26 - For Old Times' Sake {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

Musik: Um die Jahrtausendwende herum hatten wir nicht annähernd so viel Musik wie heute, aber hier sollten hauptsächlich die alten Klassiker zum Einsatz kommen, die wir damals rauf- und runtergedudelt hatten, und als Score überwiegend Headhunter.

 

Donnerstag, 01.02.2063

 

Es ist Nachmittag, aber der Himmel ist so bedeckt, dass es wie Abend wirkt, es schüttet wie aus Eimern, auf den Straßen spiegeln sich die Ampeln und Neonreklamen (Erinnerungen an Drivers Miami-Level auf der PS1 werden wach). Ghost und Kitsune sitzen während eines Beschattungsgigs in einem gestohlenen Wagen und tun sich an den mitgebrachten Snacks gütlich, während der Regen aufs Dach trommelt. So ein Wetter ist für L.A. ungewöhnlich, und es erinnert Ghost natürlich an Seattle. Kit reißt ihn aus seinen Gedanken, als sie beiläufig bemerkt, dass er vermutlich wissen sollte, dass sie Fiona morgen vom Flughafen abholt.

 

Ghost: She's coming back? How long's she been gone?

Kit: About... ten months? Maybe a little more? She left sometime in March last year.

Ghost: Wow. Almost a year. Talk about a sabbatical. So is she looking forward to being back home?

Kit: You can give her a call and ask her yourself, you know?

Ghost (verzieht die Miene): Wouldn't feel right, with our history and me being with an extremely jealous woman.

Kit zuckt die Achseln.

Ghost: Why? Did she... did she say anything?

Kit: The first time we talked after she'd left, she explicitly asked me to not tell her any news from home. So she wouldn't know about you and Pride.

Ghost: What? Why?

Kit: I suppose she didn't want to take any baggage with her, didn't want to sit in her hotel room and think about home. She got away to get away, you know?

Ghost: Hm. Makes sense.

Kit: I'm going to have to tell her tomorrow, though.

 

Ghost nickt nur und behält weiter die Haustür im Auge, die die beiden überwachen. Die Zielperson, ein eher schmächtiger Ork, kommt raus, setzt sich in sein Auto und fährt los, und Kit nimmt die Verfolgung auf – in diesem strömenden Regen gar nicht so einfach, den Wagen nicht aus den Augen zu verlieren. An einer Ampel kommt er gerade noch so bei Dunkelgrün rüber, und Kit muss bei Rot hinterher, um ihn nicht zu verlieren. Das Gehupe der anderen Autos und ein kleiner Auffahrunfall machen den Ork auf seine Verfolger aufmerksam, er gibt Gas, und es schließt sich eine Verfolgungsjagd an. Verfolgter und Verfolger schlittern beide mehrmals in parkende oder fahrende Autos, und Kit hat bei der letzten Crash-Probe mehr Pech: Totalschaden. Der Ork beobachtet durch die Rückkamera lange, ob der andere Wagen die Verfolgung wieder aufnimmt, konzentriert sich nicht genug auf den Verkehr, baut selber einen Unfall und verkeilt sich. Kit und Ghost hatten schon aufgegeben, sehen dies und rennen durch den peitschenden Regen, und auch der Ork verlässt sein Auto und läuft los.

 

Die Verfolgung geht über sehr belebte Straßen, und Kit und Ghost sind beide athletisch genug, dem Verkehr auszuweichen, während der Ork eher Glück hat. Sie teilen sich auf, weil Kit ihm den Weg abschneiden will, und Ghost gelingt es, ihn in die gewünschte Nebenstraße zu drängen, an deren Ende Kit ihn mit einem Beinfeger umsäbelt. Der Ork kommt sofort wieder auf die Beine, ist aber als Nichtkämpfer chancenlos gegen die Japanerin und wird gleich wieder hingelegt. Die beiden verhören ihn danach, mit wem er sich treffen wollte.

 

Freitag, 02.02.2063

 

Kit wartet auf dem Parkplatz des Long-Beach-Flughafens an ihren Americar gelehnt und nimmt glücklich Fiona in Empfang. Sie fahren zu einem Café in Lakewood, um sich erst mal ausgiebig auszutauschen.

 

Fiona hatte während ihrer Abwesenheit dreimal mit Kit telefoniert und sie ja gebeten, ihr nichts von daheim zu erzählen, damit sie sich keine Sorgen oder Gedanken machen muss. Da Kit weiß, dass sie auch Unerfreuliches wird berichten müssen, lässt sie auf der Fahrt also erst mal Fi erzählen: Diese war in der Italienischen Konföderation (nämlich in der Republik Toskana in Florenz und in den Päpstlichen Staaten in Rom), in Frankreich (Paris und Nizza) und zum Schluss in Österreich (Wien).

 

Im Café bedauert Fi zu hören, dass es mit Simon nicht funktioniert hat, freut sich aber sehr, von Kits neuem Freund zu hören, mit dem sie seit vier Monaten zusammen ist. In einem Nebensatz rutscht Kit heraus, dass er ja notgedrungen das ganze Team kennen gelernt hat, weil sie gerettet werden musste, und Fi fragt erschrocken nach. Kit fasst #24 – KITSUNEGARI stark zusammen, als sei es keine große Sache gewesen. Sie wollte ihre Freundin eigentlich nicht mit Horrorstories empfangen, aber es führt kein Weg drum herum: Sie muss von Kestrels, Hausers und vor allem von Quints Tod berichten. Fi ist sehr bestürzt: Sie hatte den erstaunlich menschlichen Cyborg sehr gern gehabt und es immer bedauert, so wenig Schnittmengen mit seinem Leben zu haben, dass sich ihre Wege so selten kreuzten. Sie ist froh, auf dem Trip nach Nashville noch einmal viel Zeit mit ihm verbracht zu haben.

 

Natürlich erkundigt sie sich auch danach, wie Stu und Meryl den Verlust verkraften. Kit erwähnt, dass auch Meryl einen Neuen hat, den Kit noch nicht mal kennen gelernt hatte, als er bei ihrer Rettung half. Er scheint gut für sie zu sein, auch wenn sie anscheinend überhaupt nicht zusammenpassen. Stu hingegen... Star weiß, dass an dieser Stelle nicht mehr gesagt werden kann: Kit ist zu sehr Kit, um sich in jemandes Privatangelegenheiten wie Trauerbewältigung einzumischen, für sie ist das etwas, mit dem jeder alleine zurechtkommen muss.

 

Fi zeigt sich auch erstaunt, zu hören, dass Cutty wohl zum ersten Mal in seinem Leben ebenfalls eine feste Freundin hat – und das seit bald einem Jahr, also wohl ganz kurz bevor Star den Plex gen Europa verlassen hat. Eine Beziehung nicht nur zu führen, sondern so lange nicht zu versauen, hätte sie ihm wirklich niemals zugetraut. Angesichts der Art, wie Kit über ihren Tommy spricht, muss sie wohl auch über Cutty hinweg sein.

 

Überall scheint das Beziehungsfieber ausgebrochen zu sein, meint Star leichthin und nimmt daraufhin Kits Ergänzung, dass auch Ghost eine Neue hat, ausdruckslos zur Kenntnis – selbst als sie hört, wer es ist, reagiert sie neutral. Ebenfalls seit vier Monaten wie Kit und Tommy? Mehr, als sie Pride zugetraut hätte, meint Star und wechselt das Thema: Wie geht es Jack und Chandra? Nichts Neues an der Front. Kit bringt es wegen des ihr anerzogenen Respekts der Privatsphäre nicht über sich, Fi rundheraus zu fragen, wie es ihr seelisch geht und ob sie alles verarbeitet hat – was ja der Grund für ihre lange Auszeit war –, und Fi schneidet das Thema nicht von sich aus an. Danach, von Europa zu erzählen, ist ihr nun aber auch nicht mehr, also verschieben die beiden den Reisebericht auf ein andermal.

 

Das Wochenende verbringt Fi erst mal damit, die nachgelieferten Koffer in Empfang zu nehmen (doppelt so viele, wie sie mitgenommen hat, da sie in Italien und Frankreich Klamotten ohne Ende gekauft hat – weil sie natürlich nicht anders konnte), Wäsche zu waschen und ihre seit zehn Monaten verlassene Wohnung auf Vordermann zu bringen. Das waren teure zehn Monate: etwas gesenkter Lebensstil zu Hause, erhöhter Lebensstil in Europa – also zehn Monate gut doppelte Kosten ohne Einnahmen, aber sie hat immer noch eine Menge Geld auf der hohen Kante.

 

Montag, 05.02.2063

 

Mercury hat den heißen Tipp bekommen, wann und wo ein freischaffender Kurier eine Ladung gefragter "Donkey Does Dallas"-Porno-BTLs transportieren wird, und hat sich mit Cutty als Verstärkung in den Badlands auf die Lauer gelegt. Sie spielen in der AR ein Online-Spiel und unterhalten sich dabei oberflächlich, wobei Meryl auch fallen lässt, dass Star wieder zurück im Plex ist. Cutty nimmt das nach außen ungerührt zur Kenntnis, als der unauffällige Wagen, der zu der Beschreibung passt, vorbeifährt. Mercury hängt sich dran, manövriert ihn aus und fordert mit vorgehaltener Knarre das Paket, das der ängstliche Normalo auch sofort übergibt. Sie lässt ihn weiterfahren, düst in eine andere Richtung zur Ruine eines einsamen Coffee Shops und öffnet dort mit Cutty den Koffer. Darin liegen aber keine BTLs, sondern einzeln verschweißte wasserlösliche Tabletten mit eingeritztem "V" und dazwischen eine Flasche Wein.

 

Natürlich liegt auf der Hand, dass das entweder Drogen oder Medikamente sein müssen. Meryl beteuert, dass sie hier keinem Syndikat in die Suppe spucken, doch Cutty bleibt skeptisch, denn ihr Kontakt hat auch behauptet, der Kerl transportiere Beetles. Meryl besteht jedoch darauf, dass ihr Kontakt ihr glaubhaft versichert hat, dass der Typ, den sie ausgeraubt haben, Freiberufler ist, der auf semilegalem Wege an schöne Dinge aus der Asservatenkammer kommt – sie haben diese Drogen also niemandem weggenommen, der sich dafür rächen könnte. (Auch wenn der Freischaffende vermutlich unterwegs war, sie einer Gang o. ä. zu verkaufen, die nun sehr sauer sein dürfte.) Meryl will die Tabletten bei Dr. Saperstein analysieren lassen, um zu wissen, für wie viel man sie z. B. den Bloodletters oder den Dewleys verkaufen kann, aber auf jeden Fall haben sich die paar Stunden Anfahrt und Warten gelohnt. Die Flasche Wein ist noch versiegelt, also haben die beiden keine Skrupel, sie zu köpfen und auf den warmen Regen anzustoßen.

