59 - End Of An Era {{ currentPage ? currentPage.title : "" }}

Musik: Congo, Jurassic Park 2, The Ghost And The Darkness, Tomb Raider, Uncharted, Soul Calibur uvm.

 

1373 DR, Year of Rogue Dragons: Fleece, Jen, Caldaia, Zhai, Spider, Raif, Milandre, Valmaxian, Skaar, Tulwood und J'avo benutzen die elf Fährsteine und finden sich am Portkristall im prächtigen Garten des Valkazar-Anwesens ins Manshaka wieder – für Milandre, Tulwood und J'avo ist das ihre erste Teleportation (für Caldaia ist es unglaublicherweise schon die zweite, wenngleich sich diese hier anders anfühlt) und auch das erste Mal in Calimshan. Sklaven holen Saref herbei, und Tulwood lernt die nächste Traumfrau kennen (obendrein in dieser herrlich exotischen, freizügigen, für ihn noch völlig fremdartigen Garderobe), die Raif, Fleece und Jen kontaktlos, aber sehr innig und vertraut begrüßt. Die Begrüßung dauert natürlich ein wenig, da man sich an calishitische Gepflogenheiten hält, und so lernt Saref auch Caldaia, Milandre, Skaar, Tulwood und J'avo kennen. Sie bedauert, dass der Hausherr abwesend ist und seine noblen Gäste nicht persönlich in Empfang nehmen kann.

 

Während sich die noch Ungeübten unter den Abenteurern fassungslos in dieser luxuriösen Pracht umsehen, führt Saref die Gäste zu einer offenen Terrasse, auf der sie Dr. Amaraeus Meranilius und seinen unauffälligen, zurückhaltenden Assistenten Jiv Hiriel kennen lernen. Der alte, aber offenbar quicklebendige, schlaksige Forscher, dessen rote Nase und Wangen von regelmäßigem Alkoholgenuss künden, ist ein bekannter Doktor an der Universität von Esmeltaran, der sich in der akademischen Welt einen Namen gemacht hat als Historiker mit dem Fokus auf der Geschichte der Echsenvölker Faerûns. Valmaxian weiß, dass er mit Harukar Kurash von der Universität von Mintar konkurriert, und kann auch gleich mit ihm fachsimpeln, was Meranilius höchst erfreut.

 

Man erfährt, dass Amaraeus gerade in Calimport weilte, als ihn ein Brief von einem befreundeten Forscher erreichte, aus dem er erfuhr, dass der meridianische Forscher Col Marena angeblich eine Spur gefunden hat, die Fordred Gamaras' These bestätigen soll (die besagt, dass die Alaru der Schlüssel zur Enträtselung der echsischen Geheimnisse sind). Amaraeus weiß aber, dass Harukar Kurash in Mintar wohl in etwa zur selben Zeit eine entsprechende Nachricht bekommen haben dürfte, und will ihm nun eilig zuvorkommen. Zu diesem Zweck steht ihm die Endeavour zur Verfügung, ein Schiff aus Baldur's Gate mit Schwertküstenbesatzung, das Valkazar kurzerhand Meranilius zum Gefallen "gemietet" hat – wohin er auch möchte, es wird ihn bringen.

 

Diskret überreicht Saref Fleece Juwelen und Münzen im Wert von ungefähr 500 D in tashalarischer Währung (Piatal (10 G, Mondsilber), Oreal (1 G, Gold), Argal (1 S, Silber), Cural (1 H, Kupfer), Tessal (1 K, Bronze)), um etwaige "Unkosten" zu decken. Fleece fragt Saref, ob sie Yazid Azad darum bitten könnte, Raz zu schreiben, dass er noch ein Weilchen bei der Gemeinschaft bleiben soll. Jen hat Raz ins Herz geschlossen, und Fleece müsste blind sein, um nicht zu erkennen, wie wohl er sich bei der Gemeinschaft fühlt. Hoffentlich erkauft ihm das wenigstens genug Zeit, um einander bei Brans Hochzeit noch einmal wiederzusehen. Hierbei genießt man natürlich unglaublichen Luxus: Eben weilten sie noch in Zazesspur, nun in Manshaka, wo sie Azad darum bitten, in das magische Journal zu schreiben, das Raz irgendwann ungezählte Meilen weiter nördlich aufschlagen wird.

 

Zwar lassen Fleece, Jen und Raif es sich nicht nehmen, ein paar Minuten mit dem nun schon zweijährigen Malphas zu verbringen, aber es gibt keine Zeit zu verlieren: Zu Fuß geht es durch das für die noch nicht so weit Gereisten unglaublich aufregende und beeindruckende Manshaka zum Hafen, wo man an Bord der Endeavour geht und in den nächsten Tagen nach und nach die Besatzung kennen lernt: den eher wie ein Kaufmann wirkenden Kapitän Teremon, den zupackenden Bootsmann Baltram, seinen großen Bruder und Steuermann Gradon, den flamboyanten Raelan, den Schönen Agar, der sich trotz seiner Hässlichkeit für einen unwiderstehlichen Frauenhelden hält, den durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Rimgal, die sehr einfach gestrickten Leichtmatrosen Peggle und Fleet, den übellaunigen Schiffszimmermann Callab, den Schiffskoch Norbyr und so weiter. Fleece stellt sowohl beim captain's dinner als auch unter der Besatzung Wohlwollen her, nimmt sich aber auch Zeit für ihre Kameraden.

 

Zu den heroischen Klängen von Soul Calibur und Assassin's Creed – Black Flag beginnt die Fahrt gen Süden. Für Raif ergeben sich die gewohnten Probleme: Kaum ist er an Bord, beginnt ihm schon flau zu werden. Glücklicherweise ist er damit diesmal nicht allein, denn Caldaia stellt sich als noch schlechtere Seefrau heraus, die noch öfter über der Reling hängt als er. Tulwood ist furchtbar aufgeregt, inmitten dieser Leute einem so unglaublichen Abenteuer entgegenzureisen, J'avo macht mit sich selbst aus, dass er endlich wieder auf Schiffsplanken steht und obendrein seiner Heimat entgegensegelt, ist aber auch neugierig auf die Nichtmenschen, von denen er schon so viel gehört hat, und begegnet Spider, Zhai und Skaar ohne Scheu. Auch an die Besatzung findet er schnell Anschluss, sobald er mit ihr erst mal gezecht und ein paar Runden Hai & Hering gewürfelt hat. Milandre macht mit sich aus, dass sie sich nie hätte träumen lassen, wohin sie ihr Eid führen würde – und dass sie sich davon bisweilen überrannt und heillos überfordert fühlt. Zhai genießt in vollen Zügen, Zazesspur endlich entkommen zu sein, sie selbst sein und Zeit mit ihren Freunden verbringen zu dürfen. Skaar, der auffälligste Reisende, will bei jeder Gelegenheit mit dem Schiff wettschwimmen (was man aber nur bei Flaute erlaubt) und macht sich mit seiner Kraft auch sonst überall nützlich. Valmaxian und Dr. Meranilius sind es beide nicht gewohnt, einen wirklich gebildeten Gesprächspartner zu haben, und führen endlose Gespräche, wobei Meranilius die Breite von Valmaxians Bildung bestaunt und Valmaxian, der sich mit der echsischen Thematik nur oberflächlich beschäftigt hat, viel dazulernt. Sogar Raif kann bei Meranilius punkten, und zwar mit seinen Erlebnissen von Ban Bashurs Party in #37 – AS ABOVE, SO BELOW.

 

Während der Seereise lief natürlich durchgehend Assassin's Creed – Black Flag, was für ein tolles Flair sorgte, ebenso die etwas detaillierteren Befehle ("Nehmt das Reff aus dem Focksegel!") und Kommunikationsketten:

 

Teremon: Klar Deck zum Ablegen!

[...]

Matrose 1: Deck ist klar!

Matrose 2: Deck ist klar!

Baltram: Deck ist klar, Kapitän!

 

Interessant ist ein Gespräch zwischen Fleece und Tulwood. Fleece ist durch all ihre Erlebnisse seit 1366 DR erwachsen geworden und versucht Tulwood zu erklären, dass sie, wenn er stürbe, für seinen Tod verantwortlich wäre, weil er nicht weiß – nicht wissen kann –, worauf er sich einlässt. Er sieht nur den heroischen Aspekt (sie kennt das, das tat sie damals auch) und unterschätzt die Gefahr, weil die Toten für ihn nur gesichtslose Namen sind. Fleece hatte Tulwood nicht mitkommen lassen wollen, tat das aber Bran zuliebe, weil der sich das so sehr gewünscht hatte – anderenfalls wäre der junge Cormyrianer nicht hier. Tulwood reagiert jugendlich impulsiv und bockig: Fleece solle sich nicht einbilden, ihm so altersweise zu kommen, sie sei schließlich "nur" acht Jahre älter als er, worauf sie erwidert: "Elemer, acht Jahre in diesem Leben machen mich praktisch zu deiner Großmutter." Tulwood versetzt, dass sie und die anderen schließlich auch mal so "dumm" waren wie er. Ja, entgegnet Fleece, aber jetzt sind sie es nicht mehr, Tulwood schon. Als er immer wütender wird, reizt sie ihn sogar noch, weil sie sich insgeheim wünscht, dass er aufgibt. Da er ihr rhetorisch nicht gewachsen ist und sie nicht aus der Fassung bringen kann, sie ihn aber schon, stampft er leise vor sich hinschimpfend ab.

 

Als das Schiff in schweres Wetter gerät (Baltram: "Sturm? Das ist kein Sturm! Das ist noch noch nicht mal Wind!"), sterben nicht nur Raif und Caldaia tausend Tode, sondern es wird den meisten schlecht, und Tulwood und Caldaia wünschen sich, nie mitgekommen zu sein.

 

Die von Manshaka aus überschaubar kurze Fahrt nach Süden verläuft ereignislos, aber unterwegs kann man ein Schiff der Schwarzen Armada beobachten, das einen Piratenschooner aufbringt.

 

Dr. Meranilius hat zwei Ansatzpunkte: die benachbarten Inseln Flotsam (Treibgut) und Jetsam (Strandgut), aber sein Brieffreund wusste nicht, welche der beiden Col Marena angesteuert hatte. Also geht man zuerst vor Flotsam (Assassin's Creed – Black Flag, Crooked Island) vor Anker, und während Meranilius, Fleece und Jen sich auf die Suche machen, genießen die anderen den Landgang und den Rum (in der Landessprache Cai). Tulwood fallen fast die Augen aus dem Kopf, als er sieht, wie die Frauen hier herumlaufen – dabei ist das noch gar nichts. Obendrein kleiden sich auch die eigenen Waffen Jen, Fleece und Caldaia immer etwas freizügiger, je weiter südlich sie kommen. Milandre fühlt sich schon seit Manshaka nackt ohne ihre Rüstung, die Fleece in ihrer Truhe verstaut hat, und brauchte einige Zeit an Bord der Endeavour, sich daran zu gewöhnen. Hier, unter fremden Menschen, die schamlos mehr Haut zeigen, als sich Milandre je hätte vorstellen können, kommt sie sich selbst nicht nur noch fremder vor (weil sie subjektiv fühlt, dass sie mit normaler Kleidung heraussticht), sondern auch noch entstellter.

 

Nach einer Stunde Aufenthalt geht es rüber nach Jetsam, denn Flotsam war die falsche Insel. Da man hier über Nacht vor Anker geht, kriegen bis auf die Notbesatzung alle Matrosen Landgang, und so kehrt eine sehr große Gruppe in der Freilufttaverne ein, während Dr. Meranilius, Fleece und Jen nach einer Spur suchen und herausfinden, dass Col Marena tatsächlich auf Jetsam Halt gemacht hat und von hier aus nach Vir Bhadra (an der Küste der Provinz Thindol) wollte, nachdem er auf der Insel Ruinen untersucht hat. Natürlich sichert sich Meranilius sogleich einen ortskundigen Führer, der ihn morgen dorthin bringt.

 

Sie gesellen sich zu den anderen, und Meranilius schlägt beim Rum ordentlich zu und erweist sich als lustiger und fröhlicher Geselle, auch wenn langsam allen aufgegangen ist, dass er sehr gewagte Theorien vertritt (er wittert eine geheime, torilumspannende Verschwörung der Geschuppten), die er, je betrunkener er wird, umso paranoider und nachdrücklicher unters Volk bringt.

 

Caldaia, vom ungewohnten Rum benebelt, setzt sich in den Kopf, Jen bei den nächsten Landgängen nun doch begleiten zu wollen, obwohl Jen nur mit der Reise einverstanden war, wenn Caldaia stets auf dem Schiff in Sicherheit bleibt, was diese auch versprach – aber nun ist sie angetrunken, und sie hat Blut geleckt, weil sie nicht ahnen kann, wie schlimm es da draußen wird. Sie und Jen streiten, Caldaia rauscht ab, Jen will ihr folgen, weil so eine schutzlose Fremde hier draußen geradezu "Freiwild" schreit, aber Fleece legt eine Hand auf die ihre, schüttelt den Kopf und sucht Spiders Blick, der bereits nickt und sich an die unauffällige Verfolgung macht.

 

Raif hat sich bereits vorher die Beine vertreten wollen und wird nun auf Caldaia aufmerksam. Die beiden unterhalten sich, und Raif verspürt wieder diese Anziehung, der er sich nicht ergeben darf. Er verteidigt vorsichtig Jens Sorge um Caldaia und betont, dass er nicht sagen kann, was gefährlicher war: die Dschungel von Chult, die Dschungel von Tashalar oder Tashluta. Es liegt ein Knistern in der Luft, da Caldaia sich ebenfalls sehr zu Raif hingezogen fühlt, was dieser aber nicht als solches einordnen kann, da er sie noch nicht so gut kennt. Sie fragt sich natürlich, was in aller Welt das denn soll, denn sie liebt Jen ja wirklich von ganzem Herzen. Spider nimmt das Herumgeeiere der beiden zur Kenntnis.

 

In aller Herrgottsfrühe brechen Meranilius und die Helden auf und wandern den Strand entlang, und nach zwei Stunden erreichen sie Überreste eines echsischen Basiscamps (Two Worlds II, Chapter 4, Elkronas, Village, 90:09:36). Meranilius erkennt, das waren Koalinth, und die Führerin meint, dass hier manchmal Echsen auftauchen und campieren, aber nie ins Dorf kommen, und man hat keinen Grund, sie zu verärgern, indem man hier irgendetwas abreißt. Es geht an von Alaru in Stein gemeißelten Totenschädeln vorbei, die einst zur Abschreckung dienen sollten, und nur ein paar Minuten entfernt, aber gut verborgen durch Felsen und Bewuchs, finden sie uralte Ruinen. Meranilius ist begeistert, hatte er doch keine Ahnung, dass sich auch hier welche verbergen, doch diese sind weder von Echsen noch von Alaru geschaffen worden: Diese Konstruktion haben Yuan-Ti errichtet. Die Architektur der Sarrukh, so weiß Meranilius, war ähnlich, aber er datiert diese Ruinen hier auf höchstens 2.000 Jahre – zu jung, um von Sarrukh erbaut worden zu sein. Es muss ein Kultort gewesen sein, denn die Säulen, Türme und geschwungenen Wege ergeben keinen Sinn, zumal es kein richtiges Gebäude gibt. Dabei erklärt er auch, dass die runden, bauchigen Formen charakteristisch für Sarrukh und Yuan-Ti sind und sich durch geschwungene Rampen auszeichnen, denn Yuan-Ti haben oft keine Beine und finden Stufen somit hinderlich, und sie waren die erste Rasse, die die Sarrukh erschaffen haben.

 

Die Abenteurer haben nun sehr viel Zeit, die sie hier totschlagen können, nachdem der erste Reiz für sie verflogen ist, denn Meranilius verbringt hier begeistert den Tag, muss aber an dessen Ende zugeben, dass er nicht wirklich etwas erfahren hat, was er nicht schon wusste.

 

Am nächsten Morgen legt die Endeavour wieder ab und kreuzt querab zur Küste. Vir Bhadra ist ein unbedeutendes Dorf, aber hier findet man Col Marenas Zimmer und seine Unterlagen – er ist vor Tendays von hier aufgebrochen, jedoch noch nicht zurückgekehrt. Meranilius und Maxi schlussfolgern aus den Aufzeichnungen, in welche Richtung seine Reise gegangen sein könnte, weil er sich an einem markanten Berg orientiert hat. Man engagiert Bagua, einen ortskundigen Alaru-Führer, kauft Vorräte ein (ganz wichtig: Moskito-Salbe), und ein Dutzend Matrosen wird abgestellt, als Träger zu fungieren.

 

Am Abend vor der Abreise warnt Spider Captain Teremon, dass Caldaia besser nichts zustößt. ("If anything happens to her... anything at all... I swear to you, I will get very choked up. Honestly, there could be tears.") Jen tut dasselbe am Morgen – weniger ironisch und viel deutlicher –, und wahrlich, Teremon ist mehr als motiviert, für Caldaias Sicherheit zu sorgen.

 

Max belegt sich zwar täglich mit Endure Elements, aber seine Reiseroben sind zu unpraktisch für den Dschungel, so dass er wieder das einfache, heruntergekommene Allerweltsoutfit trägt, das ihn auch durch #57 – TRIBUTE TO THE WEAK begleitet hat.

 

Während die Abreise vorbereitet wird, denkt Tulwood insgeheim eingeschüchtert darüber nach, dass er, wenn er hier die anderen verlöre, so gut wie tot wäre – so unvorstellbar weit von daheim entfernt auf sich allein gestellt in der Fremde zu überleben, hat er noch nicht gelernt. Nie hätte er sich noch in diesem Frühjahr vorstellen können, etwas anderes zu tun, als Thalmor in den Krieg zu folgen, geschweige denn, heroische Abenteuer an der Seite gestandener, in Tethyr tatsächlich berühmter Helden zu erleben. Nun reist er also mit einer Bardin und einer Kriegerin, die beide schon Truppen in die Schlacht geführt haben, mit einem "Riesen", einem Magier, der der intelligenteste Mensch ist, den Tulwood je kennen gelernt hat, einer Ordenskriegerin mit einem heiligen Eid, einer Dunkelelfe und einem Tiefling in einen Landstrich, von dem er bis auf den Namen bis vor Kurzem absolut nichts wusste. Seine Gesellschaft schüchtert ihn einerseits ein, aber andererseits gewinnt auch immer wieder der jugendliche "Euch zeig ich noch, was in mir steckt!"-Drang, sich zu beweisen, die Oberhand.

 

Jen und Cal verabschieden sich liebevoll voneinander, und los geht's zu den altbekannten Klängen von Congo, Jurassic Park, Skull Island und The Ghost And The Darkness. Skaar ist außer sich vor Aufregung: So dichte Wälder hätte er sich im Leben nicht vorstellen können. Natürlich übernimmt er, um sich herauszufordern, die anstrengende Aufgabe, nach Baguas Anleitung dem Tross einen Weg zu bahnen, wenn die Vegetation es nötig macht. Skaar ist klirrende Kälte und dünne, kristallklare Luft gewohnt und funktioniert in den Bergen besser als jeder Mensch, aber hier unten hat er unerwartet große Probleme. Er kommt mit der Schwüle und der Hitze schlechter zurecht als die meisten, und oft muss er feststellen, dass er aus der Puste ist, weil seine Kondition unter dem Klima leidet. Aber typisch Goliath nimmt er das als Herausforderung, und manchmal muss Fleece ihn zügeln, damit er es nicht übertreibt und sich zu viel zumutet.

 

Die noch nicht so weit Gereisten müssen sich daran gewöhnen, dass es täglich regnet und man hier nie wirklich trocken wird (weshalb man hier paradoxerweise trotz der Tropenhitze auch schnell unterkühlen kann). Während die Nächte im Zelt durchaus angenehm sind (wovon die Matrosen nichts haben, die in ihren eigenen Zelten schlafen), geraten andere, in denen Vegetation oder Wetter den Aufbau nicht erlauben, zum Albtraum: Überall kreucht und fleucht es, die Lautstärke des nächtlichen Dschungels ist auch ungewohnt, zumal man wegen der fremdartigen Geräusche nie weiß, ob Gefahr droht. Hinzu kommen die üblichen Insekten-, Spinnen- und Schlangenbisse, die ohne einen Kleriker auf die althergebrachte Weise verarztet werden müssen. (Fleece hat alle angewiesen, alle Schlangen zu töten, die sie sehen, denn ihre Zungen braucht sie als Materialkomponente für Mass Suggestion.) Auch Krankheiten schlagen hier immer wieder zu. Fleece hatte in Marsember ja kräftig Zaubertränke eingekauft, aber die magische Reiseapotheke ist sehr begrenzt.

 

Zu bedenken ist dabei, wie unglaublich luxuriös die Umstände sind: Oft kann man Ban Bashurs magisches Zelt benutzen, mit dem Decanter of Endless Water geht der Gruppe das frische Wasser nie aus, die Frischhalteboxen konservieren frische Lebensmittel, die hier im Nu verderben würden, dank Max' Spark ist es zumindest theoretisch möglich, ein Feuer zu entzünden (auch wenn das meist nur mit Öl gelingt, weil das zu feuchte Holz nicht mitspielt), Endure Elements hilft den Schwächsten unter ihnen, mit der Witterung zurechtzukommen, und Fleece sorgt auf magische Weise für gute Laune und hohe Motivation und im Falle des Falles auch für Zuversicht und Mut.

 

Eines Abends fragt Fleece Dr. Meranilius, den sie nun lange genug für so ein Thema kennt, danach, wie er Valkazar kennen gelernt hat.

 

Meranilius: In einem Teehaus in Calimport. Die Calishiten verabscheuen die Echsen vernünftigerweise wie niemand sonst in Faerûn, und ich war gerade in der Stadt, um an der Universität Vorlesungen zu halten. Und wie ich da so in diesem Teehaus saß und meine Aufzeichnungen ordnete, fiel mir dieser elegante Herr auf. Ich war neidisch auf sein Haar, muss ich gestehen. (Er lacht.) Deshalb blickte ich hin und wieder verstohlen zu ihm hinüber, und da sah ich, wie er beiläufig nach seinem Geldbeutel angelte und feststellte, dass er nicht mehr da war. Er musste bestohlen worden sein. Nun weiß ich ja, wie es die Calishiten mit der Ehre halten, und ich wusste, es würde ihn zutiefst beschämen, wenn er der Bedienung sagen müsste, dass er nicht zahlen kann, also ging ich zu ihm hinüber und fragte ihn, ob ich ihn als Gegenleistung für seine Gesellschaft auf einen Tee einladen kann. Ich sprach sein Dilemma nicht an, damit er sein Gesicht wahren konnte, aber als ich mich dann zum Gehen wandte, bezahlte ich "aus Versehen" auch seinen ersten Tee mit.

     Einige Tage später erhielt ich in der Universität eine Einladung zum Abendessen bei ihm. Ich hatte beim Tee erwähnt, dass ich gerade als Gastdozent arbeite, und so hatte er mich ausfindig gemacht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich einem richtigen Erhabenen aus der Klemme geholfen hatte. Sindayru Valkazar betonte, dass ich mich, wann immer ich etwas benötige, an ihn wenden soll. Aber ich halte nichts davon, solche Kontakte auszunutzen, also kam ich nie als Bittsteller, wenn ich in Calimshan weilte, sondern stets als Freund. Erst jetzt überrumpelten mich die Ereignisse, und ohne Schiff brauchte ich in der Tat Hilfe. Ich hatte gehofft, er kennt vielleicht jemanden bei der Hafenmeisterei, der Jiv und mir zwei Hängematten in der Bilge irgendeines Seelenverkäufers organisieren kann – mit dieser immensen Großzügigkeit hatte ich nicht gerechnet.

Fleece: Was sagtet Ihr zu ihm?

Meranilius: Dass ich das nie wiedergutmachen kann. Darauf sagte Sindayru Valkazar, auf den Wert von etwas Gegebenem kommt es nicht an, sondern nur darauf, wie sehr es der Empfangende benötigt. An jenem Tag im Teehaus hatte er nichts mehr auf der Welt benötigt als ein paar Kupferstücke. Diesmal benötigte ich ein Schiff. So einfach war das für ihn.

Fleece: Es klingt, als liege Euer Kennenlernen schon länger zurück.

Meranilius: Oh, an die zwanzig Jahre werden es nun gewesen sein. (Er seufzt.) Er ist deutlich würdevoller gealtert als ich.

 

Nach etwa einem Tenday wacht man morgens nach einer Nacht ohne Zelt (wegen starker Regengüsse, die ständig den Boden weggeschwemmt haben) in einem Meer aus Fröschen auf, die glücklicherweise ungiftig sind und sich gerade auf Wanderung befinden. Beim Zusammenpacken kleben sie an so ziemlich allem, und selbst Stunden später holt noch jemand einen aus seiner Kleidung. Am Vormittag erreicht die kleine Expedition Spuren alter Alaru-Zivilisation (Shadow of the Tomb Raider, Peruvian Jungles, Plane Fuselage, von hier aus nach Osten). Am Mechanismus, der die Brücke hochzieht, halten Jen und J'avo den Hebel auf dem Turm und Skaar das Steinrad, und nur Dr. Meranilius, Jiv, Spider, Zhai und Max überqueren die Brücke. Meranilius untersucht begeistert den Quipu, die aufwändig bearbeitete steinerne Figur, die die alten Alaru-Stämme verwendet haben. (Die heutigen scheren sich entweder nicht um sie oder pflegen sie, ohne sie zu verstehen.) Quipu dienen als Gemarkungen, als Warnungen, als Abbilder von Göttern, als Abbilder von Herrschern, um ihre Macht zu preisen, um einen Huac'a (einen heiligen Ort) zu markieren etc. Besonders interessant sind die, die Kartuschen beinhalten, denn darin ist ihr Zweck verzeichnet. Meranilius kennt sich grundsätzlich mit diesen Dingen aus, ist aber auf Echsen und nicht auf Alaru spezialisiert, und Max weiß von beiden noch weniger.

 

Hinter dem als Huac'a gekennzeichneten Eingang bleibt nur ein klaustrophobisch enger Kriechgang (Shadow of the Tomb Raider, Peruvian Jungles, Challenge Tomb Canyon Ruins), also gibt Meranilius Zhai Pergament in einem wasserdichten Holzbehälter sowie Holzkohle mit, mit der sie alle Schriftzeichen abpausen soll, die sie sieht. Sie und Spider kriechen allein los (in dieser Enge schlägt Zhais Klaustrophobie wieder zu, unter der sie leidet, seit sie in Trademeet im Abfluss stecken blieb), klettern und springen danach weiter, wobei sie Felshaken und Seile entdecken, die sie benutzen können – jemand war vor ihnen da. Warum die Ausrüstung nicht wieder mitgenommen wurde, erkennt man schnell an den schon seit mehreren Tendays alten, mit Alaru-Pfeilen gespickten Leichen. Hier handelt es sich ganz eindeutig um das Basislager einer Expedition, und das kann eigentlich nur die von Col Marena gewesen sein. Spider sammelt einige Papiere auf (die meisten wurden bereits verweht), und Zhai findet einen sehr schlanken, kleinen Wurfhaken mitsamt Seil.

 

Als die beiden einen Abgrund erreichen, der für Zhai unmöglich zu überqueren ist, ist klar, dass Spider alleine weiter muss. Während sich Zhai ratlos umsieht und dabei gedankenlos den soeben gefundenen Kletterhaken herumwirbelt, spürt sie, wie merkwürdig sich die Bewegung anfühlt, und probiert ihn aufs Geratewohl an dem zu weit entfernten Ast aus. Zu ihrem Erstaunen findet er sein Ziel, obwohl das Seil eigentlich eben noch zu kurz dafür war. Zhai schwingt sich hinüber, der Haken löst sich auf physikalisch unmögliche Weise wieder, und Zhai weiß, dass sie einen sehr guten Fund gemacht hat. (Es handelt sich natürlich um einen magischen Kletterhaken, der auch in kleinsten Spalten Halt findet, der sich auf Wunsch wieder löst und der das daran gebundene Seil in der Länge verdoppeln kann.)

 

Beide staunen nicht schlecht, als sie es dorthin schaffen, wohin Col Marenas Expedition nicht vorgedrungen ist: Unglaubliche, riesige Ruinen künden von einer Alaru-Hochzeit, die man sich heute angesichts der so primitiv erscheinenden Waldmenschen kaum vorstellen kann. Gemeinsam lösen Zhai und Spider das Rätsel, mit dem sie mit der Kiste am Seilzug nach oben fahren können, wo sie eine Art Altar vorfinden. Zhai paust den Quipu ab, und auf einem anderen Weg geht es wieder zurück zu den Wartenden.

 

Meranilius nimmt sich die abgepauste Kartusche vor, während Max Ordnung in die wenigen erhaltenen Aufzeichnungen zu bringen versucht. Aus diesen ersieht er, dass Col Marena zuvor an einem anderen Huac'a war und mutmaßte, ob die dortige Kartusche nur in Zusammenhang mit der, die er hier suchte (und zu der er zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht vorgedrungen war), Sinn ergibt. Amaraeus erläutert die Problematik, dass die Glyphen, die die Alaru benutzten, keine gesprochene Sprache widerspiegeln und anders als modernere Schriftsprachen funktionieren. Ein Zeichen kann für den 17. Tag, die Farbe Rot, die Himmelsrichtung Osten, für Stillstand oder Erde stehen, und die Bedeutung erschließt sich erst aus dem Kontext. Wenn man aber nicht weiß, worum es grundsätzlich geht, hat man es schwer, aus den Glyphen schlau zu werden.

 

Amaraeus versteht, dass Qechua, der König der ausgestorbenen Nahual, hier luftbestattet wurde, aber dem Rest kann er keinen logischen Sinn entlocken. Col Marenas Aufzeichnungen zufolge muss dieser zuvor an einem anderen Huac'a gewesen sein, und zwar im Zusammenhang mit eben dieser Bestattung. Der Historiker hofft nun, dass Marenas Annahme, dass beide Quipu nur zusammen einen Sinn ergeben, zutrifft. Marena wiederum hat sicherlich viel zu dem Huac'a geschrieben, aber die meisten Aufzeichnungen sind verloren. Jedoch liest Max (er spricht sehr gut Tashalari, Amaraeus nur leidlich), dass dieser Ort Marena zufolge von den Eingeborenen "Immerfeuer" genannt wird.

 

Ohne von hier aus eine Spur zu haben, tritt man also die Rückreise nach Vir Bhadra an, die von den üblichen Problemem abgesehen auch ereignislos verläuft. Dort finden Meranilius und Max heraus, dass das Immerfeuer ein Petroleumvorkommen ist, in das man vor dem Einfall der calishitischen Siedler wegen der Nähe zum Element Feuer dem Kriegsgott Karkon zu Ehren einen Tempel gebaut hat. In Vir Bhadra kann man außerdem herausfinden, dass Gaiu vom Stamm der Jeqatoia, mit dem Vir Bhadra Handel treibt, den Huac'a kennt, und diesen Hinweis könnte auch Marena erhalten haben. Bagua wiederum weiß, wie man die Jeqatoia findet, kann die Expedition also weiterhin führen.

 

Die Begleitmannschaft von der Endeavour rotiert, morgen kommen also andere mit. Einige der "Veteranen" kehren mit einigen der Abenteurer in die Taverne ein, die Caldaia dank ausufernder Langeweile schon sehr gut kennt – sie hat hier schon ein paarmal musiziert, wobei Teremon darauf Acht gab, dass sie stets gut bewacht war. Sie ist natürlich überglücklich und erleichtert, alle wohlauf zu sehen, und feiert mit ihnen, ist aber auch enttäuscht, dass sie sich morgen schon wieder auf den Weg machen, und bettelt erneut darum, mitkommen zu dürfen. Als sie (melodramatisch in angetrunkenem Zustand) beklagt, dass sie sich wie im Gefängnis fühlt, warum man sie dann überhaupt aus Chessenta befreit habe, knallt es wieder zwischen ihr und Jen, und wie schon auf Jetsam geht Caldaia hinaus. Die Taverne liegt direkt an der Pier, wo Raif und Spider sitzen und sich unterhalten. Unter einem Vorwand macht sich Spider aus dem Staub und lässt die beiden miteinander allein. Cal setzt sich dicht neben Raif, und der bemüht sich, sie (und sich!) mit Anekdoten abzulenken. Caldaias freizügige und leichte Garderobe (ein paar einfache, auf Jetsam erstandene meridianische Kleider), ihr Schwips und die körperliche Nähe machen es zur Herausforderung für Raif, anständig zu bleiben, zumal Caldaia nicht mal bewusst ist, wie sehr sie auf Tuchfühlung geht, als mache der Alkohol es unterbewusst für sie okay, Raif zu berühren, weil sie es später sich selbst gegenüber auf den Rausch schieben kann.

 

Irgendwann reißt er sich von ihr los, hat auch keine Lust, hineinzugehen, und begibt sich stattdessen zum knapp außerhalb von Vir Bhadra aufgestellten und von Skaar bewachten Zelt, in dem er nur Zhai vorfindet. Die freut sich, ihn mal für sich allein zu haben, merkt aber auch, dass er irgendwie etwas komisch drauf ist, schmiegt sich an ihn und lenkt ihn von seinen Gedanken ab.

 

Selbst die "Neu-Abenteurer" Milandre und Tulwood haben inzwischen ein wenig Routine, als es am nächsten Morgen wieder losgeht, diesmal von hier aus in eine andere Richtung. Durch einige Interaktionen ermuntert nimmt Zhai etwas häufiger Kontakt zu J'avo auf. Als sie sich unterwegs unterhalten, ist sie etwas erstaunt, als er auf ihre Nachfrage gleichmütig antwortet, dass er, wenn hier alles erledigt ist, in Meridiana bleiben wird. Alle Helden der Gemeinschaft haben sich so sehr daran gewöhnt, dass Hinz und Kunz sie unbedingt begleiten, wenn nicht gar Teil von ihr werden wollen. J'avo wirkt wie jemand, der das Leben einfach nimmt, wie es kommt, der keine großen Ziele und Träume hat und der mit dem zufrieden ist, was er kriegen kann. Aber verdammt, wenn Bran doch so große Stücke auf ihn hält und er sich auch schon so bewiesen hat, wie kann er dann noch immer nicht mit dem Traum infiziert worden sein, dieses unvergleichliche Leben zu führen? Eine solche Chance bietet sich garantiert kein zweites Mal. Zhai meint spitzbübisch, man werde ja sehen.

 

J'avo hilft auch oft Tulwood, weil er genug Nordländer kennen gelernt hat, um zu wissen, wie schwer sie sich hier unten tun, und weil er Tulwood inzwischen ganz gut kennt und sieht, wie schwer ihm vieles fällt. Der junge Bursche würde es niemals zugeben, aber ihm fehlt nicht nur die Erfahrung, die einen Probleme ganz anders angehen lässt und einem auch mentale Zähigkeit verleiht, sondern auch die Fitness. Er ist ein Abgänger von Ruadas Ehre, gewiss, und er hat die erste Überlandreise seines Lebens hinter sich – immerhin von Cormyr bis nach Tethyr, das ist keine Kleinigkeit! –, doch die war vergleichsweise komfortabel. Die anderen hier aber sind seit Jahren fast nur unterwegs, und gerade hier unten in der drückenden Schwüle des Regenwaldes fällt ihm jeder Schritt doppelt schwer. Milandre ist hart im Nehmen, Jen, J'avo oder Skaar sowieso, aber wie kann es sein, dass all das einer Fleece nichts auszumachen scheint, jedenfalls allemal weniger als ihm? Dr. Meranilius, der seine meridianischen Expeditionen gar nicht zählen kann, wurde zwar mit Endure Elements belegt, aber selbst der wirkt fitter als Tulwood – so redet sich dieser zumindest ein. Nein, das darf niemand merken, und wenn J'avo Lust hat, hilft er ihm manchmal dabei, das zu tarnen, so gut es geht. Hinzu kommt diese Unausweichlichkeit: Tulwood ist tausend Meilen weiter von zu Hause entfernt, als sein Horizont bis vor Kurzem überhaupt reichte, in einem grausamen, fremden Landstrich, in dem es die gesamte Natur auf ihn abgesehen zu haben scheint, in dem er in der feuchten Luft kaum atmen kann, in dem niemand seine Sprache spricht und die Menschen sehr fremde Weltanschauungen haben. Ohne seine Gefährten, die alle so viel erfahrener und hartgesottener sind als er, wäre er binnen eines Tages tot, und dieser Gedanke macht ihm Angst.

 

Raif weiß noch, wie es ihm vor über zwei Jahren ging, als er sich plötzlich in einem stockdunklen, brütend heißen Raum wiederfand, in dem es sich anfühlte, als würde man Wasser statt Luft atmen – und wie sehr er jeden weiteren Tag hier unten hasste. Dementsprechend kann er sich vorstellen, wie miserabel sich Milandre fühlen muss, und obendrein ist er irgendwie schuld daran, dass sie das hier durchmachen muss. Die beiden haben sich im Laufe der Zeit angefreundet, und er bemüht sich, sie bei Gesprächen miteinzubeziehen. Milandre wiederum hat ihren Draht zu Raif gefunden, schließt aber alles andere als schnell Freundschaften und bleibt zu den anderen eher auf Distanz, was sowohl ihrem Lebenslauf als auch ihrer durch die Entstellung geprägte Persönlichkeit geschuldet ist. Daher berichtet ihr Raif in sehr gesenkter Lautstärke, wie er sich die heute so kleinen Narben im Gesicht zugezogen hat. Milandre hätte sich nie vorstellen können, dass ausgerechnet der Schönling Raif einmal entstellt war, dass er die Angst, sein gutes Aussehen zu verlieren, tatsächlich aus erster Hand kennt. Zuerst hatte sie ihn allein schon deswegen abgelehnt, weil er auf sie wie ein schnöseliger Schönling wirkte, danach war sie ihm dankbar, dass er ihr geholfen hatte, als sie so krank wurde, hielt ihn aber trotzdem für oberflächlich und für einen unverdienten Träger des Challengers, doch im Laufe des letzten halben Jahres sind sie gute Kameraden geworden, auch wenn sie nie groß über Persönliches gesprochen haben.

 

Als es am nächsten Tag endlich weitergehen kann, findet Bagua auch bald die friedlichen Jeqatoia, und wie man erwartet hat, hat Gaiu Col Marena begleitet und ist nie zurückgekehrt. Nun gesellt sich Mauuni zu dieser Expedition und warnt davor, dass die Tinzameha das Immerfeuer als heiligen Ort bewachen. Die Expedition erreicht ihr Ziel (Shadow of the Tomb Raider, Kuwak Yaku, Kuwak Yaku Ruins, von hier aus über die Hunting Grounds zum Petroleum Deposit (Challenge Tomb Howling Caves)). Während langsam alle in den Höhleneingang hineindefilieren, erwischt Beltar ein Pfeil in den Rücken, und er kippt tödlich getroffen vornüber. Alle bringen sich in Sicherheit und schleifen den Verletzten mit. Seit der Heldenehrung in Marsember hat Max einen neuen Zauber, Wind Wall, aber leider hat er diesen nicht vorbereitet. Fleece entscheidet, dass es jetzt schnell gehen muss: Zhai soll mit der Rolle, dem Papier und der Kohle allein los, Spider braucht sie hier, um den Feind auszukundschaften.

 

Zhai bewältigt also die Kletterpassagen durch die windige, aber auch stickig-heiße Höhle, während Spider durch den Schattengrund marschiert, in dem der Dschungel Tim-Burton-Qualität annimmt, einen Baum erklettert, in die materielle Ebene zurückkehrt und von dort aus beobachtet. Er kehrt zurück und berichtet, dass er nur drei Eingeborene erkennen konnte, die reglos im Unterholz warten – was beileibe nicht bedeutet, dass er alle gesehen hat.

 

Zhai muss sich kleiner, feuerroter, heißblütiger Echsen erwehren, die ihr eigenes siedend heißes Blut spucken, um den Gegner zu verletzen (Feuerlaurer, was sie aber nicht weiß), und erreicht die Haupthöhle mit den nie versiegenden Flammen, paust den Quipu ab und sieht zu, dass sie zurückkehrt. Währenddessen streiten sich Fleece und Jen, denn Jen will einen Ausfall, aber Fleece hält es für möglich, dass das nur eine Warnung war. Wütend zeigt Jen auf den just verstorbenen Beltar und fragt, ob sie das für eine Warnung halte. Fleece hat keine Lust zu diskutieren, aber sie weiß, dass jeder Alaru-Stamm unterschiedlich ist, und dass Mauuni die Tinzameha für gefährlich hält, bedeutet nur, dass sie das aus Jeqatoia-Perspektive sind. Vielleicht halten die drei, die Spider gesehen hat, die Eindringlinge in Schach, bis Verstärkung kommt. Vielleicht war das aber für Tinzameha-Begriffe auch nur eine sanfte Warnung und die Chance, zu fliehen, bevor mehr Blut vergossen werden muss.

 

Bei der hammerharten Freeclimbing-Partie auf dem Rückweg verlassen Zhai fast die Kräfte, und es geht um Sekunden, bevor sie sich nicht mehr halten kann. Skaar wirft ein Seil, an dem sich Zhai mit letzter Kraft festhält, und zieht sie mühelos hoch. Derweil bereitet sich Valmaxian vor, indem er sich mit Mage Armor, Shield und Mirror Image belegt, um hinauszutreten und zu sehen, ob er beschossen wird. Man sieht, aus dem Bücherwurm ist ein echter Abenteurer geworden. Weder Bagua noch Mauuni sprechen Tinzameha, also gibt es keine Kommunikation, aber siehe da, kein Pfeil kommt geflogen, so dass hinter Valmaxian nach und nach alle vorsichtig abrücken.

 

Während die Matrosen in sicherer Entfernung ihren Kameraden begraben, so gut das ohne geweihten Boden und Priester möglich ist (einen Tenday lang in diesem Klima eine Leiche mitzuschleppen, ist völlig undenkbar), und Zhais Verbrennungen verarztet werden, stürzt sich Dr. Meranilius auf Zhais Quipu-Kopie, und er und Max entziffern die Glyphen, bis sich allmählich herauskristallisiert, dass Qechua seinen letzten Atemzug in den Flammen des Immerfeuers tat – aber er kann nicht bestraft oder geopfert worden sein, denn dann wäre er danach nicht wie ein König luftbestattet worden. Sich selbst qualvoll zu töten, hatte wiederum keine Tradition bei den Nahual. Laut der Kartusche beschritt Qechua zuvor den Pfad der Sterne. Verdammt, sie sind auf der richtigen Spur, denn Col Marena versuchte ja, Fordred Gamaras' These zu beweisen, und dieser war, wie Meranilius weiß, ebenfalls auf diesen Pfad der Sterne gestoßen und angeblich drauf und dran, dessen Geheimnis mithilfe eines erbeuteten Freskos zu lüften, wie er nach Hause schrieb, bevor er vor drei Jahren mitsamt seines ganzen Schiffs, der Courageous aus Murann, spurlos verschwand. Sein letzter Brief wurde mit "Mezro im Alturiak 1370 DR" unterschrieben.

 

Vielleicht wusste Col Marena mehr, aber aus den Aufzeichnungen, die sie hatten retten können, geht nichts Hilfreiches hervor. So verläuft sich diese Spur also im Sande. Amaraeus ist aber nicht bereit, aufzugeben. Wenn Fordred Gamaras und Col Marena beide mehr wussten und Marenas Spur in eine Sackgasse führt, muss man vielleicht auf Gamaras' Fortschritt zurückgreifen. Amaraeus will nun also nach dem Verbleib der Courageous forschen.

 

Es geht zurück nach Vir Bhadra, doch diesmal leider nicht ereignislos. Mitten in der Nacht – beide Wachen, ein Matrose und Tulwood, sind eingeschlafen – reißt eine augenlose Riesenechse einen schlafenden Matrosen, und als von seinem Geschrei alarmiert das Lager erwacht, gehen weitere Echsen zum Angriff über. Der Kampf gerät unglaublich chaotisch und unübersichtlich, denn es ist stockfinster, nur ein zentrales Feuer brennt, in das obendrein ein fliehender Matrose stürzt und Feuer fängt. Unter diesen Umständen erweisen sich Zhai und Spider als die effektivsten Kämpfer, und Max' Light spendet zumindest ein bisschen Licht für die, die ihm am nächsten stehen. Die Echsen können schließlich in die Flucht geschlagen werden, aber ein weiterer Matrose ist tot und einer schwer verletzt.

 

Jen nimmt Tulwood plötzlich in einen Aufgabegriff, dem er sich nicht entwinden kann, weil er den waffenlosen Kampf nicht beherrscht, und hält ihn wie einen Hund, der ins Haus gemacht hat, vor den toten Matrosen, während sie ihn leise, aber eindringlich zusammenfaltet. Rings umher herrscht betretenes Schweigen, denn fast jeder denkt sich dabei: 'Okay, scheiße gelaufen, aber auf der Wache einschlafen? Hätte mir genauso passieren können.' Der Unterschied ist natürlich: Bei Raif z. B. hätte Jen auch geschimpft, aber da wäre ihr klar gewesen, dass das jedem mal passieren kann. Es ist aber nicht jedem passiert, sondern dem Grünschnabel, der hier keinem das Wasser reichen kann und den niemand hier haben wollte. Dementsprechend ungerecht und übermäßig hart geht sie mit ihm ins Gericht.

 

Tulwood betont oft, um seinen Stand zu zementieren, dass er Abgänger von Ruadas Ehre ist, und ja, das ist kein Spaziergang, in Cormyr gilt das was, da ist er mit seinem Brief wer. Doch hier sind andere Qualitäten gefragt, die Tulwood noch nicht erworben hat – noch nicht erworben haben kann, weil er noch so jung, unerfahren, wenig herumgekommen ist. Damit wird er wieder und wieder konfrontiert: auf der weiten Reise nach Tethyr, aber vor allem hier unten, und mittlerweile nagt das an seinem Selbstvertrauen. Er, der mit seinem Kriegerbrief von Ruadas Ehre in Marsember zur kämpfenden Elite gehört, scheitert immer wieder und fühlt sich kleiner und kleiner in den Augen der Abenteurer, zu denen er doch so sehr gehören, von denen er akzeptiert werden will. Nun muss er sich auf die Lippe beißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Dass er dabei von Jen massiv beschämt und wie ein kleines Kind behandelt wurde, nahmen auch alle anderen zur Kenntnis, aber niemand wagt sich mit ihr anzulegen, wenn sie so ist, nicht mal Fleece.

 

Diese spricht später am Lagerfeuer flüsternd mit Jen darüber und gibt dieser Gelegenheit, ein wenig Dampf abzulassen. Jen meint, hier draußen ist jeder zweite Schritt mit Todesgefahr verbunden, hier draußen muss sich jeder auf jeden verlassen können – je eher dieser verwöhnte marsembianische Bengel das lernt, desto besser. Fleece ist auch unzufrieden mit sich, dass sie sich von Bran dieses Kuckucksei ins Nest hat legen lassen, obwohl sie es hätte verhindern können, aber sie denkt auch, dass Tulwood nicht Unrecht hatte, als er an Bord der Endeavour zu ihr sagte, dass sie auch mal jung und unerfahren gewesen sei. Ja, jeder fängt mal an. Die Gemeinschaft der Ersten Sonne hatte sehr viel Glück, dass fast immer Leute zu ihr stießen, die entweder schon erfahren waren oder einzigartige Fähigkeiten mitbrachten, die der Gruppe fehlten. Tulwood hat weder das eine noch das andere und damit einen sehr schweren Stand.

 

Jen: Ja, und? Niemand hat ihn gezwungen, sich ausgerechnet die Gemeinschaft der Ersten Sonne auszusuchen. Er hätte kleiner anfangen können, das hat die Gemeinschaft auch getan. Jetzt ist er hier, weil wir Bran einen Gefallen tun wollten, und muss eben mit den Anforderungen leben. Wir brauchen ihn nicht, aber er uns, und ein Klotz am Bein ist er obendrein. Lass ihn ausschlafen, brich leise das Lager ab und zieh weiter – und sieh, wie lange er hier draußen überlebt.

Fleece (sanft): Niemand von uns würde auf sich allein gestellt hier draußen lange—

Jen (unwirsch): Raif hat es, obendrein sehr schwer verletzt.

Fleece: Weil er von den Kekeyatonba gefunden und gesund ge—

Jen: Es reicht, Fleece! Elemer ist nicht wie wir.

Fleece: So waren wir auch. (Jen funkelt sie an, Fleece beeilt sich, eine Einschränkung zu machen.) Nicht du. Aber ich. Oder Raif. Oder Zhai. Oder noch früher Gathalimae und Tobold. Loras und Mace. Wir waren alle jung und dumm und haben Fehler gemacht. Gut, Loras und Mace waren damals schon älter als wir heute, aber das hat sie auch nicht daran gehindert, dumm zu sein, oder? Denkst du, ich bilde mir ein, die Fleece, die 1366 DR in Daggerdale ihr erstes richtiges Abenteuer erlebt hat, hätte überlebt, was wir vor über zwei Jahren hier unten durchgemacht haben? (Fleece schüttelt entschieden den Kopf.) Manchmal bewundere ich Spider oder Kithain dafür, wie sie es mit uns Kindsköpfen ausgehalten haben.

Jen: Von mir aus. Aber ihr hattet euch auch nicht an gestandene Abenteurer herangewanzt, oder? Wie die Knights of Myth Drannor zum Beispiel? Nein, ihr wart gleich alt, gleich dumm, und ihr habt trotzdem gemeinsam etwas aufgebaut. Dieser kleine Trottel jedoch will unsere Früchte ernten, weil es die größten sind. Weil er irgendwie mit seinem Leben in Saus und Braus "unzufrieden" ist. Ein Leben, das nur ein kompletter Idiot freiwillig hinter sich lassen würde. (Ätzend bitter:) Was hätte ich fünfzehn Jahre lang dafür gegeben, sein Leben führen zu dürfen anstelle meines eigenen?

Fleece: Ich komme auch aus einem behüteten Elternhaus und—

Jen: Du weißt genau, dass das nicht dasselbe ist. Die Unterschiede zwischen ihm und dir habe ich dir genannt, was willst du noch? Er hat hier nichts verloren, Fleece.

Fleece: Das hat Caldaia auch nicht, und doch ist sie hier.

Jen (sieht Fleece beunruhigend wütend an, rückt mit ihrem Gesicht dicht vor das von Fleece): Was fällt dir ein, Elemer mit Caldaia zu vergleichen?

Fleece (hat die Reaktion kommen sehen und fährt mit sanfter Stimme fort, um Jen nicht noch weiter zu provozieren, bleibt aber standhaft): Sie hat auf der Endeavour nichts zu suchen, Jen, das weißt du so gut wie ich. Und warum ist sie dort? Weil sie es so sehr wollte und du nicht nein sagen konntest. Warum ist Elemer hier? Weil Bran es so sehr wollte und ich nicht nein sagen konnte. Ende der Geschichte. Wir müssen das Beste daraus machen und auf die beiden aufpassen, so gut wir können. (Sie gibt Jen Gelegenheit, sich ein wenig abzuregen, auch wenn sich äußerlich nichts ändert.) Fass ihn nicht so hart an, Jen.

 

Jen lehnt sich endlich wieder zurück und sieht tief durchatmend nach oben, wo man wegen des Blätterdachs niemals den Sternenhimmel sehen kann, nur die nach oben stiebenden Funken. Sie denkt nicht so konkret darüber nach, aber Fleece mutmaßt insgeheim, dass Jen ihre Wut auf Caldaia an Tulwood auslässt, zusammen mit einigen anderen Faktoren: dem stetigen Anwachsen der Gruppe, das Jen immer abgelehnt hat, der Gesellschaft von Leuten, die nicht dasselbe erlebt haben wie die alten Hasen, der Anwesenheit von Leuten, die nicht mal Theon persönlich gekannt hatten, dem Fehlen wichtiger Freunde, den aus dem Schwertzug und der Sothilis-Invasion gewonnenen Lehren (wer nicht hart genug ist, stirbt, und du gibst dir daran die Schuld), und, und, und.

 

Währenddessen versucht J'avo am Rand des Lagers, fast in kompletter Dunkelheit hockend, Tulwood wieder etwas aufzubauen.

 

J'avo: Denk mal an den Sommeranfang zurück, kurz vor Amn. Wie hat der Schwarzkittel dieses Biest genannt?

Tulwood (tonlos): Tatzelwurm.

J'avo: Genau. Hab in meinem Leben nichts Fieseres gerochen und werd's wohl auch nie wieder. Hat sich der großmäulige Sonnenpaladin in den Kampf gestürzt? Nein. Die kleine, arrogante Priesterin? Auch nicht. Bowgentle, Belgrave? Nein, Kleiner, wir zwei haben das Kind geschaukelt. Wir waren die Einzigen, die die Eier dafür hatten.

Tulwood (nach wie vor teilnahmslos): Getötet hast du's.

J'avo: Den Arsch versohlt haben wir ihm beide. Wir sind dahin gegangen, wofür sich die anderen zu fein waren. (J'avo hört Tulwood durchatmen.) Du kriegst deine Chance, Kleiner.

 

Am nächsten Morgen hat Tulwood das Gefühl, dass ihn alle verächtlich anstarren, aber natürlich ist das nicht der Fall. Auch Raif tut er leid, auch dieser findet, dass Jen nicht so hätte reagieren dürfen, dass da aber wohl einiges zusammengekommen ist, das dazu geführt hat. Jen würdigt Tulwood mit keinem Blick. Jedem ist es unangenehm, das Thema anzusprechen, aber Zhai fühlt J'avo in einer Pause, in der man sich bei einsetzendem Gewitter an einem malerischen Teich erfrischt, ein wenig auf den Zahn.

 

Zhai: Wie verkraftet er's?

J'avo: Tulwood? (Zhai nickt.) Wird drüber hinwegkommen. Außerdem war Beltar ein Arschloch. (Zhai schmunzelt überrascht ob dieser pietätlosen Ehrlichkeit.) Was? Hat keinen Falschen erwischt, oder?

Zhai: Wohl nicht. Aber Chaesil werde ich vermissen.

J'avo: Chaesil war in Ordnung.

Zhai: Denkst du, Tulwood ist hier richtig?

J'avo: Hier? Meinst du hier in Meridiana oder hier in deiner Gemeinschaft?

Zhai: Beides.

J'avo: Für Meridiana ist er zu weich, aber das kann werden, wenn er lange genug lebt. Zum anderen hab ich keine Meinung.

Zhai: Du kennst die Heldentaten der Gemeinschaft der Ersten Sonne fast so gut, als wärst du dabei gewesen. Bran hatte immerhin ein halbes Jahr Zeit, dir davon zu erzählen. Wieder und wieder und wieder, wie ich ihn kenne.

J'avo: Ich mach mir keine Gedanken darüber, was die Granden treiben. Mir ist auch gleich, wohin die Schwarze Armada ihre Schiffe schickt. Und ich denke nicht darüber nach, wer in diese Gruppe passt und warum oder warum nicht.

Zhai (spitzbübisch): Was wäre denn nötig, dich zum Bleiben zu bewegen?

J'avo: Ich bleibe ja. Hier, zu Hause. (Er zwinkert ihr zu.) Na ja, wenn ihr hier eure Zelte aufschlagt, werd ich euch nicht vertreiben. Oder ihr legt euch ein Schiff zu, dann bin ich an Bord. Hab schlechtere Mannschaften kennen gelernt. (Zhai nickt.) Ich frag dich mal was. Warum reitet ihr so darauf herum?

Zhai: Sieh dir Tulwood an, J'avo. Das ist die normale Reaktion auf den bloßen Hauch einer Chance, uns begleiten zu dürfen. Wir sind es nicht gewohnt, dass das jemand nicht wollen könnte. Du bist ungebunden, nichts hält dich an einem Ort, und wie ich höre, bist du auch schon herumgekommen.

J'avo: In Meridiana und auf der Leuchtenden See, klar. Was ich nicht kapiere, ist, wie ihr alle so scharf darauf sein könnt, eure Heimat zu verlassen und irgendwohin zu gehen, wo niemand eure Sprache spricht.

Zhai: Du sprichst Chondathanisch. Sehr gut sogar.

J'avo: Ist trotzdem nicht meine Muttersprache. Ich hab jetzt Tethyr gesehen. Ich war in Zazesspur, der Heimatstadt von jemandem, den ich sehr gut kannte. Musste mir jahrelang anhören, wie toll die Stadt ist. Jetzt war ich ein paar Tendays da. Wär ich's nicht gewesen, wäre ich trotzdem nicht traurig, wenn ich sie nie gesehen hätte. Euer Norden ist nicht meine Welt.

Zhai: Die Welt der Menschen ist auch nicht die Welt Kithains oder Skaars. Wir alle haben unsere Heimat nicht an einem Ort gefunden, sondern in einer Gemeinschaft. Deswegen sind wir auch immer zu Hause, egal, wo wir uns gerade herumtreiben. (J'avo sieht sie mit einem "Ach, komm schon!"-Blick an, weil er weiß, dass sie lange in Mosstone und Zazesspur festsaß und darunter gelitten hat.) Wenn wir zusammen sind. Allein sind wir... entwurzelte Heimatlose.

J'avo: Wie gestrandete Seeleute.

Zhai: Wir sind eine Mannschaft, ja. Die Kapitänin ist zugleich die Steuerfrau, die Bootsfrau möchte gern Kapitänin sein, und... wüsste ich mehr über die Schifffahrt, fände ich sicher mehr Beispiele. (Sie lächelt über ihren Vergleich.) Jeder hat seine Aufgabe, so wie der Schiffszimmermann oder der Schiffskoch, und die, die einfach nur gut kämpfen können, sind die Matrosen.

J'avo: Und du bist zufrieden damit, wie dein Schiff geführt wird?

Zhai: Ich habe keinen Grund, es nicht zu sein. Wir alle sind es, sonst wäre diese Mannschaft schon irgendwann auseinandergebrochen.

J'avo: Und Tulwood ist der Schiffsjunge.

Zhai: Jeder fängt mal klein an.

 

Fleece könnte Tulwood etwas aufmuntern, aber sie verzichtet darauf. Einerseits will sie Jen nicht in den Rücken fallen, und andererseits möchte sie auch nicht zu viel in Tulwood investieren, denn Jen hat ja nicht ganz Unrecht: Tulwood hat kein göttergegebenes Recht, hier zu sein, er ist freiwillig mitgekommen, er ist auf alle anderen angewiesen, aber niemand auf ihn, und da er sich die Gruppe mit dem gefährlichsten Leben ausgesucht hat, muss er auch ihren Anforderungen gerecht werden. Hinzu kommt, dass sich die Gefährten über die Jahre etwas erarbeitet haben, mit dem man eigentlich fast zwangsläufig geboren worden sein muss: einen Stand, umso außergewöhnlicher, da er nicht auf der Abkunft, sondern auf Errungenschaften beruht. Und da das Ständesystem in den meisten Kulturen, denen die Abenteurer entstammen, tief verwurzelt ist, wissen sie, dass sie etwas "Besseres" sind als die Matrosen – oder Tulwood. Deshalb behandeln sie sie nicht schlecht, in keinster Weise, aber eine gewisse Distanz ist da, die selten überschritten wird. Caldaia wird da, obwohl noch unerfahrener, viel eher als "eine von uns" akzeptiert, weil sie als Geweihte von vornherein etwas Besonderes ist, durch ihre Geschichte noch besonderer, und zu guter Letzt ist sie Jens Geliebte. In Tulwood löst das Neid, Frust, Wut auf alles und jeden aus, aber auch Trotz. Die "Die werden mich schon noch kennen lernen"-Gedanken halten aber selten länger als ein paar Minuten, bis ihm wieder etwas misslingt oder wenigstens schwerer fällt als den anderen – dann fällt er wieder in ein tiefes Loch.

 

Vom Kampf mit den Echsen hat der eine oder andere Schrammen und auch ein paar hässliche Kratzer davongetragen, und einige davon entzünden sich, so dass Fleeces Vorräte an Heilsalbe dahinschmelzen wie Butter in der Sonne. (Die Heiltränke sind für die Behandlung zu kostbar, aber in diesem Klima kann auch jede harmlos wirkende Infektion tödlich sein, wenn sie unbehandelt bleibt.)

 

Der weitere Rückweg nach Vir Bhadra verläuft von den normalen Problemen abgesehen ohne Zwischenfälle. Caldaia sieht schon an den Gesichtern der zurückkehrenden Matrosen, dass es schlimm gewesen sein muss, und umarmt Jen erleichtert. Dr. Meranilius klärt gleich mit Kapitän Teremon ab, wie lange die Endeavour bis nach Mezro brauchen wird, und einige verbringen einen letzten Abend in der Hafenschänke. Raif sitzt wieder an der Pier, Spider steht neben ihm, als Caldaia hinaustritt, um den Abort aufzusuchen. Im Schein der Fackeln, die die Tür flankieren, ist sie gut zu sehen, und die tiefen Schatten und das rote Licht verleihen ihr noch mehr Sinnlichkeit, als sie eh schon ausstrahlt. Im Dunkeln kann er ihn nicht erkennen, aber trotzdem schaut Raif zu Spider hinauf, weil er spürt, dass dieser amüsiert lächelt.

 

Raif: Ja, amüsieren wir uns ein wenig auf Raifs Kosten, hm? Umringt von umwerfenden, nur in ein paar Fetzen gehüllten Frauen, die Körper schweißglänzend im Mondlicht, ohhh, der arme Kerl. Schön, dass du deinen Spaß hast.

Spider: Gönn ihn mir. Allzu viele Anlässe finden sich nicht.

Raif: Verdammter Bastard. Denkst du, das fällt mir leicht, so zu tun, als sei nichts?

Spider: Erfreu dich an der Ablenkung. Immerhin ist es ihr gelungen, deine amnische Affäre vergessen zu machen.

Raif: Nein, das ist ja— (Er unterbricht sich und atmet durch, spricht leiser weiter.) Vergiss es.

Spider: Nur zu. Meine Verabredung scheint mich versetzt zu haben, ich habe einen Augenblick.

Raif (kopfschüttelnd): Ich denke oft an Eli. Ich meine, ich denke an eine Menge Leute, dann und wann, aber... (Er pustet die Backen auf.) Caldaia, Fleece, Jen, sieh sie dir an, alle drei atemberaubend auf jeweils eine ganz eigene Weise, drei unfassbar aufregende Frauen, von denen den Blick loszureißen ohnehin schon schwer genug fällt. Und dann auch noch hier unten? Die Hitze... Die Kleider, o Sune, die Kleider... Da muss man doch irgendwann den Verstand verlieren.

