17 - Remember The Alamo {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

September 2061

 

Wir sehen Cutty und Poison, die sich nachts in Harbor vorsichtig durch eine kleine, unübersichtliche Shantytown bewegen (CP 2077, FTP Watson, Kabuki, Charter Street (südlich am Wasser): direkt südlich davon ist die kleine Shantytown in Kabuki), und Cutty betont offenbar nochmals, dass er nicht weiß, worin die Ladung besteht, nur, dass er eine App heruntergeladen hat, die bestimmte Koordinaten ortet. Mit seinem Kommlink findet er endlich einen Kühlschrank, öffnet ihn – und ein lebloser Asiate fällt in seine Arme. Er ist jedoch noch am Leben, nur bewusstlos. Okay, wenn das die Fracht sein soll... Billy schultert ihn, und sie gehen zurück, doch nun tauchen abgewrackte Schläger auf, die die beiden sowohl im Fern- als auch im Nahkampf angreifen, da sich nicht jeder ein Eisen leisten kann. Cutty ballert seine Energieblitze, um Billy die Angreifer vom Hals zu halten, doch auch sie schlägt sich im Nahkampf trotz ihrer Last gut.

 

Es gelingt den beiden, den Kerl in Billys Mercedes Bionic zu verstauen und die Verfolger loszuwerden. Sie fahren den Mann zum Treffpunkt, kassieren die Bezahlung, und Billy bringt Cutty zu seinem Motorrad.

 

Oktober 2061

 

Wochen später kommt Billy zu Ohren, dass sich der Chirurg Haruyoshi Nishikata aus San Fran rausgeschmuggelt gelassen haben soll, nachdem ihm der Boss einer mächtigen Yakuza-Gumi auf dem OP-Tisch krepiert ist. Das könnte durchaus dieser Kerl gewesen sein.

 

November 2061

 

Wiederum einige Tage später erklettern Billy und ihre Freundin Maya Morishita gerade einen der höchsten Punkte L.A.s außerhalb der Arc Mile und genießen ungesichert und in Schwindel erregender Höhe den Ausblick.

 

Maya: How's biz, Billy?

Billy: You mean, has Ghost begged me to come to a run in Europe with his crew?

Maya (lacht): Yeah.

Billy: Not yet. Any day now, though.

Maya: Won't your pirate chum put in a good word for you?

Billy: I don't know. He keeps complaining about them.

Maya: How so?

Billy: Maya, when this guy's got a beef, you better believe he'll let you know about it. He bitches so much, you'd think they weren't as close as word has it.

Maya: Well, aren't they? I heard Captain Flint's even caught a bullet for Starlight, Lassie-like.

Billy: He keeps his cards close to his chest on that one, don't know why. Must've been personal, 'cause he keeps talking about every run they ever did together.

Maya: You keep dodging me when I ask you to gimme the lowdown.

Billy: C'mon, Maya, I told you enough. I really don't know how much Flint exaggerates, anyway. He's my only source, after all.

Maya: Do you think Starlight's as hot as they say?

Billy: Oh, I met her.

Maya: Why didn't you tell me?

Billy (achselzuckend): Telling you now.

Maya: So?

Billy: I don't know. Pretty, I guess. Classy. Quite friendly, actually. We didn't talk, though, except for hello and goodbye.

Maya: Well, at least you know Captain Flint doesn't mind you meeting them. That's good. You gotta give it a little time.

Billy: Well, how much? I mean, Flint's a nice guy, easy-going. We get along just fine. But I was hoping he'd throw better jobs my way, you know? I keep working my ass off, I'm all over the place, and I hardly get by.

Maya: Times are tough.

Billy: Times are always tough. Finally I meet a guy who's cosy with some of the bigger fish in the pond, and... zilch.

Maya: You think he's doing runs with Ghost's crew without telling you?

Billy: How am I supposed to know? We're shadowrunners. We don't ask: "Where you been? You got any idea how late it is? Oh, you been out? With who?"

Maya (lacht): No, but folks talk.

Billy: No, didn't hear anything. In fact, I actually do think he isn't doing much with them. Keeps bitching about how they could give him a holler every now and then.

Maya: I guess the big jobs don't come by once a week. Gotta be patient, Billy.

Billy (sarkastisch): Yeah.