 

Wie sie so trinken und sich unterhalten, merken beide irgendwann, dass ihnen anders wird, und mit Blicken testen sie ab, ob sie dem Gegenüber auch etwas ansehen, während beide versuchen, sich so lange wie möglich nichts anmerken zu lassen. Die Begierde auf Sex steigt in beiden immer weiter, bis sie sich schließlich annähern, merken, dass es dem anderen ebenso geht, übereinander herfallen, sich die Klamotten vom Leibe reißen und in der Ruine wilden Sex haben.

 

Nach dem ersten Durchgang kommen sie darauf, dass der Wein gespiked gewesen sein muss, anderenfalls wären sie nicht so unnatürlich geil. Die Wirkung hält noch an, beide können es nicht erwarten, dass Cutty wieder zu Kräften kommt, Meryl gibt ihm Starthilfe, und es geht zwischen goldenem Nachmittagssonnenschein und tiefen Schatten erneut los, während draußen hin und wieder ein Auto vorbeifährt.

 

In Santa Monica verbringt Fiona den Nachmittag mit ihren Freundinnen bei den 40 Thieves. Sie hat die Kontaktaufnahme so vorsichtig wie möglich eingeleitet, um nicht zufällig Ghost über den Weg zu laufen, denn sie nimmt an, dass er den Kontakt gepflegt hat, und wird bestätigt.

 

Kit und Tommy waren ein bisschen shoppen und sitzen nun im Yagami-Straßencafé. Kit erzählt, dass Fi sich wünscht, ihn kennen zu lernen, und ob man vielleicht mal essen gehen wolle. Tommy merkt, dass seine Freundin (die er – und nur er – Suko nennen darf) unsicher wirkt, und fragt vorsichtig nach. Daran, wie offen sie nach einigem Zögern reagiert, sieht man, wie ernst ihr ihre Beziehung zu Tommy ist, dass sie das nach so relativ kurzer Zeit überhaupt kann. In trügerisch neutralem Ton erzählt sie, wie Fi schon so manchem den Kopf verdreht hat, für den sie sich selbst interessierte – Tommy mache sich kein Bild davon, welche Wirkung sie auf Männer hat. Für sie ist das ein riesiger Schritt, denn Schwäche und Verletzlichkeit zu zeigen, hat sie nie gelernt, es dann mit Simon versucht und ist damit auf die Nase gefallen. Tommy nimmt ihr die Arbeit ab: Suko sorge sich also, dass sich Tommy danach mehr für Fi als für sie interessiert? Er macht mit sehr sanftem, warmherzigem Spott weiter (er wolle sich ja alle Optionen offen halten und sein Urteil aufschieben, bis er Fi getroffen hat), aber das kommt erwartungsgemäß nicht gut an, also zählt er auf, was er an Suko liebt: ihre Sturheit, ihre Anständigkeit, ihre in vielen zwischenmenschlichen Dingen liebenswert linkische Art, ihre Verschlossenheit, die sie nur für ihn etwas öffnet, und er schließt damit ab, dass sie sich zum Essen treffen, wenn und sobald Suko es möchte.

 

In den Badlands lösen sich Cutty und Meryl völlig durchgeschwitzt und staubig voneinander und kommen langsam wieder runter. Beide denken an den jeweiligen Partner, den sie gerade betrogen haben: Cutty an Neona und Meryl an Lee. Während Meryl noch ihre verstreuten Klamotten einsammelt, greift sich Cutty nach kurzem Zögern heimlich ein paar Tabletten.

 

Cutty und Meryl haben glücklicherweise beide einen Job, bei dem es nicht ungewöhnlich ist, zu unregelmäßigen Zeiten oder auch mal gar nicht nach Hause zu kommen. Meryl bringt Cutty zu seiner geparkten Emperor zurück, merkt aber schon während der Fahrt, dass sie sich immer schlechter konzentrieren kann – sie muss den Autopiloten anschalten. Auch Cutty verspürt Desorientierung: In dieser Verfassung wird er sich nicht mal mit dem unterstützenden Autopiloten auf dem Motorrad halten können. Er schickt Neona eine Sprachnachricht, dass er mit ein paar Dewleys zu viel getrunken hat und heute nicht mehr vorbeikommt (er schläft mal bei ihr und mal im Trailer-Park), und dank seiner angeschlagenen Verfassung klingt er sogar überzeugend. Meryl bringt ihn zu einem Taxistand, aber beide können sich unterwegs nicht überwinden, mit dem anderen über das zu sprechen, was sie da heute getan haben. Zwar hatten sie schon vor drei Jahren mal in San Francisco miteinander geschlafen, aber jetzt sind sie beide in einer langfristigen Beziehung, und Meryl kriegt Panik. Egal, womit der Wein gespiked war: Wie konnte sie dermaßen die Kontrolle über sich verlieren? Das Verlangen nach Sex war so überwältigend, sie hätte es vermutlich sogar mit Angel getrieben, wenn der an Cuttys Stelle dabei gewesen wäre.

 

Cutty zahlt die stolze Taxi-Rechnung bis nach Pico Rivera und nutzt die Fahrt, um wieder klarzukommen. Er hat die Tabletten nicht aus einer Laune heraus genommen – sein erster Gedanke war: Fi ist wieder zurück im Plex, und irgendwann hat er vielleicht auch mal die Gelegenheit, mit ihr allein zu sein, und wenn in diesen Tabletten ist, was im Wein war... Mit ausdruckslosem Gesicht denkt er darüber nach, was das über seine Beziehung zu Neona aussagt, verscheucht den Gedanken aber und redet sich ein, man wisse ja nie, wozu diese Tabletten gut sind, und er habe ja gar keinen besonderen Grund gehabt, sie heimlich einzustecken.

 

Dienstag, 06.02.2063

 

Meryl ist in Fresno, deckt sich bei Dr. Saperstein mit ACTH und MAO ein und lässt ihn die Tabletten analysieren: Das ist eine BAD, nämlich aus den Pollen der erwachten Yann-Orchidee hergestelltes Galak in ziemlich reiner Konzentration, lediglich leicht gestreckt. Es wirkt wie das synthetische eX als Aphrodisiakum, nur deutlich stärker, und wird gern als Date-Rape-Droge eingesetzt. Auf der langen Rückfahrt ruft Meryl zuerst Frankie Yonder von den Nomads an und erfährt mit ihren frischen Infos, dass Galak jetzt als Valentine die Straße erreicht hat, doch wer es herstellt, ist noch nicht bekannt. Als nächstes ruft sie Cutty an, doch der fährt gerade im AquaDome ein Sea-Doo-Rennen, ruft aber später aus der Umkleide zurück. Er hört sich Meryls Erkenntnisse an, die denkt, dass sie beim Abverkauf an eine Gang mindestens ¥ 50 pro Tablette verlangen kann, weil der Straßenverkauf bei breiter Verfügbarkeit bei ¥ 80 beginnt – und je geringer das Angebot, desto höher die Nachfrage, und noch ist Valentine ein Geheimtipp.

 

Cutty hört scheinbar ungerührt zu, aber seine Gedanken fahren Achterbahn: Der Sex mit Meryl vor drei Jahren war ganz gut, der Sex mit Meryl gestern war gigantisch: Wild, animalisch, leidenschaftlich, und obendrein konnte er zwar jeweils kürzer, aber dafür öfter und brauchte weniger Pause zwischen den Durchgängen. Der Sex mit seiner Traumfrau Fi vor drei Jahren war von vornherein gigantisch – wie würde er erst mit Valentine sein? Dass Fi ohne diesen "Motivationsschub" niemals mit ihm schlafen würde, nimmt er nicht so genau – vielleicht würde ihr dann klar werden, dass sie und Cutty zusammengehören? Nein, darüber hat er jetzt nicht nachgedacht, diese Gedanken hat er nie gehabt, er ist verdammt noch mal in einer Beziehung mit einer tollen Frau, ¥ 50 pro Tablette klingen doch gut, oder?

 

Heute hängt Ghost mit den 40 Thieves ab und sieht Curveball und Hardball beim Skaten zu, während er sich mit Spirit unterhält. Der meint, es sei zwar schön, dass Fi wieder da ist, aber immer noch merkwürdig, sie und Ghost nicht zusammen, sondern abwechselnd zu treffen. Ghost habe sie doch zuletzt vor fast einem Jahr gesehen, oder? Ob das nicht komisch sei, zu wissen, dass sie gestern hier war? Das müsse doch fast so sein, als hinge noch ihr Parfüm in der Luft, oder?

 

Meryl erfindet einen Vorwand, um Lee auch heute nicht zu sehen. Sie hatte gestern mehrmals geduscht und war immer noch der Meinung, man müsste Cutty an ihr riechen können – sie kann Lee so nicht unter die Augen treten. Natürlich könnte sie das Ganze erklären, es war ja nicht ihre Schuld, denn sie hat Valentine ja nicht absichtlich genommen. Dennoch ist es passiert, und weder möchte sie Lee damit quälen, noch will sie Gefahr laufen, dass er sich vielleicht von ihr trennt, denn ihre Beziehung ist die schönste und gesündeste, die Meryl jemals hatte.

 

Stattdessen trifft sie sich mit den Nomads und lässt sich mit Epiphany volllaufen. Diese orakelt, dass das Verheimlichen Meryls Beziehung auch zu stark belasten könnte. Meryl sei gerade wirklich ziemlich am Boden, und da bilde sie sich ein, Lee vorspielen zu können, es sei nichts? Von Frankie Yonder lässt sich Meryl auf einen Warp-Trip schicken.

 

Im Trailer Park geht Cutty früh zu Bett, denn das heutige Abenteuer hat ihn ziemlich ausgelaugt. Dennoch schläft er selig wie ein Baby, ganz ohne Gewissensbisse – es war ja Valentine, er konnte schließlich nichts dafür.