Spider (achselzuckend): Ich weiß nicht. Der Einzige, der sich darüber beklagt, bist du.

Raif: Es ist ein... süßes Leiden. Ich kann's nicht ändern, ich... (Er gestikuliert auf der Suche nach Worten.) Ich sehe das. Sune sei meine Zeugin, ich habe mehr als genug Ablenkung. Und trotzdem denke ich an Eli. Mal ganz davon abgesehen, dass ich sie im Stich gelassen habe, bin ich—

Spider: Inwiefern im Stich gelassen?

Raif: Hab ich dir doch erzählt. Azila wollte meine Hilfe bei der Verhinderung der Hochzeit, und ich hab abgelehnt.

Spider: Es muss mit dem Herrn der Sechsten Hölle zugegangen sein, anders ist kaum erklärbar, dass du ausnahmsweise eine vernünftige Entscheidung getroffen hast. (Raif holt Luft, aber Spider fährt fort.) Die Selbstverständlichkeit, mit der sich so mancher hier einbildet, einfach alles ändern zu können, was ihm persönlich missfällt, nimmt bisweilen erschreckende Ausmaße an. Diese Gemeinschaft hat sehr viel erreicht, gegen alle Widerstände und gegen jede Wahrscheinlichkeit – aber sie besteht dennoch aus einem Haufen von Niemanden, denen kein noch so kleiner Baron je Rechenschaft schulden wird. (Raif setzt erneut an, und erneut fährt Spider fort.) Die Welt ist, wie sie ist, und alle richten sich nach ihren Regeln oder zahlen den Preis, wenn sie es nicht tun – bis auf die Gemeinschaft der Ersten Sonne, für die diese Regeln selbstverständlich nicht gelten. Bedauerlicherweise hast du den Auftrag nicht etwa abgelehnt, weil du die Regeln respektiertest, sondern nur, weil du dich in dem Moment zwischen Elisheva und der Gemeinschaft entscheiden musstest.

Raif: Ha! Sieh an, sieh an. Und wenn der Kerl, den sie heiraten soll, ein Verehrer Loviatars ist und gern die Neunschwänzige hervorholt? Hm?

Spider: Das hättest du gern, weil du dann den ehrenvollen Vorwand hättest, das zu tun, was du auch tun wollen würdest, wäre er der beste Ehemann Faerûns.

Raif (steht mühsam auf, weil er angetrunken ist, hält Spider den Finger vor die Nase): Jetzt gehst du zu weit, Freundchen!

Spider (lächelt gelassen, mit beißendem Spott): Du willst ein Held sein, und das bedeutet, dass das, was du tust, etwas Gutes sein muss, auch wenn du es insgeheim eigentlich nur dir zuliebe tun möchtest. Du hättest sie gern für dich behalten, und es hätte dir gefallen, sie aus ihrem Umfeld, ihrer Familie, ihrer Gemeinschaft zu reißen, aus einem hehren Grund, versteht sich, nicht aus simplem Egoismus, nicht wahr, also verurteilst du kurzerhand die Gepflogenheit arrangierter Ehen – und verurteilst damit einen Teil der göttlichen Ordnung, der weit älter ist als die gesamte Kultur, der du entstammst. Was du dir natürlich erlauben kannst als gestandener Held und Mitglied der Gemeinschaft der Ersten Sonne.

 

Raif atmet schwer mit halb erbostem, halb verblüfftem Gesichtsausdruck, und doch kann er nicht nachlegen – dafür ist Spider, ob er selbst das will oder nicht, in diesem Moment in der Dunkelheit zu unheimlich. Wie Raif nun mal ist, ist er furchtbar empört, fühlt sich geradezu verraten und denkt doch keine Sekunde über Spiders Worte nach – weil er diese Gedankengänge unterbewusst auch gar nicht weiter verfolgen will, da sie zu Erkenntnissen führen, die Raif nicht gefallen würden. Also setzt er sich einfach wieder und schnaubt nur ungläubig und empört. Spider, der sich sonst nahezu immer zurückhält, im Schatten bleibt, setzt nun aber sogar noch nach und geht langsam neben Raif in die Hocke.

 

Spider (flüsternd und damit unfreiwillig immer unheimlicher wirkend): Ich gebe ein wenig Theon die Schuld. Sich immer wieder herausfordern, nie aufgeben, über sich hinauswachsen und das Schicksal annehmen, etwas ganz Besonderes zu sein. Aber zu seiner Verteidigung muss ich sagen, seine Saat fiel letztlich auf fruchtbaren Boden, der diese Blüten auch ohne sein Zutun hervorgebracht hätte. Das waren Dinge, die du hören wolltest. Die Fleece hören wollte. Wäre Cordian ein richtiger Priester gewesen, hätte er euch Demut lehren können, aber das hat er versäumt. Und die Lichtträgerin, geblendet von unserem Erfolg und unserer Strahlkraft, hingerissen von den Möglichkeiten, die wir ihrer Karriere boten, versäumte es erst recht.

 

Spider tut nichts Außergewöhnliches, aber hier in der exotischen Fremde, allein mit ihm in der Dunkelheit, ihn so dicht neben sich hocken zu haben, während er Worte sagt, die sehr schmerzen – Raif hat Angst, seinen Kopf zu drehen und Spider anzusehen, weil er sich in diesem Moment vor ihm fürchten würde. Spider scheint das zu spüren, erhebt sich wortlos und geht langsam über die Pier Richtung Endeavour.

 

Am nächsten Tag sticht das Schiff zu Baba Yetu wieder in See. J'avo wird als "Wilder" zwar argwöhnisch von Baltram und der Mannschaft beäugt, aber je kräftiger er mitarbeitet (von diesem Handwerk versteht er ja was), umso mehr wird er von ihr angenommen. Skaar ist heilfroh, aus dem Dschungel herausgekommen zu sein, auch wenn er sich dies nicht mal selbst eingesteht, und genießt die Meeresbrise. Raif vermeidet es, mit Caldaia allein zu sein, was auf der Endeavour natürlich leicht fällt, aber auch Spiders Nähe sucht er nicht, und dieser drängt sich nicht auf.

 

Hier an Bord, wo alles so beengt ist und man sich nicht aus dem Weg gehen kann, fällt Tulwood Fleece auch wieder prominenter ins Auge, und als sie gerade den Sonnenuntergang betrachtet, lockt sie ihn mit einem Fingerzeig zu sich. 'Wie einen Knecht', denkt sich Tulwood, folgt aber der Aufforderung. Auch dieser Gedanke verfliegt gleich wieder angesichts der Heldenbewunderung, weil er sich Fleeces Ausstrahlung nicht entziehen kann und nun wieder einer Frau nahe ist, die schon so viel mehr erlebt hat als er und von der er so gern anders angesehen werden möchte.

 

Fleece: Hast du schon mal von Inkharas gehört?

Tulwood: Nein.

Fleece: Das sind flugfähige Wesen, halb Vogel, halb Echse, im Schwarm brandgefährlich mit ihren messerscharfen Schnäbeln. Wenn ihre Jungen geschlüpft sind, krallen sie sich an den Bauch eines Elternteils, und so lernen sie die Welt kopfüber von oben kennen. Wenn der Elternteil der Meinung ist, es sei an der Zeit, zieht er das Jungtier von seinem Bauch und lässt es fallen. Wenn es jetzt innerhalb weniger Herzschläge das Fliegen erlernt, gut. Wenn nicht, stirbt es. (Tulwood sieht Fleece nur an und weicht ihrem Blick aus, als sie ihn erwidert. Sie wartet ab, ob er etwas sagt, aber er schaut nur auf die untergehende Sonne.)

     Tulwood, egal, wo wir sind, egal, was wir tun: Die Menschen um uns herum respektieren uns für unseren Stand, den wir uns erarbeitet haben, und ordnen sich uns unter. Aber sie erwarten auch viel mehr von uns als von ihresgleichen. Sie erwarten Mut, wo ihrer versagt, und Schutz, wo sie schutzlos sind. Die Matrosen waren da draußen, um die Ausrüstung zu tragen, das war ihre Aufgabe. Dafür genossen sie unseren Schutz. Das war unsere. Du hast dich uns angeschlossen, also musst du dich auch am selben Maße messen lassen wie wir.

     Sieh mich an, Tulwood. (Tulwood braucht einen Augenblick, um Fleece in die Augen zu schauen.) Fehler sind nützlich – aber nur, wenn man sie schnell findet und aus ihnen lernt, und bekanntlich geht ein Rat über Feuer zu Herzen. Du bist gestrauchelt. Das ist keine Schande. Es wäre nur eine, bliebest du liegen.

Tulwood (sieht wieder verkniffen aufs Meer hinaus, und sein Händeringen zeigt, wie sehr er sich zusammenreißen muss): Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Fleece: Tulwood? (Sie wartet geduldig, bis er sie wieder ansieht.) Beltar war der erste Mensch, der dir anvertraut war und der zu Tode kam. Nimm dir nicht heraus, zu denken, das hätte jedem passieren können. Vielleicht hätte es jedem passieren können, aber dir, Tulwood, steht das Recht nicht zu, dich darauf zurückzuziehen. Behalte ihn in Erinnerung, ja?

Tulwood (atmet zitternd durch und nickt fahrig): Das mach ich.

 

Bei Windstille ist es unter Deck absolut unerträglich, weshalb viele nachts an Deck schlafen, wenn der Kapitän es erlaubt. Raif liegt an die Reling gelehnt, als Caldaia im Schein einer Laterne zu ihrem Platz neben Jen zurückschleicht. Verdammt, wie kann es sein, dass er sich so zu ihr hingezogen fühlt... und zu Fleece... und zu Jen, wenngleich zu Letzterer auf strikt sexueller Basis, zu den anderen beiden aber auf sexueller und romantischer – und dennoch geht ihm Elisheva nicht aus dem Kopf? Was muss eine Frau mitbringen, um neben diesen Frauen, die er jeden Tag um sich hat, bestehen zu können, obendrein in Abwesenheit? Fleece ist ein Thema für sich: seine erste große Liebe, die Unerreichbare, mit deren Unerreichbarkeit er sich manchmal mehr, manchmal weniger gut abgefunden zu haben glaubt. Diese Unerreichbarkeit, so nimmt er an, macht es ihm möglich, sein Herz auch in alle anderen Richtungen zu öffnen, aber verdammt, es steht offen wie ein Scheunentor. Raif ist nicht so reflektiert, sich deshalb infrage zu stellen – zum Beispiel, was die Gefühle, die er verschenkt, wert sind, wenn er so viel davon an so viele Frauen zu verschenken hat. Aber für ihn fühlt sich alles ehrlich an, und er denkt oft und gern an die Frauen, mit denen er schöne Momente geteilt hat, denn viele waren ihm wichtig: Ulabeth, Saref, Raveena, Viana, ja, sogar Raina. Und sunegefällig ist all das ja obendrein. Doch auch wenn er weiß, dass mancher hinter vorgehaltener Hand darüber witzelt – einfach findet Raif sein Leben nicht, und manchmal fragt er sich, ob Fleece, wenn sie ihn erhörte, dann wirklich die Eine wäre, neben der ihn keine andere mehr interessiert. Verdammt, wie machen das die anderen? Bran, J'avo, Tulwood, früher Theon, Cordian, Rhoedry? Hatten die keine Augen im Kopf? Haben die sich etwa nicht täglich nach den Schönheiten an ihrer Seite verzehrt? Warum fällt ihm das so schwer? Und warum ist da immer noch Elisheva, die er doch vermutlich nie wiedersehen wird? Es kann doch nicht sein, dass er die erste Frau, die mit Fleece konkurrieren könnte, hinter sich zurückgelassen hat wie so viele andere, ohne zu wissen, dass sie vielleicht noch besonderer war, als er eh schon angenommen hatte, oder? Aber wenn dem so wäre, wie könnte er dann das Bedürfnis haben, lächelnd zu seufzen, wenn er Caldaia strahlen sieht? Raif kann es nicht wissen, aber als Kind Sunes ist er das, was wir polyamourös nennen.

 

Natürlich kommt es unterwegs zu der Sichtung eines Piratenschiffs. J'avo rät dazu, es kommen zu lassen, anstatt zu fliehen, denn keiner der beiden Kapitäne ist scharf darauf, sein Schiff zu beschädigen. Teremon jedoch gibt nicht viel auf die Meinung eines Wilden. Er hält die Endeavour für schneller und den Wind für günstig, und zuerst sieht es auch ganz gut aus. In der Nähe einer Insel mit einem steil ansteigenden Felsmassiv jedoch dreht sich der Wind, eine lokale Besonderheit, die der Piratenkapitän kennt, Teremon jedoch nicht, und so wird die Endeavour ausmanövriert, und das Piratenschiff rammt sie mit seinem Sporn. Die Piraten entern den Zweimaster, doch mit den schlagkräftigen Helden mitsamt magischer Unterstützung haben sie nicht gerechnet.

 

Beim wilden, chaotischen Gefecht auf engem Raum hat Tulwood riesiges Pech: Skaar steht, Tulwood den Rücken zugewandt, vor ihm und holt zum Schlag aus, und Tulwood muss reaktionsschnell nach hinten ausweichen, um nicht selbst getroffen zu werden, geht dabei aber schon zu Beginn des Kampfes über Bord. Als er im Wasser wieder auftaucht, schreit er vor Wut: Er ist tapfer, er will kämpfen, und dann das! Das war wirklich nicht seine Schuld, aber wem soll er das denn glaubhaft erzählen? Für alle anderen wird er abermals ganz schlecht bei dieser Nummer aussehen, zumal Skaar nicht mal mitbekommen hat, dass es eigentlich seine Schuld war.

 

Einige tote Piraten später fliehen die Angreifer zurück auf ihr Schiff und lassen die Endeavour angeschlagen zurück. Die Besatzung aber feiert die Helden, denn hier gab es keinen einzigen Toten, nur ein paar nicht allzu schlimme Wunden. Jedoch hat der Rammsporn den Rumpf durchdrungen. Glücklicherweise ist die Inselgruppe, der man die Windanomalie zu verdanken hat, nicht weit, und die Endeavour geht davor vor Anker. Da sie während der Reparaturen hier bleiben wird (die Trinkwasservorräte werden bei der Gelegenheit auch aufgefrischt), verbinden einige der Gefährten das Angenehme mit dem Nützlichen und setzen per Boot an den Traumstrand über. Tulwood, der niemandem unter die Augen treten will und sich für etwas schämt, für das er gar nichts kann, kommt nicht mit, Zhai ebenso wenig, weil es viel zu hell ist und der weiße Sand die Sonne unerträglich reflektiert. Milandre hat ohnehin schon genug Komplexe und will nicht noch mehr von ihrem vernarbten Körper zeigen als ohnehin schon (vielmehr wünscht sie sich ihre Rüstung zurück, die sie in diesem Klima nicht tragen kann und die bei Reisebeginn in Fleeces Truhe verstaut wurde), also bleibt sie zurück, und auch Spider bleibt hier.

 

Fleece, Jen und Caldaia suchen sich ein hübsches Stück Strand aus, und den Männern wird mit großem Sicherheitsabstand ein eigenes zugewiesen. Doch auch von Weitem kann man natürlich die extrem spärliche Garderobe sehen, die die drei anlegen, um zu baden und sich unter die Palmen zu legen. In dieser Welt ist man viel nackte Haut nicht so gewohnt wie in unserer, und für Mittelfaerûnier ist schon die Knappheit der Stoffe, die die Frauen auf Flotsam und Jetsam trugen, geradezu pornografisch. Raif stirbt daher wieder tausend Tode, als er plötzlich merkt, dass Skaar ihn angrinst.

 

Raif: Was?

Skaar: Dein Kumamak regt sich.

Raif: In Sunes Namen, was zum Abgrund—

Skaar: Er hat gezuckt.

Raif (zieht extrem peinlich berührt sein Hemd weiter herunter, während J'avo aus dem Hintergrund immer hörbarer lacht, Raif erwidert gepresst): Skaar, verdammt noch mal! Bist du wahnsinnig?

Skaar: Er ist ja sehr klein. Wie groß wird er denn, wenn er sich freut?

J'avo kommen vollends die Tränen vor Lachen.

Raif: Wir reden nicht darüber, Skaar, verdammt!

Skaar: Eure Frauen sind ja auch sehr klein, für ihre Lokaumas wird es wohl reichen. Ich verstehe noch nicht, woran ihr merkt, dass sich eine Lokauma freut. Bei uns ist das einfach, wir haben—

Raif (watet eilig ins Wasser, wo seine Leibesmitte besser getarnt ist): Ich will's gar nicht wissen!

J'avo (tritt Wasser, gut aufgelegt): Ich kann's dir nicht verdenken. Bei denen regt sich garantiert jeder... (Laut zu Skaar) Wie nennst du einen Schwanz?

Skaar (fröhlich rufend): Kumamak!

J'avo lacht wieder, Raif sieht ihn entgeistert an und wird dabei von einer Welle umgerissen, auf die er nicht geachtet hat.

Fleece (im Schatten liegend): Ist das zu fassen? Da sind diese Trottel an einem so unglaublichen, von Eldath gesegneten Ort, und worüber reden sie? Über Schwänze.

Jen kriegt nichts mit, da sie gerade schwimmt, aber Caldaia linst kurz interessiert zu den Männern rüber.

Caldaia: Das kannst du hören?

Fleece: Ich hörte Kumamak. Das ist Gol-Kaa und bedeutet Schwanz. (Caldaia nickt ausdruckslos.) Damit meine ich den, den der Mann vorne trägt.

Caldaia: Das hab ich schon verstanden. (Sie setzt sich neben Fleece.) Damit kenne ich mich nicht sehr gut aus. Obwohl ich das wohl irgendwann sollte. Ob sie auch so über ihre Glieder reden wie wir über unsere Brüste?

Fleece (brummt mit halb geschlossenen Augen): Ich glaube, sie klingen dabei anders. Jaq wüsste es, die hat sich schon oft genug getarnt unter sie gemischt. (Caldaia sieht sie überrascht an.) Unter Männer allgemein, nicht unter... (Sie gestikuliert vage abfällig.) die da.

Caldaia: Oh. Ich wünschte, ich hätte Brüste wie deine. Sie sind wunderschön.

Fleece: Ich weiß nicht, was Jen von solchen Komplimenten hielte.

Caldaia (hat Fleece falsch verstanden): Ich liebe Jens Brüste, aber mir wären sie viel zu groß. Sie mag ja nicht jammern, aber ich weiß, welche Rückenschmerzen sie oft wegen ihnen hat. (Sie muss lächeln.) Außerdem sagt sie, sie seien ihr ständig im Weg. (Ihr Ton wird bedauernd.) Das kann mir nicht passieren. Wo sie zu viel hat, habe ich zu wenig. Fast nichts.

Fleece (stützt sich auf die Ellenbogen): Dafür bin ich neidisch auf deinen Hintern. Ich finde meinen zu flach.

Caldaia: Darf ich dich etwas fragen?

Fleece (augenzwinkernd): Das tust du bereits.

Caldaia: Ich lerne unglaublich viel von Jen. Ich glaube, es gibt nichts, das sie nicht weiß über die körperliche Liebe. Ich lerne auch viel von ihr über Männer. In der Theorie. (Sie überlegt länger, aber Fleece gibt ihr Zeit.) Mit Jen kann ich nicht darüber reden, aber...

Fleece (als sie länger nicht weitergeredet hat): Du fragst dich, welche praktischen Erfahrungen du sammeln solltest.

Caldaia (erleichtert): Ja! Gastgeber Kesten betonte immer wieder, ich solle alle Schönheit der Welt in mich aufsaugen und nie in meinem Bemühen nachlassen, Ekstase zu finden, um mir die Priesterwürde eines Tages auch wirklich zu verdienen. Kannst du dir eine Sune-Priesterin vorstellen, die nur mit ihrer Geliebten schläft und auch noch nie mit jemand anderem zusammen war?

Fleece: Im Norden sieht die Sune-Verehrung so ähnlich aus. Waterdeep und nördlich davon, meine ich. (Sie atmet kurz durch.) Nein, kann ich mir nicht vorstellen.

Caldaia: Daheim in Chessenta habe ich nie darüber nachgedacht. Eigentlich war ich nie frei, eigene Entscheidungen zu treffen, und auch wenn ich es gewesen wäre – ich musste meine Weihe verbergen, konnte meinen Glauben nicht offen leben. Da gab es Wichtigeres als solche Gedanken. Doch jetzt, wo ich zu verstehen beginne, was mein Glaube bedeutet, wie groß meine Kirche ist, wie allumfassend ihre Bedeutung für Faerûn... (Sie seufzt.) Aber wie könnte ich mit Jen darüber sprechen?

Fleece: Ahnst du denn, wie sie darüber denkt?

Caldaia: Nein, das ist es ja. Und wenn der Moment gekommen scheint, das Thema anzuschneiden, traue ich mich nicht. Sie ist sehr...

Fleece: Viel.

Caldaia: Ja.

Fleece: Du musst es aber, besser früher als später. Ich würde es dir ja abnehmen, doch das würde mir schlecht bekommen. Die Einzige, der Jen dafür nicht das Rückgrat am Steiß rausreißen würde, bist du.

Caldaia: Ich weiß. Mir ist oft, als hänge unsere Beziehung an einem seidenen Faden. Jen... Jen trägt eine so schwere Last mit sich herum, seit ihren Jugendtagen. Ich habe Angst, dass ich sie mit der bloßen Frage verliere. (Sie schmunzelt freudlos.) Dabei würde ich einem Gläubigen, der mich um Rat ersucht, ja auch sofort empfehlen: "Sprich mit ihr."

Fleece: Cal. Ich hätte mir nie träumen lassen, noch zu erleben, dass Jen mal eine Liebesbeziehung führt. Dass sie wirklich liebt. Sie ist so hart und schroff in allem, wirklich allem, was sie tut, auch gegen sich selbst, dass du irgendwann denkst: 'Nein, solche Bedürfnisse hat sie viel zu tief in sich vergraben, die würde sie nicht mal selbst wiederfinden.' Ich kenne sie schon so lange, und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie sie reagieren würde. Aber sie hat so viele Jahre als Jhasina verbracht... sie weiß, dass diese Frage im Raum steht. Entweder denkt sie über nichts anderes häufiger nach und fürchtet den Tag, an dem du sie stellst, oder sie verdrängt sie komplett.

Jen entsteigt wie weiland Ursula Andress den Wellen und kehrt erfrischt zum schattigen Platz unter den Palmen zurück.

Jen: Wenn ihr schon wieder über Musik redet, mache ich sofort Kehrt und springe zurück ins Wasser.

Fleece (gut gelaunt): Keine Sorge, Schätzchen. Diesmal sprachen wir über Poesie.

     Der weißgehaarte Krüppel, dessen Blicke

     Voll Bosheit schielen, ob die Lüge glücke

     Wie zuckt der falsche Mund, als trüg' er's nicht

     Den Hohn zu hehlen, der verdammte Wicht

     Ob diesem neuen Opfer seiner Tücke!

Jen: Bezaubernd.

 

Dass die Matrosen an der Endeavour arbeiten und immer wieder mit dem Boot übersetzen, um Wasser zu holen, macht niemandem ein schlechtes Gewissen – jeder hat seine Aufgaben, und das hier sind die Vorzüge des Lebens erfolgreicher Abenteurer, die soeben einen Piratenüberfall ohne Verluste zurückgeschlagen haben. Nachdem sich Fleece über die letzten Stunden etwas daran gewöhnt hat, halb nackt herumzulaufen, entschuldigt sie sich bei Anbruch der Dämmerung und kündigt an, mal zu den Männern hinüberzugehen, um Jen und Cal Zeit für sich zu geben – sich an einem Ort wie diesem zu lieben, wäre eine unvergessliche Erinnerung. Und so ziehen sich die beiden außer Sichtweite um eine Krümmung des Strandes zurück und legen eine traumhaft-sinnliche und schon allein von der Location her umwerfende Liebesszene hin.

 

So, wie sie gerade gekleidet ist, würde sich Fleece nur einem Liebhaber zeigen, aber sie war ja schon hier unten und weiß, dass es ihr im Laufe der Zeit immer leichter fallen wird, mehr und mehr Haut zu zeigen. Dennoch zieht sie erst mal Rock und Bluse wieder an, bevor sie sich zu den Männern gesellt – dass sie sie von Weitem so extrem freizügig gesehen haben, reicht erst mal. Max übt den Umgang mit seiner Zauberkugel über und unter Wasser, Skaar und J'avo schwimmen und tauchen noch immer um die Wette (Skaar ist nach wie vor etwas unbeholfen im Wasser, weil ihm das Schwimmen einfach nicht im Blut liegt, aber er will besser sein als J'avo, der ein ausgezeichneter Schwimmer und Taucher ist), und Raif sitzt im Sand und bestaunt diesen unglaublichen Sonnenuntergang.

 

Fleece unterhält sich mit ihm über nichts Bestimmtes, konzentriert sich aber auch gar nicht recht auf das Gespräch, sondern hängt ihren Gedanken nach: Oft stellt sie fest, dass sie Jen immer wieder unterschätzt, wenn diese entgegen ihrem Naturell ausnahmsweise mal Diplomatie und Fingerspitzengefühl an den Tag legt und die Fähigkeit demonstriert, sich in andere hineinzuversetzen, denn sie wirkt wie alles Mögliche, aber nicht wie eine gebildete Liebessklavin. Wer sie nicht kennt, würde sie für so einfühlsam und feinfühlig halten wie J'avo, und doch arbeitet bei ihr immer weit mehr unter der Oberfläche, als sie zeigt. Hat sie also auch schon Caldaias Interesse an Raif bemerkt? Denn Fleece hat es. Sie vermutet, Caldaias wachsendes schlechtes Gewissen, sich ihrer Weihe nicht vollends hinzugeben, hat dazu geführt, dass sie ihn sich unterbewusst "ausgesucht" hat als Sinnbild für einen hübschen und wohlerzogenen Mann, der sie erregt und mit dem sie schlafen möchte. Das, so denkt Fleece, wäre freilich die schlechteste aller Varianten. Wenn schon, dann sollte es ein Fremder sein, aber sicher nicht Raif, dessen Herz Fleece für so flatterhaft und unstet hält.

 

Dem wiederum entgeht nicht, dass Fleece hin und wieder zu J'avo hinüberschaut. Der Kerl sieht ja nun wirklich nicht klassisch gut aus, aber er ist groß und extrem muskulös, seine Tätowierungen verleihen ihm noch mehr Exotik, und trotz seiner entspannten Art strahlt seine Körpersprache wohl dieses gewisse, für manche Frauen anziehende gefährliche Etwas aus – und bestimmt hat sich auch schon zu Fleece herumgesprochen (wenn sie inzwischen nicht sogar selbst schon einen Blick erhascht hat, Gelegenheiten gab es ja), wie reich ihn Sune unterhalb des Bauchnabels beschenkt hat, was Raif mehr wurmt als alles andere. Er kann nicht verstehen, was man an so jemandem finden kann, aber sein Gemächt hätte er schon ganz gern selbst. Nur das kann der Grund sein, warum Fleece ihn hin und wieder mustert, nicht wahr, denn wie könnte ihr so ein geistloser, ungehobelter, unzivilisierter Wilder mit fragwürdiger Vergangenheit gefallen, während Raif sie völlig kalt lässt?

 

Fleece mochte J'avo auf Anhieb nicht, ohne dass sie sagen könnte, warum, und sie misstraut ihm noch immer. Sie mag gar nicht darüber nachdenken, was er schon alles verbrochen haben könnte – und ebenso wenig mag sie darüber nachdenken, wie arglos und naiv sie einst jeden um seiner selbst willen annahm. Zu denken, dass sie Raveena vielleicht nicht als enge Freundin bezeichnet hätte, aber doch als Kameradin mochte, obwohl sie davor eine Piratin war... Sich daran zu erinnern, wie moralisch flexibel, opportunistisch und bereit Fleece einst war, andere Menschen auszunutzen... Im Laufe der Jahre hat sich ihr Gerechtigkeitssinn erst ausbilden müssen, und die unzweifelhaft guten, heroischen Taten in Tethyr und Cormyr haben sie geformt. Von Rhoedrys Vergangenheit zu erfahren, war einer ihrer größten Schocks, und danach konnte sie nicht mehr mit ihm zusammen sein, mehr noch: Sie hatte danach generell nicht mehr viel mit ihm zu tun, konnte sich einfach nicht dazu überwinden, mit ihm über mehr als Alltägliches zu sprechen. Eine Raveena, eine Zhai, eine Nefirti, einen Spider würde sie heute garantiert nicht mehr mit so offenen Armen empfangen. Deshalb verspürt sie J'avo gegenüber auch instinktive Ablehnung, aber andererseits stand sie schon immer auf den großen, muskulösen, maskulinen Typen. (Zoran, obwohl er optisch so gut zu ihr passte, war als Typ, dem auch Raif entspricht, die Ausnahme – in ihn hatte sie sich nicht wegen seines eher hübschen Typen verliebt, sondern weil er musisch begeistert und bewandert war, und sehr komplizierte andere Faktoren in Form der Situationen, in die sie gerieten, kamen ja auch noch hinzu.) Im Laufe der Tendays hat sie sich an J'avos Anwesenheit gewöhnt, und ständig mit seinem freien Oberkörper konfrontiert zu werden, schickt die Gedanken auf Reisen – und ja, da J'avo beim Anziehen wenig Scham verspürt, hat sie natürlich auch schon mehr gesehen.

 

Während sie scheinbar Raif zuhört, driften ihre Gedanken weiter. Sie denkt gerade, dass sie normalerweise mit einer engen Freundin über J'avos Körper und seine gute Ausstattung sprechen würde, wie Frauen das nun mal tun – aber sie hat keine, mit der sie das könnte. Ja, mit Jen kann sie manchmal ein bisschen lästern, aber ansonsten ist ihre beste Freundin doch eine ausgesprochen untypische Frau. Jewel, Zhai, Kithain – alle drei sind ganz oder zur Hälfte elfisch (und es ist in jedem Fall der prägende Teil) und absolut nicht der Typ dafür, und Caldaia ist einfach noch zu unerfahren und unbedarft, als dass sie mit ihr ohne "Machtgefälle" umgehen könnte. Was sagt es nun über Fleece aus, dass sie keine "normalen" Freundinnen hat? Ist das lediglich der Tatsache geschuldet, dass man es als heimatlose Abenteurer eben nur miteinander zu tun und es zufällig keine "normale" Frau in die Gruppe verschlagen hat? Oder ist es Fleeces Naturell, grundsätzlich jene an sich zu binden, die ganz anders sind als sie, und zu ähnlicheren Frauen weniger Zugang zu finden?

 

Kaum hat die Endeavour wieder abgelegt, kreuzt sie den Weg einiger Schiffe der Schwarzen Armada, die sich gerade auf Piratenjagd befinden. (Die Endeavour passiert hier quasi die "Seeblockade" Richtung Westen, die die Piraten von Chult abwehren soll.) Sie drehen bei, und Max bleibt genug Zeit zum Umziehen, um sich wieder standesgemäß herzurichten. Kontrolleure kommen an Bord, um Schmuggelwaren (Tashalar erhebt sehr hohe Einfuhrzölle, weshalb sich Schmuggel trotz des hohen Risikos sehr lohnt) oder Anzeichen für unter falscher Flagge segelnde Piraten zu finden. Fleece hat mit Max im Vorfeld die Antworten besprochen, die in so einer Situation zu geben sind, und erstaunlicherweise pisst der schwierige Magister niemandem ans Bein und meistert die Situation.

 

Mezro ist Fleece, Jen, Zhai, Raif und Spider noch in schlechter Erinnerung, und Fleece hat alle vor diesem Wespennest gewarnt. Als der Endeavour per Fahnenzeichen eine Pier zugewiesen wird und das Schiff zu rangieren beginnt, meint J'avo, er kenne hier vielleicht jemanden, der ihnen weiterhelfen kann. Warum er das nicht schon auf der Reise gesagt habe, fragt Jen missbilligend. Weil er es da noch nicht wusste, antwortet er, und der Zuschauer sieht, dass er dabei eines der vertäuten Schiffe betrachtet.

 

Vorsichtshalber gehen erst mal nur Dr. Meranilius, Max, Fleece, Jen und J'avo von Bord. (Davor stellt Fleece zwischen sich und Zhai ein Speechlink her, damit sie in Kontakt bleiben können, sollte es Probleme geben.)  J'avo begibt sich allein zu einem der Schiffe, der Neraida, und spricht auf der Pier mit einem Matrosen. Die anderen vier beobachten ihn und hoffen, dass er sie nicht aufs Kreuz legt, indem er alten Kumpanen rät, die Endeavour auszurauben. Er kehrt aber wieder zurück und nimmt sie mit zur Sandbank, einer klassischen Südseepiratenkaschemme. Dort sieht er sich aufmerksam um, bis er schließlich ausruft: "Domevai, K'uro!", woraufhin sich an einem der Tische ein anderer Zuma (Leati Joseph Anoa'i) umdreht und zurückruft: "Salai ahau, J'avo!"

 

Der ähnlich stark wie J'avo tätowierte Zuma steht auf, kommt langsam näher, und eine bedrohliche Anspannung liegt in der Luft. Sie wechseln ein paar Worte, die Max leise zu übersetzen versucht: Im Grunde ist es nur eine unherzliche Begrüßung, aber sie klingt codiert. Plötzlich jedoch gehen die beiden aufeinander los und beginnen zu ringen, wobei es über Tisch und Bank geht. Die Taverne ist Schlägereien offenbar gewohnt, und die Gäste stehen auf und erfreuen sich an dem Spektakel. Der Kampf wogt hin und her, die beiden schenken einander nichts. Dabei schaut sich Fleece mal die Leute an, mit denen dieser K'uro an einem Tisch gesessen hatte, und die sehen deutlich nach Seeräubern aus.

 

Einer von ihnen, den wir als Darabur kennen lernen werden, geht zu den beiden Gelehrten und den beiden schönen Frauen hinüber, sagt etwas, ergreift Fleeces Arm und zieht sie hinter sich her. Jen greift sofort ein, bricht ihm einen Finger, dreht ihm den Arm auf den Rücken und kugelt ihn aus, während die überraschte Fleece zu Boden stürzt. Nun springt natürlich auch der restliche Tisch auf und stürzt sich auf Jen. Weniger mit purer Muskelkraft wie bei den beiden Zuma, sondern mit tänzerischen, mit bloßem Auge kaum nachvollziehbaren Bewegungen schickt Jen innerhalb kürzester Zeit alle drei Angreifer auf die Bretter, und als sich der Staub gelegt hat, stellt man in einer amüsanten Szene fest, dass sogar J'avo und K'uro, die einander im armlock halten, innegehalten haben und erstaunt zu Jen blicken. Fleece hat sich aufgerappelt, räuspert sich, lächelt und gestikuliert zu den beiden, dass sie gern weitermachen dürfen. Die beiden sehen sich an, beginnen zu grinsen und umarmen sich herzlich. Max findet, wenn dies die typische Begrüßung unter Zuma ist, sei das diesen Wilden durchaus angemessen.

 

Der halborkische Schankwirt schimpft lautstark herum (vermutlich beschwert er sich über die Schäden), und da sie ja etwas wollen, eilt Fleece hinüber und steckt ihm etwas Silber und Kupfer zu. K'uro lädt J'avo und seine Leute an seinen Tisch ein, wird aber von seinen Kameraden angegangen, die sich vermutlich darüber beschweren, dass sie gerade von der Alten da aufgemischt wurden, woraufhin K'uro lediglich "Werdet besser" erwidert (was nur J'avo und Max verstehen, Meranilius ein bisschen, und Jen und Fleece schnappen hier und da Worte auf, die auf Alzhedo ähnlich klingen).

 

J'avo stellt seine Begleiter gar nicht vor und beginnt gleich ein Gespräch mit K'uro, während seine lädierten Kameraden die Frauen mustern, teils wütend, teils immer noch lüstern. Max hat hin und wieder den Impuls, etwas zu sagen, doch Jen drückt sehr schmerzhaft sein Knie, sobald er Luft holt. Er kann der Unterhaltung trotz des lokalen Dialekts aber gut folgen: J'avo spielt die Anwesenheit der anderen herunter, erwähnt sie nicht mal und fragt nach der Courageous, die vor drei Jahren in Mezro gewesen sein soll, ob jemand Bescheid wisse, wer der Kapitän war oder wem das Schiff gehörte. K'uro ist damit aber nicht zufrieden und will mit J'avo unter vier Augen reden. Im Gehen meint er zu seinen Freunden, dass sie die Fremden in Ruhe lassen sollen – fürs Erste.

 

Fleece und Jen ist es recht, dass die Piraten denken, dass niemand am Tisch sie versteht, und Max hört mit abgewandtem Gesicht den Unterhaltungen zu, die keinen Zweifel daran lassen, womit diese Leute ihr Brot verdienen und was sie gerne mit Fleece und Jen anstellen würden – aber das können sie ja später immer noch, erst mal muss K'uro klären, ob hier Geld zu holen ist. Fleece (obwohl sie sauer ist, dass J'avo sie hier ins offene Messer hat laufen lassen) nutzt die Chance, nicht wissend, ob diese Leute ein paar Brocken Chondathanisch sprechen, und unterhält sich naiv spielend mit Meranilius, ob diese Leute ihnen wohl helfen können. Der schlaue Gelehrte steigt sofort ein, genießt die Scharade aber ein bisschen zu sehr und trägt zu dick auf – doch an den einfachen Piraten geht das vermutlich eh vorbei.

 

Vor der Sandbank nimmt K'uro J'avo mit auf einen zügigen Spaziergang, und hier bekommt der Zuschauer endlich Untertitel serviert.

 

K'uro: Bei Kyrysirs Fangarmen, J'avo! Du tauchst hier auf, als hätte dich Numinai ausgespuckt, und fragst mich nach einem Schiff? (Er schlägt ihm tadelnd auf die Brust.) Erzähl erst mal von dir! (J'avo will erwidern.) Nein! Erzähl von den Frauen! Bei Karkons Schwanz, was schleppst du da an? Hast du eine Ahnung, wie viel du für die beiden kriegen kannst?

J'avo: Eine Menge.

K'uro: Eine verdammte Menge, Bruder. Hübsche Gesichter, schöne Titten, und die Große kannst du in jede Arena schicken und die Goldstücke wie Kakaobohnen scheffeln.

J'avo: Ich arbeite für sie. Noch nicht lange.

K'uro (in sehr beiläufig-sachlichem Tonfall): War auf dem Schiff, das sie suchen, ein Schatz?

J'avo (gleichgültig): Nein, nur irgendwelche Steintafeln eines Wissenschaftlers.

 

K'uro weiß natürlich, dass J'avo so antworten muss, um ihn nicht mit der Nase auf einen vielversprechenden Fund zu stoßen, und J'avo weiß, dass K'uro das weiß. So herzlich ihr Umgang auch wirkt ("Bruder" ist hier umgangssprachlich und nicht wörtlich zu verstehen), merkt der Zuschauer unterschwellig doch, dass der eine dem anderen nicht traut und K'uro nur darauf lauert, wie er Kapital aus der Sache schlagen kann – das ist wichtiger als das Wiedersehen, Anekdoten kann man später immer noch austauschen. J'avo wiederum will sich auch nicht in die Karten sehen lassen und spielt die Bedeutung seiner Begleitung insofern herunter, dass das halt nur irgendwelche Auftraggeber sind.

 

Währenddessen nähern sie sich einem unsympathischen, Kautabak kauenden Zwerg, der mit verschränkten Armen an einer Wand lehnt, während ihm eine Uraku-Kriegerin aneinandergebundene, geschwächte Uraku eines anderen Stammes zum Kauf anbietet, nach wie vor auf Tashalari mit Untertiteln.

 

Uraku: Nein, nein, nein, du bietest viel zu wenig! Das sind Miriwatu, gute Arbeitssklaven. Sehr fleißig, sehr ausdauernd. Sie können hart arbeiten, schwere Lasten tragen und gut klettern. Nur die Stärksten aus ihrem Dorf hab ich dir gebracht, und du beleidigst mich und bietest mir einen Tausch an, der mich zum Gespött macht. Ich bin eine Yakosh-Dey, keine Chirakah, die sich winselnd im Schoß ihrer Mutter versteckt! Ich trage viele erschlagene Feinde an meinem Gürtel. Vergiss das nicht!

Tharzon: Was soll ich mit denen? Die können doch kaum noch stehen.

Uraku: Sieh genauer hin! Sie sind alle gesund und kräftig. Wenn du sie gut versorgst, werden sie lange leben und gut für dich arbeiten. Dann werden noch die Kinder, die deinen Kindern folgen, sie arbeiten sehen. Ich gebe sie dir alle und außerdem die Kräuter, die du brauchst. Aber ich will für jeden von ihnen ein Beil, drei Messer und einen Sack eiserne Pfeilspitzen.

Tharzon: Miriwatu sind mir zu aufsässig.

Uraku: Nein, diese nicht. Als wir in ihr Dorf kamen, haben sie mutig gekämpft. Sie haben sogar einige unserer Krieger verwundet und zwei erschlagen. Aber jetzt haben sie erkannt, dass die Yakosh-Dey die Stärksten unter allen Stämmen sind. Der große Schöpfer Siatuar hat uns auserwählt und zu den mächtigsten Kriegern gemacht. Sie sind besiegt, und das wissen sie.

     Du stellst meine Geduld  auf die Probe, Shomaha. Wenn du keinen besseren Tausch bietest, verkaufe ich sie an den Mann aus Tashluta mit dem langen Hals, der immerzu redet und dessen Haar feucht ist vom Schleim der Sumpfkröte. Sein Geplapper ist nutzloser als das Lärmen der Affen und lästiger als das Summen der Moskitos, aber bei Shingwas Speer, wenn du dein Angebot nicht erhöhst, werde ich ihm die Miriwatu geben.

Tharzon (brummig): Von mir aus. Ein Beil, drei Messer und ein Sack Pfeilspitzen pro Kopf. Geh zu Bhajan, mach schon.

Die Uraku-Kriegerin zerrt ihre Gefangenen ruppig weiter, und K'uro tritt auf Tharzon zu.

K'uro: Kinich ahau, Tharzon. Das ist J'avo. Wir haben vielleicht ein Angebot für dich. Ist der Kerl noch in Mezro, der für Sharadurs Arena einkauft?

Tharzon: Nein, aber bald.

J'avo (klopft sachte gegen K'uros Hüfte): K'uro.

K'uro: Er kennt doch Leute in Tashluta, oder? Bei den großen Arenen?

J'avo (klopft härter): K'uro.

K'uro: Beruhig dich, ich frage nur.

Tharzon: Nur, wenn du etwas Außergewöhnliches hast, Zuma. Und du hast nichts Außergewöhnliches. Hast du nie.

K'uro: Diesmal vielleicht schon, Tharzon.

 

J'avo reicht's, aber als er versucht, K'uros Arm so auf den Rücken zu drehen, dass er sich zum Gehen wenden muss, entwindet sich K'uro geschickt dem Griff, und die beiden beginnen erneut, auf der Straße miteinander zu ringen. Tharzon winkt ab – glücklicherweise hat er das "Angebot" von vornherein nicht ernst genommen und blafft die Raufbolde nur an, sie sollen sich woanders prügeln, aber gefälligst nicht da, wo sie die Kundschaft vertreiben. Die beiden raufen noch etwas, lösen sich aber irgendwann wieder voneinander.

 

K'uro: Hast du noch nicht genug? (Er stößt J'avo kräftig vor die Brust.)

J'avo: Du hast offenbar zu viel Südwind abbekommen, wenn du denkst, dass du meine Entscheidungen treffen kannst. (Er stößt ebenso hart zurück.)

K'uro: Ich tue dir einen Gefallen, und du spielst den pissigen Marakai? (Er stößt ihn wieder. Das Wort Marakai bezeichnet Menschen ohne Eingeborenenblut, umgangssprachlich für "die feinen Herrschaften".)

J'avo: Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann hilf mir, die Courageous zu finden! (Er stößt zurück.)

K'uro (ist zurückgetaumelt, setzt nun aber nicht erneut nach): Erzähl mir nicht, für das Finden eines Forscherschiffs zahlen dir die Sakai mehr, als du für das große Weib bekommen würdest! (Das Wort Sakai ist kurz für Talasakai und bezeichnet Fremdländer.)

J'avo: Das lass meine Sorge sein! Hilfst du mir oder nicht?

K'uro: Dir helfen! Das letzte Mal, als wir uns sahen, versprach ich dir, dich an deinen Eingeweiden am Krähennest aufzuhängen, damit sich die Möwen um dich kümmern!

J'avo (als würde das irgendwas entkräften): Das ist über vier Jahre her!

 

Die beiden funkeln sich an, bis K'uro grinst, kopfschüttelnd auf J'avo zugeht, ihm auf die Schulter klopft und einladend zurück Richtung Sandbank nickt.

 

Dort hat Fleece auch weiterhin das Dummchen gespielt und ist auf die plumpen Kontaktaufnahmen eingegangen – die Piraten werfen das eine oder andere chondathanische Wort in die Runde, das sie kennen, und reden ansonsten auf Tashalari, aber langsam und laut, als hätten sie es mit einem Großmütterchen zu tun. Jen atmet genervt durch, lässt aber alle gewähren, zumal sie weiß, dass es gut ist, wenn ihre Gefährten unterschätzt werden.

 

Als K'uro und J'avo zurückkehren, nimmt Fleece Letzteren beiseite und fragt ihn freundlich lächelnd (weil sie weiß, dass sie beobachtet wird), aber in eisigem Ton, was ihm einfalle, die Federführung zu übernehmen. J'avo erklärt ihr ruhig, dass sich der Typ, dessen Fresko sie suchen, hier auch nur mit Piraten einlassen konnte, wir sind hier schließlich in Mezro. Mit Leuten wie ihnen wird man hier keine Geschäfte machen, sondern sie nur in eine Falle locken, sie soll ihn also mal machen lassen. Nach einigen Sekunden des wortlosen Blickwechsels fragt sie ihn, ob er K'uro traue. J'avo schnaubt lächelnd, was Antwort genug ist, und kehrt mit ihr an den Tisch zurück.

 

Dort wird ausgehandelt, wie viel der verschrobene Doktor springen lässt, wenn K'uros Leute ihm helfen, herauszufinden, wo das Schiff ist, das hier vor drei Jahren mal vor Anker lag – es sind schon erfolgreicher Nadeln in Heuhaufen gefunden worden. Man wird handelseinig, und die fünf kehren zur Endeavour zurück. Unterwegs erklärt J'avo, dass er meint, glaubhaft versichert zu haben, dass die Endeavour nichts Wertvolles, sondern wirklich nur eine wissenschaftliche Expedition transportiert, aber K'uro hat wohl einen Sklavenhändler an der Hand, also sollten sich Skaar, Spider oder Zhai besser nicht in der Stadt zeigen, sonst kommt er noch auf die Idee, dass es sich lohnt, das Schiff zu überfallen.

 

Als man an Bord davon hört, sind natürlich die meisten unzufrieden, das Schiff nicht verlassen zu können – gerade Caldaia und Tulwood angesichts dieser aufregenden Stadt. (Jen hätte Cal aber auch ohne J'avos Warnung niemals Mezro betreten lassen und streitet sich abermals mit ihr.)

 

K'uro unterhält sich derweil mit Kebla, Marech und Darabur über die große Blonde: Tharzon würde sich die gewiss etwas kosten lassen. Die kleine Schwarzhaarige gäbe eine gute Lustsklavin ab, die würde auch Geld in die Kasse spülen.

 

In der Nacht schleichen K'uro und drei Dutzend Piraten (sie haben die Hafenwache angemessen geschmiert) unbehelligt zur Pier der Endeavour. Mit einem Nachtsichttrank und einem gut gezielten Armbrustschuss wird die Deckwache getötet, aber Spider balanciert gerade in schwindelerregender Höhe gelangweilt über das Rahsegel und bekommt das mit. Durch den Schattengrund kürzt er ab, weil dort die Zeit nahezu still steht, klettert am Mast runter, geht unter Deck, kehrt in die materielle Ebene zurück und warnt alle.

 

Die Abenteurer ziehen sich hastig das Nötigste an. Fleece faucht J'avo an, der ehrlich nicht gedacht hätte, dass K'uro so etwas tun würde. Er weiß aber auch, dass sie hier unten in der Falle sitzen und sich nicht verschanzen dürfen, denn auch wenn der Niedergang einen Flaschenhals darstellt, würde K'uro irgendwann, wenn sie nicht rauskommen, das Schiff anzünden – dann gehen sie garantiert freiwillig von Bord. Also müssen sie an Deck und den offenen Kampf suchen.

 

Gesagt, getan, Teremon wird instruiert, das Schiff so schnell wie möglich ablegebereit zu machen, wenn die Situation es zulässt. Fleece weiß, dass sie ihre Leute in die Schusslinie der Fernkampfwaffen der Gegner führen würde, und beratschlagt sich kurz mit Max und Spider. Dieser wirft, nachdem sie nach oben gegangen sind, eine Wolke der Dunkelheit an Deck, die an der Reling aufhört, läuft auf die Stelling, wirft dort Grasping Shadows auf den Bereich der Pier bis zur Stelling, so dass pechschwarz-feuchtglänzende Tentakel aus dem Wasser schießen und die Piraten ergreifen, und springt per Shadow Jump hinter die Angreifer, um dort Sickening Shadows zu wirken. Fleece und Max laufen an Bord blind durch die Wolke, stoßen gegen die Reling, können wieder sehen, Max schickt seine Kugel mit Irrlicht los, so dass Fleece die Piraten in der Finsternis erkennen und einen Song of Discord in die Mitte der Angreifer spielen kann, denn um die vorderen kümmern sich die Tentakel.

 

Die Piraten stehen logischerweise dicht an dicht, die meisten schaffen ihren Save nicht, und während vorn schreiende Männer von Tentakeln gepackt und ins Wasser gerissen werden, brechen in der Mitte brutale Kämpfe aus, und die hinteren Piraten ergreifen die Flucht, weil sie den Gestank nicht ertragen. Währenddessen lässt Baltram zwei Zugboote zu Wasser, die Matrosen beginnen, das Schiff klarzumachen, und die Abenteurer halten sich bereit – würden sie einen Ausfall versuchen, würden die Tentakel auch auf sie losgehen.

 

K'uro, selbst in der Mitte der Männer, versteht natürlich in diesem Chaos gar nicht, was passiert. Er schafft seinen Save, muss sich aber seiner eigenen Kameraden erwehren, während von vorn panische Schreie aus der Dunkelheit gellen und von hinten Ächzen, Stöhnen und Würgen ertönt. Noch nie ging ein Angriff dermaßen nach hinten los. J'avo steht an Bord, kann in der Dunkelheit nichts sehen, hört aber die Schreie und den Kampfeslärm und sieht, dass einfach niemand an Bord kommt. Ziemlich baff fragt er sich, was diese Leute, mit denen er reist, für Möglichkeiten haben.

 

Die Kämpfer stehen zwar bereit, kriegen aber nichts zu tun, obwohl sich Tulwood gefreut hatte, sich vielleicht endlich mal unter Fleeces und Jens Augen beweisen zu können, wenngleich er die Vorstellung hasst, in dieser Dunkelheit zu kämpfen – aber er kriegt wieder mal nicht die Chance dazu. Nur Skaar ist davon enttäuschter als er. Tatsächlich bleibt die Mannschaft komplett unbehelligt, während sie das Schiff mit langen Stangen von der Pier wegschiebt und die Boote es sehr langsam querab ziehen, damit es geradeaus den Hafen verlassen kann.

 

Wütend über die Dreistigkeit, sich nicht klaglos überfallen zu lassen, brüllt K'uro auf Tashalari durch die Nacht, dass er noch nicht mit ihnen fertig ist und sie das bereuen werden. J'avo hört das, und Zhai, die in der Dunkelheit besser sehen kann als am Tag, hat den Eindruck, als habe er fast ein schlechtes Gewissen, so bedauernd wirkt er kurz, obwohl dieser Gesichtsausdruck schnell einem angepissten weicht, obwohl ihn sonst nichts aus der Ruhe bringt. Sie versteht ihn nicht, aber er brüllt in die Dunkelheit zurück, dass K'uro nur kommen soll, damit sich J'avo persönlich um ihn kümmern kann.

 

Als die Endeavour das Hafenbecken verlässt und sich alles beruhigt hat, faltet Fleece J'avo zusammen, der das, ohne sie anzusehen, über sich ergehen lässt, aber Zhai springt ihm bei: Es war sicher keine Absicht, und es ist ja alles gut gegangen. Fleece geht ab, und Zhai vergewissert sich, ob J'avo okay ist. Der meint, er und K'uro kennen sich... schon sehr lange. (Zhai bemerkt, er wollte etwas anderes sagen, bevor er allgemeiner wurde.) Sie sind nicht gerade im Guten auseinandergegangen, aber mehr als eine Meinungsverschiedenheit war es auch nicht. Dass er gleich aus allen Rohren feuern und J'avo dabei komplett ignorieren würde, hätte er nicht gedacht.

 

Fleece stellt mal wieder fest, was für eine Macht Spider geworden ist, auch wenn er immer im Hintergrund bleibt. Er ist mittlerweile soweit, sich unbegrenzt im Schattengrund aufhalten zu können, ohne Schaden zu nehmen. Allerdings weiß Fleece auch, dass er, um diese Fähigkeiten zu erlernen und zu vervollkommnen, dort viel Zeit verbringen muss, und das muss ja etwas mit einem machen. Dieser Ort ist schließlich die Personifikation des Stoffs, aus dem die Albträume sind – wie viel Zeit kann man dieser schrecklichen Ebene widmen und dabei, nun ja, geistig gesund und anständig bleiben? Solche Gedanken verscheucht sie aber ebenso schnell wie die über Ashes Profession.

 

Milandre merkt Tulwood an, dass er enttäuscht ist, dass Fleece, Spider und Max den Kampf abgewendet haben. Sie missbilligt die Art und Weise – solche magischen Teufeleien haben nichts mit tempusgefälligem Kampf zu tun –, aber sie weiß auch, dass es galt, die Mannschaft zu schützen und auf dieser Seite so wenig Blut wie möglich zu vergießen. Dennoch gefällt ihr nicht, dass der Challenger, dieses heilige Schwert, in solcher Gesellschaft reist. Gesehen hat sie nichts, aber gehört sehr wohl – wenn das überhaupt möglich ist, ist ihr Spider noch unheimlicher geworden. Aber auch Fleeces Fähigkeit, Waffenbrüder gegeneinander aufzubringen, findet sie einfach nur schrecklich und unehrenhaft, unabhängig davon, dass diese Strauchdiebe ebenfalls nichts Ehrenhaftes im Sinn hatten. Doch sie begleitet die Gemeinschaft nur und macht sich nicht mit ihr gemein, sieht sich also auch nicht im Recht, eine Meinung dazu zu äußern.

 

Als sich Fleece wieder etwas beruhigt hat, spricht sie noch mal mit J'avo. Dieser fragt sie, immer noch überrascht von den Geschehnissen, ob sie auch eine Magierin sei, weil sie ja schließlich K'uros Leute gegeneinander aufgebracht habe. Ja, so etwas Ähnliches, antwortet sie, will aber lieber darüber reden, wie zum Henker man nun die Courageous finden soll. Erneut nimmt Zhai J'avo in Schutz, indem sie darauf hinweist, dass man sich doch sehr gut daran erinnern könne, dass die Leute in Mezro jeden, der nicht zu ihnen gehört, als Opfer betrachten, das mindestens übers Ohr gehauen gehört, wenn nicht mehr. Fleece will also alles über K'uro und seine Crew wissen, aber J'avo erwidert, dass das gar nicht K'uros Crew sei – er sei nur der Erste Maat der Neraida, der Kapitän ist der berüchtigte Corozal.

 

Diesen sehen wir nun in seiner Kajüte, wie er sich K'uros zerknirschten Bericht anhört. Corozal flippt aus: Er hat heute Nacht mehr Männer verloren als bei so mancher Kaperfahrt, und was hat er dafür vorzuweisen? Nichts! Und das nur, weil K'uro dachte, zwei hübsche Frauen seien leichte Beute? K'uro versucht zu erwidern, dass niemand mit so viel Magie rechnen konnte, aber Corozal will nichts mehr hören. Er raunt finster, dass K'uro wisse, dass Corozal nun nachsetzen muss, will er seinen Ruf in Mezro bewahren, und gibt Befehl zum Auslaufen.

 

Im Morgengrauen informiert Baltram den Kapitän, dass ein Schiff Kurs auf die Endeavour hält. Teremon will auf die hohe See hinaus flüchten, da die Endeavour nur mager bewaffnet ist, aber Fleece weiß, dass die Spur nur in Mezro verfolgt werden kann, also fragt sie, ob es möglich sei, einen großen Bogen zu segeln und wieder in den Hafen einzulaufen, ohne von dem anderen Schiff vorher abgefangen zu werden. Ja, das sei an einer vorgelagerten Insel möglich, wo der Verfolger die Endeavour kurz aus den Augen verlieren und annehmen würde, sie segle nach rechts, anstatt die Insel zu umrunden und zurückzukehren. Fleece versichert Teremon, dass dem Schiff im Hafen nichts passieren wird, wenn es seine Passagiere erst mal abgesetzt hat. Sie baut nach Rücksprache mit J'avo nämlich darauf, dass in Mezro keine zwei Parteien am gleichen Strang ziehen, es sei denn zum Schein, derweil sie die andere zu übervorteilen versuchen. Mezro lebt ja auch vom Handel und kann es sich nicht leisten, dass jeder Kapitän nackte Angst davor haben muss, es anzusteuern, und es respektiert Stärke – und bei Helm, die kann die Gemeinschaft der Ersten Sonne zeigen. Die bloße Rückkehr direkt nach der Abfahrt wäre bereits ein Statement, und dass man die Neraida hinter sich hergelockt hat, nur um eine kleine Spritztour zu unternehmen und zurückzukehren, wird Corozal noch mehr zum Gespött machen.

 

Dieser nimmt entgeistert Teremons Manöver wahr, weiß, wozu es dient, funkelt wütend K'uro an, der ihm diesen Schlamassel eingebrockt hat, und lässt ebenfalls umdrehen.

 

Die Abenteurer putzen sich heraus, die Endeavour legt in aller Seelenruhe wieder an, und die Gemeinschaft spaziert an Land. (Bis auf Spider, der mit Fleeces Speechlink für den Fall zurückbleibt, dass die Piraten doch etwas gegen das Schiff unternehmen.) Drei Schönheiten, ein Goliath, eine Drow, ein Zuma, ein Magier, eine verwegene, vernarbte Kämpferin, ein Errol-Flynn-Typ in blond und eine hinterdreinschwebende Truhe – das macht schon Eindruck. Fleece fragt sich zum Hafenmeister durch, charmt diesen und bittet ihn darum, einen Anschlag am Schwarzen Brett machen zu dürfen: Die Gemeinschaft der Ersten Sonne zahlt für Hinweise, die zum Auffinden der Courageous führen, zehn Oreal.

 

Als sie sich auf den Weg zur Himmelsschlange macht (einer Taverne in dem oberen Teil der Ruine einer Echsenpyramide), spürt Tulwood plötzlich ein Zupfen an seinem Gürtel und sieht eine kleine Gestalt durch die belebte Straße von ihm weglaufen. Laut "Hey!" brüllend rennt er hinterher, bevor einer seiner Kameraden ihn aufhalten kann. Jen hält mürrisch Fleece am Arm fest: Sie will weitergehen. ("Wenn er unter die Räder kommen will, lass ihn. Gehen wir.")

 

Tulwood liefert sich mit der Diebin eine Verfolgungsjagd durch die aus Steinruinen und vermoosten Holzbauten bestehende Piratenstadt, schafft es aber schließlich geistesgegenwärtig und auf gut Glück, sie zu stellen, weil er parallel zu ihr läuft und sie am Ende der Straße mit einer gewonnenen Fifty-fifty-Chance abfängt. Die junge Frau ist unter einer leichten Schmutzschicht wirklich niedlich, doch sie schreit wie am Spieß, als sei er übergriffig geworden. Mit einem famosen Diplomacy-Check beruhigt er sie jedoch durch sein natürliches Charisma und seinen harmlosen, gestressten, beschwichtigenden Gesichtsausdruck, während er auf sie einredet, dass er ihr nichts tun wird. Das Mädchen (Tashi Rodriguez) regt sich langsam ab, und vielleicht ist es Show, aber es sieht aus, als ob sie es nicht gewohnt ist, dass sich ein Mann so defensiv, deeskalierend, undominant verhält.

 

Tulwood weiß nicht, ob sie ihn versteht, aber er fragt entwaffnend grinsend, ob er seinen Geldbeutel wiederhaben könne, während er ihn ihr langsam und vorsichtig abnimmt, derweil sie ihn nur unsicher anstarrt. Er gestikuliert deutlich, dass er sie nicht mehr berührt und ihr nichts tun will, und fragt, ob sie sich setzen und reden wollen. Als sie nicht reagiert, sieht er sich um und setzt sich einfach an die Hauswand hinter ihm auf den Boden, um klar zu machen, dass er sie nicht fangen könnte, wenn sie wegliefe. Zögerlich sieht sie sich um, setzt sich dann aber in einigem Abstand in wiederum selbstbewusster Pose dazu. Ganz offensichtlich ist sie zu neugierig geworden, um wegzulaufen.

 

Tulwood nennt seinen Namen und zeigt auf sich, und als sie nach kurzem Überlegen ebenso verfährt und sich als Kiali vorstellt, ist klar, dass sie kein Chondathanisch versteht (oder das zumindest noch nicht zugibt). Es schließt sich eine mühsame Scharade an, in der sich Tulwood verständlich zu machen versucht.