 

Am Abend schaut Billy im Afterlife vorbei, dem umgebauten Leichenschauhaus, in dessen Keller Kozlowski und Bozinski ihre kleine Cyberklinik haben, und lässt sich ein Software-Update für ihre Smartverbindung einspielen. Koz nutzt die Gelegenheit, ihr einen Auftrag zu geben, und schickt sie zu Kettrick, einem der Barkeeper hier. Der unauffällige Kerl verdächtigt seine Frau Cynthia, ihn zu betrügen. Sie ist oft "mit Freundinnen unterwegs", aber manches Alibi ist schon ins Wanken geraten, und inzwischen ist sich Kettrick sehr sicher, dass sie ihn betrügt, und will nur noch wissen, mit wem sie schläft. Für morgen Abend nach dem Abendessen hat sie wieder einen "Termin". Kettrick überspielt ihr ein Video von Cynthia auf ihr Kommlink. Billy ist erstaunt, was für eine hübsche Frau ein langweilig scheinender Typ wie Kettrick da abbekommen hat.

 

Danach tanzt sie im Afterlife die Nacht durch, fährt morgens mit Adonis heim und hat heißen Sex auf dem Küchentisch. Dabei erkennt der Zuschauer, dass die so energetische, quirlige, selbstbewusste Orkin es beim Sex überraschenderweise eher devot mag und ihren Freund wirklich von Herzen liebt – weil er so ein großer, starker Testosteronbrocken ist.

 

Am Abend wartet Billy in ihrem unauffälligen Bionic und verfolgt Cynthia. Unterwegs verreckt der Bionic aber plötzlich. Fluchend steigt Billy aus und verfolgt Cynthia im einsetzenden Regen zu Fuß weiter, wobei sie schlaue Abkürzungen nimmt und es dank des abschüssigen Geländes mit einer großen Prise Glück schafft, sie nicht aus den Augen zu verlieren – und sie hat noch mehr Glück, dass Cynthia ihr Viertel nicht verlässt und bald schon wieder einparkt.

 

Billy muss eine große Distanz überbrücken, um aufzuschließen, und an einer Haustür geht's nicht weiter, aber Billy hat abermals Glück: Sie schließt nicht richtig, und die kräftige Orkin kriegt die Tür auf. Sie lauscht im Treppenhaus, bezahlt einen Junkie mit einer Schachtel Kippen, der die auffällig attraktive Frau vom Sehen kennt und Billy in den dritten Stock schickt. Dort geht sie den Gang entlang und lauscht, wird auf einen Streit aufmerksam und fragt sich, ob die weibliche Stimme die von Cynthia ist. Kurzerhand klingelt sie, der Typ öffnet, Billy fragt, ob Cynthia da sei, und beobachtet seine Reaktion. Als sie ihm seine Überraschung anmerkt, drückt sie sich an ihm vorbei und findet Cynthia im Wohnzimmer vor. Als die aufgelöste Cynthia versteht, dass ihr Mann sie hat beschatten lassen, stellt sich heraus, dass sie ihn nicht etwa betrügt, sondern nach und nach ihre körperlichen Modifikationen erneuern lässt, die einst billig waren, aber auch nicht lange hielten. Nichts an ihr ist echt, und sie hat große Angst davor, dass ihr Mann sie mit ihren versagenden Modifikationen nicht mehr lieben wird, zumal, wenn er erfährt, dass sie einst nach nichts aussah. Der Typ hier ist nur ein Bekannter, in dessen Wohnung sie die kleineren Eingriffe per Hausbesuch vornehmen lässt (für die größeren muss sie natürlich in den OP) und der die Bezahlungen organisiert, damit sie nicht auf dem Konto der Kettricks auftauchen. Billy nimmt ihr das Versprechen ab, Kettrick die Wahrheit zu sagen. Draußen ruft sie ihn an, gibt Entwarnung, dass Cynthia ihn nicht betrügt, kündigt aber an, dass sie von Cynthia verlangt hat, wegen einer anderen Sache reinen Tisch zu machen.