 

Pride ist wieder jeden Tag mit kräftezehrender Verzauberung von Telesma beschäftigt, aber auch wenn sie erschöpft ist, ist sie der Meinung, Ghost irgendetwas anzumerken. Anders als Star hat sie keine Skrupel, ihn zu askennen, und sieht viel Verwirrung: Seine Gedankengänge sind zu unfokussiert, um nachvollzogen werden zu können. Sie spricht ihn darauf an, und er rückt sofort ehrlich damit heraus, dass Star wieder im Plex ist. Pride reagiert sofort eifersüchtig und konfrontativ, und Ghost verteidigt sich, dass er doch ehrlich war, oder? Er und Fi waren vier Jahre ein Paar (Ende 2057 bis Ende 2061) und haben sehr viel miteinander durchgestanden, da kann Zuwena doch nicht erwarten, dass es ihn nicht beschäftigt, zu erfahren, dass sie zurückgekehrt ist – das bedeutet doch nicht, dass er sich nach ihr verzehrt, okay? Es geht hin und her, Zuwena knallt die Tür, und der Abend ist gelaufen.

 

Mittwoch, 07.02.2063

 

Meryl erwacht langsam – sie hat wie einige andere Nomads unter freiem Himmel am Feuer geschlafen, das Frankie Yonder die ganze Nacht hindurch geschürt hat, und irgendjemand hat sie zugedeckt. Es gibt Kaffee, und Meryl sieht, dass unter den entgangenen Anrufen von gestern auch Star ist. Epiphany fragt sie verkatert, ob sie inzwischen schlauer ist, was Lee angeht, doch Meryl ist noch immer ratlos.

 

Kit parkt ihren Americar in Whitewater und lässt sich dort von Stu abholen, um ihn auf einem Job zu begleiten. Auf die verabredete Minute genau fährt der Bison vor. Stu öffnet die Fronttür und sieht sie finster an.

 

Kit: Okay, what did I do?

Stu: What do you mean?

Kit: You look like you want to rip my head off.

Stu: That's just how my face works.

Kit (steigt ein): Good to see you, Stu. You were wondering if you'd be on time. So that thing you wanted to get done worked out okay?

Stu (schnaubt): Define "okay". It was a handover in the Badlands, intended to be clean and efficient in a place that's anything but. On top of that, the recipient was the fucking scavs.

Kit: What are scavs?

Stu: Scavengers. Barstow Union, Butt Uglies, the scum de la scum. You name it, they robbed it, raped it, killed it.

Kit: Glad to see you're okay, then.

Stu: Not a surefire outcome when dealing with these deranged fuckers. Last time I had to do business with them, I reached the rendezvous point early and just happened upon a bunch of them shooting a tourist and giving him a do-over only to find he had nothing of value on him. Fucking dregs.

Kit murmelt finster etwas auf Japanisch.

Stu: What are you muttering through your lipstick, woman?

Kit: I'm sorry. That's not exactly a happy story.

Stu: Well, I don't lead a happy life. (Er hält ihr seinen Flachmann hin.) Little nip?

Kit: What is it?

Stu: Just one for the road, honey. (Er nickt nach vorn) And this looks like road to me.

 

Kit lächelt und nimmt einen winzigen Anstandsschluck, der kaum mehr als die Lippen benetzt, aber ablehnen möchte sie nicht, denn sie weiß, dass Stu nahezu niemandem seinen Flachmann anbietet, und diese Geste der Freundschaft schätzt. Auf ihre Art sind beide verschlossen wie Austern und benutzen weite Umwege, um etwas Privates auszudrücken – vielleicht kommen sie deshalb so gut miteinander aus. Kitsune lässt sich nicht bezahlen, sie möchte nur Zeit mit Stu verbringen, weil sie weiß, wie sehr ihn Machines Tod mitgenommen hat, und ihre Gesellschaft – bei der sich Stu darauf verlassen kann, dass sie keine schwierigen Themen anschneidet – ist ihre Art, für ihn da zu sein. Vor Jahren hasste das ganze Team die Country-Musik, mit der Stu es regelmäßig beschallte, doch mittlerweile mag sie sogar Kit, wenn auch nur in Stus Gesellschaft.

 

Meryl textet Lee, dass sie in zwei Stunden da sein könnte, ob er auch Zeit hat. Was dann? Das weiß sie selbst noch nicht. Sie textet auch Star zurück, die sie aber sogleich anruft: Da sie wieder im Plex ist, möchte sie sich gern mit Meryl treffen, auf einen Kaffee oder ein Bier, je nachdem? Meryl freut sich zwar, dazuzugehören (jahrelang als das Nesthäkchen behandelt zu werden, das sie ja auch war, ist für sie immer noch präsent), aber im Augenblick passt es nicht, sie würde sich dazu gern noch mal melden.

 

Cutty, ständig zwischen euphorischen Hoch- und depressiven Selbstmitleidsphasen hin- und hertanzend, hat beste Laune: Mit Neona auf dem Sozius und lauter Musik von The Offspring und Bad Religion braust er zum Rockin' Chair, um sich mit seinen Dewley-Kumpels zu treffen (The Cult mit Rise und Star, Primal Scream mit Jailbird, Backyard Babies mit Highlight etc.). Hannibal, Gator und die anderen Jungs lieben Neona, und sie und Cutty geben ein unglaublich sympathisches, super zueinander passendes Paar ab. In dieser Gesellschaft erstellt Cutty unter johlendem Gelächter der Dewleys in der AR auch einen neuen Status mit einem gerade aufgenommenen Clip von ihm und Neona mit der Unterschrift: "My girlfriend said if this gets 100 votes, we'll try anal. So please don't vote, her strap-on is huge and it really scares me."

 

Gleichzeitig hat der Zuschauer im Hinterkopf, dass man Cutty überhaupt nicht anmerkt, dass er plant, irgendwie mit Fiona zusammenzukommen, und dass seine Hochphase vermutlich daher rührt – doch er gesteht sich das ja nicht mal selbst ein und würde ehrlich wütend auf eine entsprechende Unterstellung reagieren. Ein Jammer: Wäre er wirklich der, der er nach außen zu sein scheint, wäre Cutlass Flintloque ein richtig toller Kerl. Doch er ist alles andere als das.

 

Fiona ist gerade mit ihrer Freundin Melek Sançar (Sitare Akbaş) auf der Santa Monica Pier unterwegs, sieht den Status in ihrem AR-Newsfeed und muss lachen. Mel hakt nach, Fi schaltet ihren Feed für sie frei und erklärt ihr, dass das ein alter Kumpel ist, der jahrelang hinter ihr her war. Mel meint, offenbar ist er über sie hinweg, und Fi erwidert freudig lächelnd, ja, das sieht wohl so aus. Dass Cutty, um sie in Sicherheit zu wiegen, unterbewusst hofft, dass sie diesen Status sieht, kann sie nicht ahnen.

 

Im Bison erzählt Stu Kit gerade einen Witz:

 

Stu: A family with three little kids walks into a hotel, and the father goes to the front desk and says: "I hope the porn is disabled." The guy at the desk replies: "It's just regular porn, you sick fuck."

 

Kit verdreht innerlich die Augen und beantwortet einen Anruf der Schieberin Mousetrap, die ihr mitteilt, dass Booker Updike von den Black Spades sie gern sprechen möchte. Interessiert? Ihr Gebräuche-Wurf verläuft so lala: Die Black Spades haben sich aus den Resten der Bloods und Crips rekrutiert, die nicht in El Infierno waren, als 2036 die Mauer hochgezogen wurde, aber sonst fällt ihr dazu nicht viel ein, also hakt sie nach. Mousetrap erklärt, dass die Black Spades, was Straßenaktivitäten betrifft, vor den mexikanischen Gangs und dem Wolfpack kapituliert haben und dort nur unter ferner liefen agieren, aber dank starker Kontakte nach Westside und Studio City und damit zu Hollywood und den Medien sind sie dennoch zu Reichtum gelangt. Okay, Kit vereinbart für heute Abend einen Termin im Speakeasy in Studio City, wenn sie mit Stu fertig ist.

 

Melek spricht Fi direkt auf Ghost an, aber wie so oft kann Fi nicht mit jemandem über das Thema reden, der nicht die ganze Wahrheit über sie kennt – die kennen nur Ghost und Angel und in geringerem Maße Kit. Sie würde so gern über sich sprechen, um mal alles in Worte zu fassen, doch Mel – oder irgendjemandem – die Wahrheit über sich zu erzählen, kommt nicht infrage.

 

Meryl hat Lees kleines Apartment in La Habra erreicht. Sie bittet Lee, sich zu setzen, er merkt, dass etwas nicht stimmt, und sie läuft auf und ab, stammelt sich ihren wahrheitsgemäßen Bericht zusammen, was passiert ist, und muss weinen, als sie Lees am Boden zerstörte Körpersprache sieht.

 

Zurück in Whitewater setzt Stu Kit bei ihrem Americar ab und fragt, ob sie Rückendeckung braucht – eine Hand wäscht die andere, also warum nicht? Getrennt fahren sie zum Umziehen zu ihr nach Hause und dann im Bison nach Studio City. (Kits neue ID, die sie sich für ihre OP und die Gentherapie zugelegt hat, verleiht ihr viel mehr Bewegungsfreiheit, und Stus IDs sind ohnehin erprobt und werden akribisch gepflegt.) Stu wartet auf dem Parkplatz, Kit geht allein in die schicke Bar und trifft auf Booker Updike und seine Jungs, alle extravagant, aber teuer gekleidet. Booker ist total smooth und nimmt Bezug auf einen kleinen Gig, den Kit vor ein paar Wochen durchgezogen hat, wodurch er auf sie aufmerksam wurde. Er erklärt, er stehe in geschäftlicher Beziehung zu Franklyn Hanratty, traut ihm aber nicht recht über den Weg, ob er nicht doppeltes Spiel mit Booker treibt, und hat auch ganz frisch Anlass zur Annahme bekommen, dass sich Franklyn morgen Abend mit Leuten treffen wird, um etwas zu besprechen, das Booker nicht besprochen sehen möchte – er möchte wissen, worum es geht und mit wem Hanratty Geschäfte macht. Würde er einen seiner Leute schicken, wäre Hanratty angesichts eines Schwarzen sicher nicht in Verräterlaune. Booker will daher, dass jemand außerhalb der Black Spades herausfindet, was dort abgeht. ("Plausible deniability, Kitsune, you know the drill. Just wanna know which way the wind's blowing, you scan?") Kit sagt zu und bekommt die Adresse eines Etablissements namens Be My Baby in West L.A.

