schwert würde sein ganzes Leben und seinen Tod bestimmen. Entsprechend niedergeschlagen verließ er Dead Man's Respite, gefolgt von der Nachfahrin Sir Corens, Milandre Belgrave, die geschworen hatte, dieses Schwert nach Hause zu bringen, die aber auch respektieren musste, dass Sir Coren selbst es noch einmal auf die Reise schickte.

 

Da begleitete Raif nun eine entstellte Kriegerin mit dem Selbstbewusstsein einer Maus, aber auch der unverbrüchlichen Entschlossenheit, dieses Schwert heimzubringen, und wartete quasi auf Raifs Tod, um ihren Eid endlich erfüllen zu können. Nicht, dass sie das gewusst hätte, denn Raif hatte sich nur Fleece anvertraut, sonst niemandem. Derjenigen, der er all dies vor allen anderen hätte erzählen sollen, verriet er nichts. Es war schließlich seine Bürde und sie nur der Geier, der geduldig über dem Sterbenden kreiste.

 

All die Informationen, die er im Laufe der Jahre aufgeschnappt hatte, und dazu Milandre Belgrave, die leibhaftige Nachfahrin Sir Corens – und Raif begriff noch immer nichts. Es war nie seine Aufgabe gewesen, irgendwann mit diesem Schwert in der Hand zu sterben. Es wäre seine Aufgabe gewesen, es seiner rechtmäßigen Trägerin zu übergeben, damit die es tun kann – Milandre Belgrave. War es am Ende nicht so, dass selbst Tempus die Geduld mit Raif verlor, sich fragte: "Wie viel deutlicher soll ich es für diesen Idioten denn noch machen?", und schließlich selbst die Situation herbeiführte, die Milandre die Gelegenheit gab, ihr Schicksal zu erfüllen?

 

Raif hatte sich immer viel darauf eingebildet, sich nichts auf den Challenger und sein scheinbares Auserwähltentum einzubilden, und hat sich deshalb auch trefflich mit Naneetha darüber gestritten, denn er fand ja von sich selbst, dass er moralisch ganz gut da stand als jemand, der den Challenger als Bürde begriff und nicht als bloßes Werkzeug. Dabei war Raif durchaus arrogant, dass ihm trotz all der gegenteiligen Lehren nie in den Sinn kam, dass er nur ein Träger des Challengers war wie so viele, aber nicht der rechtmäßige.

 

Und nun ist Milandre tot, ohne dass Raif über all das mit ihr hätte sprechen können. Dazu hätte er zahllose Gelegenheiten gehabt, und jetzt, da er endlich zu verstehen beginnt, ist es zu spät. Dass Raif mit einer tödlichen Verletzung aus dem Weg geräumt werden musste, damit der Challenger seinen Weg in die Hände fand, in die er gehörte, geschah ihm nur recht. Nun ist, denkt Raif, Milandre der prägende Teil des Challengers und der Challenger geläutert. Das Einzige, das zu tun bleibt, ist, dieses Artefakt jetzt endlich nach Hause zu bringen – das ist das Mindeste, was er tun kann.

 

Dementsprechend sagt er auch nichts weiter als das zu Jen: dass er nach Cormyr muss, um den Challenger heimzubringen. Über alles andere kann er nicht sprechen, weder mit Jen noch mit sonst jemandem. Eine Leiche kann er diesen weiten Weg nicht transportieren, aber das ist auch nicht nötig – mit dem Challenger kommt auch Milandre nach Hause.

 

Raif bedankt sich später bei Gilborn und verspricht, Chauntea zu opfern, und er erklärt, dass er nach Cormyr muss, was Gilborn gut versteht. Jaq zögert und fragt sich, ob sie Raif fragen sollte, ob er auf der langen Reise Gesellschaft möchte, aber nein, das will und muss er allein tun. Er möchte so schnell wie möglich nach Zazesspur zurück, um ein Schiff nach Athkatla zu kriegen. (Allein ist die Landstrecke über Brost zu gefährlich, und er hat in Mosstone nichts von baldigen Karawanen gehört.) Von dort aus will er sich allein auf den Weg nach Eshpurta machen und dort bei seiner Familie überwintern, um sich im Frühjahr der ersten Karawane nach Iriaebor anzuschließen.