 

Die Nomaden sind gerade wieder zu Gast in Redemption, weshalb das schäbige Wüstenkaff auch aus allen Nähten platzt. Meryl kommt in ihrem aufgemotzten 2032er Audi Quattro angebraust und flippt aus vor Freude. Nach zahllosen Begrüßungen bleibt sie bei ihrer Kindheitsfreundin Epiphany hängen. Der Zuschauer erfährt, dass sich Meryl vor zwei Monaten endlich eine FSE II hat einsetzen lassen. In bierseliger Laune berichtet Meryl von ihren unverbindlichen Abenteuern, von Cutty, Cougar oder Spirit – aber sie wünscht sich, jemanden zu finden, der ihr Herz berührt. Epiphany wiederum findet so etwas öfters, was sich aber immer als Enttäuschung erweist.

 

Billy erhält einen Anruf von King: Elroy McNeice ist hinter Gitter gewandert, und die Cyclones, eine kleine Gang, haben sich kurzerhand seine Frau geschnappt, halten sie fest und haben Holos von ihr verschickt, um ihn zu erpressen, weil er im Knast jemanden für die Cyclones erledigen soll. Das jedoch wäre sein sicherer Tod, weil das Opfer bei einer Triade im Dienst steht, also hat er sein Sparschwein geschlachtet und sich an King gewandt. Billy erhält die Adresse, holt Ivory mit ins Boot und fährt mit dem Fahrrad unterm Arm mit der Subway los, weil ihr Bionic in der Werkstatt ist, und wird unterwegs mit Werbung bombardiert. (In Touch With Tomorrow. (Cyberhände halten ein Neugeborenes.) / Xtraordinary! Xotic! Xciting! / Can you afford not having a nice smile? / Setting Sun – spend your last days in luxury. Donate organs on location. / The accident took my legs – Pensodyne gave them back. / Don't get old – get Novaderm! / Is she really telling everything about her past? Contact us for complete PPF DE exam. (Past-Present-Future DNA-Evaluation.))

 

Billy und Ivory treffen sich auf einen Smoothie und besprechen den Auftrag, während sie sich das kleine Restaurant ansehen, in dessen Keller Mrs. McNeice gefangen gehalten werden muss. Damit hat Ivy natürlich auch gleich die Systemadresse und macht mit Billy ab, den Laden bis heute Abend ausspioniert zu haben. Sie kommen auch auf Persönliches zu sprechen, und Billy erfährt, dass Ivy heute Morgen ihren Freund rausgeschmissen hat, weil er sie betrogen hat.

 

Um bei Cutty einen gut zu haben (in der Hoffnung, dass er sie bei Ghost unterbringt), ruft Billy ihn an. Er sitzt gerade im AquaDome und wohnt live dem Thunder Bowl bei (Hydro Thunder). Sie bietet ihm an, mitzumachen, und bestellt ihn für heute Abend ins Good Girl, Ivys Hangout.

 

Cutty passt nun wirklich nicht ins Good Girl (CP 2077, Lizzie's Bar) und scheitert an den Furies, die den Schuppen bewachen, aber Ivy checkt ihn via Kamera und lässt ihn rein. Cutty setzt sich zu den beiden Frauen.

 

Cutty: Ivory, huh? Poison and Ivy, that's nice.

Ivy: Wow, never heard that one before.

Cutty: I'm here all week.

 

Sie besprechen den Gig: Ab 02:00 Uhr sollte der letzte Gast verschwunden sein, und für Ivy ist es ein Leichtes, das Sicherheitssystem zu überlisten und die beiden via Kamera zu dirigieren – aber ohne Kampf wird es nicht ablaufen, denn die Cyclones nutzen das Restaurant wohl schon lange als Front, und einige von ihnen wohnen im Keller.

 

Sie machen also ab, um 02:00 Uhr loszufahren – bis dahin muss man die Zeit totschlagen. Cutty flirtet heftig mit Ivy, und schließlich gehen sie zu zweit in Ivys Kellerräume, um Dampf abzulassen. Billy zeigt es nicht, wirkt aber etwas angefasst, als die beiden weg sind. Natürlich hat Cutty mit seinem Aussehen und seinem jungenhaften Charme einen Schlag bei Frauen, aber Billy weiß auch, dass Ivy nur so schnell zu knacken war, weil sie Bock darauf hat, sich an ihrem Ex zu rächen.