 

Zurück in Stus Bison sucht sie nach dem Laden und stellt erschrocken fest, dass er zwar in einer miesen Gegend voller mieser Sexkneipen und billiger Bordelle liegt, aber dennoch exklusiv zu sein scheint: Er wirbt mit Diskretion und magischer Sicherheit, und die Ausrichtung ist, ähem, sehr speziell – nämlich für Männer mit dem Fetisch, sich wie ein Baby zu verhalten. Kit räuspert sich, erklärt Stu die Thematik und sieht ihn fragend an.

 

Stu: There ain't enough dinero in the world, solar system and fucking galaxy. No fucking way.

Kit: Well, can you think of anyone who would do something like that?

Stu: You could hire some loser, but that's pissing money in the wind. You'd need someone reliable who can play his role and get something outta those pervs.

Kit: Hm. Somebody does come to mind. (Sie sehen sich an.)

Stu: Flintloque? Dunno.

Kit: Why?

Stu: His ego's so big, it's got a gravitational field of its own. 'sides, he's a P-R-I-C-K, Kit. All capitals. It's a quality of character issue.

Kit: Don't take it amiss, but you have quite an ego, too.

Stu: Me? Nah, I don't have a big ego, I'm way too cool for that.

Kit: Stu, I'm serious. Self-confidence is a requirement in our line of work.

Stu: Self-confidence's one thing. Flintloque's a showboat. Even if you can get this clown's attention for three seconds with all his whining and feeling sorry for himself, you still can't bank on him. Then again, the thought of him putting on some diapers is worth it, I guess. Chances are, he's wearing them in private anyways.

 

Cutty hat Neona nach dem Rockin' Chair zum Proben mit Mona Lisa Overdrive gebracht und ist wieder nach Hause gefahren, als Kits Anruf reinkommt. Weil sie etwas von ihm will, bestellt er sie zum Organ Donor in Pico Rivera, also fährt Stu sie rüber. Kit ist natürlich immer noch schick gekleidet und sticht in diesem Laden optisch deutlich heraus. Stu hat von dem Piratenmagier noch nie viel gehalten und, seit Cutty aus der Rettung von Kitsune ausgestiegen war, noch deutlich weniger. Dementsprechend gestaltet sich das Treffen.

 

Cutty: Was hast du denn hier verloren?

Stu: Anscheinend den Verstand, sonst wär ich nicht hier.

Kit: Hey, Cutty, schön, dich zu sehen. (Die beiden setzen sich.)

Cutty: Ganz meinerseits, Kitsune! Ich sag's nicht leichtfertig, aber du siehst umwerfend aus.

Kit: Danke.

Cutty: Keine Ahnung, wie ihr Ladies das immer anstellt. Oh, verdammt, ich wünschte, ich könnte auch nur einen Tag lang mit einer von euch tauschen, um mal zu sehen, wie das ist. Mann, wenn ich 'ne Frau wär, ich glaub, ich würd den ganzen Tag vorm Spiegel stehen und mich anfassen.

Stu: Macht du das nicht sowieso?

Kit (freundlich): Wollen wir zum Geschäftlichen kommen?

Cutty: Na, den Chauffeur hast du ja schon angeheuert.

Stu: Hm-hm. Schicke Klamotten übrigens. So sieht man dir wenigstens nicht so oft ins Gesicht.

Kit (deeskalierend): Mir ist ein ziemlich... spezieller Gig in den Schoß gefallen. Einen, den ich nicht selber durchziehen kann.

Cutty: Weil?

Stu: Aus dem Grund, aus dem Männer schlauer als Frauen sind – weil Frauen da, wo Männer denken, ein Loch haben. Aber ein Schwanz ist hier tatsächlich Grundvoraussetzung.

Cutty (grinsend, leutselig): Verstehe. Und da warst du natürlich sofort raus, und deswegen wendet ihr euch jetzt an mich.

Stu: Hey, ich bin nur der Typ, der draußen mit laufendem Motor darauf wartet, dass drinnen jemand Scheiße baut. Außerdem finde ich wirklich, dass dich deine Mama ziemlich komisch angezogen hat.

Kit: Das bringt uns jetzt nicht weiter, Stu. Vielleicht erkläre ich erst mal, worum es geht. Hast du schon mal von Be My Baby gehört?

Cutty: Was, dem Song?

Kit: Kenne ich nicht. Ich meine den Laden in West L.A. Eine Art Freudenhaus für den, ähm, ausgefallenen Geschmack.

Cutty: Ausgefallen?

Kit: Die Kunden sind durchgehend männlich, und... ähm... (Es ist ihr sichtlich peinlich, das zu erzählen.)

Stu: Diese Verlierer ziehen ihre Klamotten aus, steigen in 'ne Windel für Erwachsene, schieben sich 'nen Schnuller zwischen die Zähne und krabbeln auf dem Boden rum.

Cutty (lacht sich tot): Mann, es gibt echt jeden kranken Scheiß! Im Ernst? Was für erbärmliche Penner!

Kit: Jedenfalls trifft sich dort jemand mit... jemandem, so ganz genau wissen wir das noch nicht. Aber wir müssen in Erfahrung bringen, worum es bei dem Treffen geht. Das gelänge am besten, wenn wir... jemanden vor Ort hätten.

Cutty (lacht immer noch, dann erstirbt sein Lachen): Kein Scheiß? (Kit zieht eine Augenbraue hoch.) Deswegen seid ihr hier? Weil sich McCaffrey dafür zu schade ist? Hm? Na ja, okay, würde ja auch keine Sau freiwillig durchziehen, also was tun? 'Ha, na klar, fragen wir doch den Idioten! Der ist sich für nichts zu schade, für 'ne Packung Kippen tut der alles!'

Kit: Tatsächlich stand für mich im Vordergrund, dass du viel Erfahrung im Vorspielen einer anderen Rolle hast und sehr gut darin bist, andere Menschen für dich einzunehmen.

Cutty: Gutes Stichwort! Als es um die Queen of Hearts ging, bin ich das größte Risiko von uns allen eingegangen, als ich mich ins Wolfpack einschleusen ließ – ins verschissene Wolfpack! Und danach stand mein Arsch in der Schusslinie, meiner ganz allein!

Kit: Und Ghost hat ihn wieder aus der Schusslinie genommen, oder nicht?

Cutty: Ja, und? Was ändert das am Prinzip?

Kit: Ich will dich ja nicht undercover in eine Gang schicken, sondern dich nur für einen Abend—

Cutty: Genau, jetzt setzt ihr noch einen drauf. Ihr kippt diesen Drek mal so eben vor mir auf dem Tisch aus und erwartet von mir, dass ich sage: "Okay, ihr kriegt meinen letzten Krümel Würde. Guten Appetit, hoffe, es schmeckt!" (Er steht auf.) Wisst ihr was? Ich geh pissen. Hoffe, ihr seid nicht mehr da, wenn ich zurückkomme.

Stu: Wenn du dich bei jemandem ausheulen willst, lass die armen Wichser im Scheißhaus in Ruhe und geh in die Richtung. (Er deutet zur Bar.) Der Barkeeper wird wenigstens dafür bezahlt, sich so 'n Scheißgejammer anzuhören.

 

Cutty zeigt ihm beidhändig den Finger und rauscht ab. Während er in der schummrigen, schmuddeligen Toilette zuerst pinkelt und danach in den dreckigen Spiegel sieht, hält er ein witziges wütendes Selbstgespräch, während tatsächlich jemand in einer Kabine sitzt und sich nicht traut, rauszukommen.

 

Was er nicht mehr ausspricht, ist die Überlegung, dass sich, sobald man herausgefunden hat, worum es eigentlich geht, die Chance besteht, dass sich ein Shadowrun anschließt. Dann würde Kit natürlich auch Star anheuern, aber wenn Cutty jetzt ablehnt, wird sie nicht noch mal auf ihn zutreten. Das wäre also eine Chance, in ganz harmlosem Rahmen Star wiederzusehen, ohne selbst die Intiative zu ergreifen, sich aufzudrängen und sie damit zu vergraulen. Also kommt er wieder vom Klo, die beiden sitzen noch immer da (Kit redet gedämpft auf Stu ein, dass er sich benehmen soll), und Cutty fragt finster, wie viel dabei abfällt.

 

Meryl und Lee haben Stunden miteinander verbracht, sowohl zu reden als auch ewig zu schweigen und nur dazusitzen und nachzudenken, bis sie sich einigen, dass Lee etwas Zeit für sich braucht. Um jetzt unter lieben Menschen zu sein, fährt Meryl stundenlang zur Farm der McMillans, wo sie ja immer noch ihr Zimmer hat. Die beiden Zwerge werden wach, machen Kaffee und setzen sich mit Meryl in die Küche, damit sie mal alles loswerden kann.

 

Donnerstag, 08.02.2063

 

Nachdem Stu sie heimgebracht hat, ruft Kit Angel an, um sicher zu gehen, dass sie vor Ort alle Optionen hat, aber der ist gerade geschäftlich im aztlanischen San Diego und kann nicht, also kontaktiert sie T-Byrd und heuert ihn an, heute Abend mitzukommen, nur für alle Fälle. Auf gefährliche Runs begibt er sich nicht in Person, aber im Auto sitzen und von dort aus Kommlinks scannen geht in Ordnung.

 

In der Nacht bringt Kit noch so viel wie möglich über die Matrix in Erfahrung: Das Be My Baby garantiert Diskretion und bietet daher hochwertige magische (Hüter, Geister) und technologische Sicherheit (Metalldetektoren, Chemsniffer), und am Eingang muss alles abgegeben werden. Man kann also niemanden auch nur mit einem aufrecht erhaltenen Zauber reinschicken, geschweige denn mit Funkgerät oder Kommlink, und hat keine Möglichkeit, Material zu sichern, mit dem man jemanden erpressen kann. Immerhin ist der Laden garantiert Fake-IDs gewohnt (welcher Exec hinterlässt schon gern eine Spur, die seine ganze Karriere zerstören kann?), also muss man sich darum keine Sorgen machen.

 

Franklyn Hanratty besitzt eine kleine Firma, die Geschmacksverstärker für die Lebensmittelindustrie herstellt, was für bescheidenen Wohlstand sorgt. Seinen Social-Media-Accounts zufolge ist er ein ziemlich langweiliger Spießer, dessen Hobbies wie z. B. Golfen wohl auch nur repräsentativen Charakter haben. Mit einem guten Wurf hat Kit aber Glück, und im Hintergrund eines Fotos fällt ihr nach Vergrößern und Schärfen auf, dass ein noch verpackter Modellbausatz eines Schiffes bei ihm im Regal steht. Nun ja, besser als nichts. Sie sucht also ein paar Schiffstypen heraus, die Cutty lernen soll, weil er die eventuell ansprechen könnte.