 

Am Morgen findet die feierliche Beisetzung statt, zu der sich alle abkömmlichen Soldaten und Dörfler versammeln, und Gilborn spricht den Grabsegen. Danach schnallt sich Raif Milandres Schwertgurt um, denn er wird nun ihr zu Ehren ihr Schwert tragen – den Challenger gedenkt er nie wieder aus seiner Scheide zu ziehen. (Glücklicherweise war Milandre eine erfahrene Söldnerin, die ähnliche Schwerter bevorzugte wie Raif und nicht die typischen cormyrianischen mit für seinen Geschmack zu kurzem Griff.) Er denkt, ihr altes Schwert, das sie auf der wichtigsten und finalen Mission ihres Lebens so treu begleitet hat, verdient einen Namen, und nennt es Oathkeeper. Eidwahrer.

Weil sie wissen, dass er es eilig hat – er möchte nicht gemächlich nach Zazesspur zurückkehren und dort feststellen, dass er das letzte Schiff nach Athkatla um zwei Tage verpasst hat –, schließen sich Gilborn und Jaq nicht an, sondern bleiben noch etwas.

 

Bereits tags darauf trifft die Verstärkung aus Tulmene ein, begleitet von Sir Aureth Vilvarin, Farril Vilvarins Vater, und angeführt von der Hauptfrau Mirrim, die hier offiziell das Kommando übernimmt und als erstes Lt. Vilvarin freilässt. Die kühle, arrogante Offizierin und der selbstzufriedene Adlige – der im Kommandozelt eigentlich gar nichts zu suchen hat – hören sich die die Aussagen von Jen, Lt. Vilvarin und Lt. Merden an, wobei Merden Vilvarins Befehlsverweigerung (durch die Anwesenheit seines Vaters eingeschüchtert) sehr kleinredet und ein Missverständnis impliziert. Es ist unübersehbar, dass das Prozedere nur pro forma stattfindet, weil Mirrims Urteil ohnehin schon feststeht: Lt. Vilvarin wird wieder eingesetzt, und über Captain Corthala gedenkt Mirrim, Kriegsgericht zu halten – und so geht es für sie bis dahin erneut ins Gefängniszelt.

 

Gilborn und Jaq bekommen das natürlich mit, und kraft seines Amtes darf Ehrwürden Fenring natürlich ein Gespräch verlangen. Die Arroganz und Selbstgefälligkeit strahlt Captain Mirrim und Sir Aureth nur so aus dem Gesicht – Gilborn kann ihnen ansehen, dass sie Chauntea nicht gerade in höchsten Ehren und ihn selbst für einen Bauerntrampel halten, der sich besser um die Felder kümmern sollte, statt sich in Dinge einzumischen, von denen er nichts versteht. Aber natürlich sind sie gerade höflich genug, den Anschein zu wahren, wenn auch kein Iota mehr. Wütend rauscht Gilborn wieder ab. Distinguiert und mit spitzen Fingern, als fürchte sie, sich anzustecken, überreicht Captain Mirrim Sir Aureth Jens Offizierspatent, das dieser genüsslich zerreißt und in die Feuerschale wirft. Sollte jemand tatsächlich Fragen stellen, wird Jen nie eines vorgelegt haben, und damit hätte sie sich der Amtsanmaßung schuldig gemacht.

 

Jaq hat inzwischen herausgefunden, was hier jeder Soldat weiß: Die Familien Vilvarin und Mirrim sind befreundet, und Sir Aureth und Captain Mirrim treffen sich seit Jahren zu einer regelmäßigen Partie Kings & Queens. Den Kontakten seines Vaters ist es auch zu verdanken, dass Farril nach der Akademie so nahe wie möglich an seinem Zuhause eingesetzt wurde.