 

Was er nicht weiß, ist, dass sich nicht viele Diebe an diese wirklich beeindruckend aussehende Gruppe herangetraut hätten, doch Kiali, ohne zu hoch hinaus zu wollen, hatte sich den am ungefährlichsten Wirkenden ausgesucht, um ihn zu bestehlen, denn wenn er zu dieser Gruppe gehörte, musste bei ihm ja wenigstens ein bisschen zu holen sein. Was sie nicht ahnen konnte, war, dass Tulwood nur etwas Bronze und Kupfer dabei hat, gerade genug für eine Mahlzeit. Er wiederum konnte nicht zulassen, schon wieder das schwächste Glied der Kette zu sein, auch wenn es nicht seine Schuld war, dass ausgerechnet er bestohlen wird – aber er wollte auf gar keinen Fall schon wieder mit runtergelassenen Hosen dastehen. Nun hat er die Diebin eingeholt, und sie gefällt ihm. Er stellt sich vor, wie es wäre, wenn es ihm gelänge, sie zu den anderen zu bringen, und es sich herausstellte, dass sie der Gemeinschaft weiterhelfen kann – Mann, das wäre großartig. Also gibt er sich Mühe, wirklich nett und harmlos rüberzukommen und Kiali zu verstehen zu geben, dass sie gutes Geld verdienen könnte, wenn sie mitkäme. Sie versteht ihn falsch und signalisiert missmutig, dass er sie für Sex bezahlen will, was er erschrocken verneint. Diese Erschrockenheit gibt bei ihr wohl den Ausschlag, auf die Chance hin, etwas Geld zu machen, mitzukommen. Jedoch hat sich Tulwood in der chaotischen Straßenführung völlig verlaufen, und so versucht er, mit einer Scharade Kiali dazu zu bringen, ihn zur Himmelsschlange zu führen.

 

Die Neraida hat angedockt, und K'uro und ein Tross Piraten findet schnell heraus, wohin J'avos Truppe gegangen ist. Die Abenteurer haben sich gerade hingesetzt (am Morgen findet man noch genug freie Plätze), als K'uro und seine Gesellen eintreten. J'avo springt auf und bewegt sich wütend auf ihn zu, und Fleece ruft ihn erst einmal, dann das zweite Mal lauter beim Namen, und der Zuma reißt sich zusammen. K'uro quittiert das provozierend: "Bei Fuß. Sitz. Braver Junge." Fleece versteht nicht die Worte, aber den Tonfall, und berührt J'avo so lange sanft am Arm, bis er sich wieder setzt. Als sei nichts Besonderes, nehmen K'uro und die Piraten an einem anderen Tisch Platz. Was führen sie im Schilde?

 

Tulwood und Kiali kommen an, und Tulwood sieht sofort zu, dass er das Mädchen zu Valmaxians Tischecke bugsiert – neben J'avo dem Einzigen, der Tashalari spricht. Tulwood mag J'avo, aber er mag nicht, dass Frauen angesichts seiner Muskeln und seiner scheinbaren Gefährlichkeit schwach werden, denn Tulwood will ja selber bei Kiali punkten. Jen reagiert missmutig auf die Straßenratte, die Tulwood anschleppt, um scheinbar irgendwas Konstruktives getan zu haben, aber Fleece lobt ihn und bittet Max, mit Kiali zu reden. Dieser findet (trotz seines gewaltigen Desinteresses) heraus, dass sie eine Diebin ist, aber Diebe haben es hier generell schwer, weil Bestohlene, die den Diebstahl bemerken, oft auf der Straße kurzen Prozess mit dem Dieb machen – und das auch dürfen. Daher ist Kiali gezwungen, hin und wieder ihren Körper zu verkaufen, nur um zu überleben, was Max mitleidlos übersetzt. Er fragt sie direkt, wohin sich ein Forscher hier in Mezro wenden würde, aber dafür kennt sie keine Anlaufstellen. Sie weiß aber von jemandem, der vielleicht helfen kann. Aber dafür will sie das Versprechen, dass man sie mit dem Schiff mitnimmt, egal, wohin es geht. Jen hat in Kialis Gesicht gelesen, während sie redete, und konnte die aufkeimende Hoffnung erkennen, je länger Kiali Jen, Fleece und Caldaia ansah – als könne eine offenbar schlagkräftige Gruppe nicht so schlimm sein, wenn sie auch ansehnliche Frauen beinhaltet, die hier offenbar etwas zu sagen haben. Jen weiß selbst, dass ein auf sehr natürliche Weise hübsches Mädchen hier ohne Beschützer garantiert die Beine breit machen musste, und Caldaia rennt bei ihr offene Türen ein, als sie sie bittet, sich ihrer anzunehmen, denn Jen hat sich schon dazu entschlossen, bevor Max zu Ende übersetzt hat. Sie verscheucht den neben ihr sitzenden Raif, sieht Kiali an und klopft einladend auf die Bank neben sich. Bei der sowohl autoritären als auch nun gerade mütterlich wirkenden Jen muss das Mädchen nicht zweimal überlegen, setzt sich zu ihr, und Jen nennt ihr leise mehrmals die wichtigsten Namen und zeigt auf die Leute. Tulwood sieht Jen auch erwartungsvoll an, aber die erwidert den Blick nicht. 'Was erwartet er?' denkt sie. 'Lob? Er hat Kiali doch nur mitgebracht, weil er scharf auf sie ist.'

 

Kiali scheint Jen zu glauben, dass sie an die Richtigen geraten ist, denn sie packt sofort aus: Wenn alle Spuren im Sande verlaufen, geht man zu Chaaq, einer Uraku-Schamanin vom Stamm der Napewanha, die die Vorzüge des städtischen Lebens kennen und lieben gelernt hat, weil man ihr wegen ihrer Fähigkeiten so schöne Geschenke bringt. Jedoch erzählt man sich auch viele Furcht erregende Geschichten über sie, von denen Kiali gleich einige beisteuert (analog zur Affenpfote mit der "Be careful what you wish for"-Moral).

 

Die große Diskussion beginnt: Soll man alles auf eine Wilde setzen, die dann eine "Vision" haben wird, die die Endeavour bequemerweise sehr weit von hier fortführen wird? Oder sollte man sich an seriöse Hellsichtmagier wenden, die es hier in Mezro natürlich nicht gibt? Fleece ist die prominenteste "Wo wir schon mal hier sind"-Verfechterin und argumentiert, dass es ja einen Grund haben muss, warum Gamaras hier in Mezro vor Anker ging – es wäre wenig zielführend, jetzt bis nach Tashluta zu segeln, um dort dann festzustellen, dass man wieder hierher muss. Max ist natürlich komplett dagegen und lässt kein gutes Haar an dem unwissenschaftlichen Hokuspokus der Wilden, der vielleicht für den intellektuellen Abfall reicht, der hier in Mezro anzutreffen ist, der aber vermutlich auf Scharlatanerie hinausläuft. Entscheiden muss sowieso Dr. Meranilius, und der ist an Bord des Schiffes.

 

An Bord eines anderen Schiffes jedoch, der Neraida, befragt Kapitän Corozal seinen bordeigenen Visaru, der die Gruppe mit Scrying und Comprehend Language beobachtet hat und nun Bericht erstattet. Für Corozal gibt es nur eine einleuchtende Erklärung für die Suche nach diesem Schiff: Es muss ein Schatz an Bord gewesen sein. Und wenn die Leute von der Endeavour tatsächlich in Erwägung ziehen, ein kleines Vermögen für die Suche auszugeben, lohnt es sich vielleicht, die öffentlichkeitswirksame Rache aufzuschieben und die Endeavour zu verfolgen. Also schickt er den Schiffsjungen los, K'uro zu instruieren, dass auf gar keinen Fall Streit gesucht wird. Dieser ist ganz und gar nicht begeistert, muss sich aber fügen.

 

Die Abenteurer kehren also – von halb Mezro beobachtet, wie es sich für sie anfühlt – zur Endeavour zurück und reden mit Amaraeus. Dieser, ganz Wissenschaftler und auch nicht mit einer hohen Meinung von den Uraku gesegnet, stimmt Valmaxian zu. Fleece versucht, die beiden dazu zu bringen, sich diese Chaaq doch wenigstens mal anzusehen, und auch wenn sie an Max scheitert, kann sie Amaraeus überzeugen.

 

Eigentlich möchte Fleece Chaaq so unauffällig wie möglich aufsuchen, aber ihr ist klar, dass die Neraida die Endeavour beobachtet, und ohne Jaq gibt es keine Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen oder überzeugend zu verkleiden. Auch besteht die Möglichkeit, dass Corozal mit magischer Hilfe jemanden in Mezro informiert hat, der der Gruppe Kiali schickte, die sich dann von Tulwood fangen ließ. Fleece bedauert, dass allzu oft die nützlichsten Gruppenmitglieder fehlen – hier wäre Naneetha gefragt, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Aber man muss mit dem arbeiten, was man hat.

 

Also gehen erneut bis auf Spider alle. Kiali führt die Abenteurer an den Rand von Mezro, wo sich ein großes steinernes Gebäude im Laufe der Jahre so stark geneigt hat, dass es gegen die wuchtige Stadtmauer lehnt. Auf den Treppen sitzen gedungene Wachen beim Würfeln, doch die Abenteurer wissen, dass sie nicht nach mittellosen Bittstellern aussehen. Kiali trägt im lokalen Slang (den auch Max nur teilweise versteht, J'avo etwas besser) ihr Anliegen vor, und weil sie offenbar interessant sind, wird ihnen auf einen Zuruf von drinnen hin Einlass gewährt – jedoch nur zwei Leuten. Max handelt die Wachen auf Fleeces Geheiß auf drei hoch, und so gehen diese beiden mit Amaraeus hinein.

 

Das klamme, feuchte, sehr schiefe Gemäuer ist innen mit schickem Mobiliar und Gobelins ausgestattet, und auch Messinggeschirr und andere Kleinigkeiten künden davon, dass es der Hausherrin gut geht. Jedoch ist die schiefe Optik desorientierend – Max mutmaßt, dass das der Hausherrin, die sich daran gewöhnt hat, durchaus recht ist. Chaaqs Dienerin Tahi empfängt die Besucher und führt sie zu einer atemberaubenden, exotischen Schönheit – doch Valmaxians Glasses of True Seeing offenbaren die gruselige Alaru hinter der Illusion. Die Illusion trinkt anmutig aus einem Kelch, ohne dass Rückstände an ihen Lippen verbleiben, doch in der Realität erkennt er den dunkelbraunroten Sirup, der die Lippen und Zähne der Schamanin abstoßend einfärbt. Die Augen werden von Holzperlen verdeckt, durch die Chaaq hindurchsehen kann, ohne zu viel von sich selbst zu zeigen. Detect Magic offenbart, dass die Illusion fest in der für das Outfit unpassenden Gürtelschnalle verankert ist. Dr. Meranilius räuspert sich und tritt nervös von einem Bein auf das andere, weil er die Illusion natürlich für echt hält und unglaublich heiß findet.

 

Fleece hat Max inständig gebeten, die Situation nicht von vornherein zu sabotieren, aber man kann ihm seine Geringschätzung leicht ansehen. Hier steht nun also der hochgelehrte Magister, der Wissenschaftler, vor der unzivilisierten Wilden. Er erklärt, dass er etwas sucht und über finanzielle Mittel verfügt, aber nicht bereit ist, für Hokuspokus zu zahlen, der dazu gedacht ist, mindere Geister zu beeindrucken. Er will eine Kostprobe ihrer Fähigkeiten. Chaaq versteht sein Tashalari offenbar hervorragend, aber sie antwortet in einer fremden Sprache (die unveränderte Stimme klingt im Zusammenspiel mit der Illusion samtig-dunkel, wirkt aber mit der echten Chaaq vor Augen eher unangenehm), die Tahi ins Tashalari übersetzt, das Max wiederum für Amaraeus und Fleece übersetzt: Sie kann finden, was er sucht. Er sucht ein... Schiff? Fleece zeigt sich beeindruckt, aber Max geht davon aus, dass ihr schon jemand gesteckt hat, dass die Leute kommen, die den Anschlag am Schwarzen Brett hinterlassen haben. Er besitze einen geräumigen Kleiderschrank, meint er – wo steht der gerade? Chaaq schnellt aus der Hocke vor, ergreift seine Hand, er hält den Blick unbeeindruckt aufrecht, sie lehnt sich wieder zurück, kratzt in der kalten Kohle im Kohlebecken herum, und Max nimmt mit Detect Magic Divination wahr. Schließlich lacht sie und deutet auf seinen großen Umhängebeutel. Tahi scheint unsicher, ob sie Chaaq verstanden hat, und übersetzt fragend: "Der Schrank ist... im Beutel?"

 

Selbst wenn auch Chaaq Detect Magic geworfen hätte (was normalerweise nicht ohne Worte und Gesten abläuft), hätte sie eine Transmutation in seinem Beutel festgestellt, dann aber immer noch nicht gewusst, dass das ein Kleiderschrank ist. Was sie da tat, mag wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen, aber sie hat Magie gewirkt. Ob sie damit auch die Courageous finden kann, ist jedoch immer noch nicht klar.

 

Max fragt sie also, was sie dafür haben will, die Courageous zu finden. Zunächst, so Chaaq, braucht es dazu jemanden, der das Schiff schon mal betreten hat. Ferner benötigt sie den gut erhaltenen kompletten Kadaver einer bestimmten Schlange, das Fell einer bestimmten Katze, zehn Zähne eines bestimmten Hais, drei Füße eines Tieres, dessen Bezeichnung Max nicht kennt, und drei Schwanzfedern eines weiteren unbekannten Tieres.

 

Selbst Kithain wäre hier überfordert, da sie mit der örtlichen Fauna und deren Namen nicht vertraut ist. Chaaq verpackt es so, dass dies Bestandteile des Suchrituals seien, aber Max nimmt an, dass sie diese Komponenten für andere Rituale braucht und diese also einen Bonus zur Bezahlung darstellen. Er geht nach wie vor davon aus, dass sie, sobald sie hat, was sie will, die Courageous Hunderte von Meilen entfernt von hier "findet", was er Amaraeus auch mitteilt. Dieser aber, total verlegen wegen der freizügigen Schönheit, möchte dieser gefallen und äußert, dass das Angebot gut klinge. Genervt demonstriert Max, wer sich hinter der Illusion verbirgt, indem er diese mit Dispel Magic aufhebt. Ebenso gut hätte der undiplomatische Magier jemandem die Kleider wegzaubern können. Amaraeus und Fleece sind reichlich erschrocken, und Chaaq wird sehr wütend und schreit unverständliche Worte. Von unten hört man die Wachen hineinlaufen, die anderen, weil es Ärger zu geben scheint, aber ebenso.

 

Fleece versucht Max' katastrophalen faux pas zu reparieren und mit unterwürfiger, beschwichtigender Körpersprache zu vermitteln. Sie weist Jen an, sich um Max zu kümmern (Jen ist sofort klar, was vorgefallen ist, schnappt sich Max und dreht ihn grob nach hinten), und bittet Kiali um Übersetzung. Fleece bittet vielmals um Entschuldigung, schimpft über Valmaxian, schildert ihn in den schlechtesten Farben und hofft, Chaaq besänftigen zu können. All die Dinge, die sie braucht, können sie besorgen, sagt Fleece – aber welche Garantie haben sie, dass Chaaq ihren Teil des Handels einhält? Tahi übersetzt: keine. Aber Visar habe Chaaq ihre Gabe nicht geschenkt, damit sie mit ihr Jahrmarktzauberei betreibt.

 

Fleece stellt sich in der stickigen, schrägen Behausung, die sich durch die vielen Menschen noch mehr aufgeheizt hat, dicht an dicht mit ihren Leuten, um unter den Augen der Wachen Dr. Meranilius zu überzeugen. Sie möchte es drauf ankommen lassen, denn was hat man zu verlieren? Er ist einverstanden, und Fleece sagt zu Chaaq, dass sie drei der gewünschten Komponenten besorgen wird, und fragt, ob das reiche. Chaaq ist einverstanden.

 

Kiali macht die Gruppe mit Nurti bekannt, einer Uraku-Jägerin, die ebenfalls zeitweise in Mezro lebt. Diese erklärt die Worte, indem sie die Tiere beschreibt. Das Tier mit den Schwanzfedern identifiziert Max somit als Gehörnte Fledermeise, die chimärischen Ursprungs ist und über die magische Gabe verfügt, Verwirrung zu stiften. Die Schlange erkennt er als Purpurviper, die klein und extrem giftig ist. Die Katze stellt sich als Smaragdkatze heraus: von der Schulterhöhe her leopardengroß, aber deutlich länger, schnell, wendig und scheu, dank ihres grünen Fells bestens getarnt und ein fantastischer Kletterer. Den Hai erkennt er als Hammerhai, und er lernt, dass hier ein bestimmter Schreitvogel Kasuar genannt wird.

 

Nurti meint, dass Kasuare überall anzutreffen sein können. Purpurvipern sind selten, können aber auch überall hier unten vorkommen. Sie kennt jedoch eine Gegend, ein verlassenes Uraku-Dorf an der Küste, in der sie mal ein Smaragdkatzenpaar gesehen hat.

 

Das ganze Unterfangen wäre witzlos, fände man niemanden, der schon mal auf der Courageous gearbeitet hat. Hier in Mezro wird man wohl eher nicht fündig, da man es sich als Außenseiter mit einem der Piratenkapitäne verscherzt hat, aber einen Katzensprung weit nördlich von hier liegt das deutlich seriösere Port Castiliar, das obendrein eine amnische Kolonie ist und das das Schiff aus Murann vor drei Jahren garantiert zuerst angesteuert hat. Man vereinbart also, dass Fleece, Jen, Caldaia, Max und Raif mit Kiali Port Castiliar ansteuern, und Zhai, Spider, Tulwood, Milandre, Skaar und J'avo sollen sich von Nurti zu dem verlassenen Dorf führen lassen. Treffpunkt ist dann wieder Mezro. Es wird noch in aller Ruhe eingekauft, denn ein Aufbruch lohnt heute nicht mehr.

 

Milandre weist darauf hin, dass sie eigentlich dabei ist, um nicht von Raifs Seite zu weichen, aber hier entlädt sich Jens Frust: Sie fährt die Söldnerin an, dass die Gemeinschaft den Eid, den Milandre abgelegt hat, finanziert. Dann soll sie sich auch verdammt noch mal nützlich machen. Das saß, und Raif merkt sofort, dass diese beiden so schnell garantiert keine Freunde werden. Milandre sagt nichts, obwohl sie innerlich kocht, doch sie ist auch zutiefst beschämt, denn Jen hat ja Recht: Sie ist hier geduldet, weil sie Raif folgt, und wird von der Gruppe durchgefüttert. Das hinterlässt natürlich irgendwann an Milandres eh schon labilem Selbstbewusstsein Spuren.

 

Tulwood ist ebenfalls sauer, dass einfach so entschieden wird, dass man Kiali nach Port Castiliar bringt, ohne ihm die Chance zu geben, ihr näher zu kommen. Als er dies ganz vorsichtig zur Sprache bringt und Jen das zufällig hört, erwidert sie schroff, er sage doch immer, er könne so gut mit dem Bogen umgehen – den brauche man auf der Jagd wohl dringender als in einer amnischen Kolonie. Natürlich verübelt sie ihm, dass er sich etwas Privates für sich selbst wünscht – er hat Jens Meinung nach gefälligst ausschließlich an das Wohl der Gemeinschaft zu denken und nichts für sich zu wollen, wie sich das für einen Knappen oder Lehrling gehört.

 

Fraglos wäre eine Unterkunft in Mezro angenehmer, aber die Endeavour lässt sich am besten verteidigen, sollte K'uro wieder etwas im Schilde führen. Also verbringt man auch diese Nacht an Bord. Immerhin haben die meisten Matrosen Landgang und feiern kräftig, so dass es deutlich leerer an Deck ist.

 

Während hinter den Dschungeln im Westen nur noch ein orangefarbener Streifen am Himmel zu sehen ist, gesellt sich Fleece an Deck zu J'avo, der an der Reling steht und gedankenverloren auf die See hinausblickt.

 

Fleece: Warum denkst du, dass K'uro in die Himmelsschlange kam, obwohl er nichts unternahm?

J'avo: Kann ich dir nicht sagen.

Fleece: Ihr kanntet euch lange?

J'avo: Ziemlich, ja. Wie's aussieht, nicht gut, aber lange.

Fleece: Stammt ihr beide von Tharsult? (J'avo sieht sie verkniffen an.) Da kommst du doch her, oder?

J'avo (blickt wieder hinaus): Wir sind gleich alt. Haben beide auf derselben Plantage gelebt. Sind zu dritt weggelaufen, einen hat's erwischt, K'uro und ich kamen durch.

Fleece: Das muss aber schon ziemlich lange her sein, nicht wahr?

J'avo (macht ein ratloses Gesicht): Zwanzig Jahre? Nein, mehr.

Fleece (wartet, ob er fortfährt, dann): Warum seid ihr getrennte Wege gegangen?

J'avo (sieht sie rätselnd an, als ob er sich 'Warum rede ich mit ihr darüber?' denkt): Wir hatten kein gutes Schiff erwischt. Miese Leute. Als wir Ithmong anliefen, war mir klar, dass wir abhauen, aber er wollte an Bord bleiben.

Fleece: Und du gingst trotzdem?

J'avo: Ja.

Fleece: Und jetzt hast du ihn das erste Mal wiedergesehen?

J'avo: Nein, das war vor, keine Ahnung, vier, fünf Jahren? Ich war zu der Zeit noch auf der Cara. (Fleece zieht fragend die Augenbrauen zusammen.) Auf der Carahilur. Dem Walfänger. Ich traf K'uro in Mezro wieder, da hatte er noch nicht auf der Neraida angeheuert. Hab vergessen, auf welchem Schiff er war, ich hab nur später gehört, dass es beim Angriff auf einen Konvoi versenkt wurde. Wusste bis jetzt nicht, dass er noch lebt.

Fleece: Ihr seid auch vor vier, fünf Jahren nicht im Guten auseinandergegangen?

J'avo: Na ja. Ich war weggelaufen, er kassierte die Strafe dafür. Nicht meine Schuld, er hätte ja mitkommen können. Und als wir uns wiedersahen, wollte er, dass ich bei ihm anheuere, sie hatten zuvor ein paar gute Männer verloren. Aber ich mochte die Cara und blieb. Nahm er mir übel.

Fleece: Er ist ein waschechter Pirat geworden, hm?

J'avo: Denke schon.

Fleece: So wie du?

J'avo (reagiert ein paar Sekunden nicht, sieht sie dann von der Seite mit zusammengekniffenen Augenbrauen an): Ihr musstet nie Dinge tun, die ihr nicht wolltet, um zu überleben, oder? Denkst du, die Kleine (Er nickt zu Kiali.) hat in Mezro die Beine breit gemacht, weil sie so viel Spaß dran hatte? (Er wendet sich Fleece zu und kommt ihr über die nächsten Sätze unmerklich immer näher.) Wirfst du ihr das vor? Eine kleine Hure zu sein? Lässt sie wissen, dass du was Besseres bist, weil du dich noch nie für eine warme Mahlzeit bücken musstest? Denkst du, sie wird feucht, wenn sie sich an den letzten Kerl erinnert, der sie bestiegen hat? (Fleece saugt empört die Luft ein, hält sich aber zurück.) Oder ist das was anderes?

Fleece (funkelt ihn ein einen Augenblick lang an): Sieh dich vor, J'avo.

 

J'avo neigt nach ein paar Sekunden den Kopf in einer respektvollen "Wie du meinst"-Geste, ohne dass Fleece Hohn in seinem Gesicht erkennen könnte. Sie macht Kehrt und geht. Zunächst denkt sie sich über seine plötzliche Unverfrorenheit in Rage, aber irgendwo dämmert ihr auch allmählich, dass er nicht ganz Unrecht hat. Sie ist es von ihm ja gar nicht gewohnt, dass er widerspricht oder einen Punkt macht, er ist meistens völlig entspannt, wirkt zumindest bescheiden und ordnet sich unter. Aber jetzt hat sie gemerkt, dass er trotz seines ruhigen Tonfalls tatsächlich... verletzt war? Zum ersten Mal nahm sie ihn nicht als unzivilisierten Fremden oder als Übeltäter wahr, sondern als Menschen mit Gefühlen. Andererseits hat er durch sein Leben die notwendige Körpersprache in Konfliktsituationen verinnerlicht und wollte vermutlich gar nicht so bedrohlich wirken, wie er sich vor ihr aufgebaut hatte – und jetzt nervt es Fleece massiv, dass sie das tatsächlich ziemlich angemacht hat.

 

Auf der beengten Endeavour gibt es keine Gespräche unter vier Augen. Tulwood, der an einer anderen Stelle an Deck kauerte, hat zwar nicht gehört, worum es ging, aber er hat gesehen, dass J'avo etwas tat, was er nie tut – sich vor seinem Gegenüber einschüchternd aufzubauen. Er überlegt kurz, geht dann hinüber, aber J'avo winkt gleich ab.

 

J'avo: Lass gut sein, Kleiner.

Tulwood (sieht achselzuckend auf die See hinaus): Bin nur hier, um den Wal zu sehen. (J'avo sieht ihn mit einem "Hä?"-Gesichtsausdruck an.) Da war doch ein Wal, oder? Ich dachte, ich hätte eine Fontäne gesehen. (Die beiden schauen sich kurz an, blicken dann wieder hinaus.) Für Usuzoreel wär so was nur ein kleiner Bissen, weißt du?

J'avo: Usu-wer?

Tulwood: Irgendwo in der versunkenen Stadt von Marsember liegt Usuzoreel auf der Lauer, eine gigantische Krake, die ihre Zeit abwartet, bis sie Appetit bekommt, die Stadt zu verschlingen. (J'avo sieht ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.) Doch, wirklich. Wundert mich, dass du die da unten nie gesehen hast. Aber wenn's soweit ist, dann ist Lata zur Stelle. Eine riesige Drachenschildkröte, Marsembers Beschützerin. Die sagt Usuzoreel dann schon, was Sache ist.

J'avo: Hm-hm.

Tulwood: Ich glaube, du hast Fleece auch gesagt, was Sache ist, oder? (J'avo atmet durch und sieht weiter aufs Meer. Tulwood imitiert nun plötzlich gar nicht mal so schlecht Bran.) Ich sag dir jetzt mal, wo das Problem liegt, mein Guter. (J'avo schmunzelt.) Du kommst langsam auf den Geschmack. Ist dir vielleicht egal, von ganz Faerûn für irgendeinen wilden Piraten aus dem Leuchtenden Süden gehalten zu werden, aber inzwischen willst du von denen hier nicht mehr so gesehen werden. Stimmt's oder hab ich Recht? Ist doch so.

J'avo: Kein schlechter Bran. Aber dein Tulwood ist nicht weinerlich genug.

Tulwood: Hey!

J'avo: Schon besser.

 

Am Morgen verlassen Zhai, Spider, Tulwood, Milandre, Skaar und J'avo das Schiff, treffen sich mit Nurti und verlassen Mezro, und die Endeavour legt ab.

 

Das kleine, saubere, strukturierte, am Reißbrett entworfene Port Castiliar ist nur ein Dorf, kein Vergleich mit der deutlich älteren Kolonie Port Nyranzaru auf der westlichen Seite der Halbinsel, aber durch starke Präsenz der amnischen Navy gut geschützt – und ein irrer Gegensatz zu dem nur einen Steinwurf entfernten Hexenkessel Mezro. Man hätte die Sachen bei begrenztem Stauraum nie und nimmer mitgenommen, aber dank Truhe und Schrank haben Fleece, Jen, Raif und Max ihre amnischen Kleider, die sie trotz der schwülen Hitze anziehen, weil Max Endure Elements gewirkt hat, mit dem man das tropische Klima leicht aushält. Mit diesem Auftritt begegnet man den Abenteurern absolut respektvoll und einladend, denn das müssen wohlhabende Kaufleute aus der Heimat sein, und so ansehnliche noch obendrein. Egal, wohin man will, man wird sofort hingebracht und freundlich aufgenommen. In dieser Welt machen Kleider halt Leute. Gut, das nützt wenig, wenn sich der Mensch, der drinsteckt, als nicht dazu passend erweist, aber das ist hier nicht der Fall, und natürlich gilt vor allem die Universalregel: Bist du attraktiv, kriegst du, was du willst. So genießt man also mal amnische Umgangsformen und amnische Mode unter Palmen.

 

Klangar Darrawn, oberster Beamter des Gouverneurs von Port Castiliar, ist sehr angetan von den drei Damen, aber am stärksten hat es ihm Caldaia angetan. (Was seine Frau mit glühender Eifersucht erfüllt, die sie nur mühsam tarnen kann.) Die Geweihte blüht förmlich auf und gibt sich ganz ihrer Rolle als überaus charmante Besucherin hin. Selbstverständlich ist Darrawn nicht bereit, ihr Anliegen zwischen Tür und Angel zu besprechen, sondern bei einem festlichen Abendessen im Gouverneurspalast (der Hausherr ist abwesend), zu dem natürlich auch Max und Dr. Meranilius erscheinen. Der culture clash ist schon verwirrend: Hier, im tropischen Meridiana, sitzt man in einem amnischen Prachtbau (jedenfalls für lokale Verhältnisse) in amnischer Einrichtung und diniert mit Amniern von erlesenem amnischen Porzellan und Kristall und betreibt gepflegte Konversation.

 

Caldaia ist sehr charmant, kann aber nicht verhehlen, dass sie noch sehr weltfremd ist, bei keinem Thema mehr als oberflächlich mitreden kann und die Umgangsformen komplett improvisiert – aber das tut sie mit entwaffnender "Man kann ihr einfach nicht böse sein"-Frische und Selbstironie. Sie alleine hätte den Abend nicht rocken können (und hätte ohne die anderen auch nie das Selbstbewusstsein dazu gehabt), aber mit etwas Schützenhilfe wird der gediegene Abend zu einem kleinen Fest. Fleece weiß, wie sehr die Kolonisten hier unten nach amnischer Kultur dürsten und wie selten hier gute Musik sein dürfte, die nach Heimat klingt, also spielt sie zuerst ein paar melancholische amnische Weisen, die die Augen feucht werden lassen, lenkt dann das Gespräch auf amnische Tänze, wobei Jen "zufällig" fallen lässt, wie sehr sie diese vermisst. Fleece spielt umgehend etwas Feuriges, und bald tanzen Darrawn und Jen. Raif wiederum wirkt zwar etwas abgelenkt und nicht ganz auf der Höhe (wenn auch nur für die, die ihn kennen), raspelt aber Darrawns Frau gegenüber erfolgreich Süßholz, schafft es, sie zum verlegenen Kichern zu bringen, und erobert mit einem Tanz auch ihr Herz, so dass sich ihre Eifersucht etwas legt und sich ganz Raif widmet, damit sich Caldaia auf Darrawn konzentrieren kann. Das Ganze beobachten wir aus Caldaias Perspektive, die nur staunen kann, wie fabelhaft diese Gruppe auch auf dem gesellschaftlichen Parkett funktioniert, ohne sich abgesprochen zu haben – für diese Abenteurer, die bei einem tethyrianischen Herzog ein- und ausgehen, schon auf exklusiven Parties in Athkatla und Imnescar waren und in Marsember als Helden geehrt wurden, ist dies hier geradezu provinziell, aber für Caldaia ist das das aufregendste Nichtbeängstigende, das sie je an der Seite dieser Menschen erlebt hat. Obendrein hat sie Jen auch noch nie so anders gesehen. Caldaia weiß, welches Leben sie mehr als ein Jahrzehnt gelebt hat, aber vorstellen konnte sie es sich nie – doch heute erlebt sie eine geschickte und gebildete Konversation betreibende, freundliche, diplomatische Jen, die ihr Caldaia im Leben nicht zugetraut hätte. Kurz überkommt sie Melancholie: Ist das vielleicht die ursprüngliche Jen, die seitdem unter dem schroffen Panzer begraben liegt, den sie sich zugelegt hat? Warum kann sie privat nie so sein?

 

Darrawn bittet seine Gäste, bloß keinen Finger zu rühren – natürlich veranlasst er, dass jeder in Port Castiliar nach der Courageous gefragt wird. Bis auf Weiteres mögen die Besucher seine Gäste bleiben und mehr von der Heimat erzählen.

 

In der Nacht sehen wir Raif im Lendenschurz mit einer Kerze in der Hand furchtsam durch das dunkle Herrenhaus schleichen. Was ist passiert? Was sucht er? Das Haus wirkt düster, die Schatten tiefer und bedrohlicher, als sie sollten. Er hört oder sieht etwas, öffnet eine Tür, huscht hinein und drückt von innen die Tür zu. Fleece, nassgeschwitzt und nur in ihrer Unterwäsche, erwacht in ihrem Bett und fragt Raif erst schlaftrunken, dann alarmiert, was los ist, und erschreckt ihn damit so sehr, dass er aufschreit und die Kerze fallen lässt. Fleece springt aus dem Bett und läuft auf ihn zu, aber er flippt völlig aus und weicht panisch vor ihr zurück. Fleece ruft um Hilfe und nach Wasser, denn ein Teppich fängt an zu brennen. Ein Diener kommt hereingelaufen, dreht sofort wieder um, um Wasser zu holen, und stößt fast mit der splitterfasernackten Jen zusammen (sie und Caldaia waren miteinander beschäftigt), die alarmiert herbeieilt und Raif mühelos zu Boden zwingt und ihn mit dem Knie im Nacken fixiert. Der Diener kehrt zurück und löscht, und auch Darrawn stürmt in seiner Unterwäsche herein und kann seine Augen kaum von Jen abwenden, aber auch Fleece ist in ihrem Hauch von Nichts eine Ablenkung  – so begegnen sich Gastgeber und Gast ja eher selten. Nach einem Schnitt liegt Raif ans Bett gefesselt und wird träger, weil er einen starken Schlaftrunk verabreicht bekommen hat, und Darrawn erklärt Fleece (beide angezogen), dass sich Raif Lutanas zugezogen haben muss, eine verbreitete Krankheit, die zwei, drei Tage nach der Infektion Angstzustände auslöst und vielleicht von einem Ratten- oder Moskitobiss übertragen wurde.

 

Zhai, Spider, Tulwood, Milandre, Skaar und J'avo reisen ein paar Tage miteinander. Nie war sich Milandre so allein vorgekommen. Sie hat große Probleme, Beziehungen aufzubauen, weil sie sich selbst hasst und nicht findet, dass sie es wert sei, dass man sich mit ihr beschäftigt. Die Aufgabe anvertraut zu bekommen, den Challenger nach Hause zu bringen, dieses heilige tempuranische Artefakt, das einst ihrem Vorfahr gehört hatte, war eine Ehre, die sie in ihren Augen nicht verdient, aber sie setzt alles daran, ihr trotzdem irgendwie gerecht zu werden. Dadurch, dass ihrer beider Schicksal durch den Challenger verbunden ist, hat sie einen Bezug zu Raif hergestellt, und er hat ihr das einfacher gemacht, indem er immer wieder auf sie zuging und sie miteinbezog. (Was gäbe sie dafür, wenn er sie mal so ansähe wie zum Beispiel Caldaia... Aber nein, sie verscheucht solche Gedanken sofort wieder und schilt sich eine dumme Kuh.) Darüber hinaus wollte und brauchte sie keine Beziehung zu irgendjemandem. Raif war der Chef, er hatte das Geld, er entschied, Milandre zu ermöglichen, ihn zu begleiten, weil er verstand, warum sie ihn begleiten musste. Doch dann kam die Gemeinschaft wieder zusammen, und plötzlich war er nicht mehr der Chef, und Milandre war stattdessen Fleeces und Jendaras Gnade ausgeliefert. Was vorher ein "Wir verstehen einander"-Deal war, ist jetzt ein Bittsteller-Verhältnis, und es gibt nichts, das Milandre daran ändern kann. Zu gern hätte sie das Selbstbewusstsein, für sich einzustehen, aber niemals könnte sie das diesen Leuten gegenüber, die in ein paar Jahren so viel mehr erreicht haben als Generationen von Belgraves. Nur aus dem Kampf zieht sie Selbstvertrauen, aber selbst damit ist sie hier nur eine von vielen. Und jetzt ist noch nicht mal mehr Raif in ihrer Nähe, zum ersten Mal seit über einem Dreivierteljahr, und sie fühlt sich so allein. Tulwood? Ein unreifer, verhätschelter Grünschnabel aus dem Patriziertum. Skaar? Ein geistloser Barbar. Zhai? Eine verschlagene Dunkelelfe. Spider? Eine Ausgeburt der Neun Höllen. Ironischerweise bleibt nur J'avo, den sie lange als unzivilisierten Wilden aus dem gesetzlosen Süden verachtete, der aber in all den Monaten nie etwas tat, das sie in ihrer Abneigung bestärkt hätte. Unter diesen Leuten hier ist ausgerechnet er plötzlich so etwas wie ein Verbündeter, aber da sie ihn nie beachtet hat, befasst er sich jetzt natürlich auch nicht mit ihr. Stattdessen scheint er sich mit Zhai ziemlich gut zu verstehen. Diese weißhaarige Schlange weiß mindere Geister für sich einzunehmen, wie's scheint...

 

Schließlich erreichen die Abenteurer ihr Ziel (Assassin's Creed – Black Flag, Cape Bonavista). Sie bauen das Zelt auf und begeben sich auf die Pirsch. Lediglich Nurti und Skaar haben Erfahrung im Jagen, die anderen sind durchgehend zu laut und eher Hindernis denn Hilfe. Ein Tag geht ereignislos ins Land, dann der zweite. Das bedeutet nicht, so Nurti, dass die Smaragdkatzen nicht da sind, sondern nur, dass sie sich nicht sehen lassen. Kurz vor Einbruch der Dämmerung läuft Skaar einer Ponslay-Pflanze über den Weg, die zuerst ihre giftigen Pollen ausstößt, aber weil Skaar so viel Masse hat, dauert es länger, bis Krämpfe ausgelöst werden, also peitscht sie mit ihren klingenbewehrten Tentakeln los und richtet Skaars Beine übel zu. Er kann sich noch in Sicherheit bringen, bevor er zusammenbricht. Glücklicherweise hat man einen guten Teil von Fleeces Reiseapotheke mitgenommen, aber auch am dritten Tag ist er noch sehr geschwächt und bleibt beim Lager, weil die Vergiftung nur langsam abklingt.

 

Am vierten Tag ist es Spider, der etwas erspäht und sich an die Verfolgung macht. Der grüne Schemen ist immer zu weit weg und gleich wieder verschwunden, so dass eine Verfolgung durch den Schattengrund keinen Sinn macht, und Shadow Jumps sind akustisch und optisch auffällig und verschrecken das Tier noch mehr. Es verschlägt ihn bei lauter werdenden Hintergrundgeräuschen von Wasserfällen immer tiefer in den Urwald (Assassin's Creed – Black Flag, Great Inagua), bis die Smaragdkatze eine Schlucht erreicht, keinen Fluchtweg mehr hat, umkehren und an Spider vorbei muss. Das ist seine Chance, aber er muss reflexhaft ausweichen, weil ihn die Smaragdkatze anspringt, obwohl sie eigentlich nur fliehen will. Entwischt!

 

Nurti meint, dass Smaragdkatzen zwar territorial, aber auch konfliktscheu sind – sie lassen sich leicht verjagen und suchen sich dann ein neues Revier. Diese hier wird man vermutlich nicht wiedersehen, und wer weiß, wo sonst noch welche zu finden sind? Nach kurzer Diskussion bricht man das Lager ab und macht sich auf den Weg zu einem möglichen Kasuar-Revier. Die Kamera zoomt von schräg oben zurück, und eine Gehörnte Fledermeise kommt ins Bild, die von einem Ast aus den Abenteurern gleichgültig hinterhersieht, die nie erfahren, wie nah sie einer solchen waren.

 

Am nächsten Tag erreichen sie die Ruinen einer amnischen Siedlung. Sie pirschen ein wenig herum und stoßen auf eine kleine Kasuarherde. Die Biester erweisen sich allerdings als extrem aggressiv, nachdem Skaar einen mit Pfeil und Bogen erlegt hat. Kasuare sind Zweibeiner, also muss einem weiteren der Garaus gemacht werden, und da sie angreifen, wird das wohl zu machen sein. Der Kampf zwischen den Häusern gerät kurz, heftig und chaotisch, und nachdem zwei weitere Kasuare getötet worden sind, ziehen die anderen endlich ab, aber J'avo und Milandre haben ein paar hässliche Wunden davongetragen. Hier draußen infiziert sich jeder Kratzer ganz schnell, so dass die Reiseapotheke weiter schmilzt.

 

Zumindest mit den abgeschnittenen Kasuarbeinen, also nicht mit ganz leeren Händen, kehren die Abenteurer nach Mezro zurück, wo die anderen bereits auf sie warten. Diese haben Zarzula im Schlepptau, eine ansehnliche junge Hure, die als Jugendliche aus Murann mit der Courageous in den Leuchtenden Süden emigriert ist. (Vermutlich war sie vor jemandem geflohen.) An Kapitän Doremy kann sie sich noch gut erinnern, da sie einen Teil der Überfahrt bei ihm in "Naturalien" bezahlen musste. Fleece hat sie nun kurzerhand "gemietet". (Raif und Max haben ihre Dienste auch bereits in Anspruch genommen.)

 

Tulwood freut sich, Kiali wiederzusehen. Caldaia verrät ihm, dass Port Castiliar zu klein für einen ansässigen Dieb ist – es würde also darauf hinauslaufen, dass Kiali wieder ihren Körper verkaufen muss, und das will sie nicht. Daher hat sie die Helden gebeten, sie weiter mitzunehmen, in der Hoffnung, dass es sie nach Lundeth, Sammarash oder sogar Tashluta verschlägt.

 

Seit ihrer Rückkehr waren die Helden übrigens nicht untätig geblieben: Da man eh nichts anderes zu tun hatte, hat man sich zuerst auf den Märkten umgesehen und dann ein paar Händler angesprochen, die mit nahen Uraku-Stämmen Handel treiben, und bei ihnen Bestellungen aufgeben. An Haizähne werden die nicht herankommen, aber nach allem anderen sollen sie die Augen offen halten.

 

J'avo hat die Idee, dass man, wenn man sonst eh warten muss, auf Haijagd gehen könnte. Er weiß, wo man Hammerhaie finden könnte, man müsste sie nur mit einem Kadaver anlocken, und dieser müsste groß sein, damit er nicht verspeist oder zerrissen wird, bevor der erste Hammerhai auftaucht. Das könnte J'avo notfalls mit der Endeavour allein tun, auch wenn Fleece das nie zuließe, weil sie ihm nicht traut.

 

Das bedeutet, dass man ohne die mobile Heimat hier in Mezro festsäße, in einem Gasthaus unterkommen müsste und damit Mezros Gnade ausgeliefert wäre. Man wundert sich ohnehin schon, dass Corozal noch nicht zugeschlagen hat, rechnet aber jeden Tag damit, nicht ahnend, dass er sie regelmäßig magisch beobachten lässt. Letztlich beschließt man also, dass fast alle gehen, denn zuerst muss man ja irgendetwas Großes erlegen, das als Haiköder taugt. (Nurti wird wieder angeheuert, um die Orientierung nicht zu verlieren.) Um für die Zwischenhändler greifbar zu sein, bleibt Spider hier, den man nur mit spezieller Magie gegen seinen Willen gefangen nehmen kann.

 

Die Endeavour segelt an der Küste entlang, sucht sich eine Bucht, die J'avo kennt, und geht an Land auf Monsterjagd. (Caldaia und Dr. Meranilius bleiben mit Raif, Milandre und Max als Bewachung zurück für den Fall, dass Corozal etwas unternimmt.) Es dauert zwei Tage, bis Nurti Spuren eines Schlingers findet, und einen weiteren, ihn ausfindig zu machen. Es handelt sich um ein Pärchen, es ist wohl gerade Paarungszeit. Der Kampf verläuft überraschend glimpflich für die Gruppe ab, und Skaar haut einen Crit nach dem anderen raus und plättet eins der Ungetüme fast im Alleingang. Mit mitgebrachten Seilen wird einer der Kadaver gezogen, den anderen lässt man zurück.

 

Spider "residiert" im Löchrigen Stiefel, einer billigen, dunklen Absteige, und als er nachts vor die Tür geht, lauert man ihm tatsächlich auf – doch die Piraten hatten keine Ahnung, was sie erwartet. (Die Grasping und Sickerning Shadows schreiben sie dem offensichtlichen Magier Max zu, von Spiders Fähigkeiten wissen sie nichts.) Mit mehreren Shadow Jumps erkämpft er sich vernichtende Sneak Attacks, tötet in einem Schattenballett drei der vier Piraten, lässt den vierten laufen, spaziert durch den Schattengrund in aller Seelenruhe zu ihm, um in der materiellen Ebene plötzlich vor ihm zu stehen und ihn zu Fall zu bringen. Spider ist ohnehin schon unheimlich, aber in stockfinsterer Nacht, nachdem er drei seiner Kumpane getötet hat, wirkt er noch weitaus schlimmer und versetzt den eigentlich hartgesottenen Piraten fast in Panik. Da für alle Fälle zwei Mann mitgeschickt worden sind, die Chondathanisch sprechen, und er einer der beiden ist, lässt Spider ihn ausrichten, dass Corozal vielleicht nicht so viel Angst vor der Gemeinschaft der Ersten Sonne hat, wie er sollte. Wenn er keinen Wert darauf lege, auf der Neraida von Spider besucht zu werden, sehe er besser zu, nie wieder in Erscheinung zu treten, denn Spider verliere langsam die Geduld mit ihm und seinen Kakerlaken.

 

Als Corozal davon hört, ist er außer sich, beschließt aber, auch diese Schmach hinzunehmen – wenn so mächtige Leute etwas suchen, muss dieses Etwas immens viel wert sein. Er muss nur warten, bis sie die Drecksarbeit erledigt haben, und sie dann überraschen. Was Spider betrifft, so wollte er es auf einen Versuch ankommen lassen: ihn ausquetschen und dann im Hafenbecken versenken.

 

Der Kadaver des Schlingers zieht zuerst einen unerwünschten Bullenhai an, der aufwändig vertrieben werden muss, aber dann kommen die Hammerhaie. J'avo schafft es, mit Rimgal und Naldan vom Beiboot aus einen zu harpunieren (Assassin's Creed – Black Flag).

 

Zurück in Mezro stellt man fest, dass man drei Komponenten beisammen hat: Einer der Händler kam zwar auch zuerst mit Kasuarklauen an, die Spider ihm abkaufen musste (weil sie schließlich bestellt waren), aber der nächste verkaufte ihm eine tote Purpurviper, die er im Löchrigen Stiefel gleich in Alkohol einlegte.

 

Es geht also wieder zu Chaaq, die mit Zarzula ihr Ritual durchführt. Wenn sie die Wahrheit sagt, ist die Courageous in Sichtweite der Ruinen von Ishau in der Refuge Bay gesunken. Schön und gut, aber das ist immer noch ein gigantisches Gebiet – wie soll man das Wrack lokalisieren? Nicht Chaaqs Problem. Max meint natürlich, er habe es ja gleich gesagt.

 

Man geht einkaufen, und zwar Potions of Water Breathing und Aquavision, und natürlich werden auch die Vorräte an Heiltränken gegen Gift und Krankheit aufgefrischt. Die Endeavour legt ab, und ein paar Stunden später bekommt das auch die Neraida mit, die draußen auf hoher See vor Anker liegt. Zuerst steuert die Endeavour das nahe Port Castiliar an, weil man Zarzula versprochen hatte, sie wieder zurückzubringen, und dann geht es die Küste nach Süden hinunter.

 

Die nächste Szene sehen wir aus der Perspektive von Corozals Visaru, der ratlos beobachtet, wie Fleece nachts allein in einem Boot herabgelassen wird, von der Endeavour wegrudert, hält und sich mit der Laute begleitet, während sie eine sanfte Melodie in einer fremden Sprache singt, obwohl man schnell merkt, dass sich nur wenige Worte immer wieder von Neuem wiederholen.

 

Sie hat sich nämlich in #20 – WAKE OF THE RAVAGER gemerkt, was "Ich komme in Frieden" auf Aquis heißt, der lingua franca der Unterwasserwelt, und diese Worte legt sie nun über die Melodie in der Hoffnung, damit einen Nequaner anzulocken, wissend, dass sie hübsche Musik lieben, erst recht, weil sie selber diese unter Wasser nicht erzeugen können. Außerdem weiß sie, dass Nequaner gern nachts an die Wasseroberfläche kommen, weil sie den Mond und den Sternenhimmel lieben. Natürlich fragt man sich an Bord, warum sich ausgerechnet hier ausgerechnet jetzt ein Nequaner herumtreiben sollte, aber Fleeces Erfahrung in Serôs war so einschneidend, dass sie einfach daran glauben will, dass das funktionieren kann, und dafür zu Selûne gebetet hat. Andere Alternativen gibt es auch nicht, denn man kann nicht mal eben auf viele Quadratmeilen den Meeresboden absuchen. (Das funktioniert ja noch nicht mal mit der heutigen Technologie beim Loch Ness.)

 

Im Morgengrauen wird die erschöpfte Fleece an Bord geholt, aber sie betrachtet die Unternehmung nichts als Fehlschlag. Sie will tagsüber schlafen und es heute Abend von Neuem probieren. Während die Endeavour langsame Fahrt macht und viele Augen das Wasser absuchen, ob vielleicht irgendetwas zu erkennen ist (sehr unwahrscheinlich, weil das Wasser zu tief ist), macht sich Tulwood per Scharade ein bisschen an Kiali heran, und J'avo erzählt, die Ruinen in der Ferne im Blick, vom untergegangenen Ishau, in dem nun Echsenmenschen hausen. Dr. Meranilius, der Echsenexperte, steuert dazu bei, dass es sich um Koalinth handelt, ein halb aquatisches Echsenvolk, das sowohl im Wasser als auch an Land lebt, auch wenn es unter Wasser die Luft anhalten muss.

 

Die Neraida ankert außer Sichtweite, und K'uro berichtet Corozal, dass die Mannschaft auf Grund der Abreibung, die sie sich geholt hat, und der Untätigkeit ihres Kapitäns, anstatt einen Angriff zu starten und Rache zu nehmen, zu murren beginnt. Corozal macht K'uro klar, dass er ihm diese Scheiße eingebrockt hat, und wenn er nicht will, dass Corozal die Mannschaft mit seiner Leiche einschüchtert, solle er sie besser zur Räson bringen.

 

Auch in der zweiten Nacht spielt Fleece unermüdlich Melodie um Melodie, immer mit demselben Text: "Ich komme in Frieden." Am Ende, als Fleece langsam heiser ist und ihre Finger wundgespielt sind, ist sie völlig erschöpft und fragt sich, ob das wirklich eine so tolle Idee war – aber da hört sie leise Platschgeräusche von der Wasseroberfläche in der Nähe. Es ist zu dunkel, um irgendetwas zu sehen – es könnte auch ein neugieriger Hai sein, der das Boot umkreist –, aber Fleece senkt die Stimme und spielt leise weiter. Das unregelmäßige Platschen und Glucksen von irgendetwas kurz Auftauchendem geht eine halbe Stunde so weiter, dann meint Fleece, auf einer Felsspitze eine liegende Gestalt zu sehen, die sich vom Horizont abhebt, also rudert sie vorsichtig hinüber. Die "Gestalt" stellt sich als Gestein heraus, von dem Fleece aus der Nähe nicht mehr weiß, wie sie es für einen Körper halten konnte. Ihre Fantasie beginnt ihr Streiche zu spielen, also gibt sie auf und wendet das Boot, womit sie in Richtung des orangenen Streifens am Horizont rudert – die Sonne geht bald auf. Nun aber glaubt sie ein etwas lauteres Platschen zu hören, das ihr Rudern übertönt. Sie sagt sich, dass sie zu spinnen anfange, hält aber trotzdem inne und wiederholt mehrmals auf Aquis, dass sie in Frieden komme.

 

Der Visaru weckt Corozal und teilt ihm mit, dass die Schwarzhaarige eine Nixe angelockt hat. Corozal merkt sich, dass das wohl eine gute Taktik ist, lebende Nequaner zu fangen, um sie zu verkaufen, und lässt den Visaru weiter beobachten.

 

Durch den magischen Sensor und Nachtsicht hat dieser eher als Fleece gesehen, dass eine Nixe das Boot umkreist, als hadere sie mit sich, ob sie Kontakt aufnehmen sollte. Fleece beginnt allmählich, etwas mehr sehen zu können, da es heller wird, und nun ist sie sich sicher, dass sie mal kurz einen Kopf hat auftauchen sehen. Nicht ahnen könnend, was da ist, hält sie als vertrauensbildende Maßnahme ihre Hand ins Wasser und lässt sie dort. Dann und wann taucht ein Kopf bis zu den Augen auf, ein kurzer Blickkontakt entsteht, und so ziehen die Minuten ins Land. Schließlich legen sich zwei feingliedrige Hände mit Schwimmhäuten auf den Bootsrand, und eine barbusige Nequanerin taucht auf, kindlich-unschuldig und neugierig einerseits und doch scheu und vorsichtig andererseits. Fleece lächelt, redet ruhig, zeigt auf sich und nennt sich Fleece, und sie erfährt, dass die Nixe Laliari heißt. Fleece würde ihr so gern begreiflich machen, dass sie bei Nequanern und Tritonen zu Gast in Myth Nantar war, dass sie sich durch eine magische Perle selbst in eine Meerjungfrau verwandelt hat und weiß, wie es sich anfühlt, pfeilschnell und völlig natürlich durchs Wasser zu gleiten wie sie – aber sie spricht kein Aquis und Laliari keine Menschensprache.

 

J'avo hat gerade Wache, beobachtet die Szene von ferne und erinnert sich daran, was auf seine letzte Begegnung mit einer Nixe folgte. Ruhig weist er einen Matrosen an, Bescheid zu sagen, aber an Bord soll keine Lautstärke ausbrechen, die die scheue Meeresbewohnerin vertreiben könnte.

 

Fleece zeigt Laliari währenddessen ihre Laute und wie sie funktioniert, und sie lässt auch die Nixe neugierig daran herumzupfen. Wissend, dass Meeresbewohner oft mit Gesten kommunizieren, und um Vertrautheit herzustellen, nimmt sich Fleece Zeit und gestikuliert eine gute Stunde lang ihr Myth-Nantar-Erlebnis vor vier Jahren. Schließlich zeigt sie auf sich und sieht sich dann mehrmals suchend um, weist dann auf die Endeavour und dann nach unten in die Tiefe. Laliari lächelt und nickt eifrig. Fleece "fragt", ob sie sie mitnehmen kann, was sie bejaht, und als sie sie dabei berührt, hat Fleece tatsächlich kurz das Gedankenbild eines Schiffswracks vor Augen. Kurzerhand trinkt sie zwei mitgebrachte Tränke (Water Breathing und Aquavision), zieht sich bis auf das Notwendigste aus und gleitet ins Wasser. J'avo, der das sieht, weiß nicht, ob man Fleece je wiedersehen wird – genauso war auch er damals verschwunden, während man auf der Siren auf ihn wartete. Kurzerhand springt er ins Wasser, krault zum Boot, wühlt in Fleeces Beutel, trinkt ebenfalls zwei Tränke und taucht ab. Er muss erst kurz die Panik überwinden, Wasser zu atmen, aber als er sich beruhigt hat, kann er unter Wasser so gut sehen wie zuletzt Anfang des Jahres im Talagh Gorn. Er kann Fleece und Laliari in der Ferne erahnen und taucht hinterher – grinsend wie ein Schuljunge, weil es so unglaublich ist, Wasser zu atmen.

 

Laliari und Fleece erreichen in für normale Taucher unerreichbarer Tiefe ein korallenbewachsenes, von Fischen und Quallen bewohntes und von Mantas umkreistes Wrack (Assassin's Creed – Black Flag, San Ignacio Wreck). Fleece sieht sich um, als sie und die Nixe vor einem nahenden Schatten erschrecken, doch es ist nur J'avo. Fleece ist zuerst verärgert, trägt sie doch nur ihren Hauch von Nichts, weil sie sich mit Laliari allein wähnte, aber die Situation ist, wie sie ist. Leider können sie unter Wasser nicht miteinander reden (das ginge mit anderen Zaubern wie z. B. Air Bubble oder Airy Water), aber J'avo gestikuliert, dass das nicht die Courageous ist. Fleece weiß nicht, warum er das denkt, glaubt ihm aber und versucht Laliari zu signalisieren, dass sie ein anderes Wrack sucht. Die Nixe ist verwirrt, weil sie zu denken scheint: 'Du wolltest ein totes Schiff, hier ist eins. Was denn nun?' Schließlich aber führt sie sie weiter.

 

Sie tauchen gute 20 Minuten lang, was langsam vonstatten geht, da es Menschen sind, für die das sehr kraftraubend ist, und sie bewegen sich offenbar Richtung Küste, denn es schält sich nicht nur ein Wrack aus der Dunkelheit, sondern auch versunkene Ruinen (Assassin's Creed – Black Flag, Kabah Ruins). Leider ist dieses Wrack mit Bullenhaien verseucht. Laliari sieht keinen Grund, sich mit ihnen anzulegen, und nachdem sich Fleece mit einem dankbaren Lächeln und einer Berührung von ihr verabschiedet hat, beobachtet sie erstaunt, dass Fleece und J'avo nach einem Blick und einem Nicken losschwimmen und sich mit den Haien in den Trümmern, dem Hauptteil des Wracks und den Ruinen ein abwechslungsreiches Katz-und-Maus-Spiel liefern. Dabei wird Fleece von einer Muräne gebissen. J'avo packt sie, sperrt ihren Kiefer auf und dreht ihr den Hals um. Rettung in letzter Sekunde, aber Fleece blutet stark. J'avo schneidet sich mit dem Dolch ein Stück aus der Hose, um die Wunde notdürftig zu verbinden, aber es dringt noch immer genug Blut hindurch, das die Haie noch mehr reizt. Glücklicherweise können sie die beiden hier aber nicht überall hin verfolgen.

 

Obendrein verrinnt die Zeit, denn hier gibt es keine Stoppuhren, nur Zeitgefühl und das Wissen, dass nach einer Stunde die Wirkung der Tränke verfliegt. Schließlich erreicht das Duo das Innere des Hecks des auseinandergebrochenen Wracks, und in der Kapitänskajüte findet J'avo tatsächlich ein abgebrochenes Fresko. Es ist nicht groß, aber aus Stein – wenn einer das an die Oberfläche kriegen kann, dann J'avo, aber einfach wird das nicht, sondern extrem mühselig und langsam. Obendrein hat man auf dem Weg nach oben keine Deckung, und die blutende Fleece ist ein schwimmendes Leuchtfeuer. Jetzt muss man improvisieren, und zwar schnell. Fleece hat eine Idee, kann sie aber nicht erklären, also geht es erst mal auf gut Glück raus aus dem Wrack nach oben. J'avo strampelt sich ab und steigt nur quälend langsam auf. Natürlich nehmen die Haie die Verfolgung auf, und Fleece spielt ihre letzte Karte: Als Bardin kennt sie lediglich zwei Zauber, die ohne verbale Komponente funktionieren, und einer davon ist Mesmerizing Glare. Sie lässt die Haie also kommen, wirft den Zauber, schafft unter diesen erschwerten Bedingungen den Spellcraft-Check, und da es Tiere sind, versagt jeder Hai bei seinem Will-Save, hält inne und starrt Fleece an, die den Blickkontakt aufrecht erhält und J'avo so einen Vorsprung von einer Minute verschafft, während sie parallel mit ihm schwimmt.

 

Sobald sie die Wasseroberfläche durchbricht, verfällt der Blickkontakt. Sie wedelt mit den Armen, hustet das Wasser aus den Lungen und schreit – doch die Endeavour ist weit, weit weg.

 

An Bord fragen sich alle aufgeregt, wie sie Fleece helfen können, da springt Skaar schon ins Wasser und schwimmt ungelenk, aber zügig zu Fleeces Boot, zu dem das Schiff aufgeschlossen hat, klettert hinein und rudert wie ein Wahnsinniger, dass die Eisenhalterungen der Paddel langsam aus dem Holz gezogen werden. Die Endeavour hat eine 25-%-Chance, optimal zur gewünschten Richtung ausgerichtet zu stehen, und schafft diese: Der Anker wird gelichtet, die Segel gesetzt, und das Schiff setzt sich in Bewegung.

 

Fleece taucht wieder ab, sieht die Haie wie einen schrecklichen Schwarm aus der Dunkelheit auf sich zukommen, hat aber glücklicherweise einen weiteren Mesmerizing Glare parat, der sie wieder stoppen lässt. J'avo hält sich ächzend an der Oberfläche, aber die Kräfte verlassen ihn schnell, und sein Kopf taucht immer öfter unter. Skaar rudert wie besessen, ist aber nicht schnell genug. Jedoch schweben plötzlich Fleece und J'avo (kurz bevor die Dauer des Mesmerizing Glare abläuft) aus dem Wasser und hängen tropfend in der Luft – Valmaxian hat die vollen 920 Fuß (250 Meter) Reichweite von Telekinesis ausgenutzt und diese zweimal geworfen. In einer spektakulären Aufnahme schießen die Haie aus dem Wasser, um ihre Beute doch noch zu erreichen, verpassen ihre Opfer aber knapp.

 

Skaar kommt mit dem Boot fast schon herangeschossen, ein Paddel bricht dabei. Valmaxian senkt Fleece und J'avo (der immer noch die Steintafel unter einen Arm geklemmt hält) ins Boot, durch das ein Ruck geht, als ein weiterer Hai es rammt – doch es ist solide genug. Fleece und J'avo, beide schwer atmend vor Anstrengung und Adrenalin, sehen sich an, und J'avo muss angesichts der irrsinnigen Todesgefahr und der Tatsache, dass er noch lebt, lachen.

 

Dr. Meranilius ist außer sich vor Begeisterung über diesen Fund, er und Max stürzen sich sofort darauf. Da aber keiner der beiden ein Experte für die Kultur der Alaru ist, fehlt ihnen der Kontext, den man braucht, um den Glyphen ihre Bedeutung zuzuordnen. Sie gehen diverse Möglichkeiten durch, doch die ergeben ohne das Gesamtbild wenig Sinn, zumal man nie weiß, welche Kombination welcher Zeile richtig war. Dr. Meranilius beschließt, sich Hilfe an der Freien Universität von Tashluta zu holen, wo man bei der Naturkundlichen Fakultät gewiss weiter weiß. Die Endeavour nimmt also wieder Fahrt auf.