 

Meryl hat in ihrem Zimmer geschlafen und den Rest des Tages auf der Farm verbracht. Im Abendrot sieht sie den landwirtschaftlichen Maschinen zu, die Harry vom Haus aus fernsteuert, hängt ihren Gedanken nach und schaut ständig auf ihr Kommlink, damit sie Lee auch ja nicht verpasst, sollte er sich melden, doch es kommt nichts.

 

Am Abend holt Kitsune zuerst T-Byrd und dann Cutty ab (der immer noch ziemlich schlechte Laune an den Tag legt und ihr das Versprechen abnimmt, über diesen Gig absolutes Stillschweigen zu bewahren) und fährt nach West L.A. Im Be My Baby checkt Cutty ein, zahlt, legt in der Umkleide eine Windel für Erwachsene an, bekommt die Location erklärt (es gibt verschiedene "Spielzimmer" und ein "Schlafzimmer" sowie ein "Time-out-Zimmer", in dem man Pause machen kann). Cutty klappert die thematisch unterschiedlichen Spielzimmer ab, die klischeehaft kindlich eingerichtet sind, während sich attraktive, leicht bekleidete Hostessen als "Mütter" um die Gäste kümmern, Windeln wechseln, füttern (sowohl mit Flasche als auch mit der echten Brust, die ein künstliches Milchreservoir enthält) und mit ihnen spielen, während aufdringliche Kindermusik dudelt. Im zweiten findet er Franklyn Hanratty. Der Zuschauer hat mächtig viel Spaß, da sich Cutty reichlich bescheuert vorkommt, aber so tun muss, als genösse er den Aufenthalt, umso mehr, als eine Hostess ihn mit Kindersprache anspricht und sich fragt, ob wohl seine Windel gewechselt werden muss – nein, bloß nicht! Er verlegt sich darauf, nur semi-begeistert mit einer Rassel zu spielen. Da Hanratty darin aufgeht, wie ein Baby zu brabbeln und entsprechend behandelt zu werden, sieht Cutty keine Möglichkeit, normal mit ihm ins Gespräch zu kommen.

 

Eine halbe Stunde später fällt ihm aber auf, dass ein anderer Gast Hanratty fragend und mit Kopfnicken zur Tür ansieht, und bald krabbeln die beiden raus. Cutty gibt ihnen eine Minute, um nicht zu sehr aufzufallen, und verlässt ebenfalls das Spielzimmer. Er geht den Gang entlang, als wollte er zu den Toiletten, passiert das Time-out-Zimmer und sieht im Vorbeigehen, wie Hanratty und der andere dort sitzen und eine rauchen, also bleibt Cutty auf dem Gang an der Tür stehen und stellt fest, dass er sie ganz gut hören kann. Jetzt darf nur keine Hostess vorbeikommen. Die Würfel sind gnädig, niemand sonst betritt den Gang, und Cutty belauscht die beiden, wie sie zuerst mit "This is the life, huh?" von Be My Baby schwärmen, dann aber zum Geschäftlichen kommen: Hanrattys Kontakt verrät ihm wegen der Sache, über sie neulich gesprochen haben, dass Myra Clarke-Hughes morgen ungefähr um zwölf im Kennimore Museum of Modern Arts am Rodeo Drive sein wird, und die Übergabe findet morgen Abend beim 6808-Event statt. Hanratty könne daraus machen, was er will.

 

Perfekt, Cutty brauchte ihn nicht mal in ein Gespräch verwickeln, um ihm nahe zu kommen, und hat jetzt sehr detaillierte Infos aufgeschnappt. Natürlich könnte er reinplatzen und die beiden unter Druck setzen, um mehr zu erfahren, aber damit würde er mit ziemlicher Sicherheit kaputt machen, was er jetzt errungen hat, denn erstens weiß momentan noch niemand, dass außer Hanratty noch jemand diese Infos erhalten hat, und zweitens kann er als Nichtkämpfer ohne seine geasagebundene Pistole auch keinen Eindruck machen, also kehrt er zu Kit und T-Byrd zurück.

 

6808 kennen alle drei aus der nervigen "Make your day great with sixty-eight-oh-eight"-Werbung: Das ist ein Label (das über verschiedene Firmen letztlich der AG Chemie gehört), unter dem Dutzende von Genussmittelproduktfamilien vertrieben werden, die berühmteste ist die Fizzz-Softdrinkreihe. T-Byrd forscht online nach einem Event und findet schnell heraus, dass morgen Abend eins im L.A. Convention Center stattfindet: eine große Fizzz-Promo-Aktion für den Release von Overcharge, einem neuen Softdrink, der gerade überall aggressiv beworben wird und morgen weltweit erstmalig ausgeschenkt werden soll. Das Event ist natürlich bereits ausverkauft.

 

Er sucht auch nach Myra Clarke-Hughes und wird fündig: Sie ist eine Angestellte im mittleren Management von Amalgamated Studios, weder ein kleiner Fisch noch eine große Nummer und ihren Social-Media-Auftritten zufolge nicht besonders interessant. Im Kennimore Museum of Modern Arts findet gerade die Ausstellung "Reise in die menschliche Psyche" statt.

 

Im Be My Baby können keine Kommlinks benutzt werden, aber sobald Cutty T-Byrd Hanratty beim Rauskommen zeigt, hijackt dieser sein Kommlink. Als Civvie ist Hanratty nicht geübt darin, seine Spuren zu verwischen, sein Kommlink ist gutklassig, aber keine Herausforderung für einen ordentlichen Decker, und seine Kontakte tragen Klarnamen. Er ruft Ramona Carreño an und gibt die Info weiter, T-Byrd schneidet das Gespräch mit und forscht parallel nach dem Namen: eine Anwältin, die oft Mitglieder der Aztecas vertritt (nicht zu verwechseln mit den Tezcas).

 

Kit überlegt laut, dass der Gig damit im Grunde erledigt ist. Cutty versetzt, dass sie, bevor sie zu ihrem Mr. Johnson zurückkehrt, vielleicht erst mal Star ansprechen sollte, ob die sich an Scandal wenden kann, ob die mit ihren Kontakten vielleicht noch Karten für das Event organisieren kann, denn es ist ja nicht unwahrscheinlich, dass Mr. Johnson gleich mit dem Folgeauftrag aus dem Rücken kommt, sich zu greifen, was auch immer übergeben werden soll – würde doch einen guten Eindruck machen, wenn man bereits weitergeplant hätte, oder? Dem kann Kit nicht widersprechen, also ruft sie Star an, legt das Gespräch auf die Windschutzscheibe, und Cutty stockt der Atem: Er hat sie das letzte Mal gesehen, als er ihr vor über einem Jahr in ihrem Tanzstudio eine Szene machte und sie ihn rauswarf – sie jetzt live zu sehen, lässt Cuttys Herz einen Hüpfer machen, und verdammt, sieht sie wieder umwerfend aus! Doch er lässt sich nichts anmerken.

 

Es ist lange her, und inzwischen ist viel passiert, also reagiert Star zumindest dem Anschein nach erfreut, Cutty neben Kit im Wagen zu sehen, und verspricht, sich zurückzumelden. Nach etwa einer Stunde tut sie das auch: Scandal könnte noch zwei Codes besorgen, aber die kosten natürlich.

 

Kit fährt allein zum Speakeasy, erstattet Booker Updike Bericht, wird bezahlt, bekommt erwartungsgemäß den Folgeauftrag angeboten und kann damit glänzen, bereits on spec den Zutritt organisiert zu haben. Sie gibt Star grünes Licht und lädt sie auch gleich ein, mitzumachen. Kit gabelt Cutty wieder auf und fährt nach Santa Monica zum Club Katana, wo sie Star in Person wiedersehen (Paket Casual 30). Cutty ist nach wie vor nichts anzumerken, aber die Jeans-und-Flieder-Combo raubt ihm den Atem, als er sie ganz locker und unaufdringlich in den Arm nimmt. Star hat bereits einen relativ ruhigen Tisch organisiert und hört sich Kits Bericht an. Die erklärt natürlich, dass Cutty mit seinen IDs nicht nach Studio City reinkommt und sie auch keinem Check im L.A. Convention Center standhielten, also muss er Backup spielen – wie wär's, wenn Star und Kit das Museum und das Event besuchen würden, ganz wie in alten Zeiten? Star zeigt sich erfreut, so schnell wieder etwas zu tun zu bekommen.

 

Dadurch, dass sie nicht interveniert haben, wird diese Myra Clarke-Hughes also morgen im Museum sein, und das muss irgendeine Rolle spielen, sonst hätte Hanrattys Bekannter das nicht erwähnt. Vermutlich trifft sie sich dort also mit jemandem. Unmöglich zu sagen, was das mit irgendeiner Übergabe auf dem Event zu tun hat, aber Myra ist vermutlich die Voraussetzung dafür.

 

Freitag, 09.02.2063

 

Schick und hochklassig, aber nicht extrem auffällig gekleidet (Paket Biz 08) betreten Star und Kit, ohne gemeinsam aufzutreten, das Museum (Sifu) und halten Ausschau nach einer Frau, die zu den Social-Media-Bildern von Myra passt. Sie wechseln sich damit ab, sie über die Etagen zu verfolgen, um nicht zu auffällig zu sein, und Star askennt sie natürlich auch, der Wurf ist allerdings zu schlecht. Jedoch bemerkt sie dabei auf jeder Etage auch eine Geisterpatrouille, die natürlich verhindern soll, dass die Ausstellungsstücke zu Schaden kommen. Auf einer jedoch befinden sich verdächtigerweise keine, und Star beobachtet astral, wie eine Latina aus der Ferne Myra mit einem Zauber belegt. Myra begibt sich mit etwas unnatürlich wirkenden Bewegungen zu ihr und händigt ihr ihr Kommlink aus, die Latina belegt sie mit einem weiteren Zauber, und Myra bleibt einfach unbeteiligt weiter stehen, als sähe sie sich ein Ausstellungsstück an, während die Latina die Tür zum Treppenhaus ansteuert. (Stars Würfe waren für die Identifikation durch die Bank weg zu schlecht, aber sie kann sich auch so zusammenreimen, dass die Latina zuerst Myras Handlungen beherrscht und dann ihre Erinnerung daran gelöscht hat.)