 

Jeder fährt selbst los (Billy in Ivys Wagen, den sie sich ausgeliehen hat, Cutty auf der Emperor), und sie telefonieren unterwegs. Cutty erkundigt sich beiläufig nach Ivory, und Billy verdreht die Augen. Sie hat langsam gemerkt, dass sich unter Cuttys sympathischer Art ein launisches, zielloses, verwöhntes Kind verbirgt, egozentrisch, nachtragend und emotional völlig instabil, aber ohne sich all dessen bewusst zu sein. Jetzt denkt er also gerade, sich für Ivory zu interessieren, aber das wird nicht lange halten, also reagiert Billy gar nicht darauf, sondern lenkt ab.

 

Während Ivy aus der Ferne jede Tür öffnet und die drei Kameras nur sehen lässt, was sie sehen sollen, dringen die beiden problemlos ins dunkle Restaurant ein und schleichen sich in den Keller. Die Musik und Stimmen von unten sind unüberhörbar, so dass auch Cuttys schlechte Heimlichkeitswürfe nicht auffallen. Dort ist keine Kamera, also können die beiden nur versuchen, zu erlauschen, dass sie es wohl mit etwa vier Mann zu tun bekommen, vielleicht mehr. Wie verabredet lässt Poison eine Rauchgranate in den Raum rollen, die beiden dringen ein, Poison prügelt sich mit ein paar Gangern im dichten Nebel, durch den Cuttys Blitze zucken, und als es ruhig wird, dreht Ivy die Klimaanlage auf Overdrive, so dass man wieder ein bisschen sehen kann.

 

In einem der Kellerräume liegt eine Frau gefesselt und geknebelt auf einer schmutzigen Matratze, und es ist unübersehbar, was man ihr angetan hat. Als Poison ihren Knebel entfernt, erleidet Mrs. McNeice einen Nervenzusammenbruch und schreit wie am Spieß, dass die beiden die Ganger töten sollen, und ist nicht ruhig zu kriegen. Poison wirft sie sich über die Schulter, und sie verlassen das Restaurant, um die geschundene Frau am vereinbarten Treffpunkt abzuliefern.

 

Ein paar Tage später findet sich Meryl vor dem völlig heruntergekommenen Sunshine Motel ein (CP 2077, FTP Badlands, Sunshine Motel), um mit einigen Nomadenkumpels einen Botenauftrag zu erledigen. Jedoch ist noch keiner ihrer Leute da, nur Too Sweet Tutter, der Auftraggeber, sitzt auf der Bank und wartet geduldig. Es wäre lächerlich, nicht auszusteigen und hinüberzugehen, aber zuerst ruft Meryl ihre Leute an, doch die sind von einem Anasazi-Stamm aufgehalten worden, mit dem sie mal Stress hatten und der sie nun nicht passieren lässt – sie schaffen es nicht. Angepisst geht Meryl zu Too Sweet, weil sie nicht das Gesicht verlieren möchte, indem sie einfach wegfährt. Sie tut so, als sei alles ganz normal und als sei sie hier, um das Paket zu holen. Too Sweet nennt den Treffpunkt (ein ödes Loch namens Cabazon östlich von San Bernardino) und den Empfänger: die DeSades. Verdammt! Ausgerechnet sie steht nun ausgerechnet bei diesem Auftrag plötzlich mutterseelenallein da. Aber Meryl wäre nicht Meryl, wenn sie den Schwanz einziehen und sich nicht "Wie ich das hinkriege, überlege ich mir später" sagen würde, also nimmt sie den Koffer entgegen und steigt wieder ein.

 

Im Audi rastet sie aus, flucht sich wie ein Bierkutscher die Seele aus dem Leib und denkt panisch darüber nach, wie sie so dämlich sein konnte, zuzusagen. Was, wenn sie einfach abgeknallt wird? Was, wenn die DeSades sie, nur um sie zu demütigen, erneut kidnappen? Was, wenn Stu und Kitsune sie abermals wie ein kleines, hilfloses Kind befreien müssen, das einfach nicht lernen will, dass die Hand nichts auf der heißen Herdplatte zu suchen hat?

 

Nachdem sie ihren Fluchanfall überwunden hat, ruft sie Cutty an, denn sie braucht unbedingt Rückendeckung. Ghost, Starlight, Pride, Quicksilver und Angel sind Gott weiß wohin gereist, Stu und Machine sind für einen Wassertransport in die Northern Crescent gefahren, Kitsune würde sie niemals fragen, und auch die Kandidaten der zweiten und dritten Wahl fallen in eine von vier Kategorien: "Nicht verfügbar, kenne ich nicht gut genug, traue ich nicht genug oder mag ich zu sehr, um sie in eine mögliche Katastrophe zu führen."