 

Das tut die Neraida auch. Corozal hat genug gesehen – was auch immer die da aus der Tiefe hochgeholt haben, muss wertvoll sein. (Sein Visaru kann die Gemeinschaft immer nur ein paarmal pro Tag für ein paar Minuten beobachten, und bis jetzt war das Timing nicht so gut, dass genau in dem Moment für einen Beobachter klar nachvollziehbar ausgesprochen wurde, worum es geht.) Jetzt braucht er nur noch das Überraschungsmoment, denn wenn sie seinen Angriff kommen sehen, ist ihre Magie zu stark und fügt seiner Crew zu große Verluste zu. Ihm bleibt nur, die Endeavour außer Sichtweite zu verfolgen, ein paarmal am Tag ihre Position zu bestimmen, zu hoffen, dass er sie nicht verliert, und auf seine Chance zu warten.

 

Fleece wurde mit Verband und Hartknollensaft verarztet und hat sich natürlich bei Skaar und Max bedankt. Am Abend gesellt sie sich zu J'avo an den Bug und bittet die dort anwenden Matrosen um etwas Privatsphäre. Sie setzt sich an die Reling, er lehnt am Bugspriet.

 

Fleece: Du hättest die Steintafel loslassen können. Du warst dabei, zu ertrinken, aber hast die Tafel festgehalten. Warum?

J'avo (denkt kurz nach, zuckt dann die Achseln): Die brauchen wir, um weiterzumachen. Nur dann kommen wir zum Ziel, und nur dann nimmt Valmaxian den Zauber von mir.

Fleece: Du kannst es wirklich nicht erwarten, uns los zu sein, hm?

J'avo: Ob als Walfänger oder Pirat – ich hab im Vergleich mit euch ein geradezu friedliches Leben gelebt.

Fleece (muss leise lachen, weil das vermutlich wirklich wahr ist): Na ja. Wir haben große Ziele, also liegen auch große Aufgaben vor uns.

J'avo: Ich hab gelernt: Sei mit dem zufrieden, was du hast. Sobald die Leute was Schönes sehen oder sogar in die Finger kriegen, werden sie gierig. Wollen mehr. Endet selten gut.

Fleece (schweigt kurz, sieht dann auf ihren Verband, dann wieder zu J'avo): Danke.

J'avo: Kein Problem.

Fleece: Nicht nur dafür. (Sie schweigt wieder ein Weilchen und gibt J'avo Gelegenheit, nachzuhaken, aber er tut es nicht.) Du bist ein ausgezeichneter Taucher. Wo hast du das gelernt?

J'avo: Ich bin ein Zyklopäer. Das liegt uns im Blut. Du kriegst uns nie lange vom Wasser weg, es sei denn, du legst uns in Ketten. Irgendwie... keine Ahnung.

Fleece: Die Zuma haben doch bestimmt einen Schöpfungsmythos, oder? Ich bin sicher, der hat auch etwas mit Wasser zu tun.

J'avo: Ja, da war was mit Wasser, aber frag mich nicht, was genau.

Fleece (überrascht): Du kennst die Mythen deiner Kultur nicht?

J'avo (schnaubt): Welche Kultur? Meine Mutter war Sklavin, wurde vergewaltigt, ich wurde in Sklaverei geboren. Meine Mutter hatte andere Sorgen, als mir irgendwelche Sagen und Legenden beizubringen.

Fleece: Es tut mir leid, das zu hören.

J'avo: Kein Problem, ich kenn's nicht anders. Frei war ich zum ersten Mal mit dreizehn Jahren, in Ithmong, weit weg von meinen Leuten. Hab hier und da immer wieder mal was aufgeschnappt, aber so richtig... (Er schüttelt den Kopf.)

Fleece: Dafür bist du in Meridiana ziemlich herumgekommen, nicht wahr? Gewiss weiter als die meisten Zyklopäer.

J'avo: Na ja. Ich denke schon.

Fleece: Aber im Norden warst du nie zuvor, stimmt's? Ich meine, vor Marsember?

J'avo (schüttelt den Kopf): Hätte auch nicht gewusst, was ich da soll.

Fleece: Und jetzt? Wärst du damals der Nequanerin nicht gefolgt, denkst du, du hättest was verpasst?

J'avo (denkt kurz nach, zuckt die Achseln): Ich weiß nicht. Ist alles sehr anders bei euch. Nicht meine Welt.

Fleece: Gefällt dir dort denn gar nichts?

J'avo (schief grinsend): Ich mag, wie ihr euch anzieht. So was siehst du hier unten nicht, man würde ja verrecken in euren Klamotten. Aber sie gefallen mir. Das Leder vor allem. Die Schnitte. Exotisch.

Fleece (über die Ironie lächelnd): Exotisch.

 

In den nächsten Tagen bricht das Schütteln an Bord der Endeavour aus, eine Krankheit, die mit unkontrollierbaren Zuckungen und später mit schweren Krämpfen einhergeht. Es erwischt auch ein Drittel der Abenteurer. Rasch werden die Kranken von den Gesunden getrennt, da Max sich erinnert, gelesen zu haben, dass die Krankheit durch Körperkontakt übertragen wird. Jedoch ist es auf dem engen Raum des Zweimasters gar nicht so einfach, sich aus dem Weg zu gehen. Viele Arbeiten kommen so zum Erliegen. Fleece, selbst erkrankt, muss sich überlegen, ob sie die Heiltränke einsetzen will, aber erstens sind es eh nur ein paar, womit man der Crew die Heilung vorenthalten würde, und zweitens fehlen sie dann für wirklich ernste Krankheiten, denn Max ist sicher, dass man das Schütteln, so unschön es auch ist, in den meisten Fällen ohne bleibende Schäden übersteht. Also beschließt Fleece, der Natur ihren Lauf zu lassen – was gar nicht so einfach ist, wenn man die Chance direkt in Händen hält, dass es einem im Nu wieder gut geht.

 

Als Corozal davon erfährt, überlegt er, ob dies der beste Zeitpunkt ist, zuzuschlagen. K'uro drängt auf Angriff, denn in Tashluta wird man ihrer nicht habhaft werden, aber Corozal entscheidet sich dagegen, weil er die Krankheit nicht auch auf die Neraida einschleppen möchte. Jedoch will er die Situation nach einigen Tagen neu bewerten.

 

Nach und nach legt sich die Krankheit bei den Matrosen und Abenteurern. Unterwegs beobachtet man auch sowohl flug- als auch tauchfähige Kreaturen, die hier unten Ivoral genannt werden. Die noch geschwächte, sehr erschöpft wirkende Fleece sieht ihnen gedankenverloren und sehnsuchtsvoll hinterher. Raif stellt sich neben sie.

 

Raif: Hey, Jhess.

Fleece: Hey. (Sie nickt zu den Ivoral.) Sieh sie dir an. Sie erheben sich so mühelos aus dem Wasser in die Lüfte, als hauche ihnen Akadi selbst unter die Schwingen. Der ewige Traum vom Fliegen.

Raif: Hm. Nicht meiner.

Fleece (lächelt müde): Nein, nicht deiner. Aber meiner. Mein erster Flug war auf dem Roc über die Calim.

Raif: Ich bin heilfroh, dass mir wenigstens der erspart blieb.

Fleece: Es war märchenhaft, Raif. Wie in der Legende von Shariman dem Vielfältigen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich danach je wieder fliegen würde, und plötzlich durfte ich einen Adler der Elfen besteigen, was zuvor nur Jen und Rhoedry vergönnt gewesen war. Am Roc klammerte ich mich hilflos und panisch fest, er hätte nicht mal davon Notiz genommen, hätte ich den Halt verloren. Aber auf meinem Adler saß ich in einem Sattel, hatte das Gefühl von... nicht von Kontrolle, er wusste selbst, wohin er wollte, aber von... (Sie zuckt die Achseln.)

Raif: Einer Bardin fehlen die Worte. Erlaube mir, diesen seltenen Augenblick auszukosten.

Fleece: Du verstehst das nicht. Wie neidisch war ich auf Jaq und Jewel, als ich erfuhr, dass sie auf einem Greif fliegen durften. Ich wünschte, ich dürfte das noch mal erleben. (Sie sieht einem wie ein Pfeil ins Wasser eintauchenden Ivoral hinterher.) Der Ivoral kann sich in die Lüfte erheben, wann immer er will. Und in die blauen Tiefen zurückkehren, wenn es ihm beliebt. In beiden Welten zu Hause.

Raif: Das Wrack der Courageous hat dich wieder auf den Geschmack gebracht, hm?

Fleece: Du kannst dir nicht vorstellen, wie es da unten ist, Raif. Wie farbenfroh. Wie lebendig. Wie mysteriös. Wie friedlich.

Raif: Von dem Frieden da unten wirst du eine hübsche Narbe zurückbehalten. (Er deutet auf ihren rechten Unterarm.)

Fleece: Auch in einem friedlichen Wald kannst du von einem Wolf angefallen werden. Und ebenso, wie die Waldelfen im Einklang mit dem Forst leben, leben die maritimen Rassen im Einklang mit der Welt unter Wasser.

Zum Ende hin wurde Fleeces Stimme höher, und Raif sieht ihr auch an, dass sie emotional wird und ihre Gesichtszüge zum Versteinern zwingt. Ohne zu verstehen, was los ist, reibt er tröstend ihren Rücken, was ihre Fassade bröckeln lässt. Ein Matrose, der Fleece mag, bleibt besorgt bei den beiden stehen, aber Raif schickt ihn mit "Schönen Tag noch!" weiter.

Fleece: Entschuldige.

Raif: Sei nicht albern, Jhess. Was ist los?

Fleece (mit brüchiger Stimme): Du weißt nicht, wie das ist. Sich so sehr nach Orten zu sehnen, die man lieb gewonnen hat, dass es dir das Herz zerreißt – und je länger es her ist, desto schlimmer ist die Sehnsucht. Als wäre jeder dieser Orte ein Zuhause. Zum ersten Mal, seit Kharima Sa'Meriban Zhai und mich in ihrem Boot mitgenommen hatte, war ich wieder da unten. Wirklich unten, ohne die Sorge, nicht mehr genug Luft für den Weg nach oben zu haben. Das mit Kharima war so kurz. So wie jetzt mit Laliari. Ich wünschte, ich beherrschte Aquis, was hätten wir einander zu erzählen gehabt! (Raif nickt nur und ermuntert sie damit zum Fortfahren.) Herbst '69, Raif. Es ist vier Jahre her, seit ich in Myth Nantar war. Und es fehlt mir. Ein bisschen irrsinnig, oder?

Raif: Wenn es so einprägsam war, wie du sagst, vermutlich nicht.

Fleece: So Helm will und ich lange genug lebe – unwahrscheinlich genug bei dem, was wir tun –, werde ich doch nie ein Kind auf dem Schoß wiegen, Raif. Ich würde daran verzweifeln, nicht mehr reisen zu können. Pah, sieh mich an. Ich hab in sieben Jahren mehr Meilen in Faerûn zurückgelegt als alle Menschen in Scardale zusammengenommen, ich bin im Leuchtenden Süden, nach dem ich mich zurückgesehnt habe, und ich jammere und beklage mein schweres Los und wünsche mich nach Serôs. Doch wäre ich dort, würde ich mich nach Calimshan sehnen. Dort aber wäre ich in Gedanken in Tethyr, und wäre ich in Tethyr, würde ich mit Igal Naor auf der Sulman Sa'Nassori an der Küste entlangsegeln wollen. Doch dann stünde ich an der Reling, so wie jetzt, und würde mir wünschen, in Elihir über den Baumkronen zu sitzen und mit Glorandal über das Leben zu philosophieren. (Sie atmet mit verstopfter Nase durch.) Entschuldige. Das Schütteln steckt mir noch in den Knochen.

Raif: Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest, Jhess.

Fleece: Wir waren an so vielen unglaublichen Orten. Eine Nekropole und ein von Feuerriesen bewohnter Vulkan in Mulhorand, beide vor Ewigkeiten oder noch nie von Menschen betreten. Die Sulman Sa'Nassori. Uraku-Ruinen in Chult und Alaru-Ruinen in Tashalar. Der Gauntlet. Inziladun. Wir waren beim Schwertzug Zarandas und beim Fall von Esmeltaran dabei. Wir waren in Suzail, Athkatla, Zazesspur, Tashluta, Marsember, Calimport, Baldur's Gate. Was für ein Geschenk, dieses Leben führen zu dürfen. (Sie sieht Raif an.) Ich heule zwar, weil ich eine Idiotin bin... aber ich bin der glücklichste Mensch auf dem Antlitz Torils.

 

Corozal hat abgewogen zwischen der Ansteckungsgefahr und der Schwächung des Gegners, und nun gibt er Befehl, Fahrt aufzunehmen – das Schütteln ist weit genug zurückgegangen.

 

In der mondlosen Nacht fährt die Endeavour in eine riesige Sargassosee hinein, die sie am Morgen bis zum Horizont umgibt. Die Algen- und Tangteppiche saugen förmlich an dem Schiff. Beiboote werden zu Wasser gelassen, und die Matrosen (darunter auch J'avo als Freiwilliger) schneiden und schlagen der Endeavour den Weg frei. Im trüben, nach Sumpf aussehenden Wasser lässt sich kaum erkennen, was sich unter der Wasseroberfläche befindet, so dass ein plötzlich auftauchender Fleckenhai zu einer echten Gefahr für die Bootsbesatzungen wird. Der rammt nämlich eines der Boote, so dass zwei Matrosen ins schleimige Wasser stürzen und einer davon sogleich verschwindet. An Bord wird durcheinandergeschrien, Tulwood und Zhai rennen los, um die Bögen zu holen (Zhai für Skaar), denn die Rotzen können nicht so steil nach unten schießen. Tulwood kehrt zurück, legt an, zögert aber, weil er nicht riskieren will, unter dem blickdichten Algenteppich einen Matrosen zu erwischen. Schließlich schießt er, aber niemand kann sagen, ob er getroffen hat. Skaar ist nun auch soweit, schießt und erwischt den Hai, der abtaucht – genug Zeit, um den zweiten Matrosen ins zweite Boot zu ziehen. Eine weitere Gelegenheit für Tulwood, ratlos nach unten zu starren und sich zu fragen, was geschehen muss, damit er auch mal glänzen kann.

 

Die Sargassosee hält die Endeavour zwei Tage lang auf, aber der Neraida, die sich ja an die Verfolgung gemacht hatte, ergeht es nicht besser, und der Abstand vergrößert sich wieder, als die Endeavour den Algenteppich hinter sich gelassen hat. Jedoch beobachtet Baltram schon grimmig den Horizont: Da kommt etwas Ungemütliches auf alle zu. Die Matrosen sichern die Ladung (die eh fast nur aus Vorräten besteht) noch einmal extra gut, das Schiff wird sturmfest gemacht.

 

Einige Stunden später ist es soweit, die See wird rauer und der Tag zur Nacht, und wenige Minuten später befindet man sich in einem Tropensturm, in dem Blitze alles taghell ausleuchten. Während eine haushohe Welle das Schiff  trifft, wird der Rudergänger durch die plötzliche Schräglage zur Seite geschleudert. Bevor aber der nächste Brecher das Schiff  trifft, muss das Schiff  in diese Welle gelenkt werden. J'avo und Baltram klammern sich an das Steuerrad und ziehen mit vereinten Kräften. (Skaar wäre stärker, aber ihm fehlt die Erfahrung, das Ruder genau so auszutarieren, wie es gebraucht wird.) Sie steuern die Endeavour erfolgreich in die Welle, aber schon die nächste bringt sie wieder aus dem Kurs, und die dritte trifft das Schiff seitlich, was viele von den Beinen reißt und die Endeavour beschädigt.

 

Direkt im Anschluss an eine Wellenbreitseite ertönt der Ruf aus den unteren Decks, dass es einen Wassereinbruch gab. Der Druck des Wassers hat die Beplankung beschädigt, und nun strömt das Wasser hinein. Die nach unten verbannten Abenteurer packen mit an, wo sie können, holen oder tragen Holzplatten und -balken oder halten sie während des Nagelns fest. Nach der Reparatur ist die Stelle nicht besonders dicht, aber der massive Wassereinbruch wurde verlangsamt. Es ist eine beängstigende Situation, Talos' Gewalt so machtlos ausgesetzt zu sein und mitten in diesem Sturm das kleine Stück Holz zu reparieren, das sie alle vom jämmerlichen Absaufen trennt.

 

Auch die Abdeckung der Decksluke löst sich im Sturm, so dass der Regen und das über das Hauptdeck strömende Wasser ungehindert in den Rumpf hineinfließen können. Durch den irrsinnigen Seegang ist an ein Abschöpfen gar nicht zu denken.

 

Als sich das Wetter langsam wieder beruhigt, werden Eimerketten gebildet, alle stehen in der Bilge bis zur Hüfte im Wasser und schöpfen oder geben Eimer weiter, während Kapitän Teremon seinen Kurs nach Süden korrigiert in der Hoffnung, auf Inseln zu stoßen, wo man für die Reparaturen vor Anker gehen kann. Ansonsten hat jeder das Bedürfnis, draußen Luft zu schnappen, die Sonne zu sehen und Umberlee für ihre Gnade zu danken. Schnell wird das normale Tagwerk aus Segelsetzen und Deckschrubben wieder aufgenommen. Das Schiff sieht aus wie eine große Wäscheleine, denn alle hängen ihre Wäsche an jedem möglichen Ort zum Trocknen in Wind und Sonne.

 

Der Neraida erging es im Sturm schlechter als der Endeavour: Das Schiff hat wegen eines Risses im Rumpf bedenkliche Schlagseite und wird noch immer repariert, als die Endeavour schon längst wieder mit voller Betakelung Fahrt aufnimmt. Unglaublich undramatisch, aber die Würfel haben gesprochen: Das reicht, um die Endeavour zu verlieren, da man weder Ziel noch Route kennt.

 

Nachdem mit dem Schütteln, der Sargassosee und dem Tropensturm eine Katastrophe auf die nächste folgte, verläuft die Weiterfahrt angenehm ereignislos. An der Insel Karkamur wird der Anker geworfen, und die Männer fällen Bäume, um die Holzvorräte aufzustocken. Die Abenteurer gehen am Strand spazieren oder baden und ruhen sich aus. Caldaia geht mit Raif spazieren, und auch wenn sie es noch nicht einordnen kann, haben die panische Todesangst und Lebensgefahr der letzten Tage ihre Lust zu leben noch gesteigert, und sie fühlt sich gerade unglaublich zu ihm hingezogen, dass sie sich entschuldigen muss und allein weitergeht, um nachzudenken. Wie kann das denn sein? Sie liebt Jen von ganzem Herzen, wie kann sie jemand anderen im Kopf haben?

 

Fleece und Jen sitzen im Sand, während im Hintergrund die Holzfällerarbeiten zu hören sind, und haben den beiden aus der Ferne zugesehen. Fleece beobachtet dabei aus dem Augenwinkel Jen, aber die sieht auf keine besondere Weise oder zu lange hin und trägt auch keinen besonderen Gesichtsausdruck zur Schau. Später jedoch passt Jen Caldaia auf dem Rückweg ab, bedeutet ihr, sich zu setzen, und setzt sich dazu. Sie spricht mit selten weicher Stimme.

 

Jen: Raif gefällt dir, oder?

Caldaia (aufgeregt): Bei Sunes Lippen, Jendara, denke bitte nicht, dass ich jemals—

Jen: Beantworte einfach nur meine Frage.

Caldaia (atmet mit ängstlichem Gesicht durch und sucht nach Worten): Ich liebe dich, Jen.

Jen: Das weiß ich. Hör zu. Ich persönlich denke, die Kirchen wählen diejenigen, die sie weihen wollen, sehr sorgfältig aus – die, die ihr Dogma am besten verkörpern. Fleece dagegen ist der Ansicht, dass mit der Weihe und der göttlichen Verbindung, die mit ihr einhergeht, der Geweihte die Charakteristika seiner Gottheit noch stärker annimmt als zuvor. Hm. (Sie zuckt die Achseln.) Vermutlich haben wir beide Recht. Mehr oder weniger.

     Du bist Sune geweiht. Du verkörperst sie hier auf Toril. Sie erfüllt dich mit ihren Wünschen und Gelüsten. (Sie schnaubt leise.) Obendrein musst du noch so viel lernen, und dabei stehe ich dir nur im Weg. (Caldaia will widersprechen, aber Jens Geste bringt sie zum Schweigen.) Es fällt schwer, den Akt als Gebet an Sune zu begreifen, wenn man eine Palasthure ist und dazu gezwungen wird. Aber die Bibliothek des Halassaren sucht ihresgleichen, ich habe viel über die Kirche Sunes gelesen. Sehr viel.

     Ich wusste, dass das passieren würde. Dann möchte ich wenigstens, dass es mit jemandem passiert, von dem ich sicher sein kann, dass er dich so behandelt, wie er es sollte, und von dem ich glaube, dass er dir ein schönes erstes Mal schenken kann. (Caldaia stehen die Tränen in den Augen.) Ich kenne Raif zu lange, um ihn mit deinen Augen zu sehen. Aber wenn ich es versuche, sehe ich einen gutaussehenden, charmanten Kerl, der Sune verehrt und, soweit ich es mitbekommen habe, seine Frauen gut behandelt. Du hast dir deinen ersten Mann gut ausgesucht, Cal. (Caldaia umarmt Jen und hält sich an ihr fest, schluchzt aber dabei.) Du darfst dich nicht schuldig fühlen. Ich weiß, dass der Teil deines Herzens, den dir Sune zu deiner Verfügung lässt, mir gehört. (Sie nimmt Caldaias verweintes Gesicht in ihre Hände und sieht ihr in die Augen.) Du bist nicht das Mädchen von nebenan, Cal. Du bist eine Geweihte Sunes, und ich werde mich nicht an ihr versündigen, indem ich dich das nicht sein lasse.

 

Wenig später sehen wir Raif, der an einer anderen Stelle des Strandes ein paar Runden geschwommen ist und bei seiner Rückkehr Jen sieht, die auf ihn wartet.

 

Raif: Hey.

Jen: Hör zu, Raif. Du willst Caldaia. (Raif erbleicht und nimmt unwillkürlich eine ganz unterschwellige Abwehrhaltung ein, falls es Prügel setzt.) Und Caldaia will dich. Fleece lässt gerade das Zelt zwischen den Palmen aufbauen. Sobald die Männer mit dem Holzfällen fertig sind, setzen wir über, und ihr beide bleibt hier auf Karkamur. Wir holen euch dann morgen früh mit dem Boot ab. Ist das in Ordnung für dich?

Raif: Ich... äh... Was? Bist du sicher? (Jen sieht ihn nur mit einer hochgezogenen "Wäre ich sonst hier?"-Augenbraue an.) Ähm... Hör zu, Jen, ich würde nie—

Jen (legt ihm eine Hand auf die Schulter, aber wegen der schnellen Bewegung zuckt der alarmierte Raif trotzdem zusammen): Das weiß ich. Aber Caldaia kann nicht die Priesterin werden, die zu sein ihr bestimmt ist, wenn sie alle Erfahrungen in den Wind schlägt, die sie braucht. Ich habe ihr eine Menge beigebracht, aber alles... kann ich sie nicht lehren. Körperlich ist sie keine Jungfrau mehr, es wird also kein Blut geben, aber sie hat noch nie mit einem Mann geschlafen.

Raif: Sie hat... n-noch nie...?

Jen: Sie wurde benutzt, aber sie hat noch nie mit einem Mann Liebe gemacht. Verstanden?

Raif: O-okay, und du... bist dir wirklich, wirklich sicher, dass du das willst?

Jen: Du tust mir keinen Gefallen, Raif. Ich tue dir einen, denn du willst sie haben. Und ich tue das Richtige für Caldaia. Von Wollen kann keine Rede sein, aber wenn es schon sein muss, dann... Na ja.

Raif: Jen, ich will nicht, dass das dann zwischen uns steht.

Jen: Kann ich dir nicht versprechen. Wenn du ihr den Kopf verdrehst, garantiert, also sei nicht zu nett. (Sie schiebt ein Augenzwinkern hinterher, um zu zeigen, dass das eigentlich ein Scherz war, der die Spannung aus dem Gespräch nehmen sollte. Raif sieht sie dennoch weiterhin unsicher an, Jen verdreht kurz die Augen.) Raif, ich weiß nicht, was passieren wird. Hier. (Sie nimmt seine Hand und legt ein Fläschchen hinein.) Guldama-Öl, für alle Fälle, falls sie sich noch andere Erfahrungen wünscht. Wie ich höre, bist du seit Ban Bashurs Party in Arbassara damit vertraut. (Raif läuft rot an und betrachtet das Fläschchen in seiner Hand.) Hast du noch Cassil? Ich hab nämlich keine Narawurzel mehr.

Raif: Ja, hab ich.

Jen: Trocken geblieben in den letzten Tagen?

Raif: Alles in der Truhe.

Jen (nickt, zögert dann vor den nächsten Worten): Raif, ich muss dir nicht sagen, dass du—

Raif (halblaut, aber bedeutsam, während er ihr wieder in die Augen sieht): Nein. Musst du nicht.

Jen (schaut ihn noch kurz an, nickt, flüsternd): Okay.

Raif (flüsternd): Okay.

 

Am späten Nachmittag rudern die Boote zurück zur Endeavour, und Caldaia und Raif, die sich jeweils an unterschiedlichen Stellen des Strandes aufhielten, bleiben zurück. Raif spaziert langsam zu Caldaia rüber, die den Booten nachschaut.

 

Raif: Ich hab schon in ein paar verdammt merkwürdigen Situationen gesteckt, aber diese hier... spielt ziemlich weit oben mit.

Caldaia (lacht nervös): Oh ja.

Raif: Caldaia, schau... Ich bin davon genauso überfahren worden wie du. Jen— (Er unterbricht sich, fängt neu an.) Du kennst Jen. Sie lässt nichts anbrennen und macht Nägel mit Köpfen. Aber das heißt nicht, dass du dich nach ihrem Tempo richten musst. Wir können machen, was du möchtest. Wir können uns unterhalten... mit einer Kokosnuss Fangen spielen... oder auch "Ich sehe was, was du nicht siehst", obwohl die Auswahl hier eher begrenzt ist, hm? (Er sieht sich gespielt hilflos um, Caldaia lacht leise und sieht ihn schon etwas entspannter an.) Wonach auch immer dir ist. In Ordnung?

 

Auf dem Boot kriegt nur Fleece mit, dass sich Jen ganz verstohlen übers Auge wischt und einen angepissten Gesichtsausdruck annimmt, als sei sie verärgert über sich selbst, dass sie sich anmerken lässt, dass sie leidet.

 

Zhai, die es tagsüber wegen des Lichts vermeidet, offene Flächen aufzusuchen, und auf dem Schiff geblieben ist, hat nichts mitbekommen. Sie erkundigt sich überrascht nach Raifs und Caldaias Verbleib, und obwohl ihr nichts anzusehen ist, weiß der Zuschauer, dass die diskret angedeutete Erklärung sie verstimmt. Fleece signalisiert Jen nonverbal, dass sie jederzeit mit ihr reden kann.

 

Raif hat sich mit Caldaia erst mal ins wohltemperierte Zelt zurückgezogen, sich bequem auf einen Teppich gefläzt und ihr von Ulabeth und Raina erzählt, weil er wusste, dass Caldaia das Thema sehr interessiert, und um ihr die Anspannung zu nehmen. (Außerdem braucht der Cassil-Tee, den er getrunken hat, Zeit, um seine Wirkung zu entfalten.) Er berichtet von dem Friends-with-benefits-Umgang zwischen Raina und ihm und dem Verrat, den er ihr nie verzeihen konnte, auch wenn er weiß, dass Ballaize seinen Opfern nie eine Wahl lässt. Vor allem aber spricht er von Ulabeth, der tethyrianischen Abenteurerin, die das amnische Spiel der Macht gelernt und sich durch Intrigen in der Gesellschaft hochgearbeitet hatte.

 

Raif: Sie hatte in Athkatla versucht, mit Vardis auf Tuchfühlung zu gehen, aber er... (Raif schnaubt grinsend.) Vardis war Vardis, und das schlug sie in die Flucht, also versuchte sie es bei mir.

Caldaia (spitzbübisch): Mit mehr Erfolg?

Raif: Mit deutlich mehr Erfolg. Sie war eine wunderschöne Frau und im Umgang weder zu verspielt noch zu hart, sondern ergebnisorientiert, zielstrebig, wenn auch mit viel Fingerspitzengefühl. Sie wickelte mich um den Finger, wir landeten noch auf der Party im Bett, und... Na ja, das ist fünf Jahre her, ich war noch jünger, naiver. Jedenfalls verplapperte ich mich, als wir uns danach unterhielten – ich merkte nicht, dass sie mich aushorchte. Natürlich versuchte ich die Situation irgendwie zu retten, aber gesagt war gesagt. Die Tage danach wartete ich darauf, dass sich meine lockere Zunge rächt, aber nichts passierte. Unsere Abenteuer führten uns zu Zarandas Schwertzug in Tethyr, auf die See der Gefallenen Sterne, in den Gauntlet, nach Mulhorand, hierher, nach Calimshan und dann wieder nach Amn. Vier Jahre waren ins Land gezogen, und wir trafen uns wieder, diesmal in Imnescar. Erneut sollte sie mich aushorchen, aber diesmal machte sie sogar gemeinsame Sache mit mir. Sie beschützte uns, obwohl sie in immer größerer Gefahr schwebte, dass Ballaize ihr auf die Schliche kommt. Riskierte immer mehr und schließlich alles. Hätte sie getan, was ihr aufgetragen worden war, hätte keiner von uns Amn lebend verlassen.

Caldaia (gefesselt): Und warum tat sie das?

Raif (bläst die Backen auf): Kann ich dir nicht sagen.

Caldaia: Rate.

Raif (sieht Caldaia einen Augenblick lang an und beschließt, wirklich ehrlich mit ihr zu sein): Ich hatte immer versucht, sie verstehen zu lassen, was wir tun. Wer wir sind. Sie liebte ihr Leben, aber ich wollte sie da rausholen, ihr etwas Besseres im Austausch anbieten, etwas... wirklich Gutes, weißt du? Ich wollte sie mitnehmen. Vielleicht... vielleicht verstand sie uns irgendwann, aber fand nicht genug von dem, was uns ausmacht, in sich selbst? Vielleicht mochte sie mich zu sehr? Vielleicht beides? Ich weiß es wirklich nicht. (Er atmet durch.) Und ich werd's nie erfahren.

Caldaia (mitfühlend): Sie war dir wirklich wichtig.

Raif (betroffen nickend): Ich denke immer wieder an sie. Bete zu Selûne, dass sie es irgendwie geschafft hat, aber... (Er schüttelt traurig den Kopf.)

Caldaia: Und Raina?

Raif (sein Gesicht verfinstert sich etwas): Es hieß immer, sie habe keine Wahl gehabt. Warum hat es Ulabeth dann geschafft, ihr ganzes, in jahrelanger Schwerstarbeit aufgebautes Luxusleben wegzuwerfen – für uns? Ohne dass sie jemand anderen außer mir überhaupt je kennen gelernt hätte?

Caldaia: Sie kannte nur dich?

Raif: Es durften so wenige wie möglich davon wissen, dass wir unter einer Decke stecken. Ich hatte es damals niemandem erzählt.

Caldaia (gerührt): Dann hat Ulabeth es für dich getan.

Raif (sieht eine Weile auf den Teppich, auf dem er liegt, und blickt wieder auf): Lass uns schwimmen gehen.

Caldaia (unsicher): Es ist fast dunkel.

Raif: Ein wenig Abendrot haben wir noch, und die Sterne sind schon rausgekommen. (Er steht auf, hält ihr die Hand hin. Caldaia holt Luft, Raif fällt ihr ins Wort.) Meine ungelenke Art des Themawechsels. Na komm schon.

 

Natürlich hat sich an Bord in Windeseile herumgesprochen, warum das Schiff erst morgen früh statt sofort aufbricht und warum die Geweihte, die nicht wirklich eine Geweihte ist, dann aber wieder doch, und Raif nicht hier sind. Tulwood liegt in dem engen Lagerraum auf seiner Decke und träumt vor sich hin, wie es wohl wäre, irgendwann mal jemand zu sein, den sich eine Sune-Geweihte aussucht, weil sie mit einem Mann schlafen möchte. Verdammt, warum kann ihm so was nicht passieren? Er hatte sich alles viel zu einfach vorgestellt, er hatte gedacht, mit Bran als Fürsprecher wird er aufgenommen, und dann fliegen ihm die Frauenherzen und das Gold nur so zu wie den anderen.

 

Die Situation ist auch für Raif ungewohnt – beide stehen am Strand und sehen einander an, ob der andere den Anfang macht. Schließlich zieht sich Raif kurzerhand aus, springt ins Wasser, erschafft eine ungezwungene Atmosphäre und animiert Caldaia, es ihm nachzutun, also lässt auch sie die Hüllen fallen und watet ins Wasser. Es wird ein bisschen getaucht und umeinander hergeschwommen, Raif testet ab, wie viel Nähe Caldaia möchte, und arbeitet sich immer weiter voran, bis er sie schließlich vorsichtig umfasst, sie mit fragender "Okay?"-Miene ansieht, Caldaia lächelt, und der Kuss führt zu leidenschaftlichem Vorspiel in der Brandung. Jedoch unterbrechen sie nach ein paar Minuten bereits, weil der nasse Sand dabei einfach überall hingelangt, also baden sie noch mal und kehren ins Zelt zurück.

 

Spider sitzt auf der Vorroyalstange des Fockmasts (die höchste Querstrebe des vorderen Masts) und sieht hinunter auf Jen, die, um allein zu sein, auf den Bugspriet balanciert ist und rittlings darauf Platz genommen hat, um zur Insel zu sehen, an deren Strand sie mit bloßem Auge nicht mal viel erkennen könnte, wenn es hell wäre. In der Nahaufnahme sehen wir im Zwielicht vor leicht orangefarbenem Horizont, dass ihr Gesicht tränennass ist.

 

Caldaia und Raif sind wieder ins Zelt zurückgekehrt und lassen es jetzt viel langsamer, entspannter und sinnlicher angehen, denn Raif weiß durchaus, dass er nicht nur zum Spaß hier ist. Abgesehen davon, dass es natürlich so oder so sehr schön ist, will er Caldaia gerecht werden, denn Priesterin oder nicht, aber sie ist eine Geweihte, weshalb Sune irgendwie auch hier in diesem magischen Zelt ist. Natürlich ist Raif gleichzeitig Übungsobjekt und ermutigt Caldaia, sich an ihm auszuprobieren, denn aller Anfang ist schwer. Dass sie mit einer sehr erfahrenen Jhasina zusammen ist, bedeutet, dass sie sich (und sei es nur theoretisch) sexuell besser auskennt als 99 % aller Menschen, aber zwischen Theorie und Praxis liegen Jahre der Erfahrung, die Caldaia noch fehlen.

 

Zhai kann es sich selbst nicht erklären, aber Tränen steigen ihr in die Augen. Der Lebensbaum in Ellihir hatte sie abgelehnt, obwohl sie nichts für diesen Teil ihres Erbes kann – und dass Raif nur einmal mit ihr geschlafen hat und jetzt gerade mit Caldaia schläft, fühlt sich wie eine weitere Ablehnung an. Als J'avo sie anspricht, steht sie einfach wortlos auf und geht.

 

Karkamurs Tierwelt weckt Caldaia, die in Raifs Armen liegt. Verschlafen denkt sie wohlig an eine Nacht voller Wonnen zurück, aber schon kehrt auch das schlechte Gewissen zurück. Wie hätte sie sich gefühlt, hätte Jen mit einem Mann die Nacht verbracht?

 

An Bord der Endeavour versucht Jen, sich normal zu verhalten, weicht Raif aber etwas stärker aus als normal. Weil es hier keinerlei Rückzugsorte und Privatsphäre gibt, kommt sie nicht in die Verlegenheit, mit Caldaia reden zu müssen, bemüht sich aber, sie nicht anders zu behandeln als vorher. Dennoch spürt Caldaia ganz genau, dass hier viel Unausgesprochenes in der Luft liegt und Jen mit sich kämpft und eher etwas verkrampft um den Anschein von Normalität bemüht ist.

 

Endlich läuft die Endeavour Tashluta an, die Perle oder die Pestbeule des Südens, je nach Blickwinkel. Letztes Mal barst die Metropole wegen des Fests der Lebensfreude aus allen Nähten (das war am 28. Tarsakh 1371 DR, vor zweieinhalb Jahren), aber selbst jetzt, im "Normalzustand", brodelt die Stadt vor Leben. Tulwood, Caldaia und Milandre gehen die Augen über: die völlig fremdartige Architektur (die der calishitischen sehr ähnlich ist, mit der die drei "Neuen" aber auch nicht vertraut sind), die allgegenwärtigen Affen und Geckos, die ungewohnten Dürfte, die originelle, exotische, außerordentlich farbenfrohe Mode, die mehr zeigt als verdeckt, die extreme Freizügigkeit, der offene Hedonismus, die fremdartigen Tätowierungen und Bemalungen und der Körperschmuck, die Menschenmassen, in denen auch immer wieder mal ein Nichtmensch zu sehen ist. (Dr. Meranilius schimpft angesichts einer Gruppe Achaz darüber, dass das Echsenvolk hier geduldet wird, die Granden müssten doch wissen, was die verschlagenen Geschuppten im Schilde führen!) Zhai, Spider und Skaar treten selbstbewusst auf und genießen, zwar oft neugierig angesehen zu werden, aber ohne große Ablehnung, meist eher mit Faszination. Auch über die schwebende Truhe wundert sich hier kaum jemand. Der Großstadttrubel beflügelt Fleece, Caldaia und Raif, die diesen schon immer genossen haben. J'avo wirkt sowohl nachdenklich als auch ungläubig, als könne er noch immer nicht recht fassen, tatsächlich wieder in Tashluta zu sein. Fleece, Raif und Jen haben sich nach örtlicher Mode herausgeputzt, und Jen hatte Caldaia ja versprochen, ihr hier ein paar hübsche Kleider zu kaufen.

 

Im Jaspisdrachen, einem ordentlichen Gasthaus, kommen alle für heute Nacht unter und ziehen gleich erst mal zur Goldenen Grille weiter, um zur Feier des Tages etwas zu viel Geld auszugeben, sich mit den exotischen Speisen die Bäuche vollzuschlagen und sich für die anstrengenden letzten Monate zu belohnen. Musikanten spielen schöne, für die meisten Ohren fremdartige Melodien, und die, die noch nicht hier waren, lernen schmerzhaft, dass der Tashalari gern sehr scharf isst. Dass alle Abenteurer (natürlich nebst Dr. Meranilius nebst Jiv Hiriel), leicht und exotisch gekleidet, inklusive der Exoten in einem vollen Restaurant sitzen, bunte Früchte und merkwürdige Tiere essen, die die meisten noch nie gesehen haben, lachen und scherzen – das erlebt man auch nicht alle Tage. Der Zuschauer wird aber mit kleinen, unbedeutend wirkenden Einstellungen daran erinnert, dass sich an der Gruppendynamik nichts geändert hat, seit die Gruppe Karkamur verlassen hat: Raif scherzt mit Caldaia, diese lacht schallend, Jen sieht kurz ausdruckslos rüber und so weiter.

 

Dr. Meranilius erklärt nochmals, dass er noch immer keine Idee hat, wie er sich bei der Fakultät revanchieren könnte, denn im rivalisierenden Wissenschaftsbetrieb wäscht eine Hand die andere – weder in Esmeltaran noch in Tashluta würde man einem Ausländer einfach mal so eben helfen, wenn dieser nichts anzubieten hat. Fleece empfiehlt, noch etwas zu warten. Mit etwas Glück kann sie einen Kontakt zu Sarab Hamur herstellen, dann hätte man vielleicht einen Mäzen.

 

Zunächst mal wird auf den Märkten und in den kleinen Geschäften eingekauft, was das Zeug hält (keine sinnvolle Ausrüstung, sondern preiswerter Schmuck, Kleidungsstücke und kleine Andenken), und die drei Damen lassen sich mit Mehendis verzieren. Trotz der Tageszeit, die Zhai zum Tragen ihrer Kapuze zwingt, blüht sie lebhaft auf, weil sie sich hier völlig unbefangen unter die Leute mischen kann, ohne dass es eine Panik gibt. Spider hingegen bleibt ruhig und gelassen – entweder interessiert es ihn nicht, ob er sich inmitten von Menschen frei bewegen kann, oder er traut der ungewohnten Situation noch nicht.

 

Einen völlig unerwarteten Auftritt hat Max, denn dieser hat eine zorro-artige Augenmaske mit eingeklebten konvexen Bernsteinlinsen gesehen und sie kurzerhand gekauft – und überreicht sie nun Zhai. Während Zhai verblüfft das Präsent bewundert, zieht Raif Max mit seiner "Nettigkeit" auf, aber dieser erwidert nur, der Kaufpreis sei es wert, dass er nicht mehr das Gejammer über das Tageslicht ertragen müsse. Zhai probiert die Maske natürlich sofort an, und auch wenn sie sich daran gewöhnen muss, alles in dunkelgelb zu sehen und Farben nicht mehr zu erkennen, nimmt es der Helligkeit doch den Stich. Sie möchte es nicht zeigen, und vielleicht hat sich Max wirklich nichts weiter dabei gedacht, doch sie ist ein bisschen gerührt. Wer kann sich denn vorstellen, wie belastend es ist, das Normalste der Welt – schönes Wetter bei Tag – nicht so schätzen zu können wie die eigenen Freunde, von denen so etwas einen noch deutlicher trennt, als derjenige sich eh schon fühlt?

 

Caldaia besucht mit Jen einen der örtlichen Sune-Tempel, aber nur als Gläubige, um mal hier gewesen zu sein und die meridianische Repräsentation kennen gelernt zu haben. Zu Sune kann sie natürlich auch hier beten, aber Jen hält es für keine gute Idee, sich auch dem Urteil des hiesigen Gastgebers der Leidenschaft zu unterwerfen – dafür sind die Dogmen und Gebräuche hier unten doch zu anders. Das sieht man auch an dem Chauntea-Tempel, in dem die Erdmutter extrem freizügig und sinnlich repräsentiert wird.

 

Fleece lässt im Jaspisdrachen Max ihren Brief aufsetzen: "Erhabener Uri Samur, im Mirtul 951 TR (1371 DR) verdankten wir es Eurer Großzügigkeit, dem Vermächtnis Orlin Thabbars nachspüren zu können. Im Gegenzug versprach ich Euch, eine unglaubliche Geschichte zu erzählen, wenn ich zurückkehre. Mit Eurer Erlaubnis möchte ich dieses Versprechen, wenn es Euch gefällt, einlösen. Ich gastiere im Jaspisdrachen und stehe Euch jederzeit zur Verfügung. Eure ergebenste Dienerin, Fleece." Sie hatte überlegt, ob sie ausführlicher schreiben sollte, weil sie schließlich nur eine Stunde mit Hamur verbracht und dieser sie zwischenzeitlich vielleicht wieder vergessen hat, entschied sich aber dagegen, weil sie nicht wie eine Bittstellerin wirken und zeigen wollte, dass sie natürlich erwartet, dass er sich noch an sie erinnert.

 

Erhabener Uri Samur,

 

im Mirtul TR verdankten wir es Eurer Großzügigkeit, dem Vermächtnis Orlin Thabbars nachspüren zu können. Im Gegenzug versprach ich Euch, eine unglaubliche Geschichte zu erzählen, wenn ich zurückkehre. Mit Eurer Erlaubnis möchte ich dieses Versprechen, wenn es Euch gefällt, einlösen.

 

Ich gastiere im Jaspisdrachen und stehe Euch jederzeit zur Verfügung.

 

Eure ergebenste Dienerin

 

Fleece

 

Versiegelt wird der gerollte Brief mit dem Siegel der Gemeinschaft der Ersten Sonne. Fleece zieht ihr freizügigstes Outfit aus Calimshan an (ein fliederfarbenes Set aus Bustier und Rock) und legt so viel Finger-, Handgelenk-, Knöchel- und Zehenschmuck an wie möglich, um protzig und doch für hiesige Begriffe "exotisch" auszusehen. (Für eine tatsächlich offensichtlich reiche Ausstattung fehlt das Geld, für die könnte nur Jaq sorgen.) Danach macht sie sich mit Raif und Max, als sehr gut gekleidete Wache und feudaler Magier hergerichtet, auf den Weg, mietet eine Sänfte und lässt sich zum Silberberg tragen. Am Palast der Hamurs bleibt sie geduldig liegen, weil sie weiß, dass jemand Bedeutendes erwartet, dass man zu ihm kommt, nicht umgekehrt. Unter den strengen Blicken professioneller Wächter erkundigt sich ein Sklave unterwürfig nach Fleeces Begehr. Diese lüftet den seidenen Vorhang und reicht Max gelangweilt den Brief, den Max dem Sklaven in die Hand drückt. Auf Tashalari sagt der Magister, dass man sehr verstimmt wäre, würde der Brief Sarab Hamur nicht vor Sonnenuntergang erreichen, und nickt den Trägern zu, weiterzugehen. Nur mit diesem Auftritt, so hat Fleece inzwischen gelernt, hat sie auch nur eine Chance, dass der Brief seinen Empfänger erreicht, und ausgemacht ist das noch lange nicht, denn jeder gebildete Tashalari hätte gesehen, dass ihr nur ein begrenztes Budget zur Verfügung stand, sich herzurichten, dass sie also schlimmstenfalls nur eine Wichtigtuerin mit unlauteren Absichten ist. Natürlich hätte sie den Sklaven charmen können, aber erstens interessiert hier niemanden, was ein Sklave zu sagen hat (beobachtet hat sie garantiert jemand anders, der ungesehen zwischen wichtigen und unliebsamen Besuchern unterscheiden muss), und zweitens wäre das auf diesem Level sofort aufgefallen. Magie ist für Granden eine alltägliche Annehmlichkeit und ein unverzichtbares Werkzeug.

 

Auf Dauer wird der Jaspisdrache für alle zu teuer, also bleiben dort nur Dr. Meranilius, Max und Fleece, der Rest quartiert sich im Ban Banoi ("Herr Banoi") in der Flammensenke ein, einem deutlich ärmlicheren, aber in seiner Einfachheit ansprechend zurechtgemachten Stadtteil. Damit man sich nicht aus den Augen verliert, dienen der Jaspisdrache und die Goldene Grille als Anlaufpunkte, ansonsten macht jetzt erst mal jeder, was er will, und stürzt sich ins exotische Großstadtleben, denn man ist auch froh, die anderen erst mal nicht mehr sehen zu müssen. Max besucht auf eigene Faust die Universität, um sich gegen einen Obulus die Bibliothek anzusehen, Dr. Meranilius und Jiv gehen getrennt von ihm ebenfalls dorthin, Zhai geht auf Erkundungstour und nimmt J'avo als ortskundigen Fremdenführer mit, woraufhin sich Tulwood anschließt, Jen und Cal gehen shoppen, Spider mischt sich allein unters Volk, Fleece nimmt sich Zeit für Skaar und zeigt ihm die paar Ecken, die sie kennt und für ihn für interessant hält, und Raif hat beim Strohhalmziehen verloren und bleibt mit Milandre im Jaspisdrachen, um ansprechbar zu sein, sollte Hamur jemanden schicken.

 

Den nächsten Tag muss man zum Unwillen aller schon wieder eingepfercht verbringen, weil es ununterbrochen wie aus Eimern gießt. Jen und Cal haben daher zum ersten Mal seit Karkamur Gelegenheit, in ihrem Zimmer im Ban Banoi viel Zeit unter vier Augen zu verbringen, während der Regen gegen die Holzläden trommelt. Jen meint, dass sie nicht verhehlen könne, dass die Bilder in ihrer Fantasie sie verfolgen, aber daran werde sie sich gewöhnen – gewöhnen müssen, weil sie von einer Sune-Geweihten, die zur Priesterin werden muss, nicht erwarten könne, monogam zu leben. Caldaia macht immer wieder Einwürfe, aber Jen beruhigt sie, es sei alles in Ordnung, denn Jen wisse doch aus eigener Erfahrung, dass Sex nichts bedeuten muss. Cal solle nur zusehen, dass die Bedeutung von Sex mit jemand anderem nie über das hinausgeht, was für Cals Werdegang wichtig ist. Und vielleicht müsse es das nächste Mal ja nicht Raif sein. Dennoch kann sie sich nicht verkneifen, zu fragen, ob es ihr gefallen hat. Cal bejaht wahrheitsgemäß, erspart Jen aber natürlich die Details.

 

Nach einigen Tagen hat Fleece jede Hoffnung verloren, dass Sarab Hamur auch nur das leiseste Interesse an einem Wiedersehen hat. Bei dem Luxusleben, das er zweifellos führt, war ihr Treffen für ihn sicher nicht annähernd so erinnernswert wie für Theon oder Fleece. Vielleicht ist ihre Nachricht an ihn aber auch gleich von vornherein von irgendjemandem aussortiert worden, weil Hamur damit gar nicht belästigt werden sollte. Jedoch kommt des Abends ein Bote, der ein Schreiben überbringt. Fleece kann es nicht lesen, findet aber Max: Es ist eine Einladung von Sarab Hamur für morgen Abend ins Haus der Dämmerung, und Fleece möge doch bitte drei handverlesene Begleiter mitbringen, damit er mehr von der Gruppe kennen lernen kann, denn vier Plätze hat er frei.

 

Rasch fragt Fleece beim Betreiber des Jaspisdrachen nach und erfährt, dass das Haus der Dämmerung ein Etablissement ist, das dem Theater hier am nächsten kommt – aber unerschwinglich für die meisten.

 

Fleece sucht das Ban Banoi auf und informiert diskret murmelnd Jen vor der Tür, nachdem sie sie auf den Gang gebeten hat, doch Cal, die das vom Zimmer aus trotzdem gehört hat, springt auf und will dabei sein. Fleece und Jen wiegeln sofort ab, aber jetzt wird Cal energisch: Wolle man sie demnächst sogar davor beschützen, vor die Tür zu gehen? Wenn man ihr nichts zutraut, lernt sie auch nichts, aber genau das ist ihre Aufgabe – und ein tashalarisches Theater zu besuchen, wäre eine wertvolle Erfahrung für sie. Argumentativ haben Jen und Fleece dem wenig entgegenzusetzen, aber auch das würde Jen normalerweise nicht stören. Dennoch kann sie diesmal nicht darauf beharren, weil Cal sowohl gute Argumente angeführt hat als auch gerade sehr leidenschaftlich und entschlossen wirkt. Sie kämpft schließlich für das, wovon Jen will, dass sie dafür kämpft. Und es ist ja Sarab Hamur – also was soll schon passieren?

 

J'avo scheidet als Veole aus der Unterschicht von vornherein aus, und dass Max nichts kaputt macht, ist nahezu ausgeschlossen, also wird noch Raif mit ins Boot geholt, und Fleece verlässt sich darauf, dass Hamur wie letztes Mal die blinde Magierin dabei hat, die für die Überwindung der Sprachbarriere sorgt.

 

Um angemessenes Auftreten musste natürlich nicht ausdrücklich gebeten werden. Niemand besitzt etwas in Hamurs Kreisen auch nur annähernd Akzeptables zum Anziehen. Natürlich könnte man Flagge zeigen und die eigene Fremdartigkeit mit dem hervorheben, was man hat, aber man will ja etwas von Hamur, also passt man sich besser an. Gleich am nächsten Morgen wird also tief in die Tasche gegriffen, was niemanden mehr entzückt als Caldaia, sowohl für sich selbst als auch für Jen, da sie sich diese niemals in einem Kleid auch nur hätte vorstellen können – und dann auch noch in diesem Traum in Rot!

 

Die vier machen sich im Jaspisdrachen zurecht und wollen von hier aus aufbrechen. Normalerweise würde Fleece noch das vertraute Speechlink mit Zhai herstellen, aber sie weiß, dass das entdeckt und als Affront gewertet werden würde, also lässt sie es bleiben. Zhai, Spider und Tulwood begeben sich aber zum Jaspisdrachen, um die vier zu verabschieden. Dabei gehen Tulwood die Augen über: Fleece, Jen und Cal sind ohnehin schon jede für sich ein Geschenk Sunes, aber jetzt auch noch in diesen für ihre Verhältnisse erlesenen, unglaublich schönen, unverschämt offenherzigen Kleidern? Er hasst es, nicht mitkommen zu dürfen, und ist unglaublich neidisch auf Raif. Ähnlich geht es Amaraeus, und obendrein ist es ihm unangenehm, dass Fleece für ihn um einen Gefallen bitten muss, was er doch lieber selbst täte.

 

Zhai und Spider begleiten das unbewaffnete Quartett noch ein gutes Stück des Weges bis zu den Mietsänften, den Rest der Strecke lassen sich die vier in zwei Zweiersänften tragen. So eng zusammen mit Fleece in diesem Aufzug, ihr betörendes amnisches Duftwasser in der Nase – so mancher würde gern mit Raif tauschen.

 

Dem Haus der Dämmerung ist schon von außen anzusehen, dass hier geklotzt und nicht gekleckert wird. Offenbar handelt es sich hier um eine Venue, in der verschiedenste künstlerische Darbietungen abgehalten werden. Hamurs Brief öffnet alle Türen, das Personal verhält sich unterwürfig und weist den Gästen den Weg. In einer riesigen Halle, die aufgebaut ist wie ein halb ovales Amphitheater mit aufsteigenden Rängen bis hin zu abgetrennten Logen, nimmt man den Weg ganz hinauf in eine Loge, von der aus man die Show bequem liegend mit allerlei Früchten und Getränken genießen kann. Sarab Hamur begrüßt seine Gäste freundlich und lebhaft. Er hat sich kein Stück verändert und scheint sich gut an Fleece zu erinnern. In der Tat ist seine Leibmagierin zugegen, die ihn bereits vorher mit Tongues belegt hat und dies nun auch bei Fleece tut (Jen, Cal und Raif verstehen Hamur nicht, er aber jeden). Seine Gäste machen es sich bequem, und Sarab lässt sich erst mal jeden vorstellen. Danach gibt's ein bisschen Smalltalk, doch dann beginnt auch schon die Show: Ausdrucksstarke, extrem akrobatische Tänzer erzählen nur durch ihre Körper eine Geschichte (Zurcaroh). Fleece, völlig geflasht von der Darbietung – sie hat so etwas noch nie gesehen –, würde der Geschichte gern folgen, muss sich aber auf Hamur konzentrieren, der so etwas vermutlich ständig sieht und viel interessierter an ihrer Erzählung ist. Ihre Checks verlaufen nicht phänomenal (durch die Ablenkung gibt es Mali), aber immer noch günstig.

 

Da die Show immer atemberaubender wird – sie begann mit purer Ästhetik, Artistik und Körperbeherrschung und wird jetzt mehr und mehr mit Magie angereichert –, ist es unmöglich, von Caldaia zu verlangen, sich auf Hamur und Fleece zu konzentrieren, zumal sie nicht versteht, was er sagt. Sie hätte sich nicht mal im Traum vorstellen können, dass so etwas Umwerfendes überhaupt möglich ist. Wahrlich, die Tashalari verstehen zu leben. Ins Hier und Jetzt wird sie durch Fleece zurückgeholt, die gerade für alle übersetzt, dass Hamur so großzügig ist, sie spontan auf einen zwanglosen Umtrunk mitzunehmen, zu dem er im Anschluss eingeladen ist. Fleece und Caldaia sind noch nicht so vertraut miteinander, aber Jen und Raif tauschen mit der Bardin Blicke – damit hatte niemand gerechnet, das könnte direkt in eine Schlangengrube führen. Ablehnen käme aber niemals infrage. So umgänglich und nett Hamur auch ist, er gehört einer Grandenfamilie an, die es gewohnt ist, niemals ein Nein hören zu müssen. Unmöglich zu sagen, wie er reagieren würde.

 

In Hamurs persönlicher, von zwölf kräftigen Sklaven getragenen Riesensänfte geht es also auf den Silberberg, während Hamur beiläufig erklärt, dass Hazaphar Zurinal zu einem kleinen Beisammensein geladen hat, und Hamur weiß, dass sich einer seiner Gäste sehr für die Hochzeit der Alaru interessiert, und Fleece habe doch erwähnt, dass sie da gerade einer Sache auf der Spur sei, oder?

 

Unterwürfige Sklaven empfangen die Gäste beim Passieren des Gartentores. Das Grundstück scheint kein Ende nehmen zu wollen, aber man hat ja vor zweieinhalb Jahren schon gesehen, dass auf dem Silberberg überwiegend Gebäude stehen, die in Tethyr schon als Schlösser durchgingen, die weitflächigen Grundstücke inklusive. Dabei ist das hier ganz offensichtlich wahrlich noch eins der kleineren. Hier wird ihnen auch der sprichwörtliche rote Teppich ausgerollt, weil reiche Leute oft barfuß laufen, um ihren Schmuck zu präsentieren – so wie auch unsere Damen heute.

 

Fleece hat solche Auftritte schon oft genug durchgezogen, Selbstpräsentation liegt ihr im Blut. Auch Raif hat genug Übung in amnischen Schlangengruben gesammelt, um selbstbewusst aufzutreten. Jen hat dieses Leben hier sogar selbst gelebt. Nur Caldaia muss sich natürlich ein Herz fassen, und Fleece und Jen wissen, dass man ihr ansehen kann, dass sie all dies ganz und gar nicht gewöhnt ist. Sie wirkt überhaupt nicht mehr energisch wie gestern Abend, vielmehr eingeschüchtert – aber es wäre auch ein Unding, ließe man sich von all dieser Pracht und Macht nicht beeindrucken.

 

Jedoch haben die vier natürlich vorher darüber gesprochen, dass es heute Abend nicht ums Amüsement geht. Man wollte sich schließlich so gut präsentieren wie möglich, um Hamur zu imponieren, doch ist man sich darüber im Klaren, dass man nur allzu leicht in die Machtspielchen der gelangweilten Reichen und Mächtigen hineingezogen werden kann – erst recht, wenn man so unvorbereitet hineinstolpert.

 

Im wundervoll hergerichteten Hauptgebäude tanzen Sklavinnen halb nackt, bedienende Sklaven (geradezu uniformiert in einem grünen Hauch von Nichts) servieren auf Silbertabletts Früchte, die auch Meridiana-Veteranen noch nie gesehen haben, der Schmuck und die Stoffe, die hier getragen werden, könnten ganze Armeen bezahlen, sowohl attraktive als auch fettleibige Gäste fläzen sich auf den zahllosen Seidenkissen und frönen ihren Genüssen bei Rauschkräutern, Eiswein und Völlerei. Ja, Jen hatte viel davon erzählt, aber es mit eigenen Augen zu sehen, rüttelt an Caldaias Grundfesten. All der dekadente Luxus, all die überbordende Schönheit, die durchtrainierten Körper der Tanz- und Lustsklaven, die Kleider, die Einrichtung, die Architektur, und ein Gast führt sogar einen mit Schmuck behangenen Tiger mit sich – all das flasht Caldaia über alle Maßen. Für Jen hingegen hallt es hohl wider, denn es ist ungeschätzte, selbstverständliche Schönheit, die kaum übertüncht, was darunter wuchert. Und das hier ist ja eigentlich nur "ein zwangloser Umtrunk".

 

Hamur überlässt die vier einfach wortlos sich selbst, als er sich mal zu diesem, mal zu jenem Gast gesellt. Entspricht das hier den Gepflogenheiten? Oder muss er die Etikette wahren, da er sich als Grande nicht über Gebühr mit fremden Niemanden abgeben sollte? Oder will er ihnen aufzeigen, dass sie genau das sind? Oder will er sehen, wie sie sich anstellen? Oder hat alles eine ganz andere Bewandnis?

 

Jens fachkundiger Blick erkennt ihre damalige eigene Aufgabe wieder: Die zahlreichen Lustsklavinnen und -sklaven beobachten sehr diskret, aber umso aufmerksamer die Gäste, deren Blicke und deren Reaktionen, und stellt z. B. eine Sklavin fest, dass sie einem Gast gefällt, geht sie auf Tuchfühlung und orientiert sich in Herangehensweise und Tempo an den Mikrosignalen der unterbewussten Körpersprache und Mimik des Gastes. Caldaia hingegen sieht nur ungläubig, dass die Sklaven allesamt den Eindruck auf sie machen, sich wohlzufühlen.

 

Jen weicht der unerfahrenen Cal nicht von der Seite, wissend, dass deren Körpersprache das totale Opfer signalisiert, und signalisiert ihrerseits Gästen wie Sklaven, die sie anschauen, dass Jen das Spiel versteht und selbst beherrscht.

 

Raif und Fleece unterhalten sich leise miteinander, um nicht zu verloren und stehen gelassen zu wirken, sich aber auch niemandem aufzudrängen. Raif erinnert sich daran, wie Raveena damals auf Ayeshas Party die ganze Gruppe blamiert hatte, wofür Jen ihr fast den Kopf abriss. Fleece versetzt, dass Raif lieber daran denken sollte, selbst auf Zack zu sein. Er lässt sich leicht ablenken, und sobald ihm eine Frau gefällt und diese sich mit ihm beschäftigt, hat er weder Augen noch Sinn für irgendetwas anderes. Raif streitet das leicht säuerlich ab, weiß aber insgeheim, dass Fleece nicht Unrecht hat. Er ist manchmal etwas sorglos, wenn die Verantwortung nicht gerade auf seinen Schultern lastet, und denkt sich schon mal 'Wird schon gut gehen' oder 'Lass das mal die anderen machen', wenn Verlockungen ihn ablenken – so z. B. auf Ban Bashurs Party in Arbassara, wo er sich deutlich mehr für die Orgie interessierte als für das Auffinden von Hirad Yasras Tochter. Dementsprechend ermahnt Fleece ihn auch, dass er gefälligst an ihrer Seite bleiben möge, anstatt sich zu amüsieren.

 

Es entspricht nicht Fleeces Naturell, sich nicht in den Vordergrund zu drängen – a showman's a showman –, aber sie ist natürlich schlau genug, sich zurückzuhalten, wenngleich Jen wiederum sieht, dass Fleeces unterbewusste Körpersprache signalisiert, Kontakte knüpfen und etwas bewegen zu wollen. Gleichzeitig ist Jen klar, dass die Gäste und Sklaven, die sie ansehen, sich wiederum darüber im Klaren sind, dass Jen Cal wie eine Löwin beschützt und verteidigt, was gleichzeitig die Schwachstelle des Quartetts offenbart – aber täte Jen das nicht, würde Cal hier sofort unter die Räder kommen. Dennoch: Hätte sie geahnt, wohin der Abend führt, hätte sie Cal niemals mitgenommen – das bestärkt sie wieder in ihrer Übervorsicht.