 

Star hat Kit auf dem Laufenden gehalten, die von der darunter liegenden Etage zum Treppenhaus geht, und Star folgt der Latina von oben. Im Treppenhaus empfangen vier Latinos ihre Kameradin, und sie gehen gemeinsam runter, während ihnen Kit ganz normal entgegenkommt. (Ghost wäre hier aufgefallen, dass sie sich wie Ganger bewegen und nicht wirklich in die Kleider gehören, die sie tragen, aber Star und Kit achten nicht darauf.) Gut abgestimmt beginnt Kit beim Passieren mit dem Angriff, Star kommt von oben, und ein toller waffenloser Kampf zwei gegen fünf schließt sich an. Star setzt als erstes die Magierin außer Gefecht und wischt ebenso wie Kit mit zwei weiteren den Boden auf – die Ganger haben keine Chance. Star sammelt das übergebene Kommlink ein, und die beiden sehen zu, dass sie hier rauskommen, bevor Alarm ausgelöst wird.

 

Die Magierin hat bis zuletzt am Kommlink herumgespielt, damit es sich nicht ausschaltet und verriegelt, und Star tut dasselbe, bis sie ihren Copperhead erreicht haben, aber sie findet auf Anhieb nichts Interessantes. Sie gibt es Kit zum Weitersuchen und fährt los, bis sie sich am L.A. Coliseum mit T-Byrd treffen und es übergeben. Der bringt es unter seine Kontrolle, findet aber nichts Ungewöhnliches, das ins Auge sticht, und für heute Abend ist im Terminkalender nicht das L.A. Convention Center eingetragen, sondern ein Dinner in Century City. T-Byrd lässt seine Routinen drüberlaufen, und es dauert ein paar Minuten, bis er endlich etwas Ungewöhnliches findet: ein verstecktes Prog, das zuerst nach normaler Spyware aussieht, aber das Potenzial hat, das Kommlink zu kontrollieren. Er analysiert das Prog auf seinem Deck und findet die Bedingung: 09.02.63, 20:00 Uhr – ab da wird das Kommlink versteckt seine GPS-Location an eine Nummer senden. T-Byrd bietet an, die Nummer anzurufen und zu versuchen, sich auf ihr System zu schalten, aber dass das völlig unentdeckt geschieht, ist sehr unwahrscheinlich. Star und Kit entscheiden sich dagegen, um nicht vorzeitig aufzufliegen, und rechnen sich heute Abend bessere Chancen aus.

 

In La Mirada haben Cutty und Meryl ein Treffen zwischen Hannibals Dewleys und Kerrys Bloodletters vermittelt (weil beide mit dem jeweiligen Gangboss befreundet sind und sich für fair play verbürgt haben). Dabei sehen sie sich hin und wieder an, reden aber kaum miteinander, und Meryl weicht Cuttys Blick meistens aus. Für heute Abend wird sich Cutty aber in der Nähe des L.A. Convention Center für alle Fälle bereithalten.

 

Erneut schick gekleidet finden sich Star (Paket Street, Biz 03) und Kit um halb acht auf dem Parkplatz des L.A. Convention Center ein und treffen sich mit Cutty und T-Byrd, die dort warten werden, während die beiden Damen das Overcharge-Event besuchen. Die riesige Party ist in vollem Gange, in der Luft schweben Ballons in der Form des Maskottchens Fizzz-O, der DJ trägt Fizzz-O-Kostüm, die Menge ist überwiegend jung. Star und Kit bewegen sich in Sichtweite, treten aber nicht gemeinsam auf.

 

Als sich Star an einem der Tresen anstellt und gerade an der Reihe ist, drängelt sich ein arrogantes und selbstherrliches etwa 20-jähriges Mädchen vor, das sich gerade selbst livestreamt. Star bittet es, sich anzustellen, das Mädchen reagiert beleidigend, und Star verpasst ihm einen knallharten bitch slap mit der flachen Hand. Als das Mädchen aus Reflex nach Star fasst, greift diese sein Handgelenk, überdreht ihm schmerzhaft den Arm und sieht es einschüchternd an: "Back to the end of the line, little skank." Völlig verängstigt läuft die Kleine davon, und Star schaltet sofort um und lächelt den überraschten Barkeeper freundlich an. Kit hatte sich schon in Bewegung gesetzt, doch die Situation ist ja bereits gelöst. Dennoch: Sie haben hier einen Job zu erledigen, und Star lässt sich doch sonst nicht so leicht provozieren...

 

Beide saugen natürlich dem Anschein nach die Party auf, während sie sich tatsächlich aufmerksam die Menschen ansehen, weil jederzeit jemand auf Kit zutreten kann, denn seit 20:00 Uhr sendet Myras Kommlink ihre Location. In der Tat spricht nach zehn Minuten ein blonder Asiate Kit an, begibt sich mit ihr zu einem Tisch und meint, er hoffe, sie könne seine Vorsicht verstehen. (Durch die vielen Menschen und die Lautstärke ist man hier ganz gut vor Abhörung gefeit, zumal Star askennt und nichts Auffälliges bemerkt.) Ob sie das Geld habe? Kit hat nicht die leiseste Ahnung, warum es geht, und weiß, dass sie niemals überzeugend eine Rolle spielen kann, die sie nicht kennt, also erklärt sie kurz, was sie hierher geführt hat. Daran, wie nervös er dabei wird, erkennt sie, dass sie es nicht mit einem abgebrühten Johnson zu tun hat (somit hält sie ihn auch nicht für eine Gefahr), und da sie weiß, dass sie nicht sonderlich einladend wirkt, winkt sie dezent Star herbei, die den Mann im Handumdrehen beruhigen kann. Er stellt sich als Mr. Kim vor und meint, ein Mann namens Centurion sei ihm als vertrauenswürdig empfohlen worden, und den (oder eine Kollegin, für die er Kit ja hielt) hatte er hier auch erwartet. Kits Gebräuche-Wurf verläuft phänomenal: Auf der Straße heißt es, Centurion sei samt Crew vor ein paar Tagen von den Wild Ones erledigt worden, einer Gang, mit der Centurions Crew eigentlich angeblich auf gutem Fuß stand. Mr. Kim reagiert erschrocken und will gehen, doch Kit hält ihn diskret fest, während Star beruhigend auf ihn einredet: Er müsse verstehen, dass Geld geflossen ist, um dieses Treffen zu ermöglichen, und sie können leider nicht mit leeren Händen gehen. Offenbar kannte Mr. Kim Centurions Crew ja auch nicht, und die beiden Damen repräsentieren ein sehr fähiges Team, mit dem er ja vielleicht stattdessen ins Geschäft kommen möchte?

 

Die Good-girl-bad-girl-Nummer funktioniert: Star wirkt warm, beruhigend und freundlich, Kit wirkt dezent bedrohlich, und er kommt hier nicht weg, ohne ihnen etwas zu geben, also gesteht er, bei einem Konzern angestellt zu sein und Interna zu verkaufen, mit denen Kriminelle etwas anfangen können. Mr. Kim überspielte sein kleines Spyware-Prog an die Nummer, die der Schieber ihm gab, um sich seinen Ansprechpartner erst mal ansehen zu können, bevor er sich zu erkennen gibt, und zu seiner Sicherheit wählte er einen belebten Treffpunkt. Star fragt nach Myra Clarke-Hughes, doch der Name sagt Mr. Kim nichts. Er rückt schließlich damit heraus, dass ein Konzern Shadowrunner mit einem Diebstahl beauftragt hat, und Mr. Kim wird Ort und Zeit der Übergabe erhalten. Diese Info wollte er verkaufen. Natürlich möchte er nach wie vor damit Geld verdienen, aber er kennt die beiden Damen nicht. Star und Kit wissen, dass er befürchten muss, dass sie ihn nicht bezahlen, vielleicht sogar töten, sobald sie haben, was sie von ihm wollen.

 

Star kann Mr. Kim entlocken, dass er mit der Schieberin, die ihm Centurion empfahl, zum ersten Mal arbeitet, aber er muss wohl mitbekommen haben, dass sie vertrauenswürdig ist. Star schlägt ihm vor, mit ihr zu sprechen, und Mr. Kim nennt Serenity Hale. Star kennt den Namen: eine schwarze Zwergin der gediegeneren Klasse, die einen guten Ruf genießt. Kurzerhand ruft sie sie an und überweist einen Hunderter für die Unannehmlichkeit, einen Decker die Leitung sichern zu lassen, damit sie reden können. Glücklicherweise kennt die Zwergin Starlight und ihren Ruf ebenfalls, dazu auch den von Ghost und Kitsune. Bei der Plauderei beweisen sie einander diskret, dass sie wirklich sind, wer sie zu sein scheinen, und finden schnell einen Draht zueinander. Gegen eine prozentuale Beteiligung verbürgt sich Serenity bei Mr. Kim dafür, dass Star ihn fair behandeln wird: Wenige Runner sind so sehr wie ihr Team dafür bekannt, sich an ihr Wort zu halten. Das sichert Mr. Kim noch immer nicht komplett ab, und das weiß er auch: Er hat ja schon die Katze aus dem Sack gelassen, dass er ein Konzerner ist (als solcher kann er keinen Druck ausüben und ist obendrein erpressbar), aber das ist besser als nichts. Serenity würde Star gern wieder anrufen, wenn sich mal was ergibt. Insgeheim staunt sie: Zehn Monate von der Bildfläche verschwunden, aber ihr Name hat noch immer so viel Klang, dass Schieber sich freuen, den Kontakt zu ihr zu bekommen. Für Denton Hemingway außer Landes gearbeitet zu haben, ist etwas, das die Straße nicht ignorieren kann, und ihren langen Europa-Aufenthalt hält man vermutlich ebenfalls für einen High-Profile-Job.