 

Jaq weiß, dass Jen bei den Soldaten seit der Schlacht einen großen Stein im Brett hat – den hat Jaq ebenfalls, weshalb sie überhaupt ins Vertrauen gezogen wird –, aber natürlich käme niemand auf die Idee, zu rebellieren. Jeder Soldat weiß um seine Machtlosigkeit. So läuft das nun mal bei Adligen und Offizieren.

 

Den Soldaten ist es strengstens verboten, das Gefängniszelt zu betreten, aber in der Nacht schleicht sich doch einer rein – mit der Stimme von Jaq. Sie macht sich am Vorhängeschloss zu schaffen, das die Kette am Pfahl hält, aber Jen bittet sie, es sein zu lassen. Flucht bei Nacht und Nebel, als hätte sie tatsächlich etwas verbrochen, kommt für sie nicht infrage. Jaq kann das zu ihrem eigenen Bedauern verstehen. Sie teilt Jen jedoch mit, dass sich Vater Fenring sofort mit zwei Pferden und ihren Vorräten auf den Weg nach Tulmene gemacht hat.

 

Die Firedrake Road ist gut in Schuss, aber trotzdem ist die Strecke alles andere als ein Katzensprung. Gilborn macht in den Küstendörfern nur Halt, um sich zu verproviantieren, und mutet den beiden Pferden im Wechsel eine Menge zu. Endlich erreicht er das beschauliche Städtchen Tulmene und fragt sich nach der Obrigkeit durch, und als Geweihter darf er dort auch vorstellig werden. Der Bürgermeister Joss Knightson stellt sich als sehr zarandatreuer Gerechtigkeitsfanatiker heraus. (Deshalb hatte ihn Zaranda auch zum Bürgermeister gemacht, denn diese Stadt war damals korrupt bis auf die Knochen.) Natürlich kennt Knightson die Gemeinschaft der Ersten Sonne und ist erbost, dass sich Leute wie Mirrim und Vilvarin anmaßen, über eine Kriegsveteranin und Heldin der Gemeinschaft zu richten. Zufälligerweise ist gerade ein Herold des Herzogs Blackthorn in der Stadt, weil er im Namen des Herzogs Verträge mit den Pyllam Shipyards ausgehandelt hat: Sir Deveron Destane, der im Krieg unter Haedrak gekämpft hat. Sir Deveron hat als Herold (ein hochrangiger Beamter des Adligen, dem er dient) weitreichende Befugnisse, im Namen des Herzogs zu handeln. Wenn man ihn überzeugen könnte...

 

Knightson bringt Gilborn also persönlich zum Salzhering, in dem Sir Deveron Destane (Chris Cooper) gastiert. Dieser gibt sich zunächst unnahbar, unpersönlich und desinteressiert, aber eventuell nur, um Gilborn aus der Reserve zu locken und zu sehen, wie wichtig ihm sein Anliegen und wie gut seine Argumentation ist. Gilborn redet sich in Rage und schimpft über die Ungerechtigkeit, mit der eine Veteranin, die unter Blackthorn persönlich diente und sich seitdem unter größter Opferbereitschaft Ruhm und den Dank Tethyrs erarbeitet hat, behandelt wird.

 

Natürlich weiß Sir Deveron bestens über die Gemeinschaft Bescheid – dass sie 1368-1369 DR in Blackthorns Tross diente, war ihm nicht bekannt, sehr wohl aber, dass diese Abenteurer die Günstlinge des Herzogs Hembreon sind. Knightson unterstützt Gilborn, indem er ein paar überraschend scharfe Worte über die Vilvarins und Mirrims verliert, und zur Überraschung beider stimmt Sir Deveron tatsächlich nüchtern und leidenschaftslos zu, dass man sich die Sache mal ansehen sollte. Er ist mit seinem "eigenen" Schiff aus Velen hergekommen, und mit diesem geht es nun gen Osten an der Küste entlang. Die Reisezeit nutzt Gilborn, Sir Deveron ausführlich von der Gemeinschaft der Ersten Sonne und Jendara im Besonderen zu erzählen.