 

Fleece und Jen wissen beide, dass sie hier extrem vorsichtig sein müssen. Wie viele dieser Menschen hier zu den acht Grandenfamilien gehören, ist auf ihrem Level völlig unerheblich – diese Leute hier, Granden oder nicht, sind extrem reich, gelangweilt, mitleidlos, kriegen immer, was sie wollen, und können eigentlich tun und lassen, was sie möchten, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Fühlte sich ein Gast schlicht und ergreifend dadurch belästigt, dass ein Niemand wie Fleece ihn anspricht, könnten sich alle vier morgen schon auf dem Sklavenmarkt wiederfinden.

 

Was die vier nicht wissen können, dem Zuschauer aber durch einige beispielhafte (untertitelte) Szenen vermittelt wird, ist, dass Sarab Hamur, der aus ihrer Perspektive so reich und mächtig erscheint, ein unbedeutendes Mitglied der Grandenfamilie Hamur ist und das Spiel der Macht nie beherrscht und somit auch nie begonnen hat. Er nahm sich früh aus der Schusslinie, indem er jeglicher Politik und Machtmehrung fern blieb und sich ganz seinen Hobbies widmete – was die meisten Granden, die von sich auf andere schließen, lange für eine Fassade hielten, die sie in Sicherheit wiegen sollte, denn warum sollte jemand das Spiel der Macht nicht spielen wollen? Irgendwann begannen sie zumindest die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass dieser Sonderling eventuell tatsächlich nicht schauspielert, aber auf dem Silberberg traut niemand niemandem, nicht mal der eigenen Familie.

 

Sarab ist zwar absolut nicht machtgeil, aber er ist kein Trottel: Um sich nicht völlig abzusondern, sondern seinen Peers die Tatsache, dass von ihm keine Gefahr ausgeht, immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, seine "Ich bin unbewaffnet"-Demonstration also regelmäßig zu wiederholen, nimmt er an Anlässen wie diesem teil, genießt aber sonst sein Leben.

 

Katarai Neramu ist der kleine Bruder des Oberhaupts seiner Familie und damit der ranghöchste Gast heute Abend. Als einzige Grandenfamilie mit deutlichen Alaru-Wurzeln setzt sich diese durchaus interessiert mit der Geschichte des Volkes auseinander, aus der sie hervorgegangen ist, aber Katarai hält Sarab Hamur für einen Spinner, den er nicht ernst nehmen kann. Insofern scheren ihn Hamurs Spielzeuge, die diesen einen Abend lang flüchtig interessieren mögen, auch kein bisschen.

 

Jedoch wird der Gastgeber, Hazaphar Zurinal, auf zwei der Gäste aufmerksam und erkundigt sich bei Hamur nach ihnen. Hazaphar ist nur einer der Neffen des Familienoberhaupts, und die Zurinals gehören noch nicht mal zu den Granden, aber dass es nur acht Grandenfamilien geben kann, hat lediglich politische Gründe – in Sachen Reichtum gibt es sicher doppelt so viele, die einander auf relativer Augenhöhe begegnen.

 

Hazaphar verachtet Sarab für seine Schwäche, und er weiß, dass er seine Apanage erhält, weil sich das für die Hamurs so gehört, er jedoch sonst keinen Rückhalt in seiner Familie genießt, somit aber auch nicht als Druckmittel gegen die Hamurs benutzt werden kann. Insofern ist Sarab unbedeutend, gehört aber zum Stand und wird entsprechend behandelt. Vordergründig tut Hazaphar das auch, aber er hat deutlich weniger Vorbehalte, gegen Sarabs Interessen zu handeln, weil er weiß, dass sich der Schöngeist sowieso nicht wehren wird. Unbekümmert erklärt dieser dem Gastgeber kurz, was es mit den Fremden auf sich hat.

 

Ein Sklave, bei dem viele Frauen weiche Knie bekommen können, informiert Fleece, dass Ban Bargui dort drüben gern mit ihr über das Ausland, aus dem sie kommt, sprechen würde, und als sich Fleece und Raif in Bewegung setzen, verdeutlicht der Sklave sehr diskret und freundlich, dass angesichts der Schönheit von Fleece und Raif es Ban Bargui schwer genug fallen würde, sich auf einen der beiden zu konzentrieren. Fleece wirft Raif also einen "Bau bloß keinen Mist!"-Blick zu und folgt dem Sklaven allein.

 

Zehn Minuten, nachdem Fleece bequemerweise gerade nicht auffindbar ist, versucht eine Sklavin, auch Jen und Cal voneinander zu trennen, hier aber erfolglos: Jen geht nicht darauf ein und macht klar, dass, wo Jen hingeht, auch Cal hingeht, und umgekehrt. Also werden beide in einen anderen Raum geführt, ebenso prächtig ausgestattet, aber nicht mehr so weitläufig, und ein Meer aus Teppichen und Kissen erstreckt sich vor mehreren Sitzecken – nachher wird hier vermutlich eine Orgie steigen, denn einige weibliche und männliche Sklaven räkeln sich hier bereits und warten geduldig auf ihren Einsatz zu späterer Stunde, und auch eine kleine Gruppe Musiker sitzt in der Ecke und sorgt für entspannte Hintergrundmusik. Jen sieht beim Betreten von den bewaffneten Wachen abgesehen auch noch den Gastgeber, der sich ruhig mit Raif unterhält, eine rot tätowierte Frau, die für die beiden dolmetscht und wie eine exotische Tänzerin aussieht, und eine sehr edle Visaru.

 

Beunruhigt nimmt Jen an der Art, wie Hazaphar Raif ansieht, und anderen Kleinigkeiten wahr, dass er an ihm sexuell interessiert ist, was an Raif aber vorbeigeht, da es sich nur sehr dezent äußert. Sie und Cal treten näher und werden dem Gastgeber vorgestellt, und Jen stellt fest, dass Hazaphar sie, Jen, mit demselben Blick bedenkt, der eben auf Raif lag. Aha, er tanzt also auf beiden Hochzeiten. Die Frau stellt sich als Pateshi vor und übersetzt ein wenig Smalltalk. Schließlich erhebt sie sich, geht zu den Kissen, die Art der Hintergrundmusik ändert sich, und Pateshi beginnt, aufreizend und doch mysteriös zu tanzen. Jen erkennt sofort die Tradition der Zaubertänzer, wenn auch in regional bedingt unbekannter Variante, kann aber schon ihren Blick nicht mehr von Pateshi abwenden. Diese lockt Raif zu sich, der wie hypnotisiert aufsteht, sich zu ihr gesellt und sich mit ihr im Takt wiegt, und dann lockt sie Jen, die ebenfalls nicht anders kann, als dazuzustoßen.

 

Fleece hat sich von ihrem Gesprächspartner losgerissen, als sie merkte, dass die Unterhaltung nirgendwohin führt, und sucht seitdem ratlos und immer alarmierter ihre Freunde, die sie aber nirgends finden kann, weil es ihr nicht möglich ist, das für Gäste gedachte Areal zu verlassen.

 

Pateshi führt Raif und Jen tanzend zusammen, sagt mit einer Stimme wie eine schnurrende Katze hier und da ein paar Worte, und Caldaia wird immer unheimlicher zumute. Sie traut ihren Augen nicht, als Jen plötzlich in Raifs Nacken greift und ihn stürmisch und gierig küsst, während sie beginnt, ihm das Hemd auszuziehen, und auch er streift die Träger ihres Kleids über ihre Schultern. Etwas im Hinterkopf der fassungslosen Caldaia sagt ihr, wie ästhetisch die beiden im sich anbahnenden Liebesspiel gerade sind, während ihr Verstand "Was zur Hölle ist hier los?" schreit. Entgeistert sieht sie zu Hazaphar, der sich zurücklehnt, trinkt und den beiden zunehmend erregt zusieht.

 

Ihr ist das in diesem Moment natürlich nicht klar, aber Hazaphar ist ein Voyeur, der nur sexuelle Erfüllung findet, wenn er Menschen, die er attraktiv findet, beim Liebesspiel zusieht. Hübsche Frauen wie Caldaia und Fleece gibt es hier genug, aber eine so große Frau, blond wie eine Keldoran, durchtrainiert und mit deutlich hervortretenden Muskeln, dazu gesegnet mit solchen Brüsten – Hazaphar sah sie und wusste, ihr will er zusehen. Raif trifft es, weil er erstens attraktiv und zweitens vor allem blond ist: Hazaphar will in seiner Phantasie eine inzestuöse Keldoran-SlashFic durchspielen, und blonde Menschen, obendrein attraktive, gibt es hier außer den Keldorans kaum. Mit Illusionen ist das natürlich leicht zu erzielen – und das tut er garantiert auch oft –, aber der letzte Kick besteht für ihn obendrein darin, echte, unverfälschte Menschen zu zwingen, seine Phantasien zu erfüllen, ohne zu "schummeln".

 

Sarab Hamur hat Katarai Neramu inzwischen soweit, dass er bereit ist, Fleece kennen zu lernen. Wo zum Abgrund stecken die drei anderen nur? Sei's drum, das ist jetzt ihre Chance. Der Grande betrachtet sie wie ein Insekt: eigentlich lästig, aber kurzzeitig schillernd genug, es einen Moment lang anzuschauen. Fleece muss das Beste aus diesem Moment machen. Natürlich verzichtet sie auf Magie und verlässt sich ganz auf ihren Charme und ihr Fingerspitzengefühl, um Mimik, Gestik, Tonfall und Wortwahl (Hamur übersetzt) ganz auf ihr Gegenüber auszurichten. Eine 28 beim Sense-Motive- und eine 31 beim Diplomacy-Check erkaufen ihr genug Zeit, Infos unterzubringen, von denen sie hofft, dass sie bei Neramu den Eindruck erwecken, die Gemeinschaft könnte wirklich einer interessanten Sache auf der Spur sein. Man merkt auch, dass ein niedrigstufiger Charakter rechnerisch selbst mit einer natürlichen 20 gescheitert wäre – man bewegt sich hier diplomatisch wirklich auf hohem Niveau.

 

Caldaia weiß, dass die Kirche Sunes Liturgien kennt, mit denen das Feuer der Leidenschaft entfacht wird – aber mit dem Einverständnis der Gläubigen zu deren Gunsten und nicht, um Menschen zu bedeutungs- und willenlosen Werkzeugen zu machen und den heiligen Akt der Ekstase zum simplen voyeuristischen Spektakel. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese beiden ihres Willens beraubt und dann benutzt werden, um die Lust eines Mannes zu befriedigen, der sie alle mit einem Fingerschnippen auf den Sklavenmarkt oder in die Arena bringen könnte, bereitet Caldaia nackte Angst, und dass er so sehr davon ausgeht, dass Cal das zulässt, ohne zu stören, dass er sie nicht mal ansieht, zeigt ihr, wie ausgeschlossen es ist, dass ihn jemand daran hindert, zu kriegen, was er will. Sie denkt gerade, dass Mittel und Wege, sie sofort zum Schweigen zu bringen, ganz gewiss bereit stehen und nur auf ihren Einsatz warten, als auch sie gegen ihren Willen beginnt, sexuelle Erregung zu verspüren. Sie war nicht das Ziel von Pateshis Tanz, aber selbst sie fühlt noch einen Abglanz der magischen Wirkung, die die Zaubertänzerin zwischen Jen und Raif erschaffen hat. Während Caldaia den beiden zusieht, die brennend vor Leidenschaft durch die Kissen rollen und wilden, leidenschaftlichen Sex haben, spürt sie Abscheu vor Hazaphars völliger Missachtung persönlicher Wünsche und Grenzen, Mitleid mit diesen beiden ihr so lieben und teuren Menschen, die benutzt werden, als wären sie nur willenlose Puppen – und den Wunsch, mittendrin zu sein, sich beiden hinzugeben und dieselbe sexuelle Erfüllung zu finden, die diese beiden unübersehbar gerade genießen. Sie müsste schreien wollen, weinen wollen, fliehen wollen – stattdessen bewundert sie, dass Jen Raifs Penis bis zum Ansatz verschlingt, ohne zu würgen, und dabei noch mit der Zungenspitze zu spielen imstande ist. Während Caldaia Tränen übers Gesicht laufen, wünscht sie sich, Raif in sich und Jen auf sich zu spüren, und das daraus resultierende schlechte Gewissen macht das Zusehen nur noch schlimmer, als es ohnehin schon ist. Dass die Magie auch auf sie abstrahlt, ist ihr in diesem Moment gar nicht klar..

 

Fleece weiß: Komm zum Punkt, bevor du Neramu langweilst, aber bau trotzdem einen Spannungsbogen auf, sonst verpufft der Punkt wirkungslos! Daher zwingt sie sich trotz ihres Zeitdrucks (verstärkt durch Neramus unbewegte, gelangweilte Miene) dazu, erst die Herleitung und dann die Pointe zu bringen: Erst die Nahual, die nicht dafür bekannt waren, sich selbst zu verbrennen, und Qechua, der dies tat und trotzdem wie ein König luftbestattet wurde, dann der Hinweis auf den Pfad der Sterne und eine konkrete Spur, für die man auf Alaru spezialisierte Völkerkundler braucht. Der zweite Diplomacy-Check toppt den ersten um einen Zähler, und der Coup gelingt: Neramu signalisiert mildes Interesse, weil sie ihn davon überzeugen konnte, dass sie weiß, wovon sie spricht, weit gekommen ist und eine reelle Chance hat, noch weiter zu kommen.

 

Auf dem Höhepunkt, als Raif offenbar den Orgasmus seines Lebens hat, betrachtet Caldaia das Paar mit einer Vielzahl widerstreitender Gefühle: Eifersucht ('Niemand rührt meine Jen an!', aber auch: 'Mit mir war Raif ganz anders!'), Abscheu vor der Vergewaltigung beider, die allem ins Gesicht spuckt, wofür Sune steht, Selbstverachtung, weil dieser Akt ungezügelter Leidenschaft auch Caldaia so erregt hat, und absurderweise sogar Bewunderung für die Ästhetik, wie die beiden hintereinander knien, Jen wohlig nach hinten gelehnt, ihre Hände in Raifs Nacken, seine Arme Jens Brüste gegen ihren Brustkorb pressend, beide schweißnass und schwer atmend, er bei jeder kleinen Beckenbewegung Jens zuckend – man müsste einen Bildhauer ein lebensgroßes Abbild dieses Anblicks aus Rosenmarmor fertigen lassen. Gleichzeitig geißelt sich Caldaia dafür, an sunegefällige Künste zu denken, denn wie kann die Schöne es zulassen, dass so etwas Sunefeindliches wie die Beherrschung der Lust durch profane Magie überhaupt möglich ist? Caldaia findet es schon ärgerlich genug, dass Fleece Menschen besser charmen kann als sie selbst (jedenfalls noch), aber das? Solche Abscheulichkeiten muss die Sune-Kirche bekämpfen! Stattdessen sitzt Caldaia nur da und kann keinen klaren Gedanken fassen...

 

Erschöpft sinkt Raif zurück in die Arme dreier Sklavinnen, die ihm ein Bett aus Haut bereiten, und Jen sinkt auf ihn, sanft sein Gemächt massierend, weil sie offenbar nicht erwarten kann, so schnell wie möglich weiterzumachen. Eine Sklavin sieht fragend zu Hazaphar, der seine Körperhaltung nicht geändert hat – seine Orgasmen spielen sich offenbar nicht körperlich, sondern geistig ab –, aber mit auffordernder Miene und stechendem Blick nickt, und die Sklavin gießt sich einen Trank in den Mund und lässt ihn bei einem Kuss in Raifs Mund fließen. Wenige Augenblicke später kehrt Leben in seine Leibesmitte zurück, und Jen hilft mit ihren geübten Lippen nach. Caldaia kann nicht hören, was Jen und Raif einander erregt und außer Atem zuflüstern, als sie wieder hochkommt, aber eine Sklavin massiert seinen Penis mit Öl, während eine andere Öl über Jens Pofalte gießt. Das nennt man im Volksmund in der Tat "tashalarische Liebe", weiß Caldaia – Jen hatte es ihr überlassen, aber Cal hatte sich bei Raif noch nicht getraut, so weit zu gehen. Aus Chessenta kannte sie das Prinzip kaum, aber Jen hat ihr viel davon erzählt, also weiß Cal durchaus einzuordnen, dass Hazaphar will, dass die beiden für ihn noch intimer werden, als sie es eh schon waren. Wer weiß, wie viele Menschen er schon zu seinem Spielzeug gemacht hat? Wer weiß, ob das unter den Reichen und Mächtigen Tashalars nicht vielleicht ohnehin gang und gäbe ist? Aber das muss bedeuten, dass ihm gefällt, was er geboten bekommt. Ist das gut, weil er sie danach in Ruhe lässt, oder schlecht, weil er mehr davon will? Warum denkt sie überhaupt darüber nach, anstatt zu versuchen, diese abartige Darbietung zu beenden?

 

Jen setzt sich auf Raif, führt ihn mit geübtem Griff in ihren Anus ein und beginnt ihn zu reiten und stürmisch und tief zu küssen. Nach ein paar Minuten tritt ein Sklave ein und flüstert seinem Herrn etwas zu. Dieser betrachtet Jen und Raif noch einen Moment, gibt dann einen Befehl und verlässt den Raum, ohne Caldaia auch nur einmal anzusehen. Die Visaru murmelt etwas und gestikuliert in Richtung der beiden Liebenden.

 

Jen, ihre Zunge in Raifs Mund, hält plötzlich mit ihren Bewegungen inne, löst sich schwer atmend und sieht den ebenso keuchenden Raif ein paar Sekunden einfach nur an. Schnurstracks erhebt sie sich, sieht sich kurz ratlos um, weil sie vergessen hat, wo ihr Kleid liegt, ein Sklave reicht es ihr, sie reißt es ihm förmlich aus der Hand und streift es sich über. (Mehr muss sie bei diesem tashalarischen Kleid ja nicht tun.) Raif ist noch kurz liegen geblieben, und die Tatsache, dass er noch immer erigiert ist, wird ihm jetzt offenbar plötzlich sehr bewusst und peinlich, so dass er sich ein Kissen nimmt.

 

Was keiner der vier ahnt, ist, dass Zurinal Hamur abfängt und ihn informiert – nicht fragt oder gar bittet, nein, informiert –, dass er den beiden Blonden seine Gastfreundschaft noch etwas länger anbieten wird, zumindest solange, bis er ihrer überdrüssig wird. Er rechnet nicht mit Widerrede, und wenn, würde diese ihn auch nicht kümmern.

 

Fleece, gerade allein gelassen, erspäht Jen, eilt zu ihr und fragt sie, wo zum Abgrund sie gesteckt hat, als ihr schon auffällt, dass Jen anders wirkt – so wie jemand, der außer Atem ist, dem man aber körperlich keinen schnelleren Atem anmerkt. Jemandem, der Jen nicht wirklich gut kennt, würde außer ihrem unordentlichem Haar gar nichts auffallen, aber Fleece merkt Jen an, dass sie gestresst ist und sich gerade zusammenreißt und unter Kontrolle hält. Aus der Nähe betrachtet ist es noch augenscheinlicher: geröteter Hals, leicht geschwollene Lippen. Fleece tippt insgeheim auf das für sie Naheliegendste und geht davon aus, dass sich Jen über irgendeine Anmache oder die besonders schlechte Behandlung eines Sklaven aufgeregt hat, aber zur Untätigkeit verdammt ist, also nichts Außergewöhnliches – oder?

 

Fleece: Wo sind Cal und Raif?

Jen (deutet ziellos hinter sich, ohne zurückzusehen): Irgendwo da hinten. Hast du was erreicht?

Fleece: Ich hatte die Chance, mit Katarai Neramu zu sprechen. Er ist der Bruder des Oberhaupts einer der acht Grandenfamilien, Jen – das ist wie ein Herzog in Tethyr! Ich halte ihn für berechnend und skrupellos, aber er ist kein Spieler, kein Hedonist, eher nüchtern, zielorientiert. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich glaube, ich habe sein Interesse geweckt.

Jen (sieht sich weiter ziellos um, hat Fleece noch keine Sekunde in die Augen gesehen): Gut.

Fleece (besorgt ihren Blick suchend): Jen, was hab ich verpasst?

Jen: Nichts. Wo ist dieser Neramu jetzt?

Fleece: Ich weiß nicht. Caldaia! (Sie sieht Caldaia hinter Jen näher kommen und erahnt ihren fassungslosen Gesichtsausdruck. Jen sieht nicht hin, ergreift sanft, aber nachdrücklich Fleeces Arm und setzt sich mit ihr in Bewegung.)

Jen: Suchen wir ihn und bringen es hinter uns.

Fleece (sehr überrascht, hilflos zu Caldaia zurückschauend): Okay...?

 

Caldaia bleibt auf Abstand, und wiederum in einigem Abstand folgt Raif. Jen und Fleece steuern Sarab Hamur an, der gerade mit Hazaphar Zurinal spricht: Letzterer wirkt befehlsgewohnt, selbstgefällig, verächtlich, Ersterer wirkt freundlich und so, als wolle er sein Gegenüber sachlich überzeugen, während er die Verächtlichkeit nicht zur Kenntnis nimmt. Fleece spürt, dass das nicht die günstigste Gelegenheit ist, dazuzustoßen, und sperrt sich gegen Jens Griff und Tempo, um sie zum Stehen zu bringen, und muss das immer stärker tun, weil Jen zuerst nicht nachgibt. Leider ist das nicht der richtige Zeitpunkt für eine Szene, denn Fleece liest den Raum und merkt, dass ihr deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als zuvor – als bekämen die Zuhörer mit, dass es im Gespräch zwischen Zurinal und Hamur tatsächlich um die Fremdländer geht.

 

Sich von Zurinal wegdrehend, sagt Hamur etwas unschuldig-unbeteiligt Bedauerndes, aber minimal theatralischer, lauter, für die Zuhörer besser hörbar. Das wiederum lässt nun tatsächlich Neramu auf den Plan treten, der mit sonorer Stimme eine Feststellung macht. Fleece liest die Zuhörer, aber die sind so geübt in diesem Spiel, dass nichts rüberkommt, und dann ist da ja auch noch die kulturelle Kluft. Auch an Zurinal ist keine Veränderung feststellbar, als er auf die Feststellung reagiert, aber Mimik und Tonfall sind Neramu gegenüber viel höflicher und freundlicher, je nach Geschmack kann man sie sogar als liebedienerisch empfinden. Zum Abschluss des Wortwechsels neigt Zurinal den Kopf, Neramu nickt dagegen sehr knapp und widmet sich wieder den Sklavinnen, die ihn wohl gerade an einen Ort mit mehr Privatsphäre begleiten wollten.

 

Hamur gesellt sich zu den Helden, und seine Visaru erneuert Tongues für Fleece und ihn, aber so versteht natürlich nur Fleece das Gesagte: Hamur teilt ihr mit, dass der erhabene Uri Neramu gewillt sei, Fleece bei ihrer Suche zu unterstützen. Mehr noch, seine Großzügigkeit sei in der Tat so grenzenlos, dass er bereit ist, Fleeces blonden Begleitern für die Dauer ihrer Suche seine Gastfreundschaft anzubieten. Das sei eine große Ehre.

 

Kulturelle Kluft hin oder her, aber das hat Fleece verstanden: Jen und Raif sollen als Neramus Geiseln sicherstellen, dass Fleece mit ihren Funden zuerst zu ihm kommt. Warum ausgerechnet die beiden? Keine Ahnung, aber offenbar bleibt keine Wahl.

 

Was sie nicht einordnen kann, ist, dass Hamur sich aus seiner Perspektive sehr für sie eingesetzt und ihre Interessen gewahrt hat. Er mag für einen tashalarischen Granden wenig machtbewusst und ziemlich desinteressiert an Intrigen sein, aber er weiß die Tatsache, dass man ihn oft nicht für voll nimmt, auch geschickt für sich einzusetzen. Zurinal schert sich nicht darum, wer diese Leute sind, es ist ihm egal, weil Hamur sie angeschleppt hat, also kann es sich dabei nur um eine bedeutungslose Spinnerei handeln. Aber Zurinal nimmt sich, was er will, und er hat sich Jen und Raif als Keldoran-Doppelgänger in den Kopf gesetzt und sich dabei schon wohlig erregt verschiedenste Paarungen vorgestellt: Jen als eine Keldoran mit jemandem, der einen Azraman spielt, Raif als ein Keldoran mit jemandem, der einen Shindrabar spielt. Hamur, phantasievoll und für einen Tashalari geradezu ein Philanthrop, schätzt die Abenteurer wegen ihres gefährlichen, aber so aufregenden und ruhmreichen Lebens, also hat er sie davor gerettet, indem er Neramu laut genug wissen ließ, dass er bedauere, dass ausgerechnet diese beiden nun schon von Zurinal eingeladen worden seien, wissend, dass Neramu noch keine Zeit hatte, allzu konkret über einen möglichen Handel mit Fleece nachzudenken, womit er diesen in einen "Jetzt oder nie"-Zugzwang versetzte. Neramu wiederum fasste es planmäßig als Affront auf, dass ein unbedeutender Zurinal etwas wollen könnte, das ihm zusteht, und sprach kurzerhand die "Einladung" aus, und Zurinal blieb gar keine andere Wahl, als die beiden freizugeben, wollte er nicht Neramus Zorn auf sich ziehen.

 

Hamur gibt Fleece diskret zu verstehen, dass es wohl für sie und Caldaia an der Zeit wäre, den Heimweg anzutreten. Mit anderen Worten: Zurinal sollte keine Gelegenheit haben, Ideen zu entwickeln, die diese beiden betreffen, während sie sich in seiner unmittelbaren Reichweite aufhalten. Fleece bleibt nichts übrig, als ihren drei Freunden sehr knapp zu übersetzen, dass Jen und Raif als Pfand in Neramus Obhut verbleiben und Caldaia und sie jetzt gehen müssen. "Es tut mir so leid. Wir setzen alle Neun Höllen in Bewegung und machen so schnell, wie wir können, versprochen!"

 

Caldaia und Raif sind völlig überfahren und kapieren noch gar nicht, was los ist, Jen hingegen durchaus. Sie atmet tief durch, nickt Fleece aber zu: "Hau schon ab." Caldaia hat so viel, das sie Jen sagen muss, vor allem will sie für Jen da sein, will, dass Jen sich bei ihr ausheulen kann – verdammt, sie ist gerade in mehr als einer Hinsicht vergewaltigt worden! –, und jetzt soll sie als Geisel hier bleiben? Cal bricht in Tränen aus und greift nach Jen, doch diese weicht dem Körperkontakt aus. "Fleece wird dir alles erklären. Es muss jetzt sein. Raus mit euch. Geht schon!" Gepresster, leiser Tonfall, doch ruppige Worte – dieser Abschied schneidet Caldaia mitten ins Herz. Fleece weiß, dass die vier hier unfassbar auffallen, und geleitet Cal so sachte wie möglich und so nachdrücklich wie nötig von Jen und Raif weg. Hamur entschuldigt sich bei seinem Gastgeber, auch er sei erschöpft, und verlässt ebenfalls das Haus.

 

Draußen übermannen Cal vollends die Gefühle, die sich bis jetzt nicht Bahn brechen konnten, und sie bricht laut schluchzend zusammen. Fleece weiß noch nicht, was passiert ist, und denkt, dass es nur um die Ungewissheit geht, ob und wann sie Jen wiedersieht und ob es ihr in der Zwischenzeit gut gehen wird. Sie hakt Cal unter und redet tröstend auf sie ein, dass man die beiden gut behandeln werde (was angesichts des gerade Erlebten wie Hohn in Caldaias Ohren klingt), und führt sie zu Hamurs Sänfte.

 

Den Silberberg zu verlassen, kommt für Hamur bei aller Großzügigkeit nicht infrage, aber er hat bereits einen Boten entsandt, der eine Mietsänfte hat kommen lassen, denn in ihren Kleidern überleben die beiden Frauen unterhalb des Silberbergs keine zwei Straßen. Hier zeigt sich auch wieder, dass Hamur, für einen tashalarischen Granden ein sehr netter Kerl, doch in seiner Welt lebt: Echtes Mitgefühl mit niederen Exoten ist ihm völlig fremd, ihn rührt nur die Epik von Fleeces Geschichten, aber menschliche Schicksale nicht. Caldaias Weinen und Fleeces traurige Miene beeinflussen ihn nicht im Mindesten, stattdessen lächelt er Fleece schlitzohrig und mit seiner eigenen Rolle in diesem kleinen Abenteuer sehr zufrieden an und meint, wie es aussehe, werde sie ihr Versprechen erneuern und ihm viel berichten müssen, wenn diese Sache ausgestanden ist. Darüber, dass all das hier nie hätte passieren müssen, dass er selbst ein Schreiben an die Universität mit der Bitte um Hilfestellung hätte aufsetzen können, denkt er gar nicht nach. Aus seiner Sicht hat er den Gästen einen riesigen Gefallen getan, indem er sie mal an den Rand des Silberbergs gebracht hat.

 

Fleece ist zu perplex, um sich standesgemäß zu verabschieden, und sieht von den eigenen Gefühlen überwältigt der Riesensänfte nach.

 

Cal liegt in Fleeces Arm und heult sich den ganzen Weg die Augen aus. Im Jaspisdrachen sitzt Amaraeus unten, weil er Mitleid mit Tulwood hatte, der über keinen Kreuzer eigenes Geld verfügt, aber mit Kiali allein sein wollte und der Meinung war, sie inzwischen fast soweit zu haben. Daher drückte Amaraeus ihm seinen Zimmerschlüssel in die Hand (streng mahnend, dass er, wenn er zu Bett geht, in trockener Bettwäsche schlafen möchte!), und Tulwood ließ sich das nicht zweimal sagen und entführte Kiali nach oben. Sie, die es gewohnt ist, sich zu verkaufen, kennt es nicht anders und kann freiwilligen Sex durchaus genießen, und Tulwood gefällt ihr wohl auch, wenngleich die beiden kein Wort des anderen verstehen.

 

Zuerst bringt Fleece die völlig ausgelaugte Caldaia auf ihr Zimmer (und hört dabei die eindeutigen Geräusche aus dem Nebenzimmer), bevor sie dem erschrockenen, ihr gefolgten Amaraeus knapp erklärt, was passiert ist. Sie klopft an die Tür von Amaraeus' Zimmer, immer energischer, bis sie das Liebesspiel unterbricht. Tulwood schluckt seine Wut runter, öffnet einen Spalt, sieht aber Fleeces Gesicht, als sie ihm erklärt, dass Jen und Raif jetzt Geiseln sind, und er soll zum Ban Banoi laufen und die anderen in die Goldene Grille bestellen. Das ist ernst, keine Frage, also zieht er sich an und rennt los – und überlegt sich erst unterwegs, dass er gerade den Botenjungen spielt.

 

Fleece zieht sich um und hilft dann Caldaia dabei, denn sie wird sie hier auf gar keinen Fall schutzlos allein zurücklassen. Mit Dr. Meranilius und Max geht es also zur Goldenen Grille, wo Skaar bereits einen Tisch "organisiert" hat, obwohl eigentlich gar keiner frei war. Nach viel Durcheinandergerede lässt Fleece den Abend Revue passieren, und Caldaia hört nur zu und steuert kein Wort dazu bei. Das muss niemand wissen, und wenn, ist es an Jen, darüber zu reden. Fleece schließt mit der Ankündigung, dass sie in den nächsten Tagen, hoffentlich schon morgen, mit Neramus Hilfestellung rechnet. Bis dahin möchte sie nicht, dass irgendjemand allein ist, Caldaia schon gar nicht. Fleece wird mit Caldaia und Max im Jaspisdrachen bleiben und Neramus Nachricht abwarten.

 

Auf Zurinals Anwesen ist Jen hinausgegangen, um frische Luft zu schnappen, wobei ihr sehr bewusst ist, dass jeder Anwesende über ihren neuen Status Bescheid weiß und sie gewiss auch jetzt beobachtet wird. Dennoch erlaubt sie sich, weil sie zumindest der Form nach allein ist, ein paar Tränen, aber sobald sich ein Schluchzen ankündigt, reißt sie sich wieder zusammen. Nach der Flucht vor den Banditen, die ihre Karawane überfallen und sie entführt hatten, hatte sie beim Armpanzer ihres Vaters geschworen, nie wieder das Spielzeug eines Mannes zu sein. Und weil dieser Schwur so fundamental tief in ihr verankert war, ist sie die harte, spröde, schroffe Frau geworden, die sie heute ist – selbst wenn sie die alte Jen noch hervorholen könnte, dies aber nahezu nie tut, weil sie sich dann wieder hilf- und schutzlos und ausgeliefert fühlt und sich einbildet, damit Begehrlichkeiten anzulocken. Und nun... ist sie wieder zum Spielzeug geworden. Der ganze Mensch, der sie ist, wurde außer Kraft gesetzt, benötigt wurde nur ihr Körper, und diese Entscheidung wurde für sie gefällt wie für ein Stück Vieh. Seit ihrer schweren Krankheit in den Echsensümpfen ist ihr das nie mehr widerfahren, so entmündigt, so entmenschlicht zu werden, als hätte all die Stärke, die sie sich zugelegt hat, nie eine Rolle gespielt, so beiläufig wurde dieser granitene Schutzwall beiseite gefegt.

 

Das Außergewöhnliche daran ist, dass nicht der Akt an sich das Trauma darstellt. Über nichts liegt ein Schleier, sie kann sich an jede Berührung erinnern – und daran, wie unfassbar sehr sie Raif wollte, mehr als alles andere auf der Welt. Sie hatte keine Ahnung, dass sie so viel Leidenschaft in sich weggeschlossen hatte, hatte gedacht, Caldaia hätte inzwischen alles, was davon noch in ihr steckt, wieder zum Vorschein geholt – aber nein, in ihr steckt so viel mehr, und das hat sie mit Raif ausgelebt, den sie in jener Stunde so begehrte, dass sie dafür zu sterben bereit gewesen wäre, wäre das der Preis gewesen. Wie absurd, denkt sie sich: Der wildeste, leidenschaftlichste, vorbehaltloseste, phänomenalste Sex ihres Lebens war gleichzeitig eine Vergewaltigung – und dennoch spürt sie, dass sie bei der bloßen Erinnerung daran wieder feucht wird. Seit sie frei ist, hat sie sich nur selten ausprobiert und niemals fallen lassen, auch wenn sie dachte, sie täte es. Sie hatte sich mit Cordian auf die Probe gestellt: 'Was passiert dann? Wie fühle ich mich dabei?' Sämtliche sexuellen Begegnungen ihres Lebens hatten bis zu ihrer Flucht auf Zwang beruht, und damit hatte sich ja auch irgendwann die Gewöhnung eingestellt. Sex war nichts Besonderes, nur durfte sie nie die Kontrolle verlieren, musste selber alles bestimmen können – dann war er für sie nicht bedeutsamer als eine liebevolle Umarmung. Sie hatte mit Saref geschlafen, mit Glouris Crowl, und es war schön – hatte sie gedacht. Nein, das war nichts. Nichts im Vergleich zu dem, was es hätte sein können. Mit Caldaia war es so viel mehr, aber seit heute weiß sie: Das war immer noch längst nicht alles. Wie erbärmlich ist es, dass sie, der Mensch Jendara, der sie geworden ist, ausgeschaltet werden musste, um die Leidenschaft, die unerreichbar in ihr weggeschlossen war, zum Vorschein zu holen?

 

Das führt ihr wieder vor Augen, dass es wahrlich nicht immer leicht ist, Jendara Corthala zu sein. Oft regt sich ganz leise die alte Jendara – die wahre Jendara? – in ihr, hat ihre eigene Meinung, aber "die Jendara, die ich sein muss", hat eine andere. Sie weiß sehr gut, dass ihr niemand zutraut, dass sie ebenso feinfühlig und diplomatisch sein kann wie Fleece, aber was Fleeces Stärke ist, ist für sie ihre Schwäche, weshalb sie sich das nicht gestattet. 'Was für ein Wrack bin ich?' fragt sie sich. 'Musste so werden, damit mir niemand mehr weh tun kann. Alles umsonst. Hat keine Rolle gespielt. All die Opfer haben nicht verhindert, dass mir Zurinal mein Ich-selbst-Sein weggenommen, mich zu seiner Hure, seinem Spielzeug gemacht hat.'

 

Das tut weh. Ohne jemand anderen um sie herum, wegen dem sie sich zusammenreißen würde, brechen die Dämme, und der Zuschauer sieht Jen an der Wand herabrutschen. 20 Jahre ungeweinter Tränen brechen sich Bahn, und sie schluchzt so krampfhaft, dass sie fast keine Luft mehr kriegt.

 

Raif ist auf dem "zwanglosen Beisammensein" geblieben. (Eine Party ist es wirklich nicht, denn wie tashalarische Parties aussehen, weiß er von Katapesh und Bashur.) Er liegt wie viele andere an der Wand und sieht auf das Meer aus Kissen in der Raummitte, in dem er und Jen es getrieben hatten, als habe ihre letzte Stunde auf Toril geschlagen. Dort haben nun inzwischen die Hemmungsloseren unter den Gästen, also etwa ein Fünftel – fette und schlanke Männer, fette und schlanke Frauen –, ihr Lager bezogen und treiben es mit den Sklaven. Eine Sklavin liegt eng an Raif geschmiegt und streichelt ihn, umspielt mit den Fingerspitzen seine Leibesmitte, dazu animierend, sich zu den anderen zu gesellen und mitzumachen, aber bei ihm regt sich nichts. Er merkt nicht mal, wie schön das Mädchen in seinem Arm ist, für das er bei jeder anderen Gelegenheit sonst was geben würde, dürfte er mit ihr intim werden.

 

Dass er nicht so sehr darüber nachdenkt, entwürdigt und benutzt worden zu sein, mag daran liegen, dass ihm solche Gedanken gar nicht vertraut sind, weil er sie nie hatte. Er versteht noch nicht, dass das auch einem Mann zustoßen kann. Momentan fühlt er sich eher betäubt und völlig verwirrt. Spider fragte ihn mal, wer die Beste im Bett war. Saref, antwortete Raif, weil sie dieses "Handwerk" gelernt hatte, aber er schränkte gleich ein, dass er sicher sei, Jen sei noch mindestens eine Klasse besser. Wie sich heute herausgestellt hat, lag er damit nicht falsch. Ständig kehren seine Gedanken zurück zu ganz besonderen Momenten, Bewegungen, Stellungen – was sie gemacht hatte, wie sie es gemacht hatte. Verdammt, er hatte ja keine Ahnung gehabt! Doch auch wenn ihre Techniken unglaublich waren, waren letztlich nicht mal die entscheidend, sondern diese unbändige, rücksichtslose Leidenschaft von ihnen beiden. Sie so unglaublich sehr zu wollen und zu spüren, dass sie ihn ebenso unglaublich sehr wollte. Keine klaren Gedanken mehr, nur das Begehren, nein, die Sucht nach Jendara, die keine Berührung, kein Kuss, kein Stoß stillen konnte, er brauchte mehr, immer mehr von ihr – bis er wieder denken konnte. Bis sie beide wieder denken konnten.

 

Ja, er hatte Jen immer wahnsinnig begehrt, aber er wusste auch stets, dass er nicht die geringste Chance hatte, dass es je dazu kommt. Aber da muss diese tätowierte Frau nur ein bisschen tanzen, und Raif erlebt den besten Sex seines Lebens? 'Verdammt', denkt er, 'als wir beide plötzlich wieder klar wurden, steckte noch mein Schwanz in ihrem Arsch und ihre Zunge in meinem Hals!' Er ist fassungslos. Er hat mit Jen geschlafen. Mit der unerreichbaren Frau aus Marmor, von der er dennoch immer gewusst hatte, dass sie im Bett eine Göttin sein würde. Und, o Sune, das war sie. Und das "Beste", denkt er sich unwillkürlich, ist dabei noch, dass sie ihm keinen Vorwurf machen kann: Er konnte nichts dafür, er hat sie nicht ausgenutzt, er war ja ebenso wenig Herr seiner selbst wie sie. Er hat heute Abend etwas Großartiges erlebt... oder? Damit jedoch beruhigt er nur den schwarzen Schatten, der sich im hintersten Winkel seiner Gedanken regt – dass er dazu gezwungen wurde, so zu handeln, wie er handelte, so zu fühlen, wie er fühlte. Seine Art, damit umzugehen, ist typisch männlich: Er verkehrt das Negative ins Positive, verdrängt das Benutztwordensein und betont sich selbst gegenüber, das Unerreichbare genossen zu haben – und wundert sich, warum das nicht recht funktionieren will.

 

Und Caldaia war dabei und hat alles mitangesehen. Caldaia hat gesehen, wie die Frau, die sie liebt, jemand anderen mehr will als sie, so sehr, dass sie an Ort und Stelle mit ihm schlafen muss. Zugesehen, wie sie so übereinander herfallen, dass bei beiden noch für ein paar Tage blaue Flecken davon künden werden. Immer noch kein Problem, er konnte ja nichts dafür? War es letztlich nicht doch die Leidenschaft, die eh schon in ihm steckte, das über sechs Jahre aufgebaute Verlangen, mit Jendara schlafen, nein, sie ficken zu wollen? Wenn es sein muss, auch vor Caldaias Augen, nicht wahr...? Während er den einen Gedanken nachhängt und die anderen zurück ins Dunkel treibt, sieht Raif teilnahmslos schönen Sklavinnen zu, die von dekadenten Fettsäcken bestiegen werden und dennoch überzeugend vorgeben – die eine mehr, die andere weniger –, vor Wollust zu vergehen. Plötzlich spürt er eine Verbundheit zu diesen willenlosen Sexobjekten in sich, die er nicht beschreiben könnte, und kämpft das Gefühl herunter, weinen zu müssen.

 

Fleece sitzt an Caldaias Bett. Das arme Mädchen hat sich in den Schlaf geweint und atmet nun ruhig. Verdammt, Fleece hätte es besser wissen müssen! In Tashluta ist nichts ungefährlich, schon gar nicht, wenn man es wagt, sich mit den Mächtigen einzulassen. Wie naiv war sie gewesen, sich an Theons und ihren schönen Nachmittag im Stadtpark zu erinnern, an Sarab Hamurs leuchtende Augen wie die eines Kindes, als sie ihre Erlebnisse so fesselnd und romantisch wie möglich schilderte. Hatte sie denn gar nichts gelernt? Immerhin begreift sie, dass Jen und Raif als Faustpfand zu behalten nicht bedeutet, dass man sie zwangsläufig gut behandeln wird. Die Granden Tashlutas sind für ihre Gleichgültigkeit niederen Lebensformen gegenüber berühmt.

 

Die anderen sitzen noch immer in der Goldenen Grille und diskutieren sich die Köpfe heiß. Milandre sieht nur zu und beteiligt sich nicht.

 

Zhai: Ich bin dafür, Raif und Jen da rauszuholen. Dieser Grande bietet uns Hilfe an? Und wenn schon? Wir finden auch ohne ihn eine Spur, und wenn nicht, dann sei's drum.

Skaar: Warum reden wir? Wir sollten gehen!

Zhai: Danke, Skaar, genau das meine ich auch.

Max (gelangweilt Richtung Skaar): Na, welch Überraschung.

Tulwood: Dafür! (Einige Blicke richten sich auf ihn, er wird rot und rutscht auf seinem Stuhl etwas runter.) Entschuldigung.

J'avo: Ihr hattet zu viele Erfolge. (Alle sehen ihn an, weil niemand erwartet hatte, dass er mitdiskutieren würde.) Ihr traut euch zu viel zu.

Zhai: Tut mir leid, J'avo, aber das kannst du nicht beurteilen.

J'avo: Obwohl ich die Geschichte der Gemeinschaft besser kenne als jeder andere, der nicht dabei war? (Er sieht Zhai bedeutsam an, denn genau das hatte sie mal zu ihm gesagt.) Leute, wenn ihr euch mit den Granden einlasst, dann gelten auch deren Spielregeln. Und die lauten: Ihr habt keine Rechte. Ihr seid niemand. Ihr dient nur ihrem Vergnügen, ihrem... Zeitvertreib, ihrem... äh...

Max: Ihrer Zerstreuung.

J'avo: Genau.

Zhai: Wer sich das einbildet, hat uns noch nicht kennen gelernt. Zeit, das zu ändern, oder nicht?

J'avo: Ich hab euch gewarnt, Zhai. Jeder Tashalari sieht zu, den Mächtigen niemals aufzufallen. Niemals! Aber wenn du hingehst und rufst: "Hier bin ich!", dann musst du auch damit klar kommen, dass er dich kaltmacht, wenn ihm dein Gesicht nicht gefällt.

     Zhai, dieser Kerl, Neramu, hat so viel Geld, dass man davon euer Tethyr kaufen könnte. Aus einer Laune heraus gibt der mehr aus, als ihr je besessen habt. Allein zehnmal so viele Visaru arbeiten für ihn, wie ihr Köpfe habt.

Tulwood: Visu-was?

Max: Magiekultisten. Sie huldigen dem örtlichen Götzen der Magie, Visar.

Meranilius: Eine Verballhornung von V'ssrr. Sie huldigen einem Echsengott! Muss ich noch mehr sagen?

J'avo (genervt): Ist ja jetzt auch egal. Wenn ihr ihn nervt, muss er nicht mal seine Männer losschicken, das erledigen seine Magier. Und wenn er ein bisschen Spaß haben will, lässt er einfach verbreiten, dass er zehn Piatal (Platinmünzen á 10 D) für jeden Kopf von euch zahlt, dann ist ganz Tashluta hinter euch her, denn hier verkauft euch jeder schon für zehn Tessal (Bronzemünzen á 1 K).

Zhai: Wenn wir sie rausholen und sofort in die Schwarzen Dschungel flüchten, kann er uns—

J'avo: Zhai, verdammt! Das ist ihm egal. Er muss euch nicht finden, um euch zu töten, und wenn ihr ihm etwas klaut, und Tashluta kriegt das mit, dann ist ihm nichts zu teuer, um eure Leichen zu sehen. Du bist bescheuert, wenn du denkst, dass du dich mit einem Granden anlegen kannst. Wen suchst du dir als nächstes? Den König von Tethyr? Danach einen Drachen, wegen der Abwechslung?

Zhai (sehr gereizt): Es sind nicht deine Freunde, J'avo. Halt. Dich. Raus.

J'avo: Wenn ihr durchdreht, bin ich mit dran.

Zhai: Das ist das Risiko, wenn man mit uns reist. Die Gemeinschaft der Ersten Sonne trifft diese Entscheidung.

J'avo (hebt abwehrend-schicksalsergeben die Hände): Macht, was ihr wollt. Aber dann gebt mir einen Vorsprung, denn dann sehe ich zu, dass ich hier verschwinde. Scheiß auf deinen Zauber, Magier.

Spider (zu Zhai, betont): Dagegen.

Zhai: Spider, es geht um Raif und—

Spider: Ich denke, ich besitze eine ganz gute Vorstellung davon, um wen es geht. Vermutlich gelänge es uns sogar mit einiger Leichtigkeit, die beiden da rauszuholen, denn wer so reich und mächtig ist, kann sich nicht vorstellen, dass man so offensichtlich gegen seinen Willen handelt, wenn es um so etwas Wertloses wie zwei Niemande geht. Aber danach hat ein Grande von Tashluta ein persönliches Interesse, diese Gemeinschaft auszulöschen, und tausendmal mehr Mittel, als er dazu benötigt. Raif und Jen schweben nicht in Lebensgefahr.

Zhai sieht frustriert Max an.

Max: Oh, eine Abstimmung? Hm, und ich ging davon aus, wir plaudern hier nur und Scarpe trifft die Entscheidung.

Zhai (eisig): Dafür oder dagegen?

Max: Wir sollten zuerst festlegen, wem überhaupt eine Stimme zukommt. Ihr legt genau die kognitive Beschaffenheit an den Tag, die notwendig ist, die Idee zu entwickeln, einem Barbaren und einem Magister dasselbe Stimmgewicht beizumessen.

Zhai (schneidend): Dafür oder dagegen?

Max: Ich lehne deine Idee mit dem entschiedensten Nachdruck ab, und ich weiß genau—

Zhai: Skaar?

Max: ... was jetzt passiert.

Skaar: Wir retten sie.

Zhai (sieht dabei nicht Skaar, sondern demonstrativ Max an): Glänzender Vorschlag, Skaar. Zwei zu zwei.

Max: Er versteht noch nicht mal, worüber wir hier beratschlagen, so man überhaupt davon sprechen möchte. Für ihn teilt sich die Welt in Nahrung, sportliche Herausforderung und ein gelegentliches Geräusch, das er nicht zuordnen kann.

 

Die Abenteurer diskutieren erhitzt weiter, aber die Kamera zoomt ganz langsam auf Milandre. Ihr einziger Anker war Raif, und so, wie sie die Welt kennt, hat sie ihn das letzte Mal lebend gesehen. Wenn dieser Neramu so reich und mächtig ist wie ein cormyrianischer Hochadliger, war's das. Und sie hängt hier unten, tausend Meilen entfernt von daheim, in der Fremde fest. Schon ertappt sie sich dabei, sich zu fragen, wie sicher man sein muss, dass Raif tot ist, bevor man ihr den Challenger anvertraut – und geißelt sich dafür. Milandre murmelt etwas und geht vor die Tür. Seit sie Cormyr verlassen hat, steht sie unter einem solchen Druck! Ihren gesamten Dienst hatte sie in ihrem Königreich verrichtet, und nun ist sie nach einem Dreivierteljahr des ununterbrochenen Reisens in diesem götterverlassenen Landstrich sittenloser Barbaren gelandet, all das wegen eines Schwertes, um das sich in ihrer Familie so viel dreht und das sie, ausgerechnet sie nun die Chance hat, nach Hause zu bringen. Das Heimweh, die Einsamkeit, das Verlangen nach dem Challenger, die Angst um Raif, all das ist gerade etwas viel, und sie bekämpft erfolgreich das Bedürfnis, zu weinen. Aufgewachsen in Söldnerlagern ohne viel Privatsphäre hat sie gelernt, wie das geht.

 

Raif und Jen verbringen die Nacht im Zurinal-Anwesen, wo sie bei den Sklaven von Neramu untergebracht werden, und am nächsten Morgen kriegen sie einfache Reisekleidung ausgehändigt und müssen sich den Sklaven anschließen. Dabei haben sie, da sie getrennt voneinander marschieren, keine Gelegenheit, miteinander zu reden, aber das ist beiden auch ganz recht. Da die restlichen Sklaven allesamt aus der tashalarischen Unterschicht stammen, sprechen sie nur Tashalari, also gibt es auch hier wenig Austausch, von Gebärden und ein paar Worten, die in Tashalari und Alzhedo dasselbe bedeuten, abgesehen. Außerhalb von Tashluta besteigen sie ein Flussschiff, das sie in die Schwarzen Dschungel bringt.

 

Zhai und Spider besuchen am Morgen den Jaspisdrachen, um mit Fleece zu reden. Die spricht sich voll und ganz gegen eine Aktion gegen Neramu aus. Zhai ist ziemlich auf sich allein gestellt in weitgehender Isolation aufgewachsen, und auch danach hatte sie außerhalb der Gruppe mit Abstand die wenigsten sozialen Kontakte. Ihre Erlebniswelt ist die Gemeinschaft der Ersten Sonne, der nie eine Aufgabe zu schwer, nie eine Hürde zu hoch war, aber deshalb ist sie leider weltfremd und hat keine rechte Vorstellung davon, wie mächtig das Oberhaupt einer Grandenfamilie wirklich ist, und auch ihre Naivität abzulegen fällt ihr noch schwer (da meldet sich das langlebige elfische Blut), da sie im Gegensatz zu Kithain, Jewel oder Spider noch sehr jung ist. (Jewel ist um die 50, Kithain um die 80, nur von Spider weiß niemand, wie alt er ist.)

 

Fleeces Nerven liegen jeden Tag mehr und mehr blank. Warum meldet sich Neramu nicht? Kann es sein, dass er so etwas Unwichtiges wie sie vergessen hat? Hatte er nie vor, die Abmachung einzuhalten? Will er ihr aufzeigen, wie unbedeutend sie ist? Hat sie die richtigen Entscheidungen getroffen?

 

Jen und Raif erreichen inmitten der Sklaven nach zwei Tagen der Wanderung über Dschungelpfade die riesige und schwer bewachte Plantage Surmakar, die den Neramus gehört. Auf Gut Surmakar hält man die beiden für Sklaven und bringt sie entsprechend unter, weil hier einfach niemand die Info erhalten hat, dass sie Gäste sind. Sie bekommen ihre Halsbänder, von denen sie später erfahren, dass man sie auf magischem Wege überall aufspüren kann. (Die bekommen jedoch nur wertvolle Sklaven, für alle wären sie viel zu teuer – aber dass diese beiden wertvoll sind, ist nicht zu übersehen.)

 

Sie lernen die Sklavin Ierendi kennen, eine geborene Calishitin. Alzhedo ist quasi Jens zweite Muttersprache, und Raifs Alzhedo ist zumindest ganz gut, also haben sie eine Ansprechpartnerin, die sich umso mehr freut, als Jen ihr klar macht, dass auch sie aus Calimshan stammt. Ierendi wundert sich über das Verhalten der beiden, denkt aber, dass es daran liegt, dass sie offenbar noch nicht lange Sklaven sind. Jens Story aber hält sie für genau das: eine Story. Ja, jeder Sklave ist einfach Opfer einer Verwechslung geworden: "Hier liegt ein Irrtum vor!" Ierendi kleidet die beiden ein – es ist völlig offensichtlich, dass sie nicht für die Feldarbeit gekauft worden sind, dafür sind beide zu hübsch und Jen zu außergewöhnlich, also kriegen sie die entsprechenden Kleider und werden zu Hashoia geschickt, einer hochgestellten Sklavin, die für die Haus- und Lustsklaven auf dem Gut zuständig ist.

 

Raif wundert sich, wie viele Alaru-Sklaven er hier arbeiten sieht. Stammt Familie Neramu nicht auch von den Alaru ab? Katarai hat man das auf jeden Fall angesehen. Jen reagiert nicht darauf: Sie weiß, wie der Hase läuft.

 

Raif ist ohne Schwert machtlos, aber Jen ist auch unbewaffnet eine ausgezeichnete Kämpferin. Selten sieht man mehr als zwei Wachen gleichzeitig, aber was dann? Sie sind mitten im Dschungel. Daher bleibt ihnen erst mal nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen.

 

Hashoia reagiert sogleich kühl, als sie Jen kennen lernt. Nicht genug damit, dass eine so ungewöhnlich aussehende und dabei hübsche Frau ihr den Donner stiehlt, sie sieht Jen auch gleich an, dass sie viel zu viel Selbstbewusstsein zur Schau trägt. Jen fordert Ierendi auf, Hashoia zu sagen, wer sie sind, aber Irendi hat Angst davor, bestraft zu werden, weil Jen ihrer Meinung nach lügt. Hashoia schreit Jen an, still zu sein, untersucht die beiden wie Vieh und will dabei auch die Geschlechtsmerkmale prüfen. Zuerst muss Raif die Hose runterlassen, und zu seinem Missfallen und seiner Demütigung zieht Hashoia nur desinteressiert eine Augenbraue hoch, als sie prüfend sein Gemächt betastet. Als nächstes befiehlt sie Jen, sich auszuziehen. Was Hashoia will, ist sonnenklar, aber Jen tut so, als habe sie nicht verstanden, so dass Ierendi hilfreich übersetzt, doch Hashoia faltet Letztere zusammen: Sie sollen besser schnell Tashalari lernen – so wichtig, dass sie eine Dolmetschersklavin brauchen, sind sie nicht. "Komm schon", murmelt Raif leise, und Jen schluckt ihre Würde herunter und entkleidet sich. Hashoia nimmt wiegend eine ihrer Brüste in die Hand, was Jen noch über sich ergehen lässt, aber dann greift sie ihr in den Schritt, und das ist zu viel: Jen überdreht Hashoias Arm, so dass diese schreiend in die Knie geht. Die Wachen versuchen sofort, Jen zu verprügeln, aber im Nu liegt die eine mit gebrochenem Kiefer auf dem Boden, und der anderen kugelt die nackte Jen den Arm aus.

 

Okay, die Katastrophe ist offiziell eingetreten – was man mit so aufsässigen Sklaven macht, kann Raif sich denken. Jen aber herrscht Ierendi an, zu übersetzen, packt schmerzhaft Hashoias Hals, zerrt sie zu sich und spricht:

 

Jen: Ich bin Jendara Corthala aus Memnon, Mitglied des Ordens der Ersten Sonne und Hauptfrau der tethyrianischen Dachsgarde. Mein Gefährte, Raif Bowgentle aus Eshpurta, und ich waren in Tashluta Gäste des erhabenen Sarab Hamur. Im Hause von Hazaphar Zurinal schlossen wir uns dem erhabenen Katarai Neramu an, der uns seine Gastfreundschaft auf Surmakar anbot. Er wird wenig erfreut sein, zu hören, was ich zu berichten habe. Und jetzt wirst du dafür sorgen, dass sich jemand herschert, der etwas zu sagen hat, und damit meine ich keine ungebildeten Sklavenhuren wie dich. Tu es nicht, und du wirst mich wirklich wütend erleben.

 

Sie spuckt Hashoia ins Gesicht und wirft sie zu Boden, wo sie panisch nach Luft schnappt. Sklaverei funktioniert in Tashalar grundsätzlich ähnlich wie in Calimshan, und die kennt Jen aus eigener Erfahrung: Demonstriere deinen Stand weit über den Sklaven deutlich, grenze dich durch Verachtung von ihnen ab, und niemand wird dich ernsthaft für einen halten. Ierendi übersetzt panisch stotternd – was auch immer hiernach passiert, sie wird eine Mitschuld daran bekommen –, und Jen tritt Hashoia noch einmal mit einem "Beweg dich, Hure!" mit dem bloßen Fuß in die Seite, als sie sich nicht schnell genug aufrappelt.

 

Nach zwei Tagen des ereignislosen Wartens trudelt endlich eine Schriftrolle mit dem Siegel von Haus Neramu im Jaspisdrachen ein: Die Freie Universität von Tashluta wird darin angewiesen, der Überbringerin dieser Rolle in angemessenem Rahmen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Na endlich, damit kann man etwas anfangen. Fleece richtet sich also her und begibt sich mit Dr. Meranilius und Valmaxian zur Universität.

 

Die Situation auf Surmakar ist denkbar absurd: Zwei stöhnende Wächter liegen am Boden, und Jen und Raif raffen ihre Kleider zusammen und warten, nachdem die zu Tode verängstigte Ierendi das Weite gesucht hat, bevor ihr noch jemand eine Mitschuld an dieser Katastrophe gibt. Jen weiß, dass Hashoia es für möglich halten muss, dass Jen die Wahrheit gesagt hat – würde sie nun Alarm geben, und es stellte sich heraus, dass Jen und Raif Gäste sind, unterschriebe sie ihr eigenes Todesurteil, und der Tod würde kein schneller sein. Also besteht eine gute Chance, dass jemand geholt wird, den sie überzeugen kann. Jen weiß, dass Raif sie verstohlen von der Seite betrachtet, aber sie reagiert nicht darauf und würdigt ihn keines Blickes.

 

Zeit zum Anziehen der Sachen bleibt auch kaum, denn schon tritt ein ganzer Tross Wachen ein und verteilt sich rechts und links, und die sehen schon deutlich professioneller aus. Schließlich betritt eine Visaru den Raum, gefolgt von Hashoia. Die Visaru gestikuliert und spricht, und Jen und Raif lassen ihre Kleider fallen und stehen paralysiert da. Beide versuchen zu sprechen, aber nichts passiert. Hashoia, das kann Jen leicht erkennen, möchte ihr wutentbrannt das Gesicht zerkratzen, beherrscht sich aber und versetzt ihr nur eine schallende Ohrfeige, sagt etwas, geht in die Hocke und zerrt brutal Jens Schamlippen auseinander, so wie man bei einem Tier die Zähne prüfen würde, um zu begutachten, wie ästhetisch sie für entsprechende Zwecke gebaut ist, geht um sie herum, reißt, noch demütigender, ihre Hinterbacken auseinander, um den Anus zu prüfen, sagt erneut etwas, und gegen ihren Willen, von der Visaru fremdgesteuert, setzen sich Jen und Raif in Bewegung, gehen nackt von den Wächtern und der Visaru begleitet über die Plantage in ein anderes Gebäude, während im Hintergrund immer die sehr originellen, untashalarisch anmutenden Holzgebäude, Plattformen, Stege und Netze in den Baumkronen zu sehen sind, wo man vermutlich sehr luxuriös und doch naturverbunden wohnt – ganz klar ein Alaru-Baustil, aber zivilisiert weitergedacht.

 

Jen hat sich verspekuliert. Sie hatte darauf gebaut, dass Hashoia das Risiko zu hoch ist, dass Jen die Wahrheit sagen könnte, aber unterschätzt, wie unwahrscheinlich so eine "Verwechslung" aus der Perspektive einer Luxussklavin ist, die so etwas garantiert schon oft genug gehört hat.

 

In einem geräumigen Arbeitszimmer wird Jen wie einer Puppe ein durchsichtiges weißes Seidenkleid angezogen und etwas Schmuck angelegt, und Raif bekommt einen seidenen Lendenschurz und Schmuck verpasst. So möchte man vermutlich das Gesamtbild testen, wie die beiden in "Arbeitskleidung" aussehen. Nach einigen Minuten erneuert die Visaru den Beherrschungszauber, und weitere Minuten später betreten zwei sehr exotisch, aber auch schwer reich anmutende Gestalten mit dunkler Haut und schwarzem Haar den Raum, ein Mann und eine Frau. Jen erkennt ebenso, wie sie von dem Mann gemustert wird, wie Raif erkennt, dass die Frau ihn begutachtet. Diese tritt näher, streift den seidenen Vorhang vor seinem Schritt zur Seite, nimmt prüfend seinen Penis in die Hand und versucht herauszufinden, ob er wohl ein gutes Werkzeug wäre. Raif war schon übel zumute, als er sah, wie Hashoia Jen ruppig untersuchte, und fühlte mit Jen, doch selbst wie ein Tier untersucht zu werden, ist auch für ihn demütigend und beschämend.