 

Mr. Kim erhält Stars Kommnummer und erklärt, dass er nicht weiß, was gestohlen wurde, aber es muss wertvoll sein, denn ein voll ausgerüstetes Security-Team steht für die Übergabe auf Standby. Wann es soweit sein wird, weiß er auch nicht – vielleicht schon in ein paar Stunden, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen, wer weiß? Er kann nur sagen, dass er selbst erst kurz vorher davon erfahren wird. Schließlich muss er damit herausrücken, dass es sich bei dem Kon um die Eastern Tiger Corporation handelt, womit auch klar ist, bei wem er in Lohn und Brot steht. Sobald er Ort und Zeitpunkt hat, will er seine Bezahlung in bestätigten Checksticks, und er verlangt ¥ 15.000. Kit spielt die "Kein Mensch im Plex hat je mit dir zusammengearbeitet, nicht mal deine Schieberin, also woher weiß ich, wie gut deine Informationen sind?"-Karte und handelt ihn auf ¥ 10.000 runter: ¥ 2.500 vor der eigentlichen Übergabe, ¥ 7.500, wenn sich seine Informationen als gut erweisen.

 

Sie verlässt den Tisch, um Booker Updike anzurufen, denn das hier ist sein Auftrag. Da er gerade keinen Decker zur Hand hat, muss Kit vage bleiben, verrät aber, dass die Spur nur zu einer Möglichkeit führte, einen Kon zu bestehlen. (Ihre eigentliche Aufgabe – herauszufinden, dass Hanratty außer mit den Black Spades auch mit den Aztecas Geschäfte macht – hat sie ja schon erfüllt. Das hier wäre für ihn von größerem Interesse gewesen, wenn auch diese Spur zu den Aztecas geführt hätte.) Sie muss Booker natürlich fragen, ob er den Run haben will. Sich mit Konzernen anzulegen, ist nicht sein Stil, Kit kann sich gern bedienen. Schnell telefoniert sie ein paar Nummern durch, wer kurzfristig Zeit hat, kehrt an den Tisch zurück und stimmt sich mit Blicken mit Star ab: Kit will den Job annehmen. Star findet, dass Kit das Ganze nicht ähnlich sieht: auf eigene Faust in Vorleistung treten, ein bisher unbekannter Informant, unbekannte Beute, Kampf gegen ein Konzern- und ein Runnerteam ohne Vorkenntnisse und Vorbereitung? Das hat ihnen vor drei Jahren schon nicht geschmeckt, als es nach Split Mountain ging. Aber Kit zuliebe sagt sie nichts, sondern nickt nur.

 

Auf dem Rückweg zum Parkplatz zählt Kit auf, dass sie das alte Team angeheuert hat, das in dieser Konstellation (logischerweise bis auf den verstorbenen Machine) zuletzt am 17.01.2060 (die Extraktion von Claymore und Sutcliffe aus der Split Mountain Power & Recycling Facility) zusammengearbeitet hat: Sie beide, Cutty, Meryl, Stu und Ghost – um der alten Zeiten willen. Star tut sich damit anscheinend etwas schwer, aber Kit meint, irgendwann müsse sie sowieso wieder mit Ghost arbeiten, also warum nicht jetzt? Star fragt sie, warum sie diesen Gig angenommen hat, aber Kit liefert nur Allgemeinplätze: Sie braucht Geld, so ein Stunt ist gut für den Ruf, Star kommt gleich wieder ins Geschäft, und dass die ganzen Altgedienten zugesagt haben, ist doch ein schöner Bonus. Sie können jedoch nicht weiterreden, da sie Cutty und T-Byrd erreichen.

 

Samstag, 10.02.2063

 

Als Treffpunkt fürs Frühstück hat Kit den Beeburger ausgesucht, in dem im August 2057 Ghost, Star, Kit, Stu, Meryl und Machine Cutty in ihr Team aufnahmen. Die überpünktliche Kit ist sowieso die Erste, und Star trifft kurz darauf ein. Sie tastet sich an die Frage heran, warum Kit das alte Team noch mal zusammengetrommelt und obendrein hierher bestellt hat – so viel Sentimentalität sieht ihr doch sonst nicht ähnlich. Star sorgt sich, ob vielleicht irgendetwas nicht stimmt, doch Ghosts Ankunft kommt ihr dazwischen. Nach außen hin begrüßen sie sich ganz normal und freundlich.

 

Nicht viel später treffen Stu und Meryl ein, und als hat es so sollen sein, ist Cutty damals wie heute das Schlusslicht. Zu planen gibt es nicht viel, da man Ort und Zeitpunkt der Übergabe nicht kennt, aber da Mr. Kim vorgewarnt hat, dass er erst kurz vorher davon erfährt, sollte das Team zusammen sein und jeden Punkt in L.A. gut erreichen können, um sofort loslegen zu können. Für Ghost ist klar, dass als Taktik nur shock and awe infrage kommt, aber sie dürfen sich auf keinen Fall mit zwei Teams gleichzeitig anlegen. Also müssen sie vor Ort schnell improvisieren und am besten gleichzeitig einen Teilnehmer pro Team unentdeckt aufs Korn nehmen, so dass beide Teams – zumindest das Runnerteam erwartet ja jederzeit, vom Kon gelinkt zu werden – dank Reflexbooster reagieren, bevor sie nachdenken können, und die gegnerische Partei angreifen. Zu diesem Zweck hat er also Stu gebeten, entsprechende Gewehre zu besorgen. Wenn man es eilig hat, muss man nehmen, was man kriegen kann, also hat man immerhin ein russisches Scharfschützen- und ein tschechisches Sportgewehr zur Verfügung, beide schon alt, aber noch gut in Schuss.

 

Meryl fragt arglos, ob man Mr. Kims Kontakte nicht nutzen könnte, Eastern Tiger das Diebesgut, wenn man es an sich gebracht hat, einfach zu verkaufen, erntet aber gleich Widerspruch von jedem außer Cutty. Jeder Kon akzeptiert die Schatten, aber nur in vertretbarem Rahmen: Das Team arbeitet schließlich auf eigene Rechnung ohne Auftraggeber und wird Eastern Tiger Menschenleben und Ressourcen kosten – dann auch noch so dreist zu sein, dem Kon das, wofür er ohnehin bereits bezahlt hat, erneut zu verkaufen, würde Eastern Tiger motivieren, herauszufinden, wer sie sind, und entweder ihren Ruf zu beschädigen oder sich direkt mit ihnen anzulegen. Nein, es muss ein anderer Käufer sein, aber dazu muss man erst mal wissen, was man eigentlich verkaufen möchte. Sollte Eastern Tiger dann herausfinden, wer für den Überfall verantwortlich war, stehen die Runner als austauschbare Werkzeuge da, nicht als Akteure. Meryl merkt, dass sie in den Schatten dann doch noch nicht ganz so zu Hause ist wie die anderen, und lässt es dabei bewenden.

 

Auch wenn fünfeinhalb Jahre nach der Gründung des Teams so vieles anders ist, verläuft das Frühstück so, wie Kit es sich erhofft hat: Stu haut einen Spruch nach dem anderen raus, Cutty lässt es sich nicht nehmen, nachzulegen, und die sechs Runner haben tatsächlich Spaß. (Die Kamera zeigt dabei natürlich auch oft die kurzen Blicke von Ghost zu Star und umgekehrt – es ist noch so ungewohnt, wieder wie früher Zeit zu verbringen, aber nicht mehr zusammen zu sein. Auch das ist wie 2057.) Da niemand weiß, wann es losgeht (oder ob das heute überhaupt der Fall sein wird), man sich aber beschäftigen muss, fällt die Wahl auf das 7-10 Split in Pomona, eine zentral gelegene Schwarzlicht-und-Neon-Graffiti-Bowlingbahn, in der es zu Offspring und Bad Religion zur Sache geht. Stu erweist sich als alter Hase mit viel Bowling-Erfahrung, aber auch wenn seine Scores uneinholbar sind, haben die anderen viel Spaß, und sogar Meryl vergisst für ein paar Stunden ihre schwierige Situation mit Lee und Cutty. Cutty wiederum achtet sehr darauf, Star nicht mehr Aufmerksamkeit als allen anderen zu widmen, um ihr vorzuspielen, dass er über sie "hinweg" ist, sich aber gleichzeitig von seiner lustigsten und charmantesten Seite zu zeigen, um ihr zu demonstrieren, was für ein toller Kerl er ist.

 

Als die Runner auf Bowling keine Lust mehr haben, gehen sie eine Etage hoch, wo es auch andere VR- und echte Sportangebote gibt. Sie probieren alles mal durch, und man staunt, was für ungeahnte Qualitäten in dem chronisch übellaunigen Rigger schlummern: Pool beherrscht er noch besser als Bowling, hier kommt nur Star vage in seine Nähe – sie erfährt, dass er früher lokal in Meisterschaften gespielt hat und, wäre die Army nicht dazwischen gekommen, zu den Profis aufgerückt wäre. Als sich die anderen fünf zusammentun und in eine Karaoke-Bar weiterziehen wollen, um ihn zu einem Auftritt zu zwingen, gibt er nach, aber nur, wenn ihn heute jemand in irgendetwas schlägt. Alles klar, Kit fordert ihn zum Ping Pong heraus und besiegt ihn nach Strich und Faden – das war früher nämlich ihr Hobby, und sie hat es in den Mitsuhama-Jugendmeisterschaften recht weit gebracht.

 

Es geht also in die Karaoke-Bar (die zu dieser Tageszeit eh noch nicht besonders gut gefüllt ist), Stu nimmt seine Gitarre mit und absolviert ein Set aus drei Songs: Blake Sheltons Honey Bee, Cody Jinks' Mamma Song und Alan Jacksons When Daddy Let Me Drive. Meryl war die Einzige, die bereits wusste, dass er sich alles andere lächerlich machen würde, die anderen vier sind fassungslos und feuern ihn bald begeistert an: Der Mann kann singen!

 

Nach viel Applaus und Schulterklopfen kommt Mr. Kims Anruf, der das Team zu einem Treffpunkt bestellt, um seine Vorauszahlung zu empfangen. Er hat sich eine belebte Straßenecke ausgesucht, nimmt den Checkstick entgegen und überspielt die GPS-Koordinaten: San Bernardino in der Nähe des Santa Ana River in anderthalb Stunden. Die Verantwortliche ist Yoon Myung-Hee (Yoon ist der Familienname), eine aufstrebende Einsatzleiterin.

 

Das Team düst los, fährt aber nicht ganz durch, falls die Konzerner schon da sind, und Stu schickt eine Aufklärungsdrohne los (CP 2077, Watson, Northside, Nordosten, kein FTP): stillgelegte Fabriken und nach allen Seiten offene Lagerhallenruinen, sowohl offenes Gelände als auch viel Deckung. Nach Drohnen- und astraler Aufklärung scheint noch niemand da zu sein, also postiert Stu sich und Meryl geschickt an zwei Punkten auf den rostigen Außenbalkonen zweier Lagerhallen, um mit Camonetzen getarnt als Scharfschützen zu agieren. Bison (mit Kit, Star, Ghost und Cutty an Bord) und Quattro sind in der Nähe geparkt und können per FSE geholt werden. Jetzt heißt es Abwarten.