 

Cutty steht in Hecate's Corner Store am Tresen, lässt seinen Charme spielen und genießt es, Minerva nervös zu machen und rot anlaufen zu lassen, als Meryls Anruf eingeht. Weil er bereits auf dem Sprung ist, um für Señora Arguiñano etwas zu erledigen, muss er ablehnen, verbürgt sich aber für Poison und will ihr mit Meryls Okay den Job anbieten.

 

Von jetzt auf gleich zu springen, um einer Bekannten von Cutty, die sie nicht kennt, bei einer potenziell lebensgefährlichen Angelegenheit auszuhelfen, ohne das Risiko zu kennen, lässt Billy zuerst ablehnen. Als ihr jedoch klar wird, dass es um Mercury geht, die schon einige Runs mit Ghost absolviert hat, sagt sie zu, bevor sie es sich anders überlegen kann, packt ihre Artillerie ein – man weiß ja nie, was man braucht – und düst los. Ähnlich wie Meryl fragt sie sich in Selbstgesprächen auf der Fahrt, wie sie so blöd sein konnte, blind zuzusagen, um an einem Ort, den sie nicht kennt, mit einer ihr völlig fremden Frau zusammenzuarbeiten, und das obendrein ohne Vorbereitung?

 

Billy braucht mit ihrem lahmen Bionic zweieinhalb Stunden zum Treffpunkt im verwahrlosten Cabazon (CP 2077, FTP Badlands, Rocky Ridge). In dementsprechend angespannter Atmosphäre lernen sich Mercury und Poison kennen. Sie klären kurz ab, was Poison mitgebracht hat, und es macht für Meryl am meisten Sinn, sie mit ihrem HK SL8 (kein Scharfschützengewehr, aber das Nächstbeste) auf einem weit entfernten Hausdach zu postieren und sie mit Funk auszustatten (da Verständigung via Kommlink geortet und unterbrochen werden kann). Sollten die DeSades aggressiv vorgehen, hat Meryl etwas Rückendeckung, die die Ganger hoffentlich in Deckung gehen lässt, was ihr Zeit zur Flucht verschafft – und wenn nicht, hat Meryl sehr beeindruckend Gesicht gezeigt, dass sie scheinbar allein den DeSades gegenübertritt.

 

Gesagt, getan, Meryl sitzt auf der Motorhaube und wartet, und im Sonnenuntergang brausen die Scaps an, und natürlich wirken sie in ihrer abgefuckten SM-Schrägheit mit ihren extremen Körpermodifikationen gewohnt bedrohlich.

 

Die Übergabe scheint glatt über die Bühne zu gehen, doch ein paar DeSades stecken die Köpfe zusammen, und einer von ihnen begibt sich zur Anführerin der Truppe und flüstert ihr etwas zu, während diese Mercury nicht aus den Augen lässt. Später kann sie nicht mal mehr selbst sagen, ob sie in einem Reflex auf eine Bewegung ihr Sturmgewehr von der Schulter hat rutschen lassen oder ob sie dies vorsichtshalber tat – und ebenso wenig, ob zwei der DeSades ihre Kanonen aus heiterem Himmel zogen oder als Reaktion auf sie. Schon fliegen Kugeln, Mercury springt hinter ihren Audi und feuert blind über die Motorhaube, und Poison räumt aus der Ferne gezielt zwei Gegner ab, bis diese begreifen, dass nicht nur Mercury schießt. Die DeSades gehen in Deckung, was Mercury die Gelegenheit verschafft, in den gepanzerten Quattro zu springen und loszurasen.

 

Sie holt Poison ab, aber bei den niedrigen Dächern weiß sie, dass die DeSades sie nicht verlieren können, weil sie nur ihrem aufgewirbelten Staub folgen müssen. Sie rast nach Nordwesten aus dem Kaff hinaus, und auf der Landstraße hängen sich schon bald immer mehr Ganger in ihr Kielwasser. Querfeldein hätte sie verloren, da sind die Ratbikes schneller, aber auch auf gerader Strecke kann ihr Auto den Vorsprung nicht vergrößern. Weil sie es geriggt fährt, macht sie zwar keine Fahrfehler, doch schneller, als ihre PS es hergeben, kann sie auch nicht fliehen.