 

Hashoia redet im Hintergrund, während der Mann das Prachtweib in weiß betrachtet, die Brüste freilegt und ihr Bein hebt, damit sich die Schamlippen öffnen, und ihm gefällt offenbar, was er sieht. Jen weiß genau, dass Männer wie Raif ein Vermögen wert sind – und Frauen wie Jen ein Mehrfaches davon. Sähen sie nicht so aus, wie sie aussehen, wären sie längst totgeprügelt und ihre Leichen als Abschreckung am Haupttor aufgehängt worden, ohne dass sich das überhaupt bis zu den Herrschaften herumgesprochen hätte. Hashoia kann es sich nicht leisten, solche Schätze eigenverantwortlich zu "entsorgen", ohne ihre Herren zu fragen, und konnte sie nicht mal in die Mangel nehmen lassen, weil auch kleinere Blutergüsse nicht gerade sexy sind. Vermutlich erklärt sie aber gerade nachdrücklich, dass sie zu aufsässig und nicht als Lustsklaven zu gebrauchen sind. Wenn Jen doch nur reden könnte! Aber fragen werden diese Leute sie auch nicht, denn sie weiß, dass es die Erhabenen nicht interessiert, was ein Sklave zu sagen hat.

 

Sie kann dem Mann ansehen, dass ihm bei ihr das Wasser im Mund zusammenläuft. Dementsprechend gelassen sieht er aus und gar nicht verstimmt wegen des Ärgers, den sie angerichtet haben. Die Frau zeigt sich unbeeindruckt, sagt etwas, und Hashoia flößt Raif ruppig einen Trank ein, der Augenblicke später eine Erektion hervorruft. Erneut umfasst ihn die Frau prüfend und macht ein "Na ja, okay"-Gesicht. Sie sagt etwas Unbeeindrucktes zu dem Mann, der mustert Raif und erwidert etwas Ermutigendes, woraufhin sie wiederum etwas Einlenkendes entgegnet. Vermutlich, so denkt Jen, sagt sie gerade, dass Raif durchschnittlich ausgestattet ist, aber immerhin einen ästhetischen Körperbau und ein hübsches Gesicht hat, und vor allem ist er blond. Diese Kombination ist hier ein Vermögen wert, aber mit einem überdurchschnittlichen Werkzeug hätte man den Jackpot gehabt.

 

Fleece, Amaraeus und Max haben mit Col Marenas Aufzeichnungen und dem Fresko im Gepäck die riesige, prachtvolle Universität erreicht und sind an Dr. Munaria Thulcandra verwiesen worden, die in einem großen Studierzimmer voller Bücher, Schriftrollen und Karten arbeitet. Die Dame mag Mitte dreißig sein, Fleece findet sie sehr ansehnlich, sieht auch, wie "züchtig" und damit seriös sie sich für tashalarische Verhältnisse kleidet (wobei Fleece auffiel, dass hier viele so herumlaufen, das ist also wahrscheinlich so Mode unter tashalarischen Gelehrten), ist aber erst mal nicht sicher, wie sie sie einschätzen soll, und traut ihr nicht recht, da ihr Sense-Motive-Check versagt hat und Munarias Diplomacy-Check Fleece gegenüber auch. Das Irre ist jetzt, dass ausgerechnet Max' Diplomacy-Check eine natürliche 20 und Munarias Sense-Motive-Check daraufhin eine natürliche 1 ergab. Von der Symbolkraft dieser Würfe abgesehen reicht Max' Ergebnis also selbst mit seinem dicken Diplomacy-Malus immer noch. Max merkt logischerweise nie etwas subtil Zwischenmenschliches, aber Fleece nimmt wahr, dass er Dr. Thulcandra außerordentlich gut gefällt. Dr. Meranilius wiederum ist von der Dame auch sehr angetan und bemüht sich liebenswert linkisch und ungeübt, ihr zu gefallen.

 

Meranilius: Ich bin Historiker mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Echsen.

Munaria (höflich, aber unbeeindruckt): Das ist aber interessant. (Zu Valmaxian:) Und Ihr seid ein Magister? Das ist ja spannend. Die Halle des Quecksilbers zu Almraiven, sagtet Ihr? Was unterrichtet Ihr denn dort?

Valmaxian: Thaumaturgische Extremalforschung, astralessenzielle Kartographie, deskriptive Heptasphaeristik, aktive Cantussynthese, explorative Limbologie, originäre Spruchtransition, syntaktische Thesisprägung, experimentelle Sphaeronautik, mathematische Magietheorie, merkmalsaffine Vestitorik, cyclographische Contraria und so weiter. Das Übliche.

Munaria (hat kein Wort verstanden, sieht ihn verträumt an): Faszinierend.

 

Nachdem sie Neramus Brief gelesen hat, lässt sie natürlich alles stehen und liegen: Wenn ein Grande, ein Patriarch obendrein, etwas will, wird das getan, ohne Wenn und Aber – dem können sich nur andere Granden verschließen. Da die Universität magisch gesichert ist, kann man offen reden. Amaraeus und Max erklären abwechselnd, was sie herausgefunden haben, Amaraeus auf Chondathanisch und Max auf Tashalari. (Munaria spricht fließend Chondathanisch, aber Tashalari ist für sie auf Dauer einfacher.) Dabei erfahren sie zu ihrem Erschrecken, dass Harukar Kurash bereits vor über einem Monat hier in der Universität war und einem Kollegen Munarias, Dr. Tamarui, entweder genau dieses Fresko oder zumindest ein ähnliches gezeigt hat, jedoch in gezeichneter Form. Dr. Tamarui hat Kurash jedoch nicht geholfen, sondern ihm nur Zugang zur Universitätsbibliothek gewährt. Munaria weiß außerdem, dass Kurash eine Expedition in die Hazurberge zusammengestellt hat. Amaraeus' Schultern sacken herab, aber Fleece macht ihm Mut, dass das noch gar nichts heißt.

 

Natürlich hören sie sich Munarias Ideen dazu an. Dabei fällt Fleece auf, dass Munaria Max lieber zuhört als Amaraeus, und Max' trockene, arrogante Herabsetzungen, die jedem so auf die Nerven gehen, findet Munaria offenbar schlichtweg anziehend und selbstbewusst, denn Arroganz, wenn man sie sich leisten kann, ist in Tashalar gesellschaftlich absolut akzeptiert. Für Fleece wäre das eigentlich königliches Amüsement, wenn ihre Gedanken nicht ständig bei Jen und Raif wären. Jede Menge Bücher und Schriftrollen werden zusammengetragen, und zu viert vertieft man sich in den Wissens- und Gedankenaustausch.

 

Jen und Raif, nach wie vor unter der Kontrolle der Visaru, werden über das weitläufige Gelände im riesigen Wohnbereich der Herrschaften zu einer luxuriösen Sitzecke an einem Swimmingpool gebracht, wo sich weiße Seidenbahnen sanft im Wind wiegen. Jen weiß, dass sich das Paar, mit dem sie es hier zu tun hat, durchaus darüber im Klaren ist, welche Schätze hier ihren Weg nach Surmakar gefunden haben, aber nützlich sind sie nur, wenn sie auch tun, was sie sollen, denn niemand möchte es sich leisten, immer einen Magier mit Beherrschungszaubern dabei zu haben – zumal die fremdgesteuerten unnatürlichen Bewegungen alles andere als sinnlich sind. Spielen sie nicht mit, sind sie ihren schönen Körpern zum Trotze wertlos. Jen fragt sich, ob Katarai schon immer vorhatte, sie und Raif als Sklaven einzusetzen (und sie dann, wenn Fleece ihm bringt, was er will, einfach nicht mehr herzugeben), oder ob es sich hier um einen Irrtum handelt.

 

Umringt von Wachen lässt sich der Herr in die seidenen Kissen sinken, lehnt sich mit dezent erwartungsvoll hochgezogenen Augenbrauen zurück und lockt Jen mit dem Finger zu sich. In diesem Moment fällt die Kontrolle von ihr ab, aber sie sieht auch, dass die Wachen noch gesenkte, aber gespannte Armbrüste einsatzbereit haben, da Hashoia sie gewarnt haben muss, dass Jen auch unbewaffnet gefährlich ist. Von ihr wird nun erwartet, ihre Qualitäten als Lustsklavin zu demonstrieren, und dazu gehört in erster Linie Gehorsam.

 

Sorgfältig betont, aber zügig sagt sie: "Ban Katarai Neramu hat uns in Uri Hazaphar Zurinals Haus auf Uri Sarab Hamurs Vorschlag hin—" Schon ist Hashoia zur Stelle, schlägt ihr hart ins Gesicht (klugerweise auf die ohnehin schon feuerrote Wange) und äußert barsch einen Befehl. Natürlich hat sie ihr verboten, zu sprechen. Der Mann aber lehnt sich mit skeptischem Gesicht vor und tauscht einen kurzen Blick mit seiner Partnerin. Ruhig sagt er etwas Kurzes, Ermutigendes zu Jen. Die hatte so viele Namen wie möglich, die die Leute hier kennen könnten, an den Anfang ihres Satzes gelegt, bevor sie zum Schweigen gebracht wird, und das hat wie erhofft zumindest Neugier hervorgerufen. Sie erwidert: "Ierendi spricht Alzhedo. Ierendi." Der Mann sieht fragend Hashoia an, die wohl zerknirscht erklärt, wer Ierendi ist. (Die Herrschaften interessieren sich nicht für die Namen ihrer Sklaven, die werden hier alle nur Seo genannt.) Seine Partnerin nickt einem Diener zu, und Ierendi wird geholt, die sich aus Angst vor Bestrafung bettelnd in den Staub wirft. Die Herrin aber fordert sie auf, zu übersetzen, und Jen berichtet.

 

Sie weiß, die Herrschaften hier wären nie auf die Idee gekommen, Sklaven sprechen zu lassen, um ein etwaiges Missverständnis aufzuklären – zu offensichtlich sind Jens und Raifs Qualitäten, als dass sie etwas anderes als in Tashluta eingekaufte Lustsklaven sein könnten, und Leuten, die man zur Kenntnis nehmen muss, Leuten von Rang also, passiert so etwas einfach nicht.

 

Jen setzt nicht darauf, dass sie beweisen kann, dass sie gebildet ist – hochklassige Lustsklaven sind das durchaus. Dass sie ein paar Namen kennt, sagt also überhaupt nichts aus. Sie kann nur darauf bauen, dass ihre Ausstrahlung und ihre Persönlichkeit ihre Behauptungen wahrscheinlich wirken lassen. Auch ist sie sicher, dass die Leute hier genug magische Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Patriarchen Katarai Neramu haben – es fragt sich nur, ob man sie für so vergleichsweise unwichtige Dinge wie die Geschichte einer "Sklavin" einsetzen würde. Welch Blamage für den Hausherrn, wenn sich herausstellte, dass er einem Märchen aufgesessen ist und dafür extra mit seinem Patriarchen in Verbindung getreten ist.

 

Jen hat clevererweise den Schmuck beschrieben, der ihr und Raif abgenommen worden war. Sollte sich dieser anfinden, wäre das wohl ein Beweis, dass er ihnen widerrechtlich entwendet wurde, denn einen Sklaven kann man nicht bestehlen, es sei denn, sie wären schon vor ihrem "Erwerb" Luxussklaven gewesen. Das herrschaftliche Paar lässt zügig Nachforschungen auf der Plantage anstellen.

 

Es klärt sich nach und nach langsam auf, dass bei dem Aufseher, der für die Fahrt nach Surmakar verantwortlich war, der Schmuck gefunden wurde, den Jen beschrieben hatte. Das spricht für ihre Version, aber der Aufseher sagt unter Folter auch überzeugend aus, dass er keine Information bekommen hatte, dass mit den beiden anders zu verfahren sei als mit den restlichen Sklaven, die frisch in Tashluta eingekauft worden waren. Das kann bedeuten, dass Katarai sie von vornherein als Sklaven ansah, das kann auch bedeuten, dass es ihm egal war, wie sie die Zeit in seiner Gastfreundschaft verbringen, und die Organisation anderen überlassen hat, das kann bedeuten, dass einer seiner Mitarbeiter, der nicht mitkam, vergessen hatte, den Aufseher zu informieren, oder es kann auch ein schlichtes Missverständnis gegeben haben. Schwierige Situation, aber Jen baut darauf, dass der Hausherr das Risiko, sich beim Patriarchen lächerlich zu machen, ungern eingehen möchte. Daher ermutigt sie dazu, sich gerne kundig zu machen, um ihre Behauptungen zu prüfen, weil sie natürlich wisse, dass den hohen Herrschaften solche Möglichkeiten zur Verfügung stehen – was ihr reines Gewissen unterstreicht, dass sich schon alles aufklären lassen werde.

 

Die Frau hat sich inzwischen zu dem Mann gesetzt, und sie beratschlagen leise, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Offenbar sind sie unterschiedlicher Meinung, aber der Mann trifft kurzerhand die Entscheidung und lässt Ierendi übersetzen, dass er, Sentirai Neramu, und seine Frau, Zulhaminai Neramu, hoffen, dass die beiden nach diesem anstrengenden Tag gut schlafen können.

 

Sentirai weist Hashoia an, die beiden als Gäste unterzubringen. Er ist ruhig und freundlich, aber er steht nicht auf, er entschuldigt sich für nichts, und damit erweckt er nicht den Eindruck, als hätte er irgendjemanden von Belang vor sich. Hashoia kommandiert dementsprechend einen Sklaven ab, der Jen und Raif zuerst andere Kleidung aushändigt, sie sich umziehen lässt und sie dann in eins der Wirtschaftsgebäude führt, wo sie gebadet, frisiert (und Raif rasiert) werden.

 

Danach geht es in das kleinste der mehrstöckigen Gästehäuser im originellen Zuschnitt, das ihnen fürs Erste zur Verfügung stehen soll. Die Unterkunft ist atemberaubend: Die mehrstöckigen Plattformen sind nach allen Seiten offen und von Bäumen umgeben, und zwischen den Stegen und Balkonen sind riesige stabile Netze gespannt, auf denen man liegen und in die Tiefe oder auch nach vorn auf die Plantage blicken kann, und sie sind so hergerichtet, dass man dort auch schlafen kann, wenn man möchte. Es gibt kein Festmahl, aber eine Unzahl an exotischen Früchten, Fruchtsäften und Reisweinen wie dem goldgelben Jugari, dem dunkelrotbraunen Jundari oder dem milchig-weißen Janmara. Nachdem er ihnen das Gästehaus und weitere Kleider gezeigt hat und überall Buntglaslichter entzündet hat, lässt der Sklave sie allein.

 

Es ist ohnehin bereits Abend, also schlagen sich die beiden die Bäuche voll, ziehen auf eins der Netze um und sprechen darüber, wie knapp sie heute der Sklaverei oder Schlimmerem entronnen sind, dass die Situation aber noch nicht aufgelöst ist. Jugari und Janmara gehen gut runter, und Jen und Raif werden immer beschwipster, immer gelöster, lachen über lange zurückliegende Anekdoten, zerreißen sich die Mäuler über alte gemeinsame Bekannte, die sie in schlechter Erinnerung behalten haben – und werden wieder ruhiger und sehen sich an. Hier, in schwindelerregender Höhe, nur ein Netz und viele Kissen und Decken zwischen ihnen und der schwarzen Tiefe, die unmittelbare Umgebung in das warme Rot der Buntglaslichter getaucht, scheint die Zeit langsamer zu verlaufen. Ganz allmählich rückt Raif immer näher, anscheinend völlig sicher, dass Jen mindestens zurückweicht, ihm schlimmstenfalls eine scheuert, aber sie bleibt auf der Seite liegen und erwidert den Blick ohne eine Regung und ohne einen bestimmten Gesichtsausdruck. Endlos langsam berühren seine Lippen die ihren, und tatsächlich erwidert sie den Kuss – überhaupt nicht stürmisch, sondern bedächtig und zärtlich.

 

Hätte sie auch nur den Hauch des Eindrucks, dass Raif sich in sie verliebt hat, gäbe Jen ihm nicht nach, und hätte sie das Gefühl, dass er das einfach nur tut, weil, da sie nun halt eh bereits miteinander geschlafen haben, man das ja öfter tun könnte, täte sie das schon gar nicht. Sie hat eine ganz konkrete Idee, warum er mit ihr schlafen möchte, und sie weiß, warum sie dazu bereit ist. Darüber zu sprechen, kriegen jedoch beide nicht fertig.

 

Der Sex, den sie hier oben haben, ist das komplette Gegenteil der Nummer im Zurinal-Anwesen: ruhig, entspannt und sinnlich. Er ist aber auch insofern anders, dass Jen jetzt wirklich sie selbst ist: Sie geht sanft zu Werke, aber dominant – sie bestimmt, was gemacht wird, wie schnell und in welchem Rhythmus, gibt den Ton an, verwöhnt Raif aber auch. Natürlich greift sie hier als erfahrene Lustsklavin in ihre Trickkiste, zögert hinaus, steigert seine Lust, um sich dann wieder etwas anderem zu widmen, ergreift seinen Unterkiefer, schiebt seinen Kopf grob in den Nacken und flüstert ihm Dinge ins Ohr, die er noch nie gehört hat, versetzt ihn in eine hilflose Lage, wenn sie beim Reiten seine Arme niederdrückt, wogegen er sich eh nicht wehren kann, weil sie viel stärker ist als er. Nachdem sie seinen Samen geschluckt hat, rutscht sie seitlich an ihm hoch, fragt ihn, ob es ihm gefallen habe, leckt ihm plötzlich genüsslich über die Wange und lacht über sein überraschtes Zurückschrecken – als würden sich sehr vertraute Freunde necken, die ganz zufällig eben Sex miteinander hatten.

 

Sie liegen nackt nebeneinander und schauen in den Sternenhimmel, und vielleicht findet keiner die richtigen Worte, vielleicht ist es zu unangenehm, das jetzt oder überhaupt je wieder zu thematisieren, vielleicht hat keiner das Bedürfnis, darüber zu reden, oder vielleicht eine Kombination aus diesen Varianten?

 

Raif reflektiert diese Dinge nicht – er fühlt sie unterbewusst, orientiert sich daran und handelt dann danach, ohne sich rational erklären zu können, warum. Tatsächlich hat Jen ihm die ganze Zeit angemerkt, dass er immer wieder an den göttlichen Sex mit ihr denken musste. Sie weiß, er liebt sie ebenso wenig wie sie ihn (jedenfalls nicht romantisch), und sie kennt ihn gut genug – und kann sich, was man ihr ja nie zutraut, sehr gut in ihn einfühlen, tatsächlich sogar besser als Fleece –, um zu wissen, dass er denkt, dass ihn der Sex mit ihr für Sex mit anderen Frauen verdorben hat, denn unglaublicher kann es ja nicht mehr werden. Möglicherweise hat er selbst keine Vorstellung davon, aber vielleicht brauchte er "normalen" Sex mit Jen, um den ersten einordnen zu können und zu begreifen, dass jener mit jeder anderen Frau ebenso gigantisch gewesen wäre, weil die Magie seine Leidenschaft entfesselt hatte. So muss er, so albern das klingt, nicht mehr Jen hinterhertrauern, die er mit um Welten besseren Sex assoziiert, wenn er mit anderen Frauen "vorlieb nehmen" muss. Das heißt nicht, dass sich Jen zurückgenommen hat – sie ist schließlich eine erfahrene Jhasina, die Tricks beherrscht, von denen ein Raif Bowgentle nicht mal weiß, dass sie existieren –, aber er weiß jetzt, wie sich Sex mit Jen normalerweise anfühlt, und das ist eben "nur" fantastischer Sex, nicht mehr göttlicher.

 

Jen wiederum ist so friedlich und gelöst und unglaublicherweise sogar kumpelhafter, alberner, intimer Neckerei nicht abgeneigt (die zu zeigen, gelingt ihr ja normalerweise höchstens Fleece gegenüber, wenn überhaupt), weil sie unbedingt einen Weg finden musste, mit dem Zusammenbruch fertig zu werden, der dieses Erlebnis im Zurinal-Anwesen für sie zu werden drohte, und gerade das Gefühl hat, es könnte funktioniert haben. Auf gar keinen Fall hätte sie unter jeglichen anderen Umständen jemals etwas mit Raif gehabt, aber nach dem erzwungenen ersten Mal war das Kind eh schon in den Brunnen gefallen. Was sie jetzt brauchte, war, ihr eigenes Leben zurückzuerobern, indem sie aus freien Stücken mit Raif schläft, weil sie es entscheidet, weil sie es will. Indem sie freiwillig mit Raif schläft, hofft sie, dass sich der entwürdigende, entmenschlichende Zwang des erstes Males nicht mehr so schlimm anfühlen wird. Mit dem zweiten Mal kann sie sich einreden, dass es so oder so irgendwann hätte passieren können, und hofft damit den Widerhaken aus der Erfahrung zu nehmen, der sonst stecken geblieben wäre und sie vielleicht vergiftet hätte. Mit Cordian hatte sie schließlich auch geschlafen, also warum nicht mit Raif? Es bedeutet ihr ja nichts, auch wenn sie sich um Raif ein wenig sorgt, weil sie weiß, dass er sich in die meisten Frauen, mit denen er schläft, ein bisschen verliebt.

 

War da bei ihr diese Leidenschaft wie vor ein paar Tagen? Nein, überhaupt nicht, aber weder hatte sie das erwartet, noch ging es darum. Sie hatte keinen Höhepunkt (den zu erreichen, fällt ihr mit Männern ohnehin generell sehr schwer), aber es war angenehm – wobei sie sich jetzt allerdings umso anschaulicher vorstellen kann, wie es zwischen Raif und Caldaia war, was immer noch an ihr nagt.

 

Für Raif fühlt es sich merkwürdig an, nackt und vertraut neben der prachtvollen Jendara zu liegen. Sie ungestraft so ansehen, sie berühren zu dürfen – etwas absolut Undenkbares, Ausgeschlossenes ist eingetreten. Jetzt hat Raif mit Jendara geschlafen, sie beide waren sie selbst. Durch die Nacktheit und die Tatsache, dass sie gerade miteinander Sex hatten, entsteht eine Intimität, die nie wiederkehren wird. Ihm ist klar, dass das das letzte Mal war, darüber müssen sie nicht reden. Er weiß auch, selbst heute Nacht wird es keine zweite Runde mehr geben. Vielleicht passiert es irgendwann noch mal auf Grund ganz besonderer Umstände, aber grundsätzlich: nein. Jen ist ein Geschenk Sunes im Bett, aber erstens zieht sie Frauen Männern bei Weitem vor, und zweitens liebt sie Caldaia. Sie werden auch nie wieder darüber reden, und er vermutet, dass es zwischen Jen und Cordian ganz ähnlich abgelaufen war. Raif weiß, er wird ihr lange nicht mehr so nahe sein wie heute, also wenn nicht jetzt, dann gar nicht:

 

Raif: Lass mich dich was fragen. Warum hast du damals mit Cordian geschlafen?

Jen (lacht leise): Im Ernst?

Raif (unschuldig): Ja. Komm, die Frage liegt auf der Hand.

Jen (wendet sich Raif zu und legt sich auf die Seite, sieht aber nachsinnend leicht an ihm vorbei): Hm. Ich weiß nicht. Schwer zu sagen. Ich war auf vielen solcher Gelegenheiten – nicht so ungezügelt und schamlos, aber letztlich mit einem ähnlichen Ergebnis. Festivitäten, an deren Ende niemand allein schlafen muss, wenn er nicht möchte. Aber ich hatte Dienste zu erfüllen.

Raif sieht sie ernst an und nickt, womit er anerkennt, dass sie das ihm gegenüber zum ersten Mal so explizit erwähnt. Jeder weiß es, aber nur mit Fleece und Caldaia hat sie je offen darüber gesprochen.

Jen: Auf Ayeshas Party war ich Gast. Ich hätte mir selbst eine Sklavin nehmen können. Oder zwei. Warum auch nicht? Ich weiß, dass das irgendwann keine große Sache mehr für sie ist. War es für mich ja auch nicht. Bei attraktiven Menschen fällt es leicht. Kann sogar Spaß machen. (Sie trinkt einen Schluck Janmara.) Cordian? Hm. Vielleicht wollte ich mich auf die Probe stellen. Ich war in vertrauter Umgebung, wenn man so will. Alles erinnerte an mein altes Leben in Memnon. Vielleicht wollte ich sehen, wie ich mich fühle, wenn ich das tue, was ich damals tat, aber als ich selbst. Als freie Frau, aus eigenen Stücken. (Sie lächelt spöttisch.) Ich ging davon aus, dass er sich nicht mit Händen und Füßen wehren würde.

Raif (lacht, dann nach einer Pause gespielt tadelnd): Ich hab's dir damals übel genommen. Du hattest dir so viel Zeit gelassen, bis ich mit zwei Mädchen verschwunden war. Hätte ich gewusst, welche Ehre du einem von uns zuteil lassen würdest, hätte ich gewartet.

Jen (lächelt, dann auch wieder nach einer ganzen Weile): Ich möchte dich auch etwas fragen. (Raif ahnt, was kommt, und nickt.) Wie war es mit Caldaia?

Raif (atmet durch): Ich hab es wirklich ernst genommen. Es wäre eine Sünde an Sune, es nicht zu tun. Ich weiß, dass sie oft an dich dachte. Viel mit sich selbst zu tun hatte, dich und mich unter einen Hut zu kriegen. Ich hoffe, ich konnte ihr dabei helfen, sich fallen zu lassen.

 

Raif findet selbst, dass seine Antwort holprig war, aber etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Jen nickt, schweigt weiter und denkt nach. Wie sie da einander zugewandt auf der Seite liegen, betrachtet Raif Jen versonnen, nähert sich mit der Hand ihrer Brust und hofft, dass ihr irgendwie klar ist, dass das nicht als Annäherung zwecks Anbahnung eines zweiten Durchgangs gedacht ist. Tatsächlich lässt sie es zu, und er streichelt nachdenklich mit den Fingerrücken ihre Brust. Wie hat er jahrelang diesen für ihn perfekten Busen zelebriert und sich gewünscht, ihn so berühren zu dürfen, wie Cordian ihn berühren durfte? Jetzt liegen sie hier, und Jen, die er seit 1367 DR kennt, die harte, schroffe, toughe Jen, ist so weich und so unglaublich weiblich. Tausendmal hatte er sich ausgemalt, wie es wohl wäre, und logisch betrachtet wusste er um ihre Vergangenheit und was sie dementsprechend für Fähigkeiten besitzen musste, aber irgendwie hat er sie sich nie so weich und feminin vorgestellt. Auch ihren sanften Gesichtsausdruck versucht er sich einzuprägen, denn die Härte, die er fast immer darin sieht (oder oft auch nur zu sehen glaubt), ist völlig daraus verschwunden. Unglaublich, sich zu überlegen, welch komplett anderer Mensch sie mal war oder auch heute sein könnte, wären die Dinge anders gekommen.

 

Mitten in der Nacht sehen wir im Studierzimmer der Universität, wie Fleece es sich in einem Stuhl bequem gemacht hat und schläft, Amaraeus ist bei der Arbeit im Sitzen mit dem Kinn auf der Brust eingenickt, nur Valmaxian und Munaria sind noch voll bei der Sache. Der Zuschauer sieht absolut deutlich, wie sie ihn anschaut, im Kerzenschein ihm zugewandt dicht neben ihm sitzend, während er gleichzeitig liest und dabei von wissenschaftlichen Erkenntnissen spricht. Dass er ihre Avancen – die schon unerhört deutlich für Mittelländer sind, hier aber noch als zurückhaltend durchgehen, wenn nicht gar als schüchtern – überhaupt nicht wahrnimmt, deutet Munaria garantiert so, dass er sie absichtlich ignoriert und keinerlei amouröses Interesse signalisiert, um sie zappeln zu lassen, und das wiederum reizt sie noch mehr. Irgendwann fasst sie sich ein Herz, nimmt seine Hand und eine Kerze, geht mit ihm durch den dunklen Raum in die angrenzende Abstellkammer (Max geht natürlich davon aus, dass ihr etwas zu ihrer Forschung eingefallen ist, das sie ihm zeigen will), drückt ihn dort sanft gegen die Wand und küsst ihn. Er sieht zuerst irritiert aus, denn damit hatte er nicht gerechnet, aber hey, wenn sich die Gelegenheit bietet – aus Holz ist er schließlich nicht.

 

Irgendwann hatten sich Jen und Raif im Netz liegend zugedeckt und sind eingeschlafen, und so wird Raif von der Sonne und lautem Vogelgezwitscher geweckt, wacht neben einer nackten Jendara auf und kann es immer noch nicht fassen. Zumindest diesen Moment nimmt er noch mit und betrachtet sie nachdenklich. Irgendwann öffnet sie die Augen, er lächelt sie an und schaut dann auf die Plantage hinaus. Erst jetzt fällt ihm auf, dass er von hier aus auf eine halbe Meile zahlreichen Sklaven bei ihrer schweren Arbeit zusehen kann, während er hier oben umgeben von Luxus in einem Netz liegt. Wie wenig doch zwischen Sklaverei und Freiheit liegen kann. Ein Sklave macht auf der Treppe seine Ankunft von Weitem bemerkbar, redet auf Tashalari und bedeutet den beiden, sich anzuziehen, damit er sie mitnehmen kann.

 

Fleece wacht auf, räkelt sich und sieht nur Dr. Meranilius blättern und lesen. Wo die anderen beiden sind, weiß er auch nicht: Als er aufwachte, waren sie nicht da. Fleece macht sich auf die Suche und sieht im Nebenzimmer Max und Munaria nackt und mit ihren Kleidern zugedeckt auf einem großen Tisch schlafen. Zuerst schaut Fleece unwillkürlich erbost drein, denn es geht ja um Jen und Raif, doch dann macht sie sich klar, dass es bei ihnen nicht um jede einzelne Stunde geht, sondern dass man von Tendays, vielleicht sogar von Monaten ausgehen muss. Sie schnaubt ungläubig lächelnd, freut sich für Max und schließt leise wieder die Tür.

 

Jen und Raif werden auf Bodenebene in einen anderen Bereich des Wohnkomplexes geführt, einen prachtvollen Garten mit einem traumhaften Pavillon, in dem zum Frühstück gedeckt wurde und in dem Ierendi ängstlich und verloren wirkend steht. Unweit links davon lässt sich der unbekleidete, ölglänzende Sentirai von einer Sklavin massieren, während rechts davon Zulhaminai in einem der Swimmingpools schwimmt. Als er die Gäste nahen sieht, steht Sentirai auf, kommt ihnen schmuckbehangen, aber nackt entgegen, selbstbewusst und ohne Scham (was ihm leicht fallen dürfte, da er im Gegensatz zu vielen anderen reichen Tashalari in Topform ist), und begrüßt sie lapidar im Vorbeigehen. Er nimmt im Pavillon Platz und bedeutet Jen und Raif, es ihnen gleichzutun.

 

Mit zitternder Stimme dolmetscht Ierendi, und da sie Calishitin ist und ins Alzhedo übersetzt, fällt es ihr leicht, die dezenten, subtilen Umschreibungen zu transportieren, die jemand von einfacher Bildung nicht verstehen würde. Die beiden hätten Sentirai in eine merkwürdige Situation gebracht, und er bezweifle, dass sich Jendaras Geschichte restlos aufklären lassen wird. Dem Augenschein nach sind sie jedenfalls Sklaven. Sehr gern würde er sie ihren Qualitäten angemessen behandelt sehen, doch warum sollte er sich ihrer Dienste berauben? Weil er das alles aber so kunstvoll formuliert und Ierendi es gut ins ebenfalls sehr anspruchsvolle Alzhedo übersetzt, versteht ihn Raif nicht, Jen dagegen durchaus. Das war ihr schon klar, als Sentirai sie begrüßte: Sklaven werden nicht als wirkliche Menschen wahrgenommen, ihnen gegenüber verspürt und zeigt man keine Scham, aber bei einem freien Besucher hätte sich Sentirai etwas angezogen.

 

Raif murmelt leise zu Jen, dass er kein Wort verstanden hat, und Jen erklärt ihm, nicht ihn, sondern Sentirai ansehend, dass dieser mit ihr schlafen will, wann immer es ihm beliebt, und Zulhaminai möchte vermutlich Raif ausprobieren. Raif erwidert, dass es einen anderen Weg geben muss, aber Jen weist ihn an, still zu sein. Sie wiederholt ihre Schlussfolgerung Ierendi gegenüber, und Sentirai scheint amüsiert. Nein, Zulhaminai sei nicht an Raif interessiert – sie findet ihn nicht ansprechend –, Sentirai selbst jedoch durchaus an Jen. Darüber hinaus erwartet er bald Besuch, mit dem er handelseinig zu werden hofft, und dafür muss dieser Besuch sich hier ausgesprochen wohl fühlen. Dafür zu sorgen, werde Jens und Raifs Hauptaufgabe sein. Erfüllen sie die, können sie hier auf Surmakar sehr angenehm leben. Doch eines muss klar sein: Ihr einziger Lebenszweck besteht darin, sein Leben und das seiner Frau so angenehm wie möglich zu machen.

 

Beiläufig greift er nach Jens Bein, um es zu sich zu ziehen, doch sie streckt es nicht aus. Abrupt geht sein Kopf hoch, und sie sieht in seinem Gesicht, dass niemand es wagt, nicht zu tun, was er will, also lässt sie es notgedrungen zu. Er zieht es über seinen Schoß und legt Jen den wiedergefundenen Fußschmuck an, wobei er betont, dass er sich großzügiger verhält, als er müsste. Fügen sie sich nicht, müssen sie eben "zugeritten" werden, bis sie funktionieren.

 

Jen schilt sich eine Närrin, sich gestern zu früh gefreut zu haben. Sie weiß doch um den Stellenwert von Genusssucht und Manipulation in der tashalarischen Kultur und um den Wert von Gespielen wie ihr und Raif. Egal, was Katarai Neramus ursprüngliche Anweisung gewesen sein mag, wie die beiden zu behandeln sind – warum sollten Sentirai und Zulhaminai auf ihre Qualitäten verzichten? Das wäre aus calishitischer oder mittelländlicher Sicht anständig, aber Anstand ist in Tashalar alles andere als eine Tugend. Jeder benutzt jeden, wo und wie er kann. Da Jen und Raif von hier aus nicht weglaufen können, finden sich Sentirai und Zulhaminai sogar noch extrem großzügig, die beiden so nett zu behandeln. Man könnte ja auch ganz anders, möchte sich aber "zivilisiert" gebärden. Jemanden, der etwas im Kopf hat, durch psychischen Druck unter seine Kontrolle zu zwingen, macht außerdem mehr Spaß.

 

Jen weiß, dass sie keine Wahl haben. Sentirai hat nicht gerade den roten Teppich ausgerollt, er hat gestern schon klar gemacht, dass er sich immens großzügig zeigt und diese beiden nichts zu sagen haben, und das setzt sich heute nahtlos fort. Alaru-Abstammung hin oder her, die Neramus unterscheidet nichts von den anderen Grandenfamilien.

 

So oder so gilt es jetzt, Zeit zu erkaufen, denn schiefgehen kann und wird später noch genug, also nickt Jen. Milde gestimmt erwidert Sentirai das Nicken, lehnt sich – immer noch nackt und schamlos breitbeinig sitzend – zurück und lässt Ierendi übersetzen, dass er sich nun allerdings vergewissern muss, dass sein Onkel gut eingekauft hat. Raif steht auf und holt Luft, aber in einem schneidenden Tonfall, der keinen Widerspruch duldet, weist Jen ihn an, spazieren zu gehen. Raif will widersprechen, also bleibt Jen nichts anderes übrig, als ebenfalls aufzustehen, ihn Nasenspitze an Nasenspitze mit einer Miene einzuschüchtern, die selbst einen Ork in die Flucht schlüge, und zu wiederholen: "Tu, was ich dir sage!"

 

Mit rührend hilf- und ratlosem Gesicht macht Raif einen Schritt rückwärts, stolpert fast beim Verlassen des Pavillons, aber Jen starrt ihn weiter an, so dass er letztlich abtritt und nur noch sieht, wie sich Jen zwischen Sentirais Beine kniet und mit eindeutigen Kopfbewegungen beginnt, derweil Sentirai sie prüfend ansieht. Raif stolpert am Swimmingpool vorbei, in dem sich Zulhaminai am Beckenrand festhält, gerade einen Fruchtsaft genießt und Raif anlächelt – und er begreift, dass es ihr Freude macht, zu sehen, wie ihr Mann Raif den Willen nimmt, der einem Niemand wie ihm gar nicht zusteht – möge ihm das eine Lehre sein. Erschüttert verzieht sich Raif in der weitläufigen Gartenanlage irgendwohin, wo er seine Ruhe hat, und weint. Er weiß, Jen tut das auch für ihn, beschützt sie beide, so gut sie kann, und vielleicht – nur vielleicht! – macht ihr das gar nicht so viel aus wie ihm gerade? Die Jen, die er kennt, kann nichts erschüttern, sie ist in Körper und Willen die Stärkste der Gemeinschaft, aber er hat sie gestern so anders erlebt. Weiblich und sanft. Nein, denkt er, das kann ihr nicht nichts ausmachen.

 

Jen besinnt sich auf ihre Jahre in Memnon. Das Können und die Erfahrung hat sie, auch einen verwöhnten Granden wie Sentirai zu überzeugen, eine an Land gezogen zu haben, die im Bett zur Oberklasse gehört – sie hat gelernt, wie man jemanden dazu bringt, mehr zu wollen, koste es, was es wolle. Innerlich sagt sie sich, dass es ihre Entscheidung ist, Sentirai einen zu blasen und später garantiert mit ihm ins Bett zu gehen – um Raif zu beschützen.

 

Fleece hat sich auf den Weg gemacht, etwas zu essen zu organisieren, und kehrt gerade beladen in Dr. Thulcandras Studierstube zurück, wo sie von einem begeisterten Dr. Meranilius empfangen wird, der ihr alles abnimmt und sie zum Tisch geleitet, wo zwischen vielen ausgerollten Schriftrollen und aufgeschlagenen Büchern Fordred Gamaras' Fresko liegt.

 

Valmaxian: Wir gehen davon aus, dass wir eine Spur haben. Folgende Übersetzungsvariante ergibt Sinn. (Er deutet "vorlesend" auf die jeweiligen Glyphen, wobei er die Grammatik hineininterpretiert.) "Gehe nördlich entlang des Wassers bis zum purpurnen Fisch, dann folge dem Herzen der Schlange bis zum Berg mit der silbernen Krone." Wenn bei den Alaru von Wasser die Rede ist, ohne dass der Kontext auf einen Fluss hinweist, kann es sich nach Dr. Thulcandras Meinung nur um den Lapalsee handeln, einen riesigen Süßwassersee im Zentrum der Schwarzen Dschungel. (Er zeigt ihn auf einer Landkarte.) Er wird von fünf Zuflüssen gespeist. Im kleinsten davon, dem Anrazar, gibt es einen purpurnen Fisch, der sich sehr territorial verhält und nie bis in den See vordringt, also nur im Anrazar vorkommt, genauer gesagt an seiner Laichstelle, die er selten verlässt. Das wäre hier.

Munaria: Die Talcahuano treiben damit Handel. Bestandteile des Fisches sind, wenn sie richtig zubereitet werden, entzündungshemmend, weshalb—

Valmaxian: Der Anrazar wäre also die geografische Ausgangsposition. "Folge dem Herzen der Schlange." Das ist eine Konstellation. (Er zeigt auf eine Sternenkarte.) Die Schlange, nicht zu verwechseln mit unserer Konstellation namens Schlange, nein, sie meinten damit die Konstellation, die wir als das Ritual kennen. Dieser Stern ist das Herz, der Abendstern. (Er sieht in Fleeces ratloses Gesicht.) Er steht im Westen.

Fleece: Oh.

Valmaxian (schiebt die Karten beiseite und legt wieder das Fresko frei): Diese Zahl, wie man sieht, ist in einem schlechten Zustand. Sie sieht wie eine Dreizehn aus, nicht wahr?

Fleece: Ich weiß nicht...?

Valmaxian: Zahlen werden in Blöcken dargestellt, ein Punkt symbolisiert einen Zähler, bis zu vier können in einer Reihe stehen, ein Querstrich steht für fünf Zähler, die Punkte krönen die Striche. Hier: Zwei Striche, darüber drei Punkte.

Fleece: Dreizehn.

Valmaxian: Ich wäre beeindruckter, hätte ich des Rätsels Lösung nicht bereits genannt. Aber was, wenn das hier kein Strich ist, sondern zur Kartusche gehört, die den Block bildet?

Fleece: Dann wäre es eine Acht.

Valmaxian: Richtig. Diese Glyphe hinter der Zahl bedeutet "Schritt". Wenn wir einen astronomischen Kontext annehmen, könnte mit ihr "Strich" gemeint sein, das ist ein Winkelmaß der Alaru, analog zu unserem Bogengrad, wenn auch nicht identisch. Mit Präzession ergeben meine Berechnungen—

Fleece: Was?

Valmaxian: Präzession. Abeir-Toril ist geneigt, deshalb sieht man die Sterne an verschiedenen Stellen am Horizont. Nicht ganz unwesentlich, wenn man anhand des nächtlichen Sternenhimmels navigiert.

Munaria: Wie es die Alaru taten und einige Stämme heute noch tun.

Valmaxian: Ich habe anhand der Konstellation und der Zahlen die Route berechnet. Wenn wir davon ausgehen, dass das Fresko spätestens zur Zeit des Einfalls der calishitischen Siedler erschaffen wurde, macht das einen Unterschied von mindestens 1.800 Jahren aus. Damals deutete das Herz der Schlange nach Nordwesten, nicht genau nach Westen wie heute. Dr. Thulcandra hat das Gebiet der Talcahuano ungefähr hier verortet. Ausgehend von diesem Punkt liegt das Ziel in den Östlichen Hazurbergen, und zwar in etwa... hier.

Fleece: Gut, gehen wir davon aus, dass Kurash die gleichen Informationen hatte, würde er dann nicht—

Valmaxian: Wenn er die Acht für eine Dreizehn gehalten, aber die Präzession beachtet hätte, wäre ungefähr hier sein Ziel. Wenn er die Acht für eine Dreizehn gehalten und die Präzession nicht beachtet hätte, hier.

Fleece: Schön, sagen wir, wir erreichen den Berg. Was dann?

Valmaxian (liest wieder vor): "Mit dem Schlüssel aus dem Haus des Sz'ks'syrr am Irdenwasser..."

Meranilius: Sz'ks'syrr ist ein H'Ranga, eine Gottheit der Echsen aus der Grauen Ära. Die verblendeten Tashalari verehren ihn als Shanxar, Gott des Todes, den sie wiederum von Shan'Xaraku übernommen haben, den die Alaru verehrten.

Fleece: Ich verstehe nicht...?

Meranilius: Die Sarrukh verehrten ihre Echsengötter wie Zza'tuar, Kr'Ssir'Ssr, Sz'ks'syrr, V'ssrr, Sss'Krs'Kyr, Kr'Kon'Yssr, Kr'Thon'Chh und so weiter.

Valmaxian (vage beeindruckt ob der flüssigen Aussprache): Noch etwas schneller und dreimal hintereinander, und ich bin beeindruckt.

Meranilius: Die Echsenkulturen gingen zurück, die Zeugnisse blieben, die Uraku in Chult und die Alaru in Tashalar fanden sie, und auch wenn sie den Göttern andere Aspekte zuschrieben, setzten sie doch im Kern die Verehrung der H'Ranga fort. Und die Tashalari wiederum, ohnehin nie zimperlich, von den Völkern, die sie versklaven, alles zu übernehmen, was ihnen gefällt oder einen Vorteil verspricht, bedienten sich wiederum bei den Alaru. So wurde aus Zza'tuar Satwa, aus Kr'Ssir'Ssr Kyrysir, aus Kr'Kon'Yssr Karkon und so fort. (Er sieht zur ihn missbilligend musternden Munaria.) Entschuldigung. Ähem, wie dem auch sei, diese Glyphen hier... Erde, Wasser... haben uns das größte Rätsel aufgegeben. Ohne Dr. Thulcandras Bücher hätten wir wohl nie herausgefunden—

Valmaxian (zeigt auf der Landkarte): Der Palanai. Vor über zweitausend Jahren gab es an seinen Ufern eine Alaru-Stadt.

Munaria: Sein Schlamm ist sowohl fruchtbar als auch sehr mineralhaltig. Perfekte Bedingungen nicht nur für Ackerbau, sondern auch für Siedlungsbau, wenn man Mörtel aus ihm herstellt. Erde, Wasser. Irdenwasser. Ich wusste, ich hatte diese Kombination schon mal irgendwo gelesen, ich wusste nur nicht—

Valmaxian: Zurück zur Stadt. Ihr Name ist in Vergessenheit geraten, und es sind nur noch einige Ruinen davon übrig. Sollte man den Sz'ks'syrr-Tempel dort nicht finden, kann man sich die Bergbesteigung wohl von vornherein sparen.

Fleece (zeigt auf einen Punkt an der Mündung, wo der Palanai in die Leuchtende See fließt): Was ist das da?

Munaria: Teomura. Eigentlich nur ein kleines Dorf, aber es dient als Treffpunkt und Umschlagslager für allerlei Güter aus dem Dschungel, die teilweise aus dem Urwald geholt, größtenteils aber den Alaru abgekauft werden: aromatische Kakaobohnen und Vanilleschoten, scharfe Pfefferkörner und Zwiebeln, aus Lianenfäden gewobene Scheinseide, das Aufputschmittel Moarana, der aus Beeren gekelterte Mohaska-Wein, verschiedene Färbe- und Duftmittel...

Fleece: Und die Alaru-Stadt?

Valmaxian: Liegt flussaufwärts.

Fleece: Also noch in der Tiefebene? (Sie sieht, dass hier auf der Karte keine Wälder eingezeichnet sind.) Ich dachte immer, die Alaru hätten nur die Schwarzen Dschungel bewohnt?

Munaria: Das ist, als würdet Ihr sagen: "Ich dachte immer, die Menschen leben nur in Städten." Die Alaru sind vielfältiger, als Ihr Euch vorstellen könnt. Jedoch... das ist schon sehr hoch gelegenes Gelände. Ich weiß nicht, ob man bereits vom Fuß der Hazurberge sprechen kann, aber es ist sehr unwegsam, und der Urwald beginnt dort eigentlich auch gleich.

Fleece: Ihr wart schon dort?

Munaria: Aber natürlich!

Fleece: Sehr gut. Also, der Schlüssel aus dem Haus des Shanxar. Und weiter?

Valmaxian deutet nur auf die Bruchstelle, an dem das Fresko aus seinem Rahmen gebrochen wurde, weshalb die restlichen Glyphen fehlen.

Fleece: Bitte was? Der Schlüssel aus dem Haus des Shanxar, und das war's? (Valmaxian zuckt in gleichmütiger "Ich kann's nicht ändern"-Geste die Achseln.) Und was hat das jetzt mit dem Pfad der Sterne zu tun?

Meranilius: Das geht aus dem Fresko nicht hervor, aber es ist schließlich unvollständig.

Fleece: Also wissen wir gar nicht, ob—

Meranilius (energisch): Fordred Gamaras war dem Pfad der Sterne auf der Spur, und für ihn schien sie heiß zu sein. Und dieses Fresko ist unsere einzige Spur.

Fleece: Wenn Kurash so einen großen Vorsprung hat... und wenn man erst die Ruinen am Palanai durchsuchen muss, bevor man den Berg besteigt... dann ist der Schlüssel möglicherweise gar nicht mehr da. Dann spielt es keine Rolle, ob Kurash an der falschen Stelle sucht – trotzdem hätte er den Schlüssel.

Valmaxian: Damit ist kein tatsächlicher Schlüssel gemeint. Das Prinzip von Schloss und Schlüssel wurde von der Alaru-Kultur nie entwickelt. Die Glyphe bedeutet "Weg". Es kann ein Hinweis sein, ein Quipu, ein simples Symbol, eigentlich alles Mögliche.

Meranilius: Harukar ist schrecklich arrogant und nimmt nur im äußersten Notfall fremde Hilfe in Anspruch. Er bildet sich ein, dass, wenn er es nicht weiß, es auch nicht wissenswert ist. Ohne eine Spezialistin auf diesem Gebiet wären Magister Valmaxian und ich aufgeschmissen gewesen. Ich denke, er wird sich gesagt haben: "Gut, ich besteige erst mal den Berg, dann sehe ich weiter, ob ich auch ohne diesen Schlüssel zurechtkomme." Tymora hat ihn zu oft beschenkt – er schiebt das Glück, das ihn durch seine Karriere begleitet, auf sein eigenes Können.

Fleece (atmet durch, nickt dann): Also schön. Tun wir's. Leute? Verdammt gute Arbeit.

 

Als Jen mit Sentirai fertig ist, hat sie ihn da, wo sie ihn haben will: Er ist begeistert, aber das war nur der Vorgeschmack. Natürlich will er sie heute Abend sehen, damit er ihre restlichen Qualitäten in Ruhe in Augenschein nehmen kann. Raif sitzt oben im Gästehaus am Geländer und hört Jen heraufkommen. Er versucht sie anzusprechen, aber sie winkt nur ab und geht auf eine andere Etage, wo er nichts mehr von ihr hört.

 

In Tashluta begeben sich Amaraeus und Max zur Endeavour, um Teremon zu informieren, damit jetzt Vorräte gekauft werden, denn morgen früh soll es losgehen. Der Plan ist, den Reiseanweisungen des Freskos aus der "falschen" Richtung zu folgen, nämlich von der Küste kommend die östlichen Bergausläufer zu umrunden und dann von der Ruinenstadt aus in die Berge zu gehen. Dr. Thulcandra ist Feuer und Flamme, mitzukommen, denn sie freut sich, endlich mal wieder Feldforschung betreiben zu können, ohne monatelang um eine Genehmigung betteln zu müssen – und wenn diese Abenteurer finden, wonach sie suchen, und Munaria veröffentlicht die Ergebnisse, wird sie nie wieder um Mittel betteln müssen. Ihre Aufgabe wird es nun sein, im Tempel des Shanxar nach dem "Schlüssel" zu suchen und am nördlichen Fuß der Berge die Shemu ausfindig zu machen und sie dazu zu bringen, die Gruppe zu führen.

 

Fleece trommelt die anderen aus dem Jaspisdrachen und dem Ban Banoi zusammen und erläutert vorsichtshalber keine Details, sondern teilt nur mit, dass sie ihre Spur gefunden haben und morgen aufbrechen wollen, also möge jeder, der noch etwas braucht, es heute besorgen. Auch Fleece wird nachher noch einen guten Teil des Geldes für Heiltränke auf den Kopf hauen, die hier in Tashluta vermutlich sehr teuer sein werden. Sie hofft, dass Munaria vielleicht ein gutes Wort bei der magischen Fakultät der Universität einlegen kann – eventuell kann man dort zum Vorzugspreis etwas erwerben.

 

Dann zieht sich Fleece mit Spider zu einem Vier-Augen-Gespräch zurück und erklärt ihm, dass sie Caldaia selbstverständlich nicht auf diese beschwerliche und vor allem gefährliche Reise mitnehmen wird – sie soll an Bord der Endeavour warten. Fleece möchte sie dort aber nicht schutzlos zurücklassen. Mehr muss sie nicht sagen, Spider nickt bereits ohne einen besonderen Gesichtsausdruck. Fleece weiß nicht, ob und wie sehr sie ihm weh tut, denn er bleibt immer zurück, ohne zu murren, und hier könnte er mit von der Partie sein und sich sehr nützlich machen – aber er ist auf sich allein gestellt auch der Mächtigste von ihnen allen, und wenn Fleece nur einen bei Caldaia zurücklässt, muss er es sein, auch wenn Caldaia das nicht mal zu schätzen wissen wird, da sie Angst vor dem Tiefling hat.

 

Milandre passt Fleece bei ihrer Rückkehr zum Tisch ab und bittet ebenfalls um ein Gespräch. Sie fragt unsicher, was denn nun mit dem Challenger ist. Raif sei ja nicht hier, und der Challenger sei schließlich eine mächtige Waffe – natürlich erst, wenn man das Schiff verlassen habe, und Milandre könne damit ja eh nicht weglaufen. Fleece stoppt sie, bevor sich Milandre vor unterschwelliger Nervosität um Kopf und Kragen redet, und macht ihr klar, dass Fleece als Raifs Stellvertreterin in seinem Sinne zu handeln gedenkt, was bedeutet, dass Milandre in dessen Abwesenheit den Challenger nicht haben kann. Nichts Persönliches, aber Fleece kenne Milandre nicht sonderlich gut, und diese glaube ja gar nicht, welche Ideen auch die rationalsten Menschen im Laufe der Zeit im Stillen entwickeln können – zum Beispiel die, Tempus' Willen besser zu erkennen als der Geist von Sir Coren, mit dem Raif gesprochen hatte, und den Challenger auf eigene Faust nach Hause bringen zu wollen.

 

Tulwood erfährt, dass er sich von Kiali verabschieden muss, der Fleece aber noch etwas Startkapital überlässt in der Hoffnung, dass sie sich eine normale Arbeit sucht und sich nicht verkaufen muss. (Aber so ist Kiali durchs Leben gekommen, und zu dieser Strategie wird sie vermutlich zurückkehren.) Typisch für Tulwood: Nun, da er sie hatte, fällt es ihm leichter, sie gehen zu lassen, zumal ein weiteres Abenteuer wartet, in dem er sich endlich beweisen kann – oder er versagt erneut ein ums andere Mal...

 

Am Abend sucht Jen auf Gut Surmakar in einem leichten Kleid Sentirais Privatgemächer auf, wo sie auf seinen Befehl hin das Kleid fallen lässt, und darunter kommen lediglich strategisch gebundene Stoffstreifen zum Vorschein, die nur das Nötigste bedecken. Er behandelt sie nicht wie eine niedere Sklavin (er weiß schließlich, dass sie ein Luxusgut darstellt), aber auch nicht wie einen Gast. Sentirai plaudert vor sich hin, wissend, dass sie ihn nicht versteht, und bedeutet ihr, ihn zu bedienen, was sie gezwungenermaßen auch tut. Schließlich kommt das Unvermeidliche, und erneut greift Jen in ihre Trickkiste und überzeugt ihn davon, die beste Lustsklavin zu sein, die Geld kaufen kann. Dabei spielt sie ihm keine Orgasmen vor, gibt sich professionell und tastet sich heran, wie viel Kontrolle er sie ausüben lässt – und wie sich herausstellt, ergibt er sich schnell ihrer Dominanz und genießt sie. Als sie mit ihm fertig ist, versucht er zwar, sich nicht viel anmerken zu lassen, aber Jen weiß, er ist restlos begeistert.

 

Als sie mitten in der Nacht zurückkehrt, wartet Raif erneut oben. Sie sieht aber nicht hinauf, sondern zieht sich aus und steigt in den Swimmingpool, der zu dem Gästehaus gehört, um sich zu reinigen und den Duft von Sentirais Körperöl loszuwerden. Raif würde sie so gern trösten, weiß aber, er würde alles nur noch schlimmer für sie machen, nähme er das, was passiert ist, offiziell zur Kenntis.

 

Während am nächsten Morgen die Endeavour mit den Abenteurern und Dr. Thulcandra an Bord ablegt, informiert Ierendi Jen und Raif, dass die Herrschaften sie ihnen als ständige Begleiterin abgestellt haben, um jederzeit die Kommunikation zu gewährleisten. Die Herrschaften erwarten, dass sie Jen und Raif Tashalari beibringt. Sollten sie es in einem Monat nicht zufriedenstellend beherrschen, ist Ierendi des Todes, weil sie versagt hat. Dass ein Monat viel zu wenig für eine so komplexe und anspruchsvolle Sprache ist, ist den Neramus garantiert auch klar. Vermutlich ist das ihr Begriff von "Unterhaltung". Außerdem zeigt diese Ansage, dass sie wohl nicht planen, Jen und Raif so bald wieder gehen zu lassen.

 

Glücklicherweise musste Sentirai heute Morgen kurzfristig verreisen, so dass Jen zumindest vorerst weitere Begegnungen erspart bleiben. Raif gegenüber tut sie so, als sei alles ganz normal, und er tut das Seine, um die Illusion für sie aufrecht zu erhalten. Die beiden nehmen Sentirais Drohung sehr ernst und üben mit Ierendi, was das Zeug hält. (Dass beide Alzhedo sprechen, erleichtert das Erlernen der Grammatik, erschwert aber das Erlernen der Vokabeln, weil ähnlich lautende Worte andere Bedeutungen haben und die Aussprache selbst bei Gleichschreibung sehr irreführend von der des Alzhedo abweicht.) Jen hat Ierendi wissen lassen, dass sie nicht zulassen wird, dass ihr etwas geschieht. Gut, wenn es so käme, könnte sie es nicht verhindern, aber zumindest hat sie es gesagt, und Ierendi ist dankbar dafür.

 

An Hashoias Behandlung der beiden kann man ihren Status ablesen: Sie verhält sich ihnen gegenüber nicht unterwürfig, sondern stolz, aber dennoch gezwungen höflich, obgleich man ihr anmerkt, dass sie sie hasst. Ja, Jen und Raif sind Sklaven, aber offenbar haben die Neramus Hashoia zu verstehen gegeben, dass sie ihrem Befehl nicht unterstehen. In der Tat können sie sich die Zeit vertreiben, wie sie wollen, und bisher ist jeder ihrer Wünsche erfüllt worden, aber für Jen ist das nicht ungewöhnlich: Sie weiß, dass wertvolle Luxussklaven gut behandelt werden.

 

Mit mehreren Booten setzen die Abenteurer im Delphingolf zum idyllischen Dorf Teomura über: Dr. Thulcandra, ihre Assistentin Sivariu, Dr. Meranilius, sein Assistent Jiv Hiriel, Valmaxian, Fleece, Zhai, Milandre, Tulwood, J'avo und Skaar nebst einem Dutzend Matrosen als Träger und Baltram, der sie anführt. Teomura mag klein sein, aber dem Dorf geht es gut, und Munaria und Sivariu kennen hier Land und Leute. Sehr herzlich begrüßen sie Manaq, einen entflohenen Sklaven vom Stamm der Tocamuyak (der inzwischen vollständig versklavt wurde und nicht mehr in Freiheit existiert), der hier in Teomura lebt und als ortskundiger Jäger und Führer arbeitet und sich natürlich freut, wieder für Munaria tätig zu werden. Fleece weiß, dass es in die Berge geht, und verzichtet darauf, ihre Truhe mitzunehmen. Sie hat die temporäre Bindung auf Spider gelegt und analog zu "Hab ich das Licht ausgemacht? Das Bügeleisen ausgeschaltet?" x-mal nachgeschaut, ob sie auch nichts vergessen hat. Caldaia und Spider sind bis nach Teomura mitgekommen, um sich vernünftig zu verabschieden. Die Abenteurer genießen noch einen letzten Drink und frischen ihre Vorräte auf, dann wandern sie flussaufwärts.

 

Die 25-köpfige Expedition marschiert den majestätischen, träge dahinfließenden Palanai hinauf und sieht von Weitem eine große Herde zweibeiniger Echsen, doch Manaq beruhigt sie: Das sind Ashai, grasende Pflanzenfresser, absolut harmlos. Bei einem atemberaubend idyllischen Zufluss zum Palanai mit Stufenwasserfällen und um die Wette blühenden bunten Blumen wird das Lager errichtet (Fleece wünschte, Kithain könnte diesen Anblick mit ihr genießen), und Fleece hört mithilfe der dolmetschenden Munaria Manaq zu, den sie als sehr ernsthaft, interessant, geradezu seriös empfindet. Sie ertappt sich dabei, sich insgeheim zu fragen: 'Konnte Bran nicht den mitbringen?' Das führt sie zu der Frage, was sie eigentlich so an J'avo stört, und kommt auf zweierlei: Erstens weiß sie um seine Vergangenheit. Und ja, sie weiß auch, dass man oft keine Wahl hat, aber das macht nicht ungeschehen, dass er Unschuldige überfallen hat. Andererseits: Das hatten Raveena und Spider auch...

 

Zweitens ist er durch seine Vergangenheit so mit chondathanischer Sprache und Gebaren vertraut, also so beziehbar und anscheinend zugänglich und "vertraut" wirkend, dass er schon wieder nicht fremd genug wirkt – als würde er sich die ganze Zeit verstellen, denn ein Zuma aus dem Leuchtenden Süden muss sich doch viel stärker von den anderen unterscheiden als er, oder nicht?

 

Am nächsten Morgen, kurz vorm Aufstehen, gehen laute Warnrufe durchs Lager, und kaum sind die meisten schlaftrunken ins Freie getaumelt, springt und brüllt schon alles panisch durcheinander, denn die Ashai rennen in einer wilden Stampede durch das Lager und verwüsten es – auf der Flucht vor einem riesigen Ungetüm, das ein südlicher Verwandter des Behir sein muss: grün statt blau, etwas andere Optik, und es spuckt Säure statt Blitze. In einem wilden Kampf am schlammigen Ufer des Palanai werden Milandre und Skaar schwer von der Säure verletzt, und ein Schwanzfeger bricht Tulwoods Beine. Valmaxians Slow macht den Riesenunterschied, denn es raubt dem Biest die Mobilität, und sein Luminous Swarm kostet ihn sogar ein paar Angriffe. Zwar hat er nur einmal Resist Energy vorbereitet, aber das wirft er auf Manaq, der, als schon fast alle anderen echten Kämpfer ausgeschieden sind, zusammen mit J'avo die Aggression des Behirs auf sich lenkt (Resist Energy schluckt immerhin 30 Punkte Säureschaden pro Angriff), so dass Zhai den Kopf des Ungeheuers erklimmen und es mit Attacken auf seinen Hals zu Boden zwingen kann, wo der Rest es gemeinsam zu Tode hackt.

 

Milandre und Skaar sind unzweifelhaft dem Tode geweiht, so dass Fleece einige ihrer stärksten Heiltränke verbrauchen muss, um die beiden zumindest halbwegs wiederherzustellen. Auch Tulwood muss wegen seiner gebrochenen Beine geheilt werden, ebenso Raelan, dem mit einem Tritt der Brustkasten eingedrückt wurde. Ein Matrose ist tot, die Vorräte sind nur leicht in Mitleidenschaft gezogen worden, die Zelte kann man flicken, aber Ban Bashurs Zelt, neben der Truhe der größte Schatz der Gemeinschaft, hat es am schwersten erwischt. Valmaxian analysiert es mit Detect Magic und stellt fest, dass es so fundamental beschädigt wurde, dass die Magie entwichen ist: Es ist nur noch ein zerrissenes, zertrampeltes Zelt und so schwer beschädigt, dass es nicht mal als das noch zu gebrauchen ist.