 

Als sie Toaketh erreichen und in einem Ruderboot zum Anleger übersetzen (für einen Zweimaster ist das Wasser bei Weitem nicht tief genug), wird ihnen schon von ferne klar, dass hier Schlimmes passiert sein muss – Gilborn sieht viele frische Gräber neben dem von Milandre. Sie erfahren auf dem Weg zum Kommandozelt, dass die Goblinoiden wieder angegriffen haben. Gilborn erkundigt sich natürlich sofort nach Jen: Um den Zorn der Truppe auf sie zu lenken, ließ Captain Mirrim sie öffentlich für ihre Amtsanmaßung auspeitschen – umso demütigender für eine Frau, obendrein eine, die wie Jen gebaut ist, und noch mal obendrein eine, die von der Truppe als Hauptfrau und nicht als vollbusiges Objekt der Begierde gesehen werden will. Das jedoch gab der Truppenmoral zu weiten Teilen den Todesstoß, und danach erfolgte der Angriff der Horde.

 

Sir Deveron stellt sich nüchtern vor, übernimmt das Kommandozelt und lässt seine sechs Herzogsgardisten sofort die Truppe teilen (damit sich niemand absprechen kann) und die Lanzenführer befragen, während er nacheinander Captain Mirrim, Lt. Vilvarin, Lt. Merden und sogar den Zivilisten Sir Aureth verhört. Gilborn aber lässt sich umgehend zu Jen bringen, die, obwohl sie ins Lazarett gehört, im Gefängniszelt angekettet ist. Mit Gebeten lindert er ihre Wunden, aber sie reagiert gar nicht auf ihn und starrt nur auf dem Bauch liegend die Zeltwand an.

 

Sir Deveron lässt sich von den Herzogsgardisten berichten, dass die Lanzenführer Jen überwiegend über den grünen Klee lobten, und einige trauten sich sogar, Captain Mirrim ausdrücklich zu kritisieren – dann muss es schon sehr schlimm gewesen sein, wenn das tatsächlich welche wagen, obwohl sie wissen, was ihnen dann blühen könnte. Sir Deveron rekonstruiert, dass Captain Mirrim, als sie über den bevorstehenden Angriff informiert wurde, sofort Jaq festsetzen ließ, um ihre Dienste zu benutzen, aber die machte sich einfach unsichtbar und verschwand. Ohne gute Taktik nahm das Doppelbanner Aufstellung, und unglaublicherweise lief es hier umgekehrt: Captain Mirrim fiel auf einen gegnerischen Lockvogel herein, befahl den Angriff, ließ so ihre Flanken ungeschützt, und da sie ihre Späher zu weit vorn postiert hatte, hatten diese nicht mitbekommen, dass sie im Wald umgangen worden waren, und das Doppelbanner war dem Zangenangriff schutzlos ausgeliefert. Es ist auf weniger als seine Hälfte geschrumpft, die andere ist tot oder schwer verletzt, das halbe Lager besteht aus einem Lazarett. Mirrim hatte sich sofort beeilt, die Schuld dem Sündenbock Jen in die Schuhe zu schieben, weil sie die Horde mit den aufgespießten Köpfen provoziert habe, und auf Jaq, die Verrat am Königreich begangen habe, denn nur ihr sei es zuzuschreiben, dass der erste Angriff ohne Verluste zurückgeschlagen wurde, und sie habe dem Doppelbanner beim zweiten Angriff ihre Fähigkeiten vorenthalten und sei für dessen Verluste verantwortlich. Der Eilbote muss Tulmene erreicht haben, als Sir Deverons Schiff die Küste entlang segelte.

 

Während er liest, hört er mit einem famosen Listen-Check ein verdächtiges Geräusch und fragt, ohne aufzusehen, endcool: "The illusionist, I presume?" Jaq macht sich sichtbar, entschuldigt sich tausendmal für ihre Heimlichkeit, aber Sir Deveron beruhigt sie sachlich. Auch Jaq steuert ihren Teil bei: dass sie zweimal versucht hat, Jen zu befreien, und beide Male weigerte sich Jen, befreit zu werden, selbst als sie wusste, dass man sie auspeitschen würde. Jaq überreicht Sir Deveron das zweite Duplikat des Offizierspatents und versichert ihm, dass Jen es natürlich vorgelegt hatte – es verschwand erst nach Captain Mirrims Ankunft.