 

Die Verfolgungsjagd im feurigen Abendrot vor Wüstenkulisse dauert sogar eine ganze Weile, und nach einigen Meilen sieht Mercury eine Abzweigung, die in einen nicht kartierten Tunnel führt. So etwas braucht sie, um die DeSades abzuschütteln, also nimmt sie sie. Jeder Nicht-Rigger wäre in dem Tunnel, der sich als Minenschacht herausstellt, sofort gecrasht, aber Mercury kann die Tunnelwindungen meistern, nach einigen hundert Metern in letzter Sekunde abbremsen, bevor sie in hüfthohe Betonschutzwände kracht, und diese umfahren – hier herrscht rechts und links Notbeleuchtung von kruden Behausungen her –, aber nach einigen Metern stehen sie dichter, ein Durchkommen ist nicht möglich, und von hinten hört sie die Ratbikes.

 

Mercury und Poison steigen aus, verschanzen sich hinter den Absperrungen, Poison schießt gezielt mit dem Sportgewehr, Mercury gibt Sperrfeuer, und die jaulenden Querschläger tun ihr Übriges. Beide funktionieren nur noch und haben keine Zeit zum Nachdenken.

 

Der Angriff wird zurückgeschlagen, die DeSades zerren ihre Verwundeten hinter die nächste Tunnelbiegung, und es kehrt kurz Ruhe ein. Dann aber laufen die ersten Ganger geduckt Richtung Absperrung, während ein DeSade mit einem Sturmgewehr die beiden Frauen niederhält. Poison wechselt zur Ares Pulsar, und die beiden erhöhen ihrerseits den Druck mit vollautomatischem Feuer, das auch zwei DeSades zerschrotet. Erneut ziehen sich die Ganger zurück, und es bleibt länger ruhig.

 

Während Mercury den Tunnel sichert, sieht sich Poison die provisorischen Behausungen an. Es ist deutlich, dass hier Ganger abhängen, nur nicht dauerhaft, aber dieser Tunnel dient als Rückzugsort. Sie dreht die Flutlichter ein bisschen, so dass sie für bessere Sicht sorgen und gleichzeitig den Gegner blenden.

 

Die beiden diskutieren kurz, ob sie zu Fuß ins Ungewisse vorrücken sollen, nämlich in den stockfinsteren Tunnel, aber damit ließen sie den Flaschenhals zurück, der sich ganz gut verteidigen lässt. Jedoch wissen sie auch, dass niemand sie suchen kommt, und sie haben hier kein Signal – die Abdeckung ist in den Badlands eh schon schlecht, und im Tunnel war dann einfach Schluss. Das gibt den DeSades alle Zeit der Welt, sich neu zu formieren und auf Verstärkung mit besserer Artillerie und eventuell einem gepanzerten Fahrzeug zu warten.

 

Beiden ist klar: Sie leben nur noch von geborgter Zeit. Das war's jetzt. Da draußen sind noch locker anderthalb Dutzend kampffähige Ganger, die sie einfach überrennen könnten, wüssten sie nicht, dass die Ersten von ihnen dabei unweigerlich ins Gras beißen würden.

 

Mercury und Poison kennen einander überhaupt nicht und reden daher nicht darüber, aber beiden ist klar, dass auch die andere Bescheid weiß. Die gespenstische Ruhe und die nur von den Flutlichtern rechts und links durchbrochene Finsternis zerren an den Nerven, und jeden Moment könnte es wieder losgehen – womit sich jede Minute wie eine Stunde anfühlt und jede Stunde wie ein Tag. Dabei lauschen sie die ganze Zeit konzentriert auf jedes Geräusch aus der Dunkelheit.

 

Meryl tritt sich innerlich dafür, diesen Job angenommen zu haben. Sie hatte Gesicht zeigen und der Welt demonstrieren wollen, dass sie vor den DeSades keine Angst hat, und Ghost hatte ja gesagt, dass das Wolfpack auf seine Bitte hin signalisiert hat, dass es mit den Runnern zusammenarbeitet. Seitdem kam von den DeSades nichts mehr. Warum sollten sie auch Ärger mit dem Wolfpack riskieren, nur um eine private Rechnung zu begleichen? Dennoch: Musste ausgerechnet sie mutterseelenallein zu dieser Übergabe erscheinen? Bettelte sie damit nicht förmlich darum, auseinandergenommen zu werden? Und verdammt, wer hatte überhaupt angefangen? Hat letzten Endes sie selbst durch eine unbedachte Bewegung dieses Chaos ausgelöst?