 

Man rafft seine Siebensachen zusammen und wandert weiter. Bald kann man überwucherte Reste von Grundmauern erkennen (die meisten Gebäude bestanden aus Lehm und Holz, von denen gibt es also überhaupt keine Spuren mehr), aber Munaria deutet das weiter stark ansteigende Gelände hinauf – der "verlorene Stamm" (so genannt, weil niemand mehr weiß, wie er hieß) erwies seinen Göttern so viel Ehre, dass in großem Abstand zu den Tempeln und Schreinen keine profanen Bauten errichtet werden durften, und die Bauorte dieser Anlagen wiederum richteten sich nach heute nicht mehr nachvollziehbaren Gesichtspunkten. Sie liegen dementsprechend fernab des bewohnten Bereichs weit verstreut in einem Gebiet, das die Wissenschaftler "Tempelberg" getauft haben. Sämtliche Straßen und Wege sind wegen des abschüssigen Geländes in 2.000 Jahren jedoch erodiert, so dass man einen beschwerlichen Umweg nehmen muss.

 

Zulhaminai lässt alle informieren, dass Surmakar sich auf das Eintreffen von Gästen vorbereitet. Es werden Kymanai Neramu und Karaqana Danhamur erwartet, und diesen ist jeder Wunsch von den Augen abzulesen. Ierendi steckt Jen und Raif, dass Ersterer einer von Katarais Söhnen ist und für Haus Neramu mit Barashau Danhamur, Karaqanas Vater, über irgendeinen Erwerb in Verhandlungen steht. Jen bittet sie, herauszufinden, ob die Danhamurs etwas mit den Hamurs zu tun haben: Ja, die Familie Danhamur ist vor Generationen aus einem Hamur-Bastard hervorgegangen, dann aber selbst zu Macht und Einfluss gelangt. (Das "Dan-" vor dem Namen bezeichnet genau dieses Prinzip, analog zu Fitzpatrick, Fitzgerald etc.)

 

Zulhaminai lässt Jen holen und sie gegen einen der Wächter im waffenlosen Kampf antreten. Jen besiegt ihren Gegner, aber nicht mit links, denn Zulhaminai hat einen der besseren ausgesucht. Die Herrin scheint zufrieden, und Jens Blessuren werden mit Kräutern und Tinkturen behandelt, um sie schnell wieder abklingen zu lassen.

 

Am frühen Abend erreicht die nur noch 24-köpfige Expedition einen idyllischen See, aus dem zahllose Flamingos aufsteigen, als die Menschen ankommen (Uncharted – Lost Legacy, Save 7). In der langgestreckten Höhle hinter dem Wasserfall ist man gut geschützt, schlägt dort also sein Lager auf. Skaar ist immer noch betrübt, dass er den Behir nicht selbst erschlagen konnte (obwohl er ihm den größten Schaden eingeschenkt hat). Milandre hat noch nie gegen ein so großes Ungeheuer gekämpft, und was noch schlimmer ist: Sie hat noch nie im Leben so unerträgliche Schmerzen ausgestanden, die nach Verabreichung der Tränke fast wie weggeblasen waren. (Um nichts zu verschwenden, wurde sie nicht auf volle HP gebracht, so dass ihre Haut am Großteil des Körpers immer noch gerötet ist.) Dennoch schmerzt die Kleidung auf ihrem Körper. Fleece bietet ihr an, sie mit Wundsalbe zu behandeln, aber Milandre zieht sich von den anderen zurück, entkleidet sich und erledigt das selber, denn auch an ihrem Körper hat sie viele Narben, derer sie sich schämt.

 

Anstandshalber spannt man eine Zeltplane zwischen zwei Zeltstangen, so dass man Sichtschutz hat und Männer und Frauen getrennt voneinander unter dem Wasserfall duschen können. Fleece hört dabei mit, wie Manaq J'avo zu seinem Pferdegehänge beglückwünscht (weil Max das für Baltram übersetzt), da bei den Tocamuyak der Phallus als Symbol der Stärke gilt – aber nur solange, bis sich Skaar zu den Männern gesellt und blankzieht. Sein Gerät schießt natürlich den Vogel ab. Die Damen können darüber nur den Kopf schütteln.

 

Die Frauenseite ist nicht gerade gut besucht: Fleece, Munaria und Sivariu sind die einzigen dort, denn von Milandre ist nichts zu sehen, und Zhai bleibt halb angekleidet abseits. Bei Gelegenheiten wie diesen möchte sie ihre Hautfarbe nicht ins Rampenlicht rücken, denn je mehr sie von sich zeigt, desto bewusster ist ihr, wie anders sie aussieht. Jewel, hat sie gehört, habe einen elfischen Vater und eine Halblingmutter (die Wahrheit kennt selbst Jewel erst seit Kurzem und sonst niemand), sieht aber aus wie eine reinblütige Mondelfe. Warum nur muss Zhai ganz und gar wie eine Drow aussehen?

 

Im Laufe der Zeit haben Jen und Raif sich auf Surmakar zurechtgefunden und "eingelebt". Zwar gehören sie weder zu den Arbeits- noch zu den Haussklaven, haben durch Ierendi aber eine gute Verbindung und auch eine Fürsprecherin, da sie sie gut behandeln und sich wirklich Mühe geben, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. So haben sie z. B. erfahren, dass ihr Spitzname unter den Sklaven "die Keldorans" ist, weil sie beide blond sind. (Die Keldorans, eine der mächtigsten Grandenfamilien, haben es als Nachfahren von Kolonisten aus Baldur's Gate bis heute geschafft, ihr Blut rein zu halten.) Über ihre Herrschaften haben sie erfahren, dass Sentirai der Sohn von Katarais Bruder und Zulhaminai die Tochter von Katarais Schwester ist, und diese beiden Cousins haben geheiratet. Auch haben sie gelernt, dass der Kult des tashalarischen Gottes der Magie, Visar, die geheimnisvollen Visaru hervorgebracht hat. Visar ist der geheimnisvolle Wissende und der Spender der Magie, der für tiefe Einblicke Opfer verlangt. Seine Anhänger opfern ihr Augenlicht, um sich nicht vom Schein der Dinge ablenken zu lassen. Dafür jedoch erhalten sie, wenn sie sich als würdig erwiesen haben, die mystische Fähigkeit, ihre Umwelt übersinnlich wahrzunehmen, Gerüchten zufolge sogar mehr als andere Menschen. (Wer an der Prüfung scheitert, bleibt blind und wird magisch ausgebrannt.) Die sehr in sich gekehrten Visaru werden danach vom Visar-Tempel einer Familie zugewiesen, die den Tempel dafür entsprechend fürstlich entlohnt hat. Jen erinnert sich an Nafrayu, Nerus Visaru, die sich eventuell den Zorn ihres Familienoberhaupts zugezogen und ihr Heil bei den Piraten gesucht hat. Hashandra, Sentirais Visaru, ist ihrer Profession entsprechend auch die rätselhafteste und unnahbarste Bewohnerin Surmakars, aber wie alle Visaru ihrem Herrn treu ergeben.

 

Am Morgen geht es für die Expedition gleich weiter, und schon erreicht sie den Tempelberg (Uncharted – Lost Legacy, Save 2), durch den mehrere Flüsse und Bäche laufen, die über Wasserfälle den Palanai speisen. Munaria hat unterwegs erzählt, dass der verlorene Stamm im Krieg mit den Cuori lag, ebenfalls einem schon lange ausgestorbenen Stamm, von dem aber gute Zeugnisse überliefert sind.

 

Das hügelig ansteigende Terrain ist unwegsam und unüberschaubar, aber wunderschön, und Fleece staunt einmal mehr, wie abwechslungsreich sich der Leuchtende Süden gibt, wird er doch meistens nur mit undurchdringlichem Urwald assoziiert. Nun muss also jedes einzelne dieser Gebäude (die teilweise extrem unzugänglich gelegen sind) in Augenschein genommen werden, denn hoffentlich ist einer der Tempel oder Schreine Sz'ks'syrr geweiht. Natürlich weiß man gleich, dass das im günstigsten Falle den ganzen Tag dauern wird, also errichtet man am Zufluss zum Palanai bei den Wasserfällen ein Hauptlager, und in zwei Teams (Munaria im einen, Meranilius und Valmaxian im anderen) wird der Tempelberg untersucht (Uncharted – Lost Legacy, Save 8 und 9).

 

Fleece bestaunt die Baukunst, die sich über Jahrtausende gehalten hat. Munaria erklärt ihr, dass die Alaru einst gewaltige Reiche errichtet hatten (vor allem, indem sie gegnerische Stämme versklavten), aber mit der Anlandung calishitischer Siedler um -500 DR herum änderte sich alles. Nun waren sie es, die versklavt wurden. Sie lernten schnell, dass man in kleineren, mobileren Gruppen besser in der Lage war, den Sklavenjägern zu entgehen, und so gingen Bildung und Zivilisation mehr und mehr zurück, und aus den Alaru wurden die "primitiven Wilden", die man heute kennt. Mit den Uraku kennt sich Munaria nicht so gut aus, weiß aber, dass es dort ganz ähnlich ablief.

 

Währenddessen kommen Kymanai Neramu und Karaqana Danhamur (Vanessa Hudgens) auf Gut Surmakar an. Kymanais Gefolge ist naturgemäß groß, das von Karaqana dagegen sehr klein (Karaqanas riesiger Zuma-Leibwächter (Dalip Singh Rana), einige Wachen und einige Sklaven, die das Gepäck tragen). Die Belegschaft versammelt sich, die Gäste zu begrüßen, darunter natürlich auch Jen und Raif, und danach werden die Neuankömmlinge in den Gästehäusern untergebracht, Kymanai natürlich im größten, Karaqana im zweitgrößten. Beim feudalen Abendessen sitzen Jen und Raif  natürlich nicht am Tisch (Sklaven haben außerhalb der offiziellen Anlässe zu essen), sondern halten sich an einem anderen Tisch bereit. Schließlich kündigt Zulhaminai (wie vorher besprochen) eine Lustsklavin an, die die edlen Gäste überraschen wird. Man zieht auf den Balkon um, und unten lässt Jen das Seidenkleid fallen (darunter kommt Schmuck zum Vorschein, der so raffiniert auf ihrem Körper platziert und befestigt wurde, dass er alles Wesentliche be- und doch wenig verdeckt) und tritt in einen vorbereiteten Ring. Fünf Männer greifen sie an, die sie akrobatisch besiegt. (Sie hatte die Erlaubnis, richtig zuzulangen, damit das Zuschauen auch Spaß macht, heilen kann man die Besiegten dann immer noch. Gleichzeitig merkt Jen aber, dass die Wachen offenbar angewiesen wurden, mit ihr vorsichtig umzugehen – sie will man halt nicht beschädigen.) Danach misst sie sich mit dem Wächter von neulich, der schon eher ihre Kragenweite ist, aber erneut auf die Bretter geht.

 

Karaqana meint amüsiert, dass sie sehen möchte, wie Jen gegen R'a'ilo antritt, ihren hünenhaften Leibwächter. Das kann Sentirai schlecht ablehnen, und so geht der Furcht erregende Brocken runter zu Jen, und los geht's. Den Zuschauern bleibt die Spucke weg, wie schnell und geschickt Jen den Riesen umtänzelt, zumal man weiß: Jeder Schlag von ihm kann entscheidend sein, denn wo er hinlangt, wächst kein Gras mehr. Schließlich tanzt Jen den Tanz der Morgenröte, und zahllose Nadelstiche machen R'a'ilo fertig. (Hätte er sie auch nur einmal richtig getroffen, wären Rippen, Kiefer oder ähnliches gebrochen worden, und es hätte anders ausgehen können.) Mit seinem überdrehtem Arm im Griff kniet sie auf seiner Halsschlagader und schickt ihn ins Reich der Träume. Um ihn wird man sich gut kümmern müssen, denn zahlreiche gebrochene Rippen, überdehnte Bänder und Blutergüsse würden ihn ohne magische Behandlung ans Bett fesseln.

 

Jen weiß um ihre Einzigartigkeit: Garantiert hat Sentirai sie als erlesene Lustsklavin angepriesen, und dann stellt sich heraus, dass sie auch noch eine gute und vor allem exotische Kämpferin ist. Sie geht jede Wette ein, dass Kymanai oben Sentirai gerade fragt, wann Jen ihn besuchen kann. Vielleicht wäre es besser gewesen, ein, zwei Schläge durchkommen zu lassen, um sie so zuzurichten, dass man sie zumindest heute Abend nicht haben möchte, und sie verflucht sich dafür, im Eifer des Gefechts nicht daran gedacht zu haben. (Andererseits: Dann hätte man sie eben magisch geheilt.) Sie macht sich frisch und kehrt in ihrem extrem aufreizenden Aufzug wieder nach oben zurück.

 

Was ihn selbst betrifft, ist Raif sehr erleichtert: Er hatte sich schon eine hässliche, 200 Stein schwere Grandessa ausgemalt, aber Karaqana ist durchaus hübsch, und sie lacht gern und viel. Noch dankt er Tymora für das Glück, das sie ihm schenkt, nicht ahnend, dass er dazu sehr bald nicht mehr viel Veranlassung haben wird.

 

Vom Hauptlager aus haben die Abenteurer einen wunderschönen Blick (Beginn der Western Ghats in der Location des ersten Kampfes). Tulwood hat diesmal ordentlich mitgekämpft, aber durch sein häufiges Versagen (und weil er sich an den altgedienten Helden misst) kann er das nicht so sehen, denn letztlich setzte ihn die letzte Attacke des Ungetüms ja außer Gefecht. Diesmal ist es Milandre, die ihm Mut zuspricht, wenn auch nur, um sich von ihren eigenen Nöten abzulenken.

 

Fleece hat gerade Skaar getröstet (der den Behir selbst besiegen wollte) und setzt sich zu Zhai an die Kante, lässt aber nicht waghalsig die Beine über den Rand baumeln wie ihre Freundin. Fleece weiß, dass Zhai immerzu an Raif denken muss, der ihr neben Fleece mit Abstand am nächsten steht, und natürlich fragt sich Zhai prompt laut, wie es ihm wohl gerade geht. Über Umwege kommt das Gespräch auf Zhais und Raifs einzige Nacht miteinander (in der Nähe von Milvian Bridge im Frühling 1372 DR, keine Stunde nach Fleeces Ritterschlag). Fleece möchte so etwas eigentlich gar nicht hören, zumal sie dachte, als sie im Nachhinein durch Zufall davon erfuhr, dass Raif seinem Kerbholz einfach nur eine weitere Kerbe hinzugefügt hatte. Zhai aber vertraut ihr an, dass sie ihn darum gebeten und er sich lange geziert hatte. Melancholisch meint Zhai, dass Fleece vielleicht manchmal nicht so von Raif denke, wie er es verdiene.

 

Dieser wird schließlich zu Karaqanas Gästehaus geschickt. Die Visaru Hashandra wartet schon hier, belegt Karaqana und Raif mit Minor Tongues, geht wieder und lässt die beiden mit Karaqanas Leibsklavin Maiuri allein. (Raif weiß inzwischen, dass Leibsklaven immer dabei sind, auch beim Sex, falls Herr oder Herrin etwas braucht.) Für Raif spricht Karaqana nun Chondathanisch und für Karaqana spricht Raif Tashalari. Karaqana sieht Raif nicht mal an, gibt nur kühle, knappe Anweisungen, als hätte sie es nicht mit einem Menschen, sondern mit einem Automaten zu tun. Raif merkt sehr schnell, dass sie unter ihresgleichen nett war – dass er selbst aber nur ein intelligenter Einrichtungsgegenstand ist. Sie weist im Vorbeigehen auf einen bereitgestellten Trunk und befiehlt Raif, ihn zu trinken. Er kennt ihn ja bereits und meint, angesichts ihrer Schönheit brauche er ihn nicht. Karaqana dreht sich blitzartig um, geht zügig auf ihn zu und versetzt ihm eine wirklich schmerzhafte Ohrfeige.

 

Karaqana (mit Dolchen in den Augen): Hast du mir gerade widersprochen, Seo?

Raif (lächelt sein schnaubendes Raif-Lächeln, wie so oft, wenn er überrascht ist, sieht zu Boden und wieder zu Karaqana): Nein, Sa'uri Danhamur. Ich fand nur, dass Ihr dieses... dieses Zeug gar nicht erst hinstellen solltet. Kein Mann, der bei Euch liegen darf, wird es je brauchen.

Karaqana (dreht sich wieder um und zieht sich im Gehen aus): Du bist nicht zum Süßholzraspeln hier, sondern um mich zu ficken. Trink und komm her.

 

Raif reibt sich mit einem "Scheiße, tut das weh!"-Gesichtsausdruck die Wange, sobald sie ihn nicht mehr ansieht, schaut in einer witzigen Szene Maiuri mit einer "Mann, die ist knallhart, oder?"-Miene an, Maiuri blickt aber nur ausdruckslos zurück, und so bleibt ihm nichts übrig, als zu trinken wie befohlen. Ebenfalls im Gehen zieht er sich aus, zumal das Beinkleid bereits knapp wird. Karaqana sieht mit einem "Na toll"-Gesichtsausdruck auf seine Erektion, da man, wenn man reich ist, natürlich Lustsklaven mit deutlich überdurchschnittlicher Ausstattung gewohnt ist, und wartet. Raif versucht, Maiuri, die nur zwei Schritt vom Bett entfernt sitzt und zusieht (um sicherzustellen, dass ihrer Herrin nichts passiert), so gut wie möglich zu ignorieren. Er war zwar schon auf zwei Orgien, aber hier in einer Situation, in der zwei Menschen allein sein sollten, ist ihm das sehr unangenehm. Er versucht, Karaqana zu küssen, aber sie dreht grob mit der Hand seinen Kopf weg und schiebt ihn runter. Ganz folgsam ist er aber nicht: Er riskiert, ein Stück wieder hochzukommen, um nicht direkt unter dem Bauchnabel zu beginnen, sondern sich erst mal um den Hals zu kümmern. Dabei spürt er, wie Karaqanas Hand zuckt, aber nichts passiert, sie lässt ihn gewähren. Raif hatte schon immer die Gabe, sich diesen Sinnenfreuden ganz hinzugeben, aber wenn er Eindruck machen will, muss er schon selbst in Stimmung kommen, und so konzentriert er sich auf den hübschen, zierlichen Körper und nicht auf die kalte, gemeine Person, die in ihm steckt.

 

In aller Herrgottsfrühe brechen auf dem Tempelberg die beiden Teams wieder auf. Tulwood ist tatsächlich etwas stolz auf sich, als er eine Gruppe wie Kängurus hüpfender Echsen erblickt, vor denen er seine Leute warnt, aber Valmaxian winkt ab – das sind Kutamas, die nicht nur ungefährlich, sondern sogar schreckhaft und ängstlich sind.

 

Auf Gut Surmakar weckt Maiuri Raif vorsichtig, denn Sklaven müssen wach und fertig sein, bevor die Herrschaft aufwacht. Er erfährt, dass Sentirai darauf besteht, dass er Karaqana bedienen und ihr Gesellschaft leisten soll. Karaqana ist davon offenbar weniger begeistert. Minor Tongues ist zwei Stunden nach dem Zaubern verflogen, also versteht er sie nicht, als sie leise vor sich hinschimpft, dass sie ja gewarnt gewesen sei, einen unzivilisierten Ausländer vorgesetzt zu bekommen. Beim Ankleiden glaubt sie, einen Fleck auf dem Boden zu erkennen, lässt den Sklaven holen, der dafür zuständig war, der zwar ebenso wenig einen Fleck sieht wie Raif, sich aber trotzdem tausendmal entschuldigt. Fast beiläufig und mit den Gedanken schon wieder woanders befiehlt Karaqana ihm, zu seinem Aufseher zu gehen und sich bestrafen zu lassen.

 

Während die Sklaven im Hintergrund schuften, wird im Garten luxuriös gefrühstückt, wobei Jen, Raif und Hashoia an einem Nebentisch sitzen, um einfach nur gut auszusehen und bei Bedarf zur Verfügung zu stehen. Raif und Jen tauschen Blicke, können aber nicht miteinander reden. Jen würde zu gern wissen, wie die Nacht gelaufen ist – sie selbst hatte sich gestern sehr gewundert, dass sie nicht von Kymanai gerufen wurde. Inzwischen kennt sie den Grund.

 

Außerdem hat ihr Ierendi heute Morgen gesteckt, was die Haussklaven aufgeschnappt haben: Offenbar geht es zwischen Kymanai und Barashau Danhamur um den Verkauf einer Salzmine. Barashau ziert sich, und Kymanai hat kurzerhand Barashaus Lieblingstochter Karaqana auf Gut Surmakar eingeladen, damit sie mal aus dem Großstadttrubel herauskommt und entspannen kann, hoffend, dass sie danach ein gutes Wort für Haus Neramu einlegt, was wohl bedeutet, dass Karaqana einen positiven Einfluss auf ihren Vater hat.

 

Beim Frühstück kommt das Gespräch offenbar auch auf Jen und Raif, denn beim Sprechen sehen alle immer wieder mal rüber, bis auf Karaqana, die sich spöttisch über irgendetwas beschwert. Kymanais langen Blick Richtung Raif findet dieser etwas rätselhaft – liegt etwa Begehren darin? Nein, das hat er sich gewiss nur eingebildet.

 

Nach dem Frühstück informiert Hashoia Raif via Ierendi ruhig, aber mit einem gehässigen Lächeln, dass Kymanai heute Abend auf Raif "auszureiten" gedenke und die Vorfreude bis dahin genieße. Vorher wünsche Sentirai aber, dass er Karaqana weiterhin Gesellschaft leistet, damit sie sich nicht langweilt, er werde dann gerufen. Die Herrschaften und Hashoia gehen, und Raif ist kreidebleich geworden. Jen hat bereits heute Morgen von Ierendi erfahren, wo Kymanais Neigungen liegen, und damit wurde ihr auch klar, warum sie gestern nicht zu ihm bestellt wurde, und Sentirais erste Nacht zu Hause hat vermutlich Zulhaminai gehört. (Er war zwischendurch nur eine Nacht daheim und ist wohl gleich wieder aufgebrochen, um seine Gäste aus Tashluta abzuholen und sicher herzugeleiten.)

 

Jen hat in Memnon viele Lustsklaven gekannt, und die wenigsten entsprachen mit ihrer Tätigkeit ihrer natürlichen Neigung. Natürlich haben sich alle daran gewöhnt – gewöhnen müssen –, aber das ist nur ein schwacher Trost. Wenn sie sich daran zurückerinnert, wie ihr zweites Leben in Memnon begann und sie erfuhr, was vor ihr liegt, kann sie sich sehr gut in Raif hineinversetzen, doch wie sie ihn trösten soll, das weiß sie nicht, denn auch die ermutigenden Worte der anderen Palasthuren zu der 14-jährigen Jendara klangen damals leer und hohl. Während sie noch überlegt, was sie sagen könnte (wissend, dass es nichts gibt, was es leichter macht), springt Raif auf, rennt zu einem nahen Abort und übergibt sich. Im Anschluss weicht er Jens Gesprächsversuch aus und flieht ins Gästehaus, wo er sich irgendwo verkriecht.

 

Meranilius' Teilgruppe (bestehend aus ihm, Jiv, Max, Zhai, Milandre und Tulwood) hat Glück, dass ihr Zhai angehört, die mit ihren Bernsteinlinsen vor den Augen vorausgeht und eine Anlage erblickt, vor der sich Menschen herumtreiben. Schnell lässt sie alle sich zu Boden werfen und schleicht alleine weiter. Ohne einen Blick von oben ist es unmöglich festzustellen, aber mit guten Move-Silently- und Hide-Checks traut sie sich zu, einen weiträumigen Halbkreis um das Gelände zu beschreiben – sehr weiträumig, denn ihr weißes Haar ist bei Tag das reinste Leuchtfeuer (sie ist leicht bekleidet und hat keine Kapuze dabei), und nicht überall kann man sich gut verstecken. Dennoch erkennt sie, dass die Gebäude tatsächlich ein Lager aus mehreren Zelten verdeckt haben. Leider verraten ihr ihre mageren Spot-Checks nicht mehr, als dass sie es mit ganz offensichtlichen Schurken zu tun hat, von denen sie knappe zwei Dutzend ausmachen kann.

 

Sie schleicht zu den anderen zurück und berichtet. Weiß der Henker, wo sich Munaria, Sivariu, Manaq, Fleece, J'avo und Skaar gerade herumtreiben, dazuholen kann man sie also nicht, aber was, wenn sie diesen Leuten in die Arme laufen? Amaraeus argwöhnt wütend, dass das gewiss der Sz'ks'syrr-Tempel ist und Kurash ihm dort eine Falle stellen will, weil er irgendwie mitbekommen hat, dass er ihm auf den Fersen ist. Max entgegnet, dass das überhaupt keinen Sinn ergibt, Kurash hat schließlich einen Monat Vorsprung, wie lange soll er denn gedungene Mörder fürs Herumlungern im Nirgendwo bezahlen? Zhai unterbricht, ob man die Diskussion bitte auf später verlegen und sich erst mal Gedanken über die Problemlösung machen könnte? Tulwood sieht seine Stunde gekommen, sich endlich zu beweisen, und überlegt fieberhaft, aber da niemandem etwas einfällt, das man jetzt und hier effektiv tun könnte, ordnet Zhai den Rückzug an. Tulwood diskutiert noch kurz herum, doch Zhais Intimidate belehrt ihn eines Besseren. Sie selbst aber bleibt hier, um vorsichtshalber diese Leute im Auge zu behalten und das Lager zu informieren, falls sich etwas ändert.

 

Man lässt Raif rufen, um Karaqana Gesellschaft zu leisten, die spazieren gehen möchte. Minor Tongues wird geworfen, und Maiuri und der teilweise geheilte, aber immer noch lädierte R'a'ilo folgen ihnen mit etwas Abstand. Dass Raif überhaupt nicht mehr so vergleichsweise (und für einen Sklaven unüblich) locker wie gestern ist, ist unübersehbar. Karaqana ignoriert das eine Weile, aber schließlich reicht es ihr.

 

Karaqana: Du bist hier, um mich zu unterhalten.

Raif (aus seinen Gedanken gerissen): Verzeihung, Selsa'uri.

Karaqana (nach einer Weile): Dein erstes Mal, Seo?

Raif (automatisch): Raif.

Karaqana (nimmt an, dass Minor Tongues ein Wort nicht richtig übersetzt hat): Was?

Raif: Mein Name ist Raif.

Karaqana (eisig): Du bist ein Sklave. Verhalte dich wie einer oder bereue es.

Raif (bleibt stehen): Nein.

Karaqana (bleibt auch stehen, sieht ihn lauernd an, zischt): Was sagst du?

Raif (sieht sie eine Weile an, was sie offenbar provoziert, also bricht er den Augenkontakt kurz ab): Ich bin kein Sklave. Ich bin Raif Bowgentle, Mitglied der Gemeinschaft der Ersten Sonne. Weder wurde ich wegen einer Straftat verurteilt, noch wurde ich gekauft. Ich bin kein Sklave.

 

Karaqana tritt mit stechendem Blick auf ihn zu, und Raif erwartet einen Schlag, der aber nicht kommt. Er denkt nicht nach, sondern handelt nach Gefühl: Ihm ist nicht klar, dass er sich unterbewusst wünscht, Karaqana zu verärgern, so dass er bestraft wird, denn welche Strafe könnte schlimmer sein als das, was ihn heute Abend erwartet? Karaqana steht dicht vor ihm und funkelt ihn an, er muss jetzt als Sklave den Blick senken, aber er tut es nicht. Logisch würde es nun Sinn machen, so schnell wie möglich herunterzurattern, wie es Jen und ihn in diese missliche Lage verschlagen hat, aber hey, Karaqana ist, wenn schon keine Grandin, doch auch aus reichem Hause. Dass auch er Rechte hat, schert sie doch nicht.

 

Raif: Sa'uri Danhamur, für Euch bin ich nichts. Aber dort, wo ich herkomme, bin ich jemand. Wir sind jemand. Das Königspaar, dem wir dienen, kennt unsere Namen. Der mit ihm verbündete König, dessen Reich wir besucht haben, um ihm zu helfen, kennt unsere Namen. Der Erhabene Vala Valkazar aus Manshaka kennt unsere Namen. (Er merkt nicht, wie ihm Tränen in die Augen treten.) Ich bin kein Sklave.

Karaqana (sieht ihn eine Weile lang finster an, wendet sich dann ab und geht, sagt über die Schulter): Du bist ein Sklave. Nur kein nützlicher. Scher dich weg und komm mir nicht mehr unter die Augen.

 

Raif wird von Maiuri und R'a'ilo überholt, ohne es zu merken. So kraft- und mutlos hat ihn die Kamera vermutlich noch nie eingefangen. Er lässt sich auf den Hosenboden fallen und vergräbt die Hände in seinem Haar. Natürlich könnten er und Jen weglaufen. Aber was dann? Der Dschungel ist tödlich, umso mehr ohne Waffen, Ausrüstung und Unterkunft. Tashluta ist zwei Tage mit dem Flussschiff entfernt, und wie man sich in diesen Urwäldern orientieren soll, ist Raif ebenso ein Rätsel wie Jendara. Dabei spielt das alles eh keine Rolle, weil die Neramus sie mit ihren Halsbändern sowieso finden und zurückbringen, zumal Hashandra auch aus der Ferne durch sie Magie wirken kann, und egal, was ihn gerade erwartet: Das passiert dann ohnehin, nur noch schlimmer.

 

Am Nachmittag passieren Munaria, Sivariu, Manaq, Fleece, J'avo und Skaar auf dem Rückweg aus einer Sackgasse das Lager, um eigentlich noch eine andere Richtung auszuprobieren. Die Anwesenden zeigen sich schwer erleichtert, dass ihnen nichts zugestoßen ist, und informieren sie. Fleece fasst sogleich einen Plan: Alle sollen sich bewaffnen und mit ihr zusammen hochgehen. Sie hat vor, in Rufweite eine Mass Suggestion zu wirken, nicht anzugreifen, die hoffentlich die Hälfte der Gegner beeinflussen wird, um dann herauszufinden, mit wem man es zu tun hat – und sollte es zum Kampf kommen, stellen die Gegner fest, dass die Hälfte sich nicht dazu durchringen kann, mitzukämpfen, und mit den anderen wird man dann sicherlich fertig. (Fleece hätte dafür gern Max' Absicherungen wie Mage Armor und Shield, aber darauf war sein heutiges Arsenal nicht ausgelegt: Neben Endure Elements hat er wegen des Geländes Feather Fall und Jump vorbereitet.) Natürlich wird diskutiert, aber irgendwas muss man ja unternehmen. Hätte Fleece durch ihr bisheriges Verhalten nicht bereits einen Großteil der Mannschaft der Endeavour becirct, würde das gar nicht funktionieren. So aber erklären sich die Seeleute bereit, mitzukommen. Fleece lässt sich von Max lautsprachlich "Ich rate euch, nicht anzugreifen" auf Tashalari beibringen und wiederholt den Satz unterwegs ständig, um ihn nicht zu vergessen. (Der Satz muss im Kontext auf die, die der Zauber nicht beeinflusst, unauffällig wirken, damit niemand auf die Idee kommt, dass gezaubert wurde.)

 

Bewaffnet marschiert man also in der Abenddämmerung los, hoffend, dass Zhai immer noch auf der Lauer liegt und eingreifen kann. Auch wenn es langsam schummrig wird, wird man mit so vielen Leuten natürlich eher gesehen, und die Gegner beziehen ihre Positionen. Fleece gestikuliert, murmelt ihre Zauberformel und ruft auf Tashalari: "Ich rate euch—" Plötzlich sackt sie nach hinten gegen Valmaxian, und ein Pfeil ragt aus ihrer Brust knapp über dem Herzen. Die Kamera zeigt nach einem Schnitt einen Bogen im Vordergrund, dann wird der Hintergrund und damit der Schütze scharf gedreht: K'uro!

 

Gleichzeitig ist es auf Gut Surmakar soweit: Eine Haussklavin hat Raif ein schneidiges Outfit gebracht und ihm beim Anziehen geholfen, und nun begleitet sie ihn zu Kymanais Gästehaus, der bereits oben am Geländer steht und runtersieht. Raif wird von den Wachen hineingeführt, von Hashandra verzaubert und in Kymanais Gemach eingelassen. Dieser mischt einen Fruchtsaft mit Reiswein nur für sich und befiehlt Raif, ohne hinzusehen, beiläufig, sich auszuziehen. Raif ist wie versteinert und schwitzt wie ein Schwein. Kymanai, der ihn nicht anschaut, kriegt nicht mit, dass er dem Befehl noch nicht gefolgt ist, und gibt ihm in der Annahme, dass jeder sofort alles tut, was er ihm sagt, auch gleich den nächsten Befehl: "Und dann knie dich hin."

 

K'uro ist währenddessen unzufrieden mit seinem Schuss, weil er das Herz treffen wollte, und legt erneut an. J'avo packt Fleece, um sie aus der Schusslinie zu zerren, und kriegt den Pfeil selbst ab, doch dieser bohrt sich nur in sein linkes Schulterblatt und macht den linken Arm unbrauchbar, weil er Fleece – absichtlich oder unabsichtlich – mit seinem Körper abschirmt. Um sie herum bricht jede Ordnung zusammen: Einige Seeleute ergreifen die Flucht, Skaar stürmt auf die Piraten zu, Baltram, Milandre und Tulwood schließen sich an, und daraufhin rennen auch einige Matrosen los. Manaq bleibt bei Munaria und den anderen Schutzlosen für den Ernstfall. Fleece schreit desorientiert nach Max (der genau hinter ihr stand), lässt sich, weil ihr Kopf durch den Schock gerade völlig leer ist, "Hört auf zu kämpfen!" übersetzen, schafft trotz des harten Malus ihren Concentration-Check und brüllt dies mit einer Mass Suggestion auf Tashalari. Glück muss man haben: Tatsächlich schaffen von den gewünschten 16 Zielen nur vier ihren Save, zwölf weichen verwirrt zurück.

 

K'uro schießt nun auf Skaar, aber der ist durch seinen Turmschild noch gut geschützt – bis er sich in den Nahkampf stürzt, dann kann K'uro ihn flankieren und unter Beschuss nehmen. Max erkennt dies, weist die Matrosen neben sich an, den Kerl, der hier gleich erscheinen wird, festzuhalten und unschädlich zu machen, und wirft Baleful Transposition, womit er mit K'uro die Plätze tauscht. Dieser ist völlig desorientiert, und die Matrosen ringen ihn zu Boden. Max steht weitgehend hinter den Piraten, aber doch völlig allein auf weiter Flur. Er wirft Mirror Image, doch kaum sind seine Doppelgänger erschienen, verschwinden sie auch wieder, und nun wachsen Ranken aus dem Erdreich und halten ihn fest – und wir sehen Corozals Visaru, der schon den nächsten Zauber vorbereitet. Max erleidet einen Malus auf Spellcraft wegen der unvertrauten Tradition, aber er meistert den Check, erkennt die Bewegungen und wirft erfolgreich Dispel Magic. Als nächstes ist wieder der Visaru dran, doch wird er aus dem Hinterhalt von Zhai getötet, die so schnell wie möglich losgerannt war, als es losging.

 

Das erkauft Max die Zeit, seinen Blick schweifen zu lassen, mit der zweiten Baleful Transposition die Plätze mit Marech zu tauschen, so dass dieser nun in den Ranken steckt und ebenfalls von Zhai im Vorbeilaufen kaltgemacht wird. Daraufhin schreit Kebla wutentbrannt auf und stürzt sich wie eine Furie auf Zhai, um ihren Freund zu rächen, und mit der hat die Halbdrow schon stärker die Hände voll. Zwei Piraten halten die Verletzten und die Nichtkämpfer für leichte Beute, aber Manaq erweist sich als geschickter Kämpfer und besiegt beide.

 

Derweil hat Fleece J'avo angewiesen, den Pfeil brutal aus ihrer Brust zu reißen, obwohl beide wissen, dass das die inneren Verletzungen noch massiv verschlimmern wird – aber die Wunde ist ohnehin tödlich, und Fleece hält einen ihrer beiden wertvollsten Tränke, ein Herrschaftliches Tonikum, griffbereit, und hofft, dass dessen Wirkung ausreicht. Die beiden sehen sich wertvolle Sekunden lang an, weil Fleece Mut sammeln muss, dann nickt sie, J'avo reißt den Pfeil heraus, Fleece schafft ihren Will-Save gerade so, schreit sich die Seele aus dem Leib, kann sich sofort danach aber zusammenreißen und den Trank runterschütten, und im Nu ist sie wieder bis auf unangenehme Schmerzen gesund. J'avo hilft ihr auf, hat aber vorhin sein Schwert fallen lassen und findet es nicht, und in diesem Chaos hat er auch nicht bemerkt, dass K'uro die Matrosen losgeworden und wieder weggelaufen ist. Todesmutig wirft sich Peggle ihm nach, umklammert seine Beine und bringt ihn zu Fall, aber K'uro hat bereits seinen Streitkolben in der Hand und zertrümmert dem armen Peggle den Schädel. Er steht wieder auf, da ist schon J'avo bei ihm, immer noch den Pfeil im Schulterblatt und mit einem aufgelesenen Kriegshammer in der Hand, und jetzt schenken sich die beiden ehemaligen Freunde wirklich ein: Jeder wuchtige Schlag ist dazu gedacht, den anderen zu töten.

 

Milandre und Tulwood kämpfen nun beide gegen Kapitän Corozal, der ihnen wacker Paroli bietet. Max unterstützt Milandre mit Haste, was auch nötig ist, denn Corozal ist den beiden überlegen. Dass sich sonst niemand einmischt, ist nur Skaar zu verdanken, der schwer auf die Mütze bekommt, aber den Großteil der Gegner bündelt und blutige Ernte einfährt.

 

Amaraeus versucht, Fleece festzuhalten, aber die läuft auch ins Getümmel, jedoch nur nahe genug, um so viele Gegner wie möglich mit einem unheimlichen Wail of Doom zu treffen, den sie bisher nur einmal in ihrem Leben eingesetzt hat, nämlich bei der Verteidigung von Stony Rock. Dieses Mal fallen die Würfel nicht so unerbittlich für die Gegner wie letztes Mal, aber immerhin zwei fallen tot um, weil ihnen das Herz stehen geblieben ist, die anderen rennen panisch davon.

 

Milandre und Tulwood haben Corozal ebenso zugesetzt wie er ihnen, aber Milandre gelingt die finale Attacke: Sie rammt ihm das Schwert in den Bauch. Die Piraten in der Nähe, die das sehen, nehmen Reißaus, und Kebla, aus zahlreichen Schnittwunden blutend, ergibt sich Zhai. Nun ist Skaar nicht mehr bedrängt, räumt die letzten beiden ab und geht hinkend zu J'avo und K'uro. Als K'uro merkt, dass seine Seite verloren hat, wirft auch er den Streitkolben weg und ergibt sich.

 

Auf Gut Surmakar muss sich Raif in Kymanais Gemächern auf seinen Oberschenkeln abstützen, weil seine Knie weich werden. Er könnte sich nicht mal seinen Weg freikämpfen, denn dies sind Granden – er weiß, dass die Hälfte des Schmucks, mit dem sie über und über behangen sind, magisch ist. Ohne eigene magische Unterstützung kann man diese Leute nicht mal berühren, wenn sie es nicht zulassen. Raif weiß nur, er wird es versuchen, denn freiwillig erträgt er das nicht, man wird ihn schon dazu zwingen müssen.

 

Kymanai sieht ihn endlich an, geht auf ihn zu und schimpft dabei, welchen Idioten Sentirai da angeschafft habe – erst ausziehen, dann hinknien! –, und Raif sammelt sich und richtet sich wieder auf. Kymanai hält inne und säuselt belustigt: "Ach, so möchten wir das machen?" Danach sagt er etwas Kurzes, Strenges, das von Minor Tongues nicht übersetzt wird – und löst lächelnd die Bänder, die Raifs Hose oben halten, die nun auf seine Knöchel rutscht. Raifs Augen weiten sich vor Schreck, denn er kann sich nicht bewegen. Das magische Halsband! Mit sadistischem Vergnügen wiederholt Kymanai seine Aufforderung, sich hinzuknien, und Raif verfällt innerlich in blanke Panik – doch äußerlich folgt er der Anweisung und geht auf alle viere...

 

Da es inzwischen dunkel geworden ist, hat Max jede Menge Waffen mit Light belegt, so dass es wirkt, als sei man von altmodischen Sodiumlaternen umgeben. Dank Fleeces Reiseapotheke sind nur zwei Matrosen tot (Fleet weint bitterlich um seinen einzigen ähnlich simpel gestrickten Kameraden Peggle), aber um viele nicht so ernste Wunden muss man sich auf normale Weise kümmern – und sie ernst nehmen, denn derlei entzündet sich hier schnell.

 

Wie viele Piraten in die Dunkelheit geflohen sind, kann man nur grob abschätzen. Ohne ihre Ausrüstung sind sie auf Dauer schon so gut wie tot, es sei denn, sie rotten sich noch mal unter einem neuen Anführer zusammen. Man diskutiert kurz, wie man mit den Piraten verfahren will, die zu schwer verletzt sind, um mitzukommen, und beschließt, ihnen die Entscheidung zu überlassen. J'avo meldet sich freiwillig (die Schulter ist halbwegs in Ordnung, sein Schwert hat er auch wieder) und fragt jeden, ob er den Gnadenstoß haben will.

 

Raif kniet auf dem Boden, Kymanai holt dickflüssiges Öl, stellt sich hinter Raif und öffnet seinen seidenen Kimono, als eine Wache in die Tür tritt und etwas sagt. (Minor Tongues wirkt für Raif nur auf das Ziel, mit dem der Zauber abgestimmt wurde, und das ist Kymanai.) Schon tritt Karaqana ein und sagt lächelnd etwas, entschuldigt sich offenbar für die Störung, woraufhin Kymanai natürlich abwehrt, nein, überhaupt kein Problem. Karaqana erklärt etwas, sieht zu Raif, Kymanai auch... und dann lächelt er wieder, redet freundlich auf Karaqana ein und bringt sie zur Tür zurück. Sie sieht über ihre Schulter zu Raif und zuckt mit dem Kopf á la "Komm mit!" Raif spürt, dass er die Kontrolle über seinen Körper zurückerlangt hat, lässt sich das nicht zweimal sagen, reißt seine Hose wieder hoch und folgt ihr in ihr Gästehaus, wobei sie vorgeht, weil er draußen von Hashandra noch erneut mit Minor Tongues belegt wird.

 

Fleece opfert die meisten ihrer Heiltränke, weil J'avo und Skaar ziemlich übel verwundet wurden. Max verhört leidenschaftslos K'uro, aber dieser schweigt. So erfährt man nicht, dass die Neraida lediglich zufällig die Spur der Abenteurer wiederaufgenommen hatte. In Tashluta war an sie kein Herankommen, und die Mannschaft hatte Corozal gezwungen, es gut sein zu lassen – anderenfalls wäre er abgesetzt worden. Dennoch ließ er den Visaru unregelmäßig alle paar Tage Scrying einsetzen. Er hatte schlicht Glück, dass er das auch am Tag ihrer Abreise aus Tashluta tat, als sie sich an Bord über die Alaru-Stadt am Palanai unterhielten. Noch glücklicher war, dass die Neraida gerade östlich von Teomura unterwegs war, so dass man im Nu das Festland erreichte (Teomura steuerte man nicht an, um die Gegner nicht vorzuwarnen), um den Abenteurern dort aufzulauern, wo sie es nicht erwarteten und wo sie weder Hilfe noch Rückzugsmöglichkeit bekommen würden. Corozal hatte vor, die Abenteurer zu töten und sich Meranilius zu schnappen, mit dessen Hilfe er den "Schatz" heben würde.

 

Raif betritt die Ebene, auf der sich Karaqana aufhält, geht zügig auf sie zu, nimmt ihre Hand und küsst sie tief atmend ein paar Sekunden lang. Karaqana hält erst still, zieht ihre Hand dann aber unvermittelt grob weg und tritt ans Geländer. Raif folgt ihr langsam und stellt sich daneben.

 

Raif: Welcher glücklichen Fügung habe ich es zu verdanken, hier sein zu dürfen, Selsa'uri?

Karaqana (mit kühler Miene): Ich bin wieder in Stimmung, und du hast dich gestern Nacht nicht ungeschickt angestellt. Auf Gut Surmakar gehörst du vermutlich zu den Besseren. (Sie sieht ihn mit hochgezogener Augenbraue an.) Nicht, dass das viel heißen will.

Raif (lächelt erleichtert): Nein, die Konkurrenz ist nicht so furchtbar groß. (Er atmet tief die Nachtluft ein.) Danke.

Karaqana (nimmt von Maiuri zwei Gläser dunkelrotbraunen Jundari entgegen): In diesem Zustand nützt du mir nichts.

 

Sie nippt und gibt Raif gleichzeitig eins der Gläser. Er leert den Jundari in einem Zug, stellt ihn weg, ergreift Karaqana und küsst sie innig. Als er sich löst und sieht, wie sie ihn wie vom Donner gerührt anstarrt (und vermutlich nur deshalb nicht zuschlägt, weil sie noch das Glas in der Hand hält), schüttelt er nur fast unmerklich den Kopf, flüstert "Tu's nicht", sieht ihr noch kurz in die Augen und küsst sie erneut. Diesmal ergibt sie sich dem Kuss und versinkt in seinen Armen. Ganz klassisch trägt er sie zum riesigen Bett, gefolgt von Maiuri, die sich dezent daneben setzt, aber sehr bald nimmt Raif sie nicht mehr wahr. (Dabei versucht er gar nicht, Karaqana irgendwie zu manipulieren: Er ist überwältigt von Dankbarkeit und, typisch Raif, brennt wirklich darauf, mit ihr zu schlafen.)

 

K'uro, Kebla und sechs weitere Piraten hat man nun am Hals. Das Lager wird geplündert (endlich findet sich ein Ersatz für Ban Bashurs Zelt), fesselt die Gefangenen mit gefundenem Seil (Baltram macht die besten Knoten in ganz Faerûn), schnappt sich so viele Vorräte, wie man tragen kann, und geht von Max' Lights begleitet durch die Nacht zum Hauptlager. Selbst die Wissenschaftler sind nicht scharf darauf, jetzt noch die Anlage zu untersuchen. Im Lager wird eines der offenen Häuschen als Gefängnis genutzt, so dass man nur einen Eingang bewachen muss. Was man mit den acht Piraten nun anstellen soll, weiß noch niemand. Anders, als Fleece erwartet hätte, geht J'avo nicht zum "Gefängnis", um mit K'uro zu reden.

 

Der nächste Morgen auf Gut Surmakar verläuft exakt wie der letzte, Maiuri weckt Raif, man bereitet alles für das Erwachen der Herrin vor, Karaqana ist Raif gegenüber wieder gewohnt kühl und kurz angebunden, und abermals trifft man sich beim Frühstück, wo Jen, die von nichts weiß, nur allzu gern mit Raif sprechen möchte, sich aber gedulden muss. Ihr fällt jedoch auf, dass Karaqana im Gegensatz zu gestern hin und wieder zu Raif herüberschaut, und als dieser offenbar Thema wird, sieht sie ganz offen zu ihm, während sie über ihn spricht. Die Herrschaften verlassen den Tisch, und Hashoia lässt Ierendi zerknirscht Sentirais Wunsch ausrichten, dass Raif nun voll und ganz Karaqana zur Verfügung stehen möge, und jetzt sei ihr nach einem Ausritt zumute.

 

Während die Wissenschaftler das gestern von den Piraten in Beschlag genommene Areal begutachten, hat man kleine Teams in Rufweite zusammengestellt, angeführt vom erfahrenen Fährtensucher Manaq, der anhand der Spuren und des Blutes deutlich nachvollziehen kann, dass mindestens zwei Piraten von einer großen Raubkatze gerissen wurden, sehr wahrscheinlich von einem Tiger.

 

Währenddessen haben die Forscher herausgefunden, dass die Anlage der Piraten auch nicht die gesuchte war – ironischerweise aber genau die 50 Yards weiter. Sie nehmen sie in Augenschein, während Fleece und Skaar Wache halten, als dieser plötzlich einen Tiger sieht und mit dem Bogen anlegt. Fleece stoppt ihn und beobachtet das majestätische Tier aus sicherer Entfernung.

 

Raif und Karaqana galoppieren über die weiten Felder, auf denen die Sklaven schuften, und Karaqana, eine geübte Reiterin, darf feststellen, dass Raif eine sehr gute Figur im Sattel macht. Hin und wieder ruft sie ihn scharf zur Ordnung, wenn ihr etwas nicht passt, aber weniger aggressiv als zuvor. Jedoch sprechen sie über nichts auch nur halbwegs Interessantes, sondern über Pferde, Reiswein und anderes. Raif genießt jede Sekunde, in der er nicht an gestern denken muss, und kann es noch immer nicht fassen, dass Karaqana ihn wirklich beansprucht hat, so dass er nun seine ganze Zeit mit ihr verbringen muss, obwohl er ihr doch anscheinend so auf die Nerven geht. Er tut ihr also tatsächlich leid, nimmt er an, und sie tut dies, um ihn davor zu bewahren, von Kymanai vergewaltigt zu werden. Aber angesichts dessen wird Raif auch wieder lockerer und unbefangener und entwickelt wieder seinen üblichen jungenhaften Charme. Dennoch versucht er, sich zurückzunehmen und Karaqana nicht über Gebühr zu provozieren, und belästigt sie daher auch nicht mit Einzelheiten zu seiner Person.

 

Der fast schon kindlich begeisterte Dr. Meranilius hat Fleece ins Tempelinnere mitgenommen und steht im Schein eines mit Light belegten Steins vor einem großen Relief.

 

Meranilius: Ich kann mir vorstellen, dass wir gefunden haben, was der werte Kollege Valmaxian mit "Schlüssel" übersetzt hatte.

Fleece: Ich bin ganz Ohr, Dr. Meranilius.

Meranilius: Die Sarrukh hatten einst eine piktografische Schrift aus zahllosen "sprechenden" Glyphen entwickelt, die nach und nach feste Bedeutungen erhielten. Die Alaru, die nach dem Niedergang der Echsenkulturen deren Gebiete besiedelten, übernahmen diese, und während sich manche Glyphen von selbst erklären, füllten sie andere mit ihren eigenen Deutungen, da ihnen diese Sprache schließlich niemand erklärt hatte – sie benutzten nur, was bereits da war, und entwickelten es in eine eigene Richtung. Magister Valmaxian und ich selbst beherrschen diese Glyphen leidlich. Die offensichtlichsten Bedeutungen sind größtenteils gleich, aber viele Glyphen kann man nicht lesen, ohne sich mit dem Stamm auszukennen, der sie angefertigt hat. Da ist uns Dr. Thulcandra als Spezialistin mit ihrem breit gefächerten Wissen über die Alaru weit voraus, aber es gibt Hunderte von Stämmen, und zählt man die bereits ausgestorbenen hinzu, vielleicht sogar tausend. Außerdem darf man die Schrift nicht mit den gesprochenen Sprachen der einzelnen Stämme durcheinanderbringen – diese Schrift teilten sich alle Stämme des Leuchtenden Südens, die sie benutzten, auch wenn sie mündlich nicht miteinander kommunizieren konnten. Die Bedeutung der Glyphen variierte, aber die Glyphen an sich blieben gleich.

Fleece: Die Stämme hatten doch untereinander kaum bis gar keinen Kontakt. Und da ist in all den Jahrtausenden niemand auf die Idee gekommen, die Sprache nach eigenen Bedürfnissen zu verändern?

Meranilius: Was sich alle Alaru teilen, ist die Überzeugung, dass die Echsen, die die Bauwerke und Städte errichtet hatten, die die Alaru dann besiedelten, Götter waren. Dementsprechend ist die Schriftsprache die Sprache der Götter und darf nicht verändert werden, und das führt uns auch schon zum ersten von zwei entscheidenden Punkten.

     Dieses Relief stammt aus der Ersten Ära, stellt also noch die unveränderte Schriftsprache der Echsen dar. Die kann man so lesen, als seien Alaru die Autoren gewesen, und bei den zahlreichen Bedeutungen, die jede Glyphe haben kann, wird man schon irgendeinen Sinn darin finden – aber längst nicht jeder kann sie so lesen, wie sie von den Echsen gedacht waren. Meine Wenigkeit hingegen sehr wohl.

Fleece: Verzeiht, Dr. Meranilius, aber es fällt mir schwer, zu glauben, dass die Echsen eine Hochkultur hervorgebracht haben mit dieser... missverständlichen Schrift.

Meranilius: Oh, die stand ganz am Anfang. Die Sarrukh entwickelten später eine deutlich alltagstauglichere Buchstabenschrift, behielten die Glyphen aber für kultische Handlungen bei. Die Buchstabenschrift fand aber nun mal auf Pergament, Wachs- oder Tontafeln Anwendung, sie blieb nicht erhalten. Es waren die in Stein gemeißelten Glyphen, die die Jahrhunderte überdauerten, und die waren es, die die Alaru vorfanden und für Botschaften der Götter hielten.

Fleece: Jetzt verstehe ich. Ich wollte Euch nicht unterbrechen, bitte verzeiht.

Meranilius: Nun, seit der Zweiten Ära werden die Glyphen so gelesen, wie Ihr es oft bei dem Magister und mir beobachtet habt, doch die ursprüngliche Lesart – die echsische Lesart – funktionierte grundlegend anders. Hier, seht: Ein Block von zehn Glyphen waagerecht und zwanzig Glyphen senkrecht. Ihr würdet sie so lesen, nicht wahr? (Er zeigt eine Zeile entlang, dann die zweite Zeile entlang.)

Fleece: Wenn ich könnte, ja.

Meranilius: Ha! Die Echsen meinten und lasen sie so. (Er zeigt fünf Glyphen entlang, beginnt dann wieder links mit den nächsten fünf Glyphen.) Man zieht gedanklich einen senkrechten Strich durch die Mitte und liest erst die linke, dann die rechte Seite anstatt Zeile für Zeile so wie ab der Zweiten Ära.

Fleece: Wenn Kurash hier war, weiß er das auch.

Meranilius: Mitnichten!

Fleece: Warum nicht?

Meranilius (als wäre das selbsterklärend): Weil das meine These ist. (Fleece sieht ihn skeptisch an.) Ich habe sie anhand zahlloser Dokumente überprüft. Schaut, es fällt der Forschung so schwer, die echsischen Geheimnisse zu enträtseln, weil wir ihre Hinterlassenschaften als so kryptisch empfinden, und bedenkt man, dass sich der echsische Geist fundamental von dem zivilisierter, götterfürchtiger Menschen unterscheidet, erscheint das ja auch nahezu zwingend. Aber diese Lesart hat jedem Dokument, das ich untersuchte, einen komplett neuen Sinn verliehen.

Fleece: Das soll also noch niemandem vor Euch aufgefallen sein...?

Meranilius: Seht, Fleece, da es sich hier um eine piktografische Sprache handelt, existiert keine Grammatik, die "denkt" man sich aus dem Kontext selbst dazu. Ich kann Euch die mannigfaltigen Bedeutungen einer jeden Glyphe hier an der Wand erklären – Ihr werdet einen Sinn erkennen können. Ihr werdet die Botschaft schwammig, fremdartig, vielleicht sogar poetisch finden, aber Ihr erkennt einen Sinn, weil Ihr dem Gelesenen durch das Lesen einen Sinn verleiht, versteht Ihr? Meine These hat sämtlichen Überprüfungen standgehalten, denn mit ihr gelang es mir, zahlreichen Inschriften einen viel greifbareren Sinn zu verleihen, der durch andere Forschungen bestätigt werden konnte.

Fleece: Sagtet Ihr nicht, es existierten auch Silbenzeichen?

Meranilius: Gewiss, aber wer diese Glyphen entziffern muss, ist es gewohnt, sich mit den Besonderheiten einer toten Schriftsprache und zahlreichen regionalen Varianten herumplagen zu müssen. Er würde annehmen, den Dialekt nicht zu kennen, denn die Silbenzeichen wurden schließlich bei jedem Stamm anders ausgesprochen. Wenn Kurash hier war, hat er das Relief völlig falsch gelesen, Oghma sei mein Zeuge.

Fleece: Also schön, was sagt dieses Relief denn jetzt aus?

Meranilius: Ha! Ähm... da sind wir nicht ganz sicher. Dr. Thulcandra, Magister Valmaxian und ich haben drei verschiedene Interpretationen. (Fleece verdreht die Augen, breitet die Arme aus und wendet sich ab.) Aber! Das ist nur logisch, uns fehlt der Kontext. Der wird sich erst ergeben, wenn die Notwendigkeit entsteht, auf dem silbergekrönten Berg den "Schlüssel" aus diesem Tempel einzusetzen. (Er breitet in einer "Das ist doch wohl sonnenklar"-Geste die Arme aus.)

Fleece: Und da seid Ihr Euch sicher?

Meranilius: Voll und ganz, bei meiner Forscherehre.

 

Valmaxian prägt sich das Relief ein, und solange er am Leben ist, benötigt man keine Kopie. Vorsichtshalber wird es aber abgezeichnet, und Zhai bewahrt diese Kopie sicher bei sich auf. Gut, man nimmt an, dass man jetzt alles hat, was man braucht, und in die Berge weiterziehen kann – also was tun mit den Gefangenen? Fleece fragt kurzerhand J'avo, was er tun würde, aber der erwidert nur achselzuckend: "Mit der Entscheidung der Anführerin leben, was sonst?" Tulwood möchte ihm scherzhaft "Schleimer" zumurmeln, besinnt sich aber eines Besseren – auch er hat mitbekommen, dass J'avo und K'uro miteinander aufgewachsen sind.

 

Auch ohne Vorräte können sich die Gefangenen, wenn sie am Palanai bleiben, von hier aus bis zur Küste durchschlagen. Fleece würde es hassen, ihnen mitsamt der Neraida erneut zu begegnen, aber was soll sie sonst tun? Die Bewachung, die für acht Piraten nötig wäre, um sie nach Teomura zu bringen, kann sie auf gar keinen Fall entbehren. Man tauscht viele vielsagende Blicke, aber kein einziges Wort, als sich K'uro, Kebla und die anderen sechs Seeräuber talwärts in Bewegung setzen. Die 22-köpfige Expedition bewegt sich weiter bergauf.

 

Währenddessen steigen Raif und Karaqana ab und führen die Pferde, dann setzen sie sich einfach in ein Feld. Inzwischen sprechen sie auch über Politik und Gesellschaft anderer Reiche, und Karaqana merkt, dass Raif tatsächlich herumgekommen ist. Dieser plaudert und macht seine Scherze, womit er Karaqana immer öfter zum Lächeln, schließlich sogar zum Lachen bringt, und irgendwann stellen sie anhand des Sonnenstandes fest, dass sie das Mittagsmahl verpasst haben. Das Abendessen verläuft ereignislos, und Kymanai muss mit den üblichen Lustknaben vorlieb nehmen.

 

Am Fuße der Östlichen Hazurberge beginnt es am Abend, beständig zu regnen, und hört nicht mehr auf. Die Expedition hat die Baumgrenze bereits hinter sich gelassen, errichtet nun mühsam die Zelte und verkriecht sich darin. Fleece kümmert sich um die Moral und schaut, in eine Decke gehüllt, mal hier, mal dort vorbei und besucht schließlich auch J'avos Zelt.

 

Fleece: Wie geht's dir?

J'avo: Von dem guten Zeug war wohl nicht mehr viel da, hm? (Er grinst.) Nein, es ist in Ordnung. (Er reibt sich die linke Schulter.) Tut kaum noch weh.

Fleece: Und... sonst?

J'avo: Alles in Ordnung.

Fleece: Du könntest mit mir darüber reden, wenn du möchtest.

J'avo: Da gibt's nichts zu reden. So ist das Leben. Irre genug, dass ich ihm noch mal über den Weg gelaufen bin. Wird so schnell nicht wieder passieren, wenn überhaupt.

Fleece: Und wie fühlst du dich dabei?

J'avo (sieht lange in den Regen hinaus, bis Fleece annimmt, er ignoriert sie): Unsere Mütter konnten uns nie Kinder sein lassen. Hätten es wohl gern gewollt, aber... wir mussten arbeiten. Jeder weiß, Zuma halten viel aus, also haben sie auch die Kinder ordentlich rangenommen. Die Aufseher dachten, wir wollten ihnen schon als kleine Burschen gefallen, dabei haben K'uro und ich immer... Dafür gibt's ein Wort. Wir wollten immer besser sein als der andere.

Fleece: Rivalität. Ihr habt rivalisiert.

J'avo (nickt): Das hatten wir gemeinsam, und das mochte er an mir und ich an ihm. Dass ich ein halber Marakai war, scherte niemanden, aber—

Fleece: Marakai?

J'avo: Weiß nicht, wie man das übersetzen soll. Wenn du zu denen gehörst, die kein dunkles Blut in sich haben. Die feinen Leute. Ich bin Veole: halb Zuma, halb Marakai.

Fleece: Oh.

J'avo: Hat Raif das nicht erzählt?

Fleece: Das ist sehr persönlich. So etwas erzählt man nicht einfach weiter.

J'avo (zuckt gleichgültig die Achseln): Mh. Jedenfalls scherte das niemanden, aber K'uro ließ mich das nicht vergessen. Wollte besser sein als ich, weil er ein ganzer Zuma war. Ärgerte ihn immer sehr, wenn ich eine Arbeit schneller geschafft hatte als er. Er wollte beweisen, dass Marakai nichts taugen. Damit konnte er mich kriegen. "Traust dich nicht, was? Feiges Marakai-Blut, das sich da meldet." So was. Es war seine Idee, zu türmen. Hab ihm gesagt, erst, wenn meine Mutter nicht mehr da ist. Wenn du Mist baust und sie dich nicht bestrafen können, lassen es die Aufseher an deiner Familie aus. (Fleece nickt verstehend.) Na ja, irgendwann... war meine Mutter nicht mehr da. (J'avos Stimme wurde eben ein ganz kleines bisschen dünner, er räuspert sich.) Wir schafften es bis nach Urbeth, versteckten uns an Bord eines Schiffes. Dafür gibt's doch auch einen Begriff...