 

Stunden, nachdem er in Toaketh angekommen ist, betritt Sir Deveron das Gefängniszelt. (Gilborn musste natürlich sofort weiter zu den schwer verwundeten Soldaten.) Er schließt Jens Kette auf und gibt ihr Gelegenheit, sich aufzusetzen. Sir Deveron macht mit seiner ausdrucksstarken und charismatischen Chris-Cooper-Art viele Worte überflüssig: Er bedauert in vielerlei Hinsicht, was sich hier zugetragen hat, und versichert Jen, dass ihre Ehre keiner Wiederherstellung bedarf, weil sie sie nie verloren hat, und dass die Schuldigen bestraft werden. Dabei eiert er nicht überhöflich herum, ob er ihr das antun könne nach allem, was sie erleiden musste, sondern sagt klipp und klar, dass das Banner bis zur Neuorganisation eine Hauptfrau braucht, und das werde Jen sein. Damit kann sie deutlich mehr anfangen als mit falscher Freundlichkeit und vorgetäuschter Besorgnis, und irgendwie spürt sie, dass er nachvollziehen kann, wie es ihr geht. An ihrer Reaktion wiederum erkennt Sir Deveron, dass sie ihn diese Entscheidung nicht bereuen lassen wird.

 

Gilborn hatte sich leider nur oberflächlich um sie kümmern können, weil er wusste, dass Soldaten um ihr Leben kämpfen oder darum, ein Bein oder einen Arm zu behalten. Dennoch legt sie unter Schmerzen vorsichtig ihren Offiziersharnisch wieder an und tritt hinaus. Jaq begrüßt sie erleichtert, und Sir Deveron verabschiedet sich hörbar von "Captain Corthala" – damit ist die Amtsübergabe geregelt. Seine Gardisten führen Mirrim, Merden und die Vilvarins zum Boot. Sgt. Marant lässt es sich nicht nehmen, Jen zu begrüßen.

 

Marant: Gut, Euch wiederzuhaben, Captain.

Jen: Sergeant. Ich bin auf der Suche nach einem Lieutenant. Ideen?

 

Am nächsten Tag kann sich Gilborn besser um Jens Rücken kümmern, und es werden sich keine neuen Narben den alten hinzugesellen. Jen bedankt sich bei ihm und Jaq. Ja, sie wollte dies allein schaffen, aber ohne die beiden wäre sie erledigt gewesen. Jaq fragt vorsichtig, ob sie sich nicht vielleicht doch umentscheiden wolle – wer wollte es ihr nach diesem Einstand verübeln? Doch Jen bleibt hart: Sie hat es sich vorgenommen, also zieht sie es auch durch, so wie alles andere in ihrem Leben. Sie verabschiedet sich herzlich von ihren Freunden und verspricht, ihnen zu schreiben.

 

Zwei Tendays später treffen weitere frische Truppen sowie ein Bautrupp ein, der den Bau einer Garnison in Angriff nehmen soll, denn offenbar wurde dieser Punkt zu lange vernachlässigt. Einen Monat später kommt Sir Deveron Destane zu Besuch. Seine sachliche, leidenschaftslose und dabei gelassene und selbstsichere Art gefällt Jen – es passiert ihr selten, aber sie hat das Gefühl, ihm trauen zu können. Er setzt sie davon in Kenntnis, dass Captain Mirrim unehrenhaft entlassen wurde. Sie wird sich wegen Inkompetenz und Missbrauchs verantworten müssen, und sie und Sir Aureth Vilvarin werden in Jendaras Namen angeklagt. Ein Ritter wird dafür leider nicht wirklich handfest bestraft, aber sie werden beide bluten müssen, und das darf Jens Geldkatze freuen, weil beide Strafzahlungen an die Geschädigte werden leisten müssen. Lt. Vilvarin und Lt. Merden wurden beide degradiert. Viel schwerer wiegt, dass sie dadurch, wie prominent ihrer aller Fehlverhalten geworden ist, gesellschaftliche Sanktionen erleiden. Diesen Makel wird man nicht so schnell wieder los.