 

Die Konzerner (in Teilpanzerung) kommen mit Van und SUV ohne Logos zuerst an und sichern das Gelände ab. Dank der Thermonetze entdecken auch die Wärmebilder der Drohne nichts, die astrale Aufklärung ebenso wenig. Kurz vor der Übergabezeit trifft der Van des Runnerteams ein: mit Trollin und Orkin immerhin sechs Mann stark und selbstbewusst wirkend. Stu hat das Kommando, wartet ab, bis die Konzerner die Ware im Van der Runner gesichtet haben, und gibt dann Mercury das Kommando: Er schießt auf einen der hinteren Konzerner, Mercury auf einen der hinteren Runner, wobei sie einen glücklichen Blattschuss landet und die Orkin trotz Panzerung schwer verwundet. Ghosts Plan geht auf: Beide Parteien eröffnen zu den Exies-Klassikern das Feuer aufeinander (zuerst die Reflexgeboosterten, dann der Rest, weil das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und sich keine Seite leisten kann, das Feuer einzustellen). Die bereitgehaltenen Geister beider Seiten manifestieren sich und mischen mit, Stu und Mercury holen per FSE die beiden Wagen und wechseln die Position, bleiben dabei aber auch nicht unbemerkt (da sie nahe dran sein mussten, um überhaupt ein Schussfeld zu haben).

 

Star projiziert sich und schlachtet mit ihrem Waffenfokus die Geister der Reihe nach ab, Kit stürzt sich in den Nahkampf, Ghost räumt furchtbar auf, und Cutty hält wegen des zu offenen Geländes mit dem Zauberspeicher eine Barriere aufrecht, kann aber trotzdem mit der Steinschlosspistole angreifen. Der Kampf zwischen drei Parteien fasert auseinander und verlagert sich, und die vercyberte Trollin ist wahnsinnig schwer umzulegen und schenkt Ghost mit ihrem LMG trotz Barriere, Teilpanzerung und Orthoskin ordentlich ein. Als Stu und Mercury dazustoßen, lassen die blauhaarige Riggerin und der schwarze Straßensamurai ihre Kameraden im Stich und flüchten in ihrem Van mitsamt der zu übergebenden Ware. Mercury geht mit einem Beinschuss getroffen zu Boden, also nimmt Stu nach kurzer Abstimmung mit Ghost kurzerhand mit dem Bison (in dem noch Stars Körper liegt) zu Monster Magnets Heads Explode und Powertrip die Verfolgung auf, und Star kehrt in ihren Körper zurück.

 

Ghost organisiert seinen, Kits, Cuttys und Mercurys Rückzug (denn nun gibt es keinen Grund mehr, weiterzukämpfen), wobei Mercury ihren Quattro fernsteuert und für ihr Team als fahrende Deckung nutzt. Das ist auch nötig, denn von den Gegnern (die bald kapiert hatten, dass sie von einer dritten Partei angegriffen werden, und das Feuer auf das Gegenüber einstellten) sind noch drei kampfbereit: zwei Konzerner und die trollische Runnerin, die einfach nicht kleinzukriegen ist. (Auch durch Würfelpech, weil man sich Kampfpool und Karma lieber aufhebt, falls man von ihr unter Beschuss genommen wird.)

 

Die Riggerin Aurora und Stu liefern sich eine halsbrecherische Verfolgungsjagd, die sie nach Nordwesten ins Stadtgebiet von San Bernardino führt. Beide Vans sind geriggt und ähnlich gepanzert, wobei der Bison mit drei Achsen etwas bulliger, dafür auch etwas träger ist, und beide verfügen über keinerlei Bordbewaffnung, so dass man einander ständig zu rammen versucht, aber beide weichen immer wieder dem Gegenverkehr und geparkten Autos aus und ziehen die Jagd somit wirklich mal in die Länge.

 

Es ist zwar schön, endlich mal einen würdigen Gegner zu haben, aber auch frustrierend, denn wann immer Stu ein tolles Manöver gelingt, weicht Aurora ihm gekonnt aus. Zwischenzeitlich schaltet sich auch eine zufällig anwesende Polizeistreife ein, wird aber zwischen beiden Vans in die Mangel genommen und gecrasht, denn Cops kann keiner der beiden gebrauchen. Mit schneller Verstärkung ist im heruntergekommenen San Bernardino nicht zu rechnen, das wird von der Polizei weitgehend sich selbst, den Verdugos und den Iron Crosses überlassen.

 

Endlich gelingt es Stu, Aurora in eine enge Einfahrt zu crashen und sie zu blockieren. Er und Star springen raus, Stu schrotet aus nächster Nähe die Türverriegelung der Fahrerkabine und geht sofort in Deckung, weil der Sam rausfeuert. Star schießt mit der Samopal das halbe Magazin hinein, und als sich nichts mehr rührt, öffnet Stu die Verriegelung der Heckklappe – doch da steht eine riesige Kunststoffbox, die kriegen sie zu zweit nicht bewegt, also schiebt Stu in der Kabine die Leichen zur Seite, jackt sich ein und lässt Star den Bison fahren, denn auch wenn sich hier selten Cops blicken lassen, können jederzeit Los Verdugos auftauchen.

 

Das Team trifft sich wieder, und Icarus wird bestellt – die rasche Rückkehr nach Westen lässt man sich gern etwas kosten, denn Ghost und Meryl sind zwar notdürftig verarztet, müssen aber beide unters Messer. (Meryl ist ein Kästchen vor S, Ghost zwei vor T, Cutty und Kit haben ihren Schaden auf L runtergedrückt. Die beiden Verwundeten wollen auch keine Spur hinterlassen, indem sie zu einem unvertrauten Straßendoc in der Nähe gehen, der Eastern Tiger verraten könnte, wer hinter der geplatzten Übergabe und dem Diebstahl steckt.) Während sie warten, sehen sie sich an, was übergeben werden sollte: eine sehr hochklassige schwer gepanzerte und bewaffnete Kampfdrohne auf vier Beinen, offenbar ein Prototyp aus Ruhrmetall-Produktion (die Saeder-Krupp gehört). Stu hat nie viel mit Drohnen am Hut gehabt, aber nützlich wäre das Ding durchaus – jedoch sind gerade zwei Kons auf der Suche danach, also verbietet sich das von selbst. Er kann nur raten, was diesen Prototypen wertvoll genug macht, um einen Diebstahl in Auftrag zu geben: Kampfperformance, Legierung, Signatur, Autopilot? Unmöglich zu sagen.

 

Stu bringt den gestohlenen Van mit der Ware und seinen Bison per Follow nach Redemption, um die Daten der Drohne auslesen zu lassen, die anderen fünf fliegen mit Icarus nach Pomona, um ihre eigenen Fahrzeuge abzuholen, und Icarus setzt Ghost und Meryl in East L.A. bei Doc Prospero ab.

 

In #027 – VALENTINE'S DAY geht's nahtlos weiter.

 

Hintergrund: Kang Jung-Hwan (Kang ist der Familienname), der sich in den Schatten Mr. Kim  nennt, arbeitet bei der Eastern Tiger Corporation und bessert mit Insiderinfos sein Gehalt auf. Um nicht aufzufliegen, muss er natürlich vorsichtig vorgehen, damit nichts zu ihm zurückverfolgt werden kann. Bisher hatte er das über einen Schieber getan, doch der ist wegen Hehlerei in den Bau gewandert, und die neue, an die er sich wandte, Serenity Hale, empfahl den Shadowrunner Centurion. Mr. Kim nannte Ort und Zeit und sandte ein Programm an Centurions Nummer, das zur programmierten Zeit seine GPS-Daten an seine Nummer senden würde, damit er sich seinen Ansprechpartner ansehen kann, bevor er sich zu erkennen gibt. (Ort und Zeit lagen nur nahe, weil er eine Möglichkeit brauchte, glaubwürdig auszugehen.)

 

Einer der Runner aus Centurions Team, Deezer, hatte einen Gang-Kontakt bei den Wild Ones und beim Bier zu viel geplaudert. Der Ganger war in letzter Zeit etwas in Ungnade gefallen und wollte bei seinem Boss Boden wiedergutmachen, indem er ihm die wertvolle Info auf dem Silbertablett liefert, die Deezer prahlerisch hochgejazzt hatte, so dass der Ganger annahm, sie würde Millionen wert sein. Die Wild Ones überfielen also das Team, um das Kommlink zu bekommen. (Woran man sieht, dass "Freundschaft" in den Schatten oft nicht viel wert ist, wenn die Kohle stimmt.) Die Deckerin des Teams, Parser, überspielte Mr. Kims Programm in letzter Sekunde an eine zufällig ausgewählte Nummer, merkte sich diese und löschte den Speicher, entkam aber dem Angriff. Das Team war tot, und allein konnte Parser mit dem Wissen, wohin sie das Prog geschickt hatte, nichts mehr anfangen, forschte nach, wem die Nummer gehörte, und da sie einfach nur noch aus der Schusslinie wollte, verkaufte Parser ihr Wissen für kleines Geld an einen Schieber – und das war Hanrattys Kontakt. Der steckte ihm also diese Info, nicht wissend, worum es eigentlich geht, nur, dass die Wild Ones versucht hatten, an sie heranzukommen, und das könnte ja wiederum die Black Spades interessieren, mit denen Hanratty Geschäfte macht. Hanratty ging damit aber nicht zu den Black Spades, sondern wandte sich an Ramona Carreño, um die Info an die Aztecas zu verkaufen. (Genau diesen Verdacht, dass Hanratty auch mit einer anderen Gang Geschäfte macht, hatte Booker Updike, weshalb er Kitsune ja anheuerte.)

 

Die Aztecas versuchten also mithilfe einer Magierin, im Kennimore Museum of Modern Arts an Myras Kommlink zu kommen, doch Star und Kit nahmen es ihnen ab. Bei den Konzernen spricht sich nicht herum, was auf der Straße geschieht, also ahnte Mr. Kim nicht, dass Centurions Team nicht mehr existiert, und ging zum Event. Der Rest ergab sich von selbst.

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