Fleece (sanft): Blinde Passagiere.

J'avo: Kann sein. War kein gutes Schiff. Piraten. Im Grunde ging es von einer Sklaverei in die nächste. Sie behandelten uns ziemlich mies. Aber K'uro war schon immer so wütend gewesen. Und er begriff, dass er mit diesen Piraten anderen weh tun konnte. Seine Wut rauslassen. Ich ging, er blieb. Hat er mir nie verziehen, auch nicht, als wir uns ewig später wiedersahen.

Fleece: Denkst du, er ist glücklich?

J'avo (schnaubt bitter grinsend): Nein, Fleece. Das denke ich nicht.

Fleece: Bist du's?

J'avo (sieht sie ungewohnt lange von der Seite an, dann wieder hinaus, zuckt die Achseln): Warum nicht? Ich bin frei. Bin ich 13 Jahre lang nicht gewesen. Na ja, später manchmal auch nicht, aber... Jetzt bin ich's jedenfalls.

Fleece: Frei, tun und lassen zu können, was immer du willst.

J'avo: Na ja, so frei sind nur Granden. Aber ich kann gehen, wohin ich will. Tun, was ich will, wenn ich's kann.

Fleece: Und was willst du tun? Zuletzt warst du Pirat, nicht wahr?

J'avo (atmet durch): Geht das wieder los... Hör zu, Fleece, die Welt ist, wie sie ist, ich kann sie nicht ändern.

Fleece: Kann ich auch nicht, aber deswegen gehe ich nicht los und bringe Leute um.

J'avo: Nein? Vielleicht liege ich ja falsch, aber im letzten Dreivierteljahr hab ich mehr Leichen gesehen als in zwei Jahren auf der Siren. Komisch, oder? Weißt du, wie die meisten Überfälle ablaufen? Um die schwer bewaffneten Kähne kleinzukriegen, brauchst du selbst ein richtig großes Schiff, jede Menge Hornissen, Skorpione und Rotzen und eine starke Mannschaft. Normale Piratenschiffe nehmen die kleineren Kähne aus. Manchmal reicht es, die Flagge zu zeigen, dann geben viele schon auf. Ihr kleines Schiff bringt kaum Geld und ist den Aufwand nicht wert, die Mannschaft zu teilen und über die halbe Leuchtende See zu einem Hafen zu segeln, in dem man jemanden kennt, der einem den Kahn abnimmt. Also gehen die Waren über die Reling, und das war's. Der Kahn kann weitersegeln und die nächste Ladung aufnehmen, damit wir wieder was zum Überfallen haben. Wenn es zum Entern kommt, dann kämpfst du gegen die, die gegen dich kämpfen. Es gibt keinen Grund, hinter denen her zu sein, die unbewaffnet sind.

Fleece: Nein. Die verschlägt es dann nur in die Sklaverei. (J'avo sagt nichts.) Jede Menge geflohener Sklaven auf Piratenschiffen, und doch versklaven sie selbst.

J'avo: Jede Menge Leute unterwegs, die ihre Familien durchs Schwert verloren haben, und doch tragen sie selber welche. Fleece, ich war lange genug bei euch da oben. Ihr habt mit Sklaverei nichts am Hut, geht in Ordnung. Aber hier unten ist sie normal. Ohne sie funktioniert hier nichts. Bei euch da oben kann dir bei einem Überfall nur eins passieren, wenn du ihn nicht überstehst: Am Ende bist du tot. Bei uns gehst du im Kampf drauf oder wirst versklavt. Wenn dir das passiert, kannst du immer noch deine Zeit absitzen, dich freikaufen, weglaufen. Wenn du tot bist, bist du tot.

Fleece (rappelt sich schnaubend auf): Vergiss es.

 

Sie verlässt sein Zelt und passiert eins, in dem Max und Munaria liegen, er auf dem Bauch, sie neben ihm auf dem Rücken, während er im Schein seiner Zauberkugel eins ihrer Bücher liest. Sie beschwert sich, dass er sein Gesicht lieber woanders reinstecken sollte, und zieht den Zeltverschlag zu. Während Mittelländer wie unsere Helden in so einem Fall extrem genau darauf achten würden, so wenig verräterische Geräusche wie möglich zu machen, sieht man das im deutlich freizügigeren und sinnenfreudigeren Leuchtenden Süden ganz anders, und das Lager bekommt durchaus mit, dass Munaria eine gute Zeit hat.

 

Gleichzeitig haben es Karaqana und Raif viel komfortabler: Sie liegen im Bett, und inzwischen ist Raif ihr gegenüber fast er selbst – dann ist er auch am liebenswertesten. Abgesehen von der massiven kulturellen und standesbedingten Kluft ist Karaqana eine junge Frau von nicht mal 20 Wintern und hat, ob sie will oder nicht, Spaß daran, sich von Raif eine völlig bescheuerte Anekdote anzuhören.

 

Karaqana lässt immer mehr Nähe zu, die nicht der sexuellen Befriedigung dient, liegt dicht an dicht mit Raif im Bett und hört ihm zu. Raif beginnt verhalten, kommt aber in Stimmung, und seine Augen beginnen zu leuchten, er setzt sich auf, die Gesten werden ausladender, und wir sehen die Szene ausnahmsweise aus Karaqanas Perspektive, denn irgendwann erlischt die Wirkung von Minor Tongues, was Raif nicht mitkriegt, als er gerade nackt aus dem Bett steigt, um etwas fürs Verständnis Wichtiges vorzuführen. (Das würde er erst merken, wenn sie etwas sagt.) Karaqana versteht die Worte nicht mehr, aber die Emotionen, die mitschwingen, und aus irgendeinem Grund unterbricht sie ihn nicht.

 

Am Morgen, als langsam alles ächzend erwacht, stellt im Urwald einer nach dem anderen fest, dass der Regenguss Blutegel aus den Büschen gespült hat, die an jedem Zweiten kleben. Für Feuer ist alles trotz Max' Spark viel zu feucht und klamm, so dass man ihnen mit Messern zu Leibe rücken muss.

 

Das Frühstück auf Gut Surmakar ist ganz seltsam für Jen und Raif, denn beide merken, dass sie bei Tisch das Thema sind, auch wenn die Herrschaften diesmal nur selten herüberschauen. Danach möchte Karaqana mit Raif schwimmen gehen. Sie planschen also später ein bisschen herum, und wenn er sie berührt, weicht sie manchmal aus, manchmal erstarrt sie, weil diese Art Berührung in der Öffentlichkeit einem Sklaven nicht zusteht, da sie zu vertraut, zu gleichgestellt anmutet. Hashoia tritt hinzu und wirkt überraschenderweise sehr zurückgenommen, fast demütig, als sie Raif ausrichtet, dass er sich im Garten vor dem Hauptgebäude einfinden soll, und sich in Sentirais Namen bei Karaqana vielmals entschuldigt, ihr ihre Gesellschaft wegzunehmen, es werde nicht lange dauern.

 

Die Gruppe beobachtet währenddessen einen armen Affen, der von dem Fangarm einer riesigen fleischfressenden Pflanze ergriffen und in ihren zahnbewehrten Schlund gestopft wird. In den Dschungeln Meridianas ist die Flora ebenso tödlich wie die Fauna.

 

Jen wartet schon vor dem Hauptgebäude. Hashandra wirft wie immer Minor Tongues, und Sentirai und Zulhaminai entschuldigen sich halbherzig und ohne großes Trara für die Verwechslung. Es stehe den beiden frei, Surmakar zu verlassen, und sollten sie das wünschen, stehe ihnen selbstredend eine Eskorte zur Verfügung. Die beiden gehen wieder hinein, und Jen und Raif sind platt. Raif ist sicher, dass Karaqana dafür verantwortlich ist, was Jen, die sie ja nur von den Mahlzeiten her kennt, sich nicht vorstellen kann. Raif meint, sie sei nicht grausam, sie habe es nur nicht anders gelernt. Sklaven haben eine Funktion, so wie ein Kleid, ein Pferd, ein Wein eine Funktion hat, und wenn etwas nicht funktioniert, regt man sich eben auf. Jen weiß doch selbst, dass Sklaven in dieser Gesellschaft nicht wie Menschen betrachtet werden, dass man nicht mal in Erwägung zieht, dass ein Sklave Gedanken und Gefühle haben könnte, weil die einem Sklaven gar nicht zustehen – und wäre man nicht menschlich wertlos, hätten die Götter auch nicht zugelassen, dass man versklavt wird. Hier ist eben jeder da, wo er hingehört, und dieses Schicksal ereilt niemanden, der es nicht verdient. Dieses Denken ist in Tashalar und auch in Calimshan so weit verbreitet, dass es sogar Sklaven gibt, die von ihren Herren wie eine Sache behandelt werden, ihnen aber treu bis in den Tod ergeben sind.

 

Raif nimmt an, dass Karaqanas Blick auf ihn erst geöffnet wurde, als er sich als Raif vorstellte und abstritt, ein Sklave zu sein. Worte sind billig, aber dass die bloße Möglichkeit bestand, reichte vielleicht, um ihn anders zu sehen. Sicher nicht als auch nur annähernd Gleichgestellten, aber wenigstens als Menschen. Außerdem kommt hinzu, dass Karaqana zwar als Ehrengast der Neramus auf Surmakar weilt, aber von weit niederem Stand ist. Die Danhamurs sind nur Fanas wie Raif – fantastisch reiche Fanas, aber eben keine Granden. Vielleicht konnte sie sich auch deshalb emotional besser auf Raif einlassen? Und sobald er erst mal wieder er selbst war, öffnete er ihre Pforten weiter und weiter? (Er plant nicht manipulativ, weiß aber gefühlt schon, dass ihn viele Menschen mögen und er menschlich oft gut ankommt. Deshalb verstellt er sich auch meistens nicht, selbst wenn es manchmal ratsam wäre.)

 

Karaqana ist zwar noch jung, aber in einer reichen Familie aufgewachsen und nicht dumm. Je mehr sie von Raif mitbekam, umso klarer wurde ihr, dass diese beiden nun wirklich keine Sklaven sind – und dass Raif das Leben, das er führte, liebt und irrsinnig stolz darauf ist. Natürlich kennt sie Sarab Hamur (zwar nicht persönlich, aber seinen Ruf) und weiß um seine flatterhaften, wankelmütigen Interessen und seinen Sinn für Epik und Romantik. Es macht Sinn, dass er sich, wenn er die Chance erhält, mit Abenteurern befasst, um aus der Sicherheit und dem Komfort seines Lebens heraus das ach so schmutzige, entbehrungsreiche, heroische Abenteurerdasein mitzuerleben. Dass diese beiden hier gesellschaftlich nichts wert und den Launen der Reichen ebenso unterworfen sind wie ein wohlhabender Kaufmann oder ein Töpfer, hat dann wohl dazu geführt, dass man sie mir nichts, dir nichts als Sklaven vereinnahmte. Wer wollte Haus Neramu dafür zur Rechenschaft ziehen? Und hier draußen, auf Gut Surmakar, kriegt sowieso niemand etwas mit.

 

Anstatt jedoch Raif ans Messer zu liefern, gab Karaqana Sentirai gegenüber vor, lediglich die Namen der beiden aufgeschnappt zu haben. Das wäre doch ein irrer Zufall, wenn es sich hier nicht um diese Abenteurer aus dem Norden handelte, die jüngst bei Sarab Hamur und Hazaphar Zurinal zu Gast waren, zumal auch noch die Beschreibungen auf sie passen, oder? Sentirai gaukelte ausgesprochen halbherzig Unwissenheit vor ("Ach, hätten sie doch mal einen Ton gesagt!"), doch nun blieb ihm gar nichts anderes übrig, als ihre Identität anzuerkennen. Unter allen anderen Umständen wäre ihm das Erwischtwerden komplett egal gewesen ("Was Ihr nicht sagt. Es geschehen die merkwürdigsten Dinge, nicht wahr?"), aber die Neramus wollen schließlich, dass Karaqana einen guten Eindruck von ihnen nach Hause mitnimmt, denn deswegen haben sie sie ja eingeladen.

 

Die Expedition erreicht das Stammesgebiet der Shemu. Munaria und Manaq haben bereits unterwegs einen Ball aus Blättern, Wurzeln und Schlingpflanzen gebastelt, den sie Zhai, die geschickt einen Baum erklimmt, an geknüpften Lianen prominent aufhängen lassen. Man zieht sich wieder zurück und errichtet sein Lager. Munaria und Manaq waren beide schon hier, und mit diesem Ball geben sie ihre Identität preis und bitten um Erlaubnis, weitergehen zu dürfen, denn in dieser Richtung liegt das Dorf. Ohne ihre Führung wäre man einfach weitergegangen und mit Pfeilen beschossen worden, und es hätte Tote gegeben – dabei sind die Shemu friedlich, leben aber in Angst vor Sklavenjägern. Eigentlich sind sie zu früh hier, denn die Bräuche der Shemu verlangen, dass man über seine Bitte, sie zu besuchen, "eine Nacht schläft", also errichten alle ihr Lager und vertreiben sich die Zeit.

 

Raif begibt sich zu Karaqana zurück, die sich am Beckenrand festhält und spitzbübisch lächelnd fragt, was Sentirai wollte. Raif setzt sich zu ihr, sieht sie ernst an und meint, dass er gar nicht weiß, wie er ihr danken soll. Kara stößt sich ab, schwimmt rückwärts und flötet, dass er gut damit beraten wäre, ihr noch ein paar Tage Gesellschaft zu leisten und sie dann zurück nach Tashluta zu begleiten. Man wisse ja nie.

 

Am nächsten Morgen scheint der Ball unberührt da oben zu hängen, aber Munaria erkennt, dass und wie die Anordnung des Materials geändert wurde: eine Einladung. Die Expedition marschiert also weiter und erreicht das Dorf der Shemu, die ihre Hütten inmitten kleiner Wasserfälle errichtet haben. Freudig werden Munaria, Sivariu und Manaq begrüßt, und die Shemu fordern die Gäste auf, am Nipakau teilzunehmen, einem harmlosen Ballspiel, wie es von ferne aussieht. Munaria aber erklärt den Abenteurern, dass das Spiel mit einer giftigen Riesenassel gespielt wird, die sich bei Berührung zu einem Ball zusammenrollt und ein ätzendes Sekret absondert. Das macht es zusehends schmerzhafter, den "Ball" zu tragen, und man läuft immer Gefahr, dass, wenn man sie zu stark schüttelt, die Riesenassel zubeißt, was eine extrem schmerzhafte Vergiftung zur Folge hat. Jedoch würden die Shemu die Gäste deutlich mehr zu schätzen wissen, wenn sie miteinander gespielt haben.

 

Skaar ist natürlich Feuer und Flamme, und auch Zhai, J'avo und Baltram melden sich. (Tulwood möchte so unglaublich gern glänzen und etwas für die Gruppe tun, hat aber Angst vor der Riesenassel.) Zwei Shemu gesellen sich zu ihnen, weil das Spiel von zwei Sechser-Teams gespielt wird, aber viele Shemu beschweren sich, dass "Mann-Baum" zwei Spieler wert ist. Baltram geht freiwillig ins andere Team, und so treten sechs gegen fünf an. Es folgt ein spannendes Spiel, in dem J'avo durch sein robustes Reingehen die meisten Balleroberungen verzeichnet und dann entweder zu Zhai abspielt, die für die Gegner zu flinke Haken schlägt, oder zu Skaar, dem einfach gar nicht beizukommen ist. Zhai wiederum ist clever und bindet auch immer die beiden Shemu-Mitspieler mit ein, damit kein "Wir gegen die Shemu!"-Eindruck entsteht. Skaar dagegen kennt nur Mann-gegen-Mann-Wettbewerb, keine Mannschaftsspiele – er spielt überhaupt nicht ab und versucht, jeden Punkt selbst zu machen, was er auch schafft, sobald er die Assel hat. (Ihm leuchtet auch nicht ein, warum nicht jeder Ball an ihn abgespielt wird – man will doch gewinnen, oder?) Die beiden Shemu-Mitspieler merken schnell, in was für einem Gewinnerteam sie spielen, und haben dank Zhais Einbindung auch Freude daran, und gemeinsam gewinnen sie haushoch.

 

Daraufhin wollen die Gegner auch mal mit den Gästen spielen, und es wird so gemischt, dass Skaar und vier Shemu gegen Zhai, J'avo, Baltram und drei Shemu antreten. Skaars Mitspieler spielen die Assel natürlich grundsätzlich ihm zu, und sobald er sie hat, haben die anderen keine Chance mehr, auch wenn Zhai und J'avo es versuchen und dabei sehr ruppig von Skaar abgewehrt werden. (Sie waren gewarnt, denn bei ihm weiß man ja: Beim Wettbewerb gibt es keine Rücksicht.) Die zweite Runde geht natürlich an Skaars Mannschaft.

 

Fleece sieht sich die lachenden und klatschenden Shemu an und denkt wehmütig an Raif. Er würde es lieben, hier zu sein, weil er sich an die Kekeyatonba erinnern würde, die ihn damals gesund gepflegt hatten. Angesichts ihrer scheinbaren Primitivität und der Rechtlosigkeit der Alaru in den Städten, wo sie nahezu ausschließlich als Sklaven leben, vergisst auch Fleece manchmal, dass sie im Grunde wie menschliche Elfen sind: Naturverbunden, nehmen nicht mehr, als sie brauchen, achten ihre Umwelt und befinden sich im Einklang mit ihr. Wie einfach sie leben, und doch sind sie glücklich. Da stellt sich die Frage, ob die angeblich Primitiven von den angeblich Zivilisierten wirklich etwas lernen können oder ob es sich nicht eher umgekehrt verhält. Aber ihr ist natürlich auch klar, dass die meisten Stämme auch so manchen barbarisch anmutenden Brauch haben, der Fleece dann wieder wünschen lässt, sie würden ein bisschen mehr Zivilisation annehmen.

 

Munaria erklärt den Shemu in ihrer Sprache, warum sie hier sind, und deutet auf den Berg in weiter Ferne, den Valmaxian zum Ziel auserkoren hat. So tief ins Landesinnere ist sie von hier aus nie vorgedrungen, weiß also nicht, ob es dort auch Alaru-Stämme gibt. (Viele sind bereits ausgerottet und versprengt durch die Sklavenjagd, andere haben sich woanders neu angesiedelt.) Die Shemu berichten von den Anoiha und Oijaniha, die den "Gürtel" um den gewünschten Berg herum bewohnen, stets miteinander im Krieg liegen und auch sonst darauf achten, dass niemand in ihr Territorium eindringt. Beide Stämme klingen nicht so, als sei mit ihnen gut Kirschen essen, doch die Shemu leben zu weit von den Anoiha und Oijaniha entfernt, um sie jemals selbst angetroffen zu haben, also handelt es sich vielleicht auch um unzuverlässige Informationen. Auf jeden Fall bezweifelt Valmaxian, dass die Anoiha oder die Oijaniha den Pfad der Sterne bewachen, denn dann wäre dieser Berg nicht als silbergekrönt beschrieben worden – er ist nämlich nicht der höchste und damit nicht silbergekrönter als die anderen, was bedeutet, dass man schon ziemlich weit hoch muss.

 

Die Matrosen bauen am Rand des Dorfes ihre Zelte auf, aber den Ehrengästen (den Nipakau-Spielern sowie den offensichtlich wichtigen Gästen) werden leere Palmwedelhütten angeboten, die für hohen Besuch reserviert sind.

 

Danach kommt das gemeinsame Abendessen: Es gibt frittierte Spinnen und Insekten. Dr. Thulcandra, Sivariu und Manaq kennen das und haben damit kein Problem, Skaar erst recht nicht (er beklagt nur, dass es so wenig ist), J'avo ist nicht wählerisch und isst alles, ansonsten traut sich dank nicht bestandenem Will-Save nicht mal Fleece, obwohl sie sich die Shemu ja gewogen machen möchte.

 

Sumukopa, die, obwohl schon an die 50 Winter alt, zuerst mit Baltram gegen die Abenteurer und dann mit Skaar gegen Zhai und J'avo angetreten war, spricht als eine der wenigen Shemu Tashalari, weil sie manchmal Handel mit anderen Stämmen treibt (die wiederum ihre eigenen Sprachen sprechen, so dass man Tashalari zur Verständigung benötigt). Nach Rücksprache mit dem Häuptling erklärt sie sich bereit, die Expedition zu führen.

 

Am Abend gießt es wie aus Eimern. Fleece huscht unter ihrer Decke (die nicht verhindert, dass sie klatschnass wird) zu J'avos Hütte und bittet um Einlass. Er sitzt schweißglänzend da und repariert im Schein einer kleinen Laterne sein Muschelarmband, nickt, und sie kniet sich dazu.

 

Fleece: Tut mir leid, dass ich noch mal störe. Ich... Hör zu, J'avo. Vermutlich wusstest du nicht... (Sie schmunzelt.) Was rede ich, du warst über ein halbes Jahr mit Bran zusammen, du weißt mehr über uns, als du solltest. Wie auch immer. Da war Raveena. Eine Piratin. Spider war zuvor Zhentilar.

J'avo: Was ist das?

Fleece: Die Zhentilar sind Soldaten eines ziemlich bösartigen Reiches. Sieh dir Spider an. Leute wie ihn züchten sie. Jedenfalls... es gibt noch andere dunkle Flecken. Ich wollte, es wäre nicht so, doch es gibt sie. Was ich sagen möchte, ist... Vielleicht urteile ich manchmal zu hart. Du bist ein Kind deiner Umwelt, so wie jeder von uns.

J'avo: Verdammt, jetzt komme ich im Chondathanischen schon wieder nicht drauf. Wie nennt man das, wenn sich jemand erst für das eine und dann für das andere entscheidet?

Fleece: Wankelmütig?

J'avo: Nein, das ist es nicht.

Fleece: Sinneswandel?

J'avo: Das ist es! Warum der Sinneswandel?

Fleece: Die Ausgangssituation ist zu kompliziert, um sie jetzt zu erläutern. Im Grunde ist sie auch gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass du Laliari und mir gefolgt bist, denn ohne dich hätten wir das Fresko nicht gefunden. Und selbst wenn, hätte ich es nicht an die Wasseroberfläche bringen können. Du hast irrsinnig hart darum gekämpft, obwohl es so leicht gewesen wäre, den schweren Brocken loszulassen, damit du endlich den Haien davonschwimmen kannst. Warum hast du es nicht getan?

J'avo: Das hast du mich schon mal gefragt.

Fleece: Ja, und du hast mir eine unsinnige Antwort gegeben.

J'avo: Ach, ich weiß es doch auch nicht. Das Ding war wichtig, also... Wenn ich sage, ich tue etwas, dann tu ich's auch.

Fleece: Löblich. (Sie lächelt.) Die Kämpfe gegen die Piraten, gegen die Schlinger, die Hammerhaijagd, der Behir...

J'avo: Der was?

Fleece: Das Riesenvieh mit den vielen Beinen.

J'avo: Ah, das.

Fleece (mit weicherer Stimme, als sie beabsichtigt hatte): Und dann hast du den zweiten Pfeil aufgehalten. (Sie sieht ihn durchdringend an, er schaut eine Weile zurück, dann wieder auf sein Armband.) Warum?

J'avo (sieht sie einen Moment lang an, schüttelt dann den Kopf und winkt ab): Du immer mit deinen tausend Gedanken. (Mit höherer Stimme:) Warum hast du das Fresko festgehalten? Warum hast du dich in den Pfeil geworfen? Warum bist du nach rechts statt nach links gegangen? Du denkst zu viel nach. Ich hab keine Ahnung, wie du das in solchen Situationen machst, aber du tust es. Ich nicht. Ich tu einfach, was nötig ist.

Fleece: Jede einzelne unserer Taten hat einen Grund. Immer.

J'avo: Dann bin ich sicher, du wirst jeden einzelnen herausfinden und am Ende viel mehr wissen als ich.

 

Sein spöttisches und doch entspanntes Lächeln, gekoppelt mit seinem Seitenblick und dem Augenzwinkern, ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der Verstand ist ausgeschaltet, die Hormone übernehmen das Kommando, und Fleece küsst ihn stürmisch.

 

Tulwood hatte in Milandres Hütte gesessen, um den Wolkenbruch abzuwarten, aber im Regenwald kann das sehr lange dauern, also rennt er durch den Regen, passiert die Hütte, in der sich Munaria unüberhörbar Max zur Brust nimmt – und sieht in der Hütte, die er sich mit J'avo teilt, wie dieser der auf seinem Schoß knieenden Fleece das Oberteil über den Kopf streift und sein Gesicht in ihren Brüsten vergräbt. Okay, wenn niemand Fleece kriegt, gut, damit kann er leben. Dann kommen neue Gesichter für sie halt einfach nicht infrage. Aber verdammt, so klar stets war, wie unerreichbar sie für Tulwood ist, so klar hat J'avo jetzt ihre Brustwarze zwischen den Zähnen! Und er ist ein Barbar! Tulwood hingegen ist ein zivilisierter junger Mann aus gutem cormyrianischen Hause und... ein dummer, kleiner Junge, der sich eingebildet hatte, bei den Großen mitspielen zu können. Seine Schultern sacken herab, und völlig deprimiert macht er Kehrt, während ihm einfach nur zum Heulen zumute ist.

 

Fleece nestelt ungeduldig an J'avos Hose herum, lächelt dann ungläubig und flüstert. "Sune steh mir bei!", als J'avo auffällt, dass die Hütte noch offen steht, und er schließt den Palmverschlag, ohne Tulwood gesehen zu haben.

 

Am nächsten Morgen ist eigentlich klar, was gelaufen ist, denn da Tulwood auf Fleeces Platz bei Zhai und Milandre übernachten musste, konnte Fleece J'avos Hütte nachts nicht heimlich verlassen – zumal sie nicht sicher ist, ob der Regen wirklich jeden Laut geschluckt hat, obwohl sie sich große Mühe gegeben hatte, leise zu sein. So kommt sie also aus J'avos Hütte, und das wird von der gesamten Truppe Fleece gegenüber komplett ignoriert, während man hinter vorgehaltener Hand natürlich ein Gesprächsthema hat. Sie ist sehr unzufrieden mit sich und der ganzen Situation und lässt das ausgerechnet an Tulwood aus, der nichts dafür kann und den sie gestern von seinem Nachtlager vertrieben hat, indem sie vor ihrer Hütte einfach nur barsch zur Seite zeigt und "Raus!" murrt. Tulwood platzt fast der Kragen, aber er verlässt wütend stolpernd die Hütte. Nach stummen Blicken zieht sich Milandre draußen weiter an, während Zhai noch ihren Beutel neu packt. Fleece findet in ihrem Gepäck das teure Kontrazeptivum, das sie nun opfern muss, weil sie den Sex mit J'avo nicht geplant und dementsprechend vorher keinen Narawurzeltee getrunken hatte. Sie kippt es runter, während Zhai sie von der Seite ansieht, ob sie etwas sagen möchte, aber die Bardin rafft nur sauer ihr Zeug zusammen und geht hinaus.

 

Fleece gesteht es sich nicht ein, aber sie ist wütend auf sich selbst und projiziert diese Wut auf J'avo. Er ist schuld daran, dass sie auf einen geistlosen Barbaren aus dem exotischen Meridiana scharf ist, und vermutlich tut er nur so zu- und umgänglich, indem er sich als Mittelländer gibt, der er nicht ist. Bei Jen und Raif sollten ihre Gedanken sein, nicht bei ihm, und Fleece sollte die professionelle, moralisch einwandfreie Anführerin sein, zu der jeder mit seinen Sorgen und Nöten kommen kann – es ist doch J'avo, der sie dazu bringt, ihn nachts aufzusuchen und sich von ihm ficken zu lassen, was fällt ihm ein!

 

Oh, daran darf sie gar nicht denken. Sein Teil tat ihr tatsächlich weh, und trotzdem liebte sie es, weil sie nie zuvor so ausgefüllt worden war. Und o Sune, die Muskeln! Rhoedry war ihr muskulösester Liebhaber gewesen, aber J'avo erreicht noch mal eine ganz andere Dimension. Die Umgebung in der Palmwedelhütte in strömendem Regen im Schein der Laterne tat natürlich ihr Übriges, doch auch im besten Zimmer einer edlen Herberge hätte sie ihn animalisch gefunden. Verdammt, sie denkt schon wieder darüber nach!

 

Unterbewusst ist ihr auch klar, dass er sich inzwischen jede Münze, die er gekostet hat, dreimal verdient hat. Zuerst traute sie ihm nicht und lehnte ihn ab, weil er so fremd war und dafür aber wieder zu nahbar wirkte. Inzwischen traut sie ihm nicht und lehnt ihn ab, weil sie nicht will, dass er ihr gefällt. Wie kann ein Mann, der als Sklavenjunge aufwuchs, davonlief, selber Sklavenaufseher wurde, dann Walfänger, dann Pirat, so ruhig und besonnen sein? Wie kann so jemand die Kunst beherrschen, das Leben so zu nehmen, wie es kommt, und seine Zufriedenheit nicht im unerreichbar Scheinenden suchen, sondern in dem, was er hat? Keiner aus der Gemeinschaft der Ersten Sonne kann das! Fleece schon dreimal nicht, also wie soll es ein ungebildeter Barbar können? Wie kann so ein fremdländischer, kulturell komplett anders sozialisierter Schlagetot so mit sich im Reinen sein oder so viele Witze auf eigene Kosten machen oder stolz darauf sein, dass er eigentlich von allen hier am besten kochen kann, oder nie die Ruhe verlieren und diese auch auf andere ausstrahlen? Das ist doch lächerlich! Nein, das muss gespielt sein, denn wie kann es angehen, dass ein Wilder persönlich weiter ist als Fleece?

 

Tulwood geht J'avo nach Möglichkeit aus dem Weg, weil er schlicht eifersüchtig ist. Er mag den "Barbaren", aber nur solange, wie er etwas Besseres sein kann, und das war er bei dieser Truppe nur zu Beginn im vertrauten Marsember, und jetzt, wo der soziale Stand keine Rolle mehr spielt, sondern nur noch das, was man kann, weniger als je zuvor. Von Anfang an war er neidisch auf J'avo, tröstete sich aber damit, dass dieser nicht mal das Anwesen der Suvars betreten durfte, dass Talara richtige Angst vor ihm hatte und Quistis so etwas Niedriges nie auch nur in ihre Nähe gelassen hätte, aber Tulwood durfte mit beiden Frauen schlafen – J'avo nicht. Wozu braucht er auch diese riesigen Muskeln? Er ist schließlich ein ansehnlicher, gebildeter, zivilisierter Mittelländer, etwas Besseres als ein Wilder wie der da – aber der Wilde vögelt die Anführerin. Nein, Tulwood kann J'avo nicht in die Augen sehen.

 

Mit trockenem Holz der Shemu werden erst mal Feuer entzündet, damit nass gewordene Kleider trocknen können, dann setzt die Expedition, mit Sumukopa nun wieder auf 23 Köpfe angewachsen, ihren Weg ins Hochland fort. J'avo testet vorsichtig aus, ob er mit Fleece reden kann, aber die wahrt Abstand und macht durch Mimik und Körpersprache klar, dass sie sauer auf ihn ist. Er hat natürlich nicht die leiseste Ahnung, warum, nimmt das aber schicksalsergeben hin.

 

Es gilt, den Hanai zu überqueren, der sich talwärts beim Tempelberg der verlorenen Stadt in den Palanai ergießt. Die Shemu haben hier eine Brücke errichtet, der niemand so recht trauen mag. Obendrein ist der Hanai tödlich: Im Wasser treiben sich Piranhas herum, an den Ufern lauern Kaimane. Zhai meint beiläufig, der höhenangstgeplagte Raif hätte hier seine helle Freude.

 

Die Brücke ist nur auf ein, zwei Leute ausgelegt, also muss man sie nach und nach überqueren. Dazu verteilt man die Ausrüstung besser auf die Köpfe, so dass niemand zu schwer ist, aber Skaar wird diese Brücke nie und nimmer tragen. Glücklicherweise hat Max Telekinesis vorbereitet. Der Zauber kriegt den Goliath gerade so angehoben, und langsam schwebt Skaar hinüber und erfreut sich an der neuen Erfahrung. Da man von oben einen guten Blick auf die vorbeiziehenden Piranhaschwärme hat, gibt es auch die eine oder andere Gelegenheit, wo jemand stehen bleibt, weil er vor Angst erstarrt und nicht mehr weiter kann, was Fleece durch Inspire Courage löst. Dass bunte Inkharas über dem Halai Paarungstänze aufführen und man fürchtet, sie könnten sich auf verlockende Beute auf dem Präsentierteller stürzen, erleichtert die Situation nicht gerade.

 

Immer wieder passiert man unterwegs Ruinen – vor Jahrtausenden waren die Alaru hier offenbar sehr baufreudig. Meranilius und Munaria sind begeistert, weil beide noch nie in dieser Gegend waren, und halten die Reise insofern auf, dass sie überall viel Zeit verbringen, untersuchen, abzeichnen und abpausen, aber das ist ja letztlich Zweck dieser Expedition: Meranilius bei seinen Forschungsarbeiten zu beschützen. Er interessiert sich für Hinweise auf die echsische Hochzeit, Munaria interessiert sich für die Alaru an sich. Abermals kann Fleece nur staunen, was für die Jahrhunderte überdauernde, imposante Bauwerke die "primitiven Wilden" einst geschaffen haben.

 

Die Reisenden müssen sich gefräßiger Lutina-Zecken und Mhair-Moskitos erwehren, werden von einem abgestorbenen Baum vertrieben, der sich als heimtückisch getarnte Pflanze entpuppt, und haben auch sonst keine allzu gute Zeit, da das Gelände steil, unübersichtlich und unwegsam bleibt, so dass kleinere Unfälle an der Tagesordnung sind und man nur auf den ersten ernsteren wartet.

 

Auch in den nächsten Tagen lässt die Ruinendichte nicht nach, und man kommt nicht gut voran. Sumukopa warnt davor, dass sie sich ab jetzt im Territorium der Oijaniha befinden. Dr. Meranilius und Dr. Thulcandra orakeln, ob vielleicht noch nie zuvor ein zivilisierter Forscher hier war. Endlich findet man eine Grabstätte, doch die ist bereits geplündert worden, womit diese Frage beantwortet wäre (Shadow of the Tomb Raider, Kuwak Yaku, Hunting Grounds (südöstlich von K. Y. Ruins): von hier aus geht's direkt an einen kleinen Fluss, an dessen Ende ein Sarkophag zu finden ist). Mit Munarias Sachverstand jedoch folgt man kleinsten Hinweisen und stößt auf einen unzugänglichen und gut verborgenen Eingang zu einer Gruft. Natürlich ist es an Zhai, sie auszukundschaften (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Fishing District (nördlich): am Baum hoch und über die Felsen zum Eingang). Die Fallen sind längst durch Tiere ausgelöst worden und funktionieren eh nicht mehr, doch Fallgruben funktionieren immer – was dank ihrer Darkvision aber kein Problem darstellt. Hier könnte man so manche Kostbarkeit aus den Wänden brechen, was Zhai sporadisch auch tut, wenn es sich gut transportieren lässt.

 

Eines Morgens macht Fleece die panische Entdeckung, dass sich ein schrecklich langer, dünner Wurm in ihren Arm gebohrt und sich unter der Haut eingenistet hat. Sumukopa kennt das, schneidet ihn fachmännisch heraus und macht Fleece einen Umschlag.

 

Um vor Karaqana nicht als Geizhälse dazustehen, geben die Neramus Jen und Raif ihren Schmuck zurück, kleiden sie ein und schenken ihnen zu allem Überfluss als "Entschädigung" zwei vielleicht 15- oder 16-jährige Veolensklaven: Zinakai und Paloi. Vielleicht tun sie das, um gut dazustehen, vielleicht auch, weil sie wissen, dass Jen und Raif kein Geld haben, und ihnen etwas schenken wollten, mit dem sie nichts anfangen können. Jen ist jedenfalls klar, dass man nicht ablehnen darf. Nun verabschieden sich die beiden denkbar knapp von ihren "Gastgebern", dennoch gezwungenermaßen ehrerbietig, weil alles andere den Neramus einen Vorwand liefern würde, sie für ihre Respektlosigkeit zu bestrafen.

 

Hashandra belegt beide ein letztes Mal mit Minor Tongues, auf Kara abgestimmt. Diese hat aber weder Magier noch Visaru dabei und bittet die Neramus um einen Übersetzer. Sentirai hat keine andere Wahl, als Ierendi mitzuschicken, und da sie nicht wertvoll genug ist, noch jemanden zu entsenden, der sie zurückbringt, schenkt er sie ihr.

 

Jen und Raif sind froh, am Anleger nun nicht das Sklaven-, sondern das luxuriöse Reiseboot besteigen zu können. Jedoch ist die Situation schrecklich ungewiss: Was passiert, wenn sie Tashluta erreichen? Raif kann Kara, nachdem sie die beiden aus der Sklaverei errettet hat, unmöglich fragen, aber er und Jen haben keine einzige Münze und keine Bleibe in der Stadt, und Raif kann sich durchaus vorstellen, dass Kara, die ein finanziell sorgloses Leben gewohnt ist, darüber nie nachgedacht hat.

 

Obendrein fühlt es sich sehr merkwürdig an, auf Schritt und Tritt von den beiden unterwürfigen Veolen begleitet zu werden, die nichts anderes als das Dasein als Sklaven kennen und völlig unselbstständig sind. Sie sind es von kleinauf gewohnt, sich vor den Herrschaften nichts anmerken zu lassen, aber Jen hat den Eindruck, dass sie sich freuen, haben sich "die Keldorans" doch einen guten Ruf auf Surmakar erworben. Zu allem Überfluss kann man nur mit Ierendis Hilfe mit ihnen kommunizieren, da die beiden natürlich lediglich Tashalari sprechen. Sie nennen ihre "Herrschaft" Ban Keldoran und Sa'ban Keldoran, und vielleicht denken sie auf Grund ihrer mangelnden Bildung wirklich, dass die beiden Keldorans sind. Die "Keldorans" bitten Ierendi, das Missverständnis aufzuklären, bevor sie noch wegen Anmaßung in Teufels Küche kommen.

 

Die Expedition erreicht ein verlassenes Stammesdorf (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Abandoned Village (nordwestlich)). Fleece fallen die sitzenden Mumien auf, und Munaria erklärt ihr, dass die großen Stämme einst auf diese Weise zu Ehren von Shan'Xaraku wichtige Persönlichkeiten erhalten haben. Sie ist völlig fasziniert, denn ihr ist kein Stamm bekannt, der diese Tradition noch immer pflegt – die Kenntnisse über Mumifizierung gelten bei den Alaru als verschollen, seit die großen Stämme ausgelöscht wurden. Was dieses Dorf betrifft, muss es angesichts des Verfalls jedenfalls schon sehr lange her sein, dass es aufgegeben wurde, doch die Mumien, hier draußen Wind und Wetter ausgesetzt, sind dafür viel zu gut erhalten. Kann es sein, dass jemand kommt, um sich um sie zu kümmern oder hier neue zu platzieren?

 

Karaqana, Raif und Jen liegen auf Teppichen und Kissen und genießen magisch gekühlte Fruchtsäfte und heimische Früchte, während das Boot gemächlich den Turum entlangsegelt. Jen traut ihrer neuen Gastgeberin noch nicht recht, aber Raif versteht sich gut mit Kara und hat gelernt, was er bei ihr darf und was nicht. (Es ist nur für beide etwas ungewohnt, jetzt immer über Ierendi miteinander zu kommunizieren.) Dass Kara wie selbstverständlich davon ausgeht, dass Raif ihr zu Diensten ist und ihr z. B. so wie jetzt die Füße massiert, kann er ihr nicht übel nehmen, denn er weiß ja, wer sie ist und dass sie vermutlich gar nicht anders kann. Er steht gesellschaftlich nun mal weit unter ihr, und es ist schließlich eine Ehre, von ihr so gut behandelt zu werden, zumal sie ihn aus der Sklaverei errettet hat. Auch ist ihm klar, dass er nur einen Teil von ihr versteht – den zugänglichen, grundlegend menschlichen Teil, der gerne Spaß hat, gern begehrt wird, gern Komplimente hört. Der logische Teil, der kulturell bedingte, anerzogene, erlernte, entzieht sich seinem Verständnis, da Raif nicht wie ein Tashalari denken kann, wie ein reicher schon gar nicht. Er mag die natürliche Karaqana, aber diese kommt nur äußerst selten völlig pur zum Vorschein. Die gesellschaftliche Person Karaqana dagegen kann er nicht einschätzen, und beide sind natürlich untrennbar miteinander verwoben.

 

Jen weiß nicht, wie sie Karaqanas Verhalten Raif gegenüber einordnen soll, würde sich aber nicht wundern, wenn Kara vielleicht ein paar kurzlebige Schmetterlinge im Bauch hätte, denn Jen weiß: Raifs Erfolgsgeheimnis ist einfach, dass er in jeder attraktiven Frau, die ihn interessiert, unbewusst immer etwas Liebenswertes findet und sie das spüren lässt, und das wiederum lässt sie Raif mögen oder sich sogar in ihn verlieben. In einer Gesellschaft, in der jeder nur auf seinen Vorteil lauert und niemand sein wahres Gesicht zeigt, macht es vielleicht etwas mit Karaqana, dass jemand so "normal" und unbefangen mit ihr umgeht wie Raif. Dass er nie eine lange Beziehung hatte, zeigt jedoch, wie tönern dieses Fundament ist. Doch Jen will nicht urteilen, denn in seinen Gefühlen ist Raif aufrichtig und nicht manipulativ. Wäre er es, so überlegt sie, müsste man sich bei seiner charmanten Art wirklich in Acht nehmen. Jen lächelt melancholisch in sich hinein: Er hätte Sune-Priester werden sollen.

 

Die Expedition hat das Dorf untersucht, danach dort einen Regenguss abgewartet und schließlich, weil sich das Weiterziehen nicht mehr lohnte, ihr Lager errichtet. Bevor er schlafen geht, kotzt sich Tulwood bei Milandre mal richtig aus. Er ist seelisch am Ende und möchte sich dafür in den Hintern treten, so dumm gewesen zu sein, Marsember und seine ganze Zukunft hinter sich zu lassen für einen albernen Traum, den nur junge Menschen und Vollidioten träumen können. Im Laufe seines Monologs laufen die Tränen.

 

Tulwood: Ich vermisse meine Mutter und meine Brüder, meine Freunde, meine Heimat. Hier unten ist nichts so, wie es sein sollte. Doch selbst das wäre in Ordnung, weißt du, wenn ich inzwischen zum Mitglied der Gemeinschaft der Ersten Sonne geworden wäre. Aber langsam geht mir auf, dass dieser Weg deutlich länger ist als erwartet. Deutlich steiniger. Zu steinig für mich. Lathander hilf mir, wie dämlich ich war, mir auszumalen, wie es irgendwann mal wäre: Ich reite in schicken Kleidern auf einem teuren Pferd in irgendein Dorf, das ich gerettet habe, und dort feiern sie mich, und ich muss kein einziges Kupferstück für Ale ausgeben, weil sie mir eins nach dem anderen spendieren, und die Mädchen stehen Schlange, weil sie alle mit mir ins Bett wollen. So klang das immer bei Bran! Aber so ist es nicht. Es ist anstrengend, qualvoll, gefährlich und unglaublich... Wie hatte Fleece das genannt? Genau, unglamourös. Ja, Bran hat immer wieder erzählt, wie sehr sich seine Gefährten ihren Status erarbeitet und verdient hatten, und hinter denen liegen bis zu sieben Jahre! Sieh mich an, Milandre! Ich halte ja nicht mal eins durch!

     Die Überlandreise nach Tethyr ging ja noch in Ordnung, aber alles, was danach kam, nicht mehr. Ich bin es so leid, ständig vor Augen geführt zu bekommen, dass ich den alten Hasen nicht das Wasser reichen kann – aber ich kann es ja wirklich nicht. Fleece immer: "Du bist zu jung, zu unerfahren!" Wollte ich nicht hören, aber sie hatte Recht, oder nicht? Ich kann ein ums andere Mal nicht mithalten. Und dann auch noch euch zu sehen, dich und J'avo. Ihr begleitet die Gemeinschaft genauso lange wie ich. Es ist ja nicht mal so, dass sie einfach nur was gegen neue Gesichter haben. Es liegt an mir. Ich reiche einfach nicht. Was immer ich tu, selbst wenn's mir gelingt, ihr könnt's besser.

     Weißt du, ich hatte ernsthaft geglaubt... (Er lacht leise beim Weinen, weil er es jetzt so absurd findet.) ... wenn alle sehen, wie viel in mir steckt, was ich kann, wer ich bin, dann nehmen sie mich mir nichts, dir nichts auf, und Fleece verliebt sich in mich. Die Realität ist, dass sie eher einen verdammten Wilden zwischen ihre Schenkel lässt als mich! Einen verdammten Wilden!

     Ich kann nicht mehr, Milandre. Ich kann einfach nicht mehr.

 

Die Söldnerin weiß gar nicht, was sie dazu sagen soll. Jeder hat seine Probleme, und sie konzentriert sich weit öfter und stärker, als ihr gut tut, auf ihre eigenen und igelt sich emotional ein, ergibt sich der Gewissheit, die sie sich eingeredet hat: dass sich eh niemand wirklich für sie interessieren könnte, entstellt, wie sie ist. Wenn dann fremdes Leid von außen durch ihre Mauer bricht, überrascht sie das manchmal, so wie jetzt. Als sie zu lange nichts sagt – sie möchte wirklich, doch sie findet einfach keine Worte –, wertet Tulwood das als demonstratives Desinteresse, steht wütend auf und legt sich schlafen.

 

Die Nacht verläuft ruhig, die Morgendämmerung bricht an, es wird schon schummrig. Für die, die Wache schieben müssen, ist es die anstrengendste Stunde. Alles ist ruhig, am Feuer wacht seit zwei Stunden wieder Tulwood, an einer Seite des Lagers Manaq, an der anderen Naldan. Die Kamera zeigt im Wechsel den Himmel über dem Dorf, wo man kurz meint, gleitende Bewegungen zu sehen, und Aufnahmen der Leute in ihren Zelten, die allesamt unruhig schlafen. Eine Nahaufnahme offenbart ein gleitendes Wesen, nachtschwarz mit rotem Gesicht, das auf einem Ast Platz nimmt, während seine Artgenossen weiter kreisen. In Tulwood steigt ohne jeden Anlass Panik auf, er ächzt zuerst, während er herumstolpert, und nimmt schließlich schreiend Reißaus. Naldan geht es ebenso, Manaq kann seine Panik bekämpfen, aber nun schrecken auch andere aus Albträumen hoch, einige verwirrt, andere ebenso panisch wie Tulwood und Naldan, und das reinste Chaos bricht aus, ruhig beobachtet von den schwarzroten Gleitern.

 

Ein ängstlicher J'avo stolpert über den panisch über den Boden kriechenden Valmaxian, packt ihn am Kragen, schüttelt ihn und schreit ihn an: "Mach, dass das aufhört!" Das bringt Max soweit zur Räson, dass es ihm gelingt, einen area dispel zu werfen, der kurz jede Panik wegfegt, aber er stellt fest, dass es sich um einen andauernden Effekt handelt, den er mit Dispel Magic nur kurz unterdrücken kann – doch immerhin kriegt jeder Betroffene dadurch einen neuen Will-Save. In ihrem klaren Moment versteht Munaria Sumukopas Rufe, und sie übersetzt, dass die Angst vom Himmel kommt. Bögen und Armbrüste werden gezückt, wer nichts hat, wirft blind irgendwelche Sachen in die Äste, Max dirigiert seine leuchtende Zauberkugel hinauf, Pfeile fliegen, Manaq holt ein Monster von seinem Ast, die anderen gleiten davon, und der Effekt vergeht.

 

Es dauert eine Weile, bis sich die Furcht gelegt hat und wieder Ruhe einkehrt. Man sieht sich den Kadaver an, und Munaria übersetzt Sumukopas Shemu-Begriff mit: "Tama-Kuru. Gleiten-Schrecken. Gleitender Schrecken." Dabei handelt es sich um Monster, die sich von Furcht ernähren, und hier haben sie ein verlockendes Büfett vorgefunden. Es wird durchgezählt, und man landet bei 20 Köpfen – drei Mann fehlen. Es stellt sich bald heraus, dass es sich um Tulwood, Naldan und Gorlab handelt. Um auszuschließen, dass sich nun alle aufteilen und hoffnungslos verlaufen, gehen von hier aus nur zwei kleine Gruppen los, jeweils angeführt von Manaq und Sumukopa, und rufen nach den drei Vermissten.

 

Sumukopa, Milandre und Baltram pirschen durchs Unterholz, und bald erhellen Sonnenstrahlen ihren Weg. Plötzlich stoßen sie auf Tulwoods nackten, völlig zerfleischten Oberkörper – und sehen über sich auf einem schweren Ast einen riesigen Jaguar, der sie anknurrt. (Er hat Tulwood gerissen, halb verspeist, einen Teil der Beute zu seinen Jungen gebracht, ist zurückgekehrt, hat die Menschen gehört und ist vorsichtshalber auf den Ast geflüchtet, verteidigt nun aber durch Drohen seine Beute.) Sumukopa zieht ganz langsam einen Pfeil aus ihrem Köcher, doch von hinten schleicht sich ein zweiter Jaguar an, springt Baltram in den Rücken und reißt ihn zu Boden, erwischt ihn auch ordentlich, bekommt ihn aber nicht wie geplant so zu fassen, dass er ihn ins Unterholz schleifen kann. Blutend rappelt sich der Bootsmann wieder auf, beide Jaguare sind verschwunden, Milandre steckt ihr Schwert weg und greift mit glasigem Blick nach Tulwoods verbliebenem linken Arm, um ihn mitzuschleifen, und bewacht von der ins Unterholz zielenden Sumukopa kehrt man zum Dorf zurück, das man nur dank ihr auch wiederfindet.

 

Naldan war auf seiner Flucht in zuckerwatteähnliche Flusen gelaufen, die zwischen Ästen hingen, als wären sie vom Wind dorthin geblasen worden. Er verlor sofort das Bewusstsein, weil sie ein einschläferndes Kontaktgift absonderten, damit der unauffällig aussehende Baum, der sie ausgestoßen hatte, den Körper absorbieren kann. Nur durch Zufall sind Manaq, J'avo und Skaar in seine Richtung gegangen und auf ihn gestoßen. Von Gorlab fehlt jede Spur.

 

Zu den traurigen Klängen von King Arthur wird Tulwoods Leiche ins Dorf zurückgebracht. Im Laufe vieler Tendays hat man sich ja aneinander gewöhnt und allerhand geteilt, und Tulwood war ein charmanter, einnehmender Bursche. Vor allem aber Milandre und J'avo haben deutlich mehr Zeit mit ihm verbracht, von allen kannte ihn J'avo am längsten.

 

Während Sumukopa Baltrams Wunden versorgt, kniet J'avo bei der schrecklich entstellten Leiche nieder. Er sagt nichts, zerzaust dann Tulwoods Haar, erhebt sich schnell und geht ein paar Schritte. Fleece nähert sich Tulwood mit strengem, kontrolliertem Gesicht, aber der Körpersprache von jemandem, der sich trotz Höhenangst an einen Abgrund herantastet. Was sie befürchtet hatte, ist eingetreten. Hätte sie auf Jen gehört, dann hätte sie ihn an Bord zurückgelassen. Dass er unbedingt immer überall dabei sein wollte, konnte man ihm zwar nicht verdenken, aber er wusste es halt nicht besser. Eine andere Stimme in ihrem Kopf widerspricht, dass das, was Tulwood heute widerfahren ist, auch ihr selbst hätte widerfahren können. Dieser Tod hatte nichts mit mangelnder Erfahrung oder Unvermögen zu tun. Magisch ausgelöste Angst, panische Flucht ins Unterholz, aus dem Hinterhalt angefallen von einem Raubtier und gerissen wie ein Reh – Tulwood konnte nichts dafür. Die erste Stimme jedoch erwidert: 'Das ist mir egal. Es ist trotzdem meine Schuld.'

 

Sie fragt Skaar, ob er bitte außerhalb des Dorfes ein Loch ausheben könnte. (Das Dorf selbst ist ihr zu "verseucht" mit Götzenanbetung und damit zu götterfern.) Skaar hat gelernt, dass diese Leute die Ihren in der Erde vergraben, und nickt. Für ihn war Tulwood der Schwächste und Überflüssigste von allen und damit kein großer Verlust. Skaar muss Menschen deutlich länger kennen als ihn, um sie auch über ihre Nützlichkeit hinaus wertschätzen zu können. Aber natürlich weiß er, dass Menschen das sehr, sehr anders sehen.

 

Helm sei Dank ist Caldaia nicht hier, doch trotzdem ist Fleece traurig, dass niemand einen Segen sprechen kann. Wäre Gilborn doch nur mitgekommen! Sie fragt sich, wie hinderlich eine Bestattung ohne Segen in ungeweihtem Boden in der Fremde für Tulwoods Seele sein wird. Man versammelt sich um das Grab, und Fleece bittet J'avo und Milandre um ein paar Worte. Als keine Reaktion kommt, geht sie verärgert zu ihnen rüber.

 

Fleece (leise, aber bestimmt): Ihr kanntet ihn am längsten und am besten. Ich werde ihn nicht begraben ohne ein paar Worte von seinen Freunden.

Milandre erwidert ihren Blick, als hätte Fleece sie gefragt, ob sie fliegende Kühe mag.

J'avo (stupst Milandre mit dem Ellbogen an und nickt ermutigend zum Grab): Ich kann so was nicht. Komm schon.

Milandre (räuspert sich, tritt vor, sieht niemandem in die Augen und spricht in emotionslosem Tonfall): Ich kannte Tulwood Elemer nicht gut, aber wohl länger als die meisten hier. Er war ein Absolvent von Ruadas Ehre. Das ist eine sehr renommierte Kriegerakademie in Marsember, eine der besten in ganz Cormyr. Wer an Ruadas Ehre besteht, kann sich mit Fug und Recht Krieger nennen. (Jetzt wird ihre Stimme langsam dünner.) Tulwood... Tulwood war sehr stolz darauf. Darauf hätte er aufbauen können. Aber er wollte zu hoch hinaus. (Fleece sieht sie stirnrunzelnd an, da man beim Begräbnis nur Gutes sagen soll.) Er schloss sich Abenteurern an, deren Anforderungen er nicht erreichen konnte. Er wurde gewogen und für zu leicht befunden, immer wieder. (Fleece sieht sie jetzt stechend an, doch Milandre, deren Augen feucht geworden sind, bekommt das gar nicht mit.) Aber er gab nie auf. Den ersten Moment der Schwäche habe ich... gestern bei ihm erlebt. Angesichts der Herausforderungen, die bereits hinter ihm lagen, ist das... ist das ein Lorbeerblatt.

     Er hatte Herz. (Sie bleibt noch kurz unsicher stehen, tritt dann zurück.)

Fleece: Herr der Toten, hier haben sich gute Frauen und Männer versammelt, die Zeugnis ablegen wollen über den Mann, der nun vor dir steht. Tapfer, treu und zuversichtlich – diese Qualitäten Tulwoods möchte ich dir ans Herz legen. Ich bin gewiss, auf Rethon wird er nicht für zu leicht befunden werden.

     Tulwood Elemer wurde 22 Winter alt. Ich wollte, es hätten mehr werden dürfen. Wir empfehlen dir, Kelemvor, seine Seele.

 

Als sie um der Moral willen zur Tagesordnung übergehen will, meint Raelan, dass es ihm reicht. Schon einmal ist er Jergals Sense von der Schneide gesprungen, er will den Tod nicht herausfordern – und seine Kameraden sind doch eh die ersten, die es erwischt, allein auf diesem Trek haben sie vier Mann verloren. Das ist der Dammbruch: Bis auf den debilen Fleet stimmen ihm die anderen sechs Seeleute teils murrend, teils lautstark zu. Es wäre an Baltram, sie zur Ordnung zu rufen, aber der ist gerade von einem Jaguar übel verwundet worden und verspürt offenbar wenig Lust dazu, sondern sieht nur grimmig in die Ferne, während Sumukopa ihn verbindet.

 

Fleece kramt ein bisschen in ihrem Beutel, während sie dem Gerede zuhört, bittet dann mehrmals um Ruhe und kriegt sie, als sie ruft: "Jungs, ich möchte auch nicht hier sein!" Jetzt hören sie ihr zu, und sie schildert kurz, worauf sie am stolzesten ist: Goblin Town. Da ging es um Menschenleben, hier geht es nur um ein paar tausend Jahre alte Steine. (Amaraeus und Munaria sehen fast etwas schuldbewusst aus, sorgen sich aber offenkundig auch, ob sich Fleece auf die Seite der Meuterer schlägt, spricht sie ihnen doch aus dem Herzen.)

 

Fleece: Wir sind einem guten, ehrenwerten Mann einen Gefallen schuldig – und dieser schuldet Dr. Meranilius einen Gefallen. Das ist alles. Deshalb sind wir hier, das wisst ihr. In Tashluta brauchten wir Hilfe, und wir begingen den Fehler, uns auf der Suche danach an die falschen Menschen zu wenden. Das ist unsere Schuld, nicht eure. Doch für mich ist nun am wichtigsten, meine Freunde auszulösen, die als Geiseln genommen wurden, um unser Wohlverhalten zu gewährleisten, und wenn ich dafür allein weitergehen muss, dann werde ich das tun. Doch lieber wäre es mir, ich wüsste mich in der Gesellschaft guter Männer von der Schwertküste in Sicherheit. Ich bitte euch, liebe Kameraden: Bleibt uns treu!

 

Der Sleight-of-Hand-Check gelingt, und niemandem außer Valmaxian fällt auf, dass Fleece mit ihren Zauberkomponenten hantiert hat: Sie hat Mass Suggestion geworfen, und von neun Zielen schaffen nur zwei ihren Save: Baltram und Rhonwin. Die bemerken aber wiederum, wie sich das Blatt für Fleece wendet, und schließen sich der Mehrheit an, wenngleich wenig begeistert.

 

Fleece ging vor Jahren recht gedankenlos mit ihren Gaben um, aber inzwischen tut sie so etwas bei anständigen Menschen nur, wenn es gar nicht anders geht, und sie ist nicht stolz auf sich. Doch was getan werden muss, muss getan werden – am Ende sind ihr Jen und Raif unendlich viel wichtiger als alle Matrosen der Schwertküste zusammengenommen. Damit hat sie sich einen Tag erkauft, und wenn es sein müsste, würde sie morgen dasselbe wieder tun, wenn sie noch die Komponenten dafür hätte. Sie lässt das Lager abbrechen, und die nur mehr 21-köpfige Expedition setzt ihren beschwerlichen Aufstieg fort. Zurück bleibt ein frisches Grab mit einem aus zwei Zweigen gebastelten T, das für die Seelenwaage steht.

 

Nacht auf dem Fluss Turum: Das Boot fährt gemächlich dahin, und Jen kann nicht schlafen, denn Kara ist ziemlich laut beim Sex, und nach dem stand ihr offenbar der Sinn. Ob Raif ihn ebenso wollte oder ihr lieber vorsichtshalber zu Willen war, weiß Jen nicht. Sie geht an Deck, streift die sanft beleuchtete Kissenlandschaft, auf der es die beiden treiben (Maiuri sitzt wie immer direkt daneben), nur mit einem Seitenblick, setzt sich und betrachtet die schwarze Palmenfront, die am Ufer an ihr vorbeizieht. Plötzlich tauchen auch Paloi und Zinakai auf, die neben ihr geschlafen haben und wohl aufgewacht sind und ihr nun etwas zu trinken bringen. Ein paar Worte Tashalari kann sie dank Ierendi ja bereits, also redet sie ein bisschen mit ihnen.

 

Vorsichtshalber beginnt Fleece den Morgen gleich mit einem fröhlichen Lied, um sich bei den Matrosen für ihre Treue zu bedanken – und sie bei dieser Gelegenheit erst mit Fascinate zu faszinieren, um dann sechs von acht mit ihrer musikalischen Suggestion zu belegen. (Der Zauber ist praktischer, geht schneller und betrifft mehr Ziele, aber die Schlangenzungen sind Fleece ausgegangen, die sie als Komponente dafür benötigt.) Wie es das Schicksal will, schafft diesmal keiner seinen Save, und damit ist abermals die Mehrheit auf ihrer Seite. Das Gelände ist nicht so schwer wie gestern und lässt es zu, dass Fleece hin und wieder singt und so mit Inspire Courage die Moral stärkt. Das fällt ihr schwerer und schwerer, weil inzwischen die Luft doch spürbar dünner geworden ist, aber es gelingt ihr jedes Mal, sich zu überwinden. Skaar, der sich noch immer nicht an das Dschungelklima gewöhnt hat, blüht auf: Dünnere Luft fühlt sich an, als komme er nach Hause.

 

Mit finsterem Blick sieht Jen den Moloch Tashluta größer werden. Das Boot legt an, R'a'ilo und ihre Wachen eskortieren Karaqana von Bord zu ihrer Sänfte, die Sklaven und Jen und Raif folgen ihr. Kara hat nichts angekündigt und sie auch nicht gefragt – es ist doch ganz normal, dass die Reichen und Mächtigen entscheiden und der Rest sich zu fügen hat, oder? Maiuri bedeutet den beiden, sich anzuschließen. Jen hat kein gutes Gefühl dabei, aber Raif winkt ab, es wird schon gut gehen.

 

Landkarten sind ungenau, und oft füllt der Zeichner eben dieser das, was er nicht weiß, mit Geratenem auf. Daher wüsste man nicht mal, ob man überhaupt auf dem richtigen Berg ist, weil es deutlich mehr Spitzen gibt, als auf der Karte eingezeichnet sind. Doch nachts orientiert sich Valmaxian an den Sternen, korrigiert den tagsüber eingeschlagenen Kurs und hofft, dass sich die Alaru, die für ihn trotz allem nur Wilde waren, mit der Sternenkunde besser auskannten, als er befürchtet. Munaria und Amaraeus bestätigen ihn aber immer wieder, wenn sie auf Quipus stoßen, denen sie entnehmen, dass sie sich auf dem richtigen Weg befinden.

 

In Tashluta kehren die Rückkehrer in ein herrschaftliches Haus am Fuße des Silberbergs ein (jedoch, ganz wichtig: nicht auf dem Silberberg, der