 

Jendaras Name ist dadurch gerade in aller Munde, und dem einen oder anderen fiel auf, wie bekannt ihm der Name Corthala vorkam. Sir Deveron war also so frei, Erkundigungen einzuholen, und diese decken sich mit dem, was über Jen bekannt ist. Ob sie wissen wolle, wie es ihrem Onkel erging?

 

Diese Frage erwischt sie kalt. Sie hat den Gedanken an Rache bereits vor vielen Jahren hinter sich gelassen, um nicht daran zu verzweifeln. Oft genug hatte sie die Chance (und seit der Gemeinschaft der Ersten Sonne auch die finanziellen Möglichkeiten), Valygar Corthala zur Rechenschaft zu ziehen, aber er gehörte zu einem anderen Leben, das sich von diesem nicht stärker unterscheiden könnte. Sie wollte nicht wissen, was aus ihm geworden war, denn zu hören, dass es ihm gut geht, hätte sie dazu verleiten können, ihn grausam zu töten – und zur Mörderin zu werden. Doch jemandem gegenüber zu sitzen, der offenbar Antworten auf diese Fragen hat, macht es sehr schwer, sie nicht zu stellen.

 

Da sie zu lange nicht reagiert, nimmt Sir Deveron ihr die Entscheidung ab und erklärt, dass Valygar den Besitz seines Bruders verspielte und schon vor etwa acht Jahren völlig verarmt an der Schwindsucht verstarb. Gälte es ein Erbe anzutreten, müsste Jen beweisen, dass sie die Jendara Corthala ist, die hier an der Küste Tethyrs zur Welt kam, nach Amn übersiedelte und noch als Mädchen spurlos verschwand und für tot erklärt wurde. Der Punkt ist, dass ihr guter Leumund dafür sorgt, dass niemand ein Interesse daran hat, zu bestreiten, dass sie ist, wer sie zu sein behauptet. Das an ihr begangene Unrecht kann nicht wiedergutgemacht werden – und wenn, obläge das den amnischen Obrigkeiten, nicht den tethyrianischen –, doch da ist immer noch ihr guter Name. Auch wenn kein Titel damit einhergeht: Landadel bleibt Landadel, so unbedeutend er auch sein mag. Mit diesem Namen ist Jen keine Bürgerliche mehr. Ihr mag das einerlei sein, aber es gibt viele Augen, in denen das den entscheidenden Unterschied zwischen Ablehnung und Akzeptanz machen könnte.

 

Was Sir Deveron nur über seine Leiche verraten würde, ist, dass Herzog Blackthorn ein bisschen neidisch auf seinen alten Kumpel Hembreon ist, dass der sich diese Leute geschnappt und für sich beansprucht hat. Blackthorn hat nicht vergessen, wer ihm einst sein Bein rettete, und verfolgt die Taten der Gemeinschaft interessiert. Sir Deveron weiß selbst, wie wertvoll Helden für die Moral sind und wie nützlich jemand mit dem Ruf und den Fähigkeiten einer Jendara Corthala sein kann. Sein Einverständnis, nur wegen einer unbedeutenden Hauptfrau seine ganzen Termine zu ändern, gab er nicht, weil Gilborn so leidenschaftlich argumentierte, sondern aus der logischen Überlegung heraus, dass Jen nützlich sein kann. Erneut hat sie sich ausgezeichnet und ihre Qualitäten bewiesen. Nun ist sie bei der Armee und muss Befehle befolgen, und Sir Deveron hält es für Verschwendung, sie als Hauptfrau eine Straße bewachen zu lassen. Ihm ist durchaus klar, dass sie genau das will, doch er hofft, dass sie schlau genug ist, zu akzeptieren, dass mit der Geschichte, die hinter ihr liegt, ein "normales" Leben unerreichbar ist. Sir Deveron hat für sie Spezialoperationen im Hinterkopf, doch zuerst mal soll sie ihren Ruf als Offizierin festigen und als solche Erfahrung gewinnen.

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