 

Billy geißelt sich ebenfalls. Sie hatte die Geduld mit Cutty verloren und wollte einen schnelleren Anschluss an dieses renommierte Team finden, und nun sitzt sie hier draußen im trostlosen Nirgendwo und wartet auf den Tod. Verstohlen und von Meryl unbemerkt wischt sie sich eine Träne der Wut auf sich selbst aus dem Auge.

 

Irgendwann ruft die Natur, und Meryl sucht sich ein Plätzchen. Dabei fallen ihr die Ganginsignien auf, die Billy, ein Stadtkind, nicht kannte: Die gehören zur BU, einst gegründet als Barstow Union, aber über die Jahre zu einer sehr verrohten Badlands-Gang mutiert, die sich selbst Scavengers nennt, doch wegen der Initialen ihres ursprünglichen Namens oft Butt Uglies genannt wird.

 

Es erklingen wieder Geräusche im Tunnel. Die beiden Frauen nehmen ihre Positionen ein, als plötzlich Granaten geflogen kommen: CS-Gas. Schon zeigen sich die ersten Scaps mit Gasmasken, die nun mit Sturmgewehren Sperrfeuer legen und die beiden niederhalten. Jetzt hilft nichts anderes mehr: Sie nicken sich zu, bevor das Gas sie erreicht, krabbeln zum Wagen, steigen ein, Mercury kappt die Lüftung, jackt sich ein, und da kein Platz zum Wenden ist, zirkelt sie rückwärts durch die Betonschutzwände, ganz dicht an den DeSades vorbei und dann weiter rückwärts durch den sich windenden Tunnel. Aus nächster Nähe wird draufgehalten, und der Quattro wird trotz seiner leichten Panzerung übel zusammengeschossen, schafft es aber irgendwie ins Freie. Schlingernd fährt er durchs provisorische Camp der Scaps und plättet den Generator, der die Standlichter versorgt, so dass nun alles in stockfinsterer Dunkelheit liegt. (Die Lichter des Quattro sind bereits zerschossen, aber die Hälfte der Sensoren arbeitet noch.)

 

Der Wagen zieht brutal nach links, vorne sprühen Funken, und die Höchstgeschwindigkeit ist nur noch halbiert – aus dieser Flucht wird nichts mehr, denn die ersten DeSades haben sich auf ihre Maschinen gesetzt und die Scheinwerfer angeschaltet. Als wäre das noch nicht genug, sah Poison eben in einigen hundert Metern Entfernung mehrere Lichter, die genau auf diesen Standort zuhalten. Immerhin: Sie haben ihr Fort so lange gehalten wie möglich und es gut verteidigt.

 

Die Scaps holen den Quattro schnell ein und ballern von rechts und links darauf. Die Panzerplatten anstelle der Scheiben schützen die Insassen zwar, aber der Wagen steht kurz vorm Totalschaden. Die Lichter schließen jedoch immer näher auf, und nun ertönt von hinten Geballer, und DeSades werden von ihren Maschinen geschossen – sie hatten ihre Verstärkung bereits erhalten, und dies hier ist keine weitere, dies sind die Scavengers, auf deren Turf sich die DeSades herumtreiben. Mercury nutzt die Gunst der Stunde und holt alles aus dem Quattro heraus.

 

Ein paar Minuten später schon bleibt er liegen. Mercury ruft Fred an, um ihn abholen zu lassen. Im Sonnenaufgang fährt der Truck mit dem abgeschleppten Audi in Redemption ein, und Meryl und Billy gehen in Trixie's Bar & Grill, um zu frühstücken. Unglaublicherweise haben sie diese Nacht überlebt, und jetzt, Stunden später, können sie im feuerroten Licht der Morgensonne sogar offen darüber reden und scherzen. Beide merken, dass sie dieses Erlebnis verbunden hat, obwohl sie einander noch so gut wie gar nicht kennen – doch das Wichtigste, das sie wissen müssen, wissen sie jetzt übereinander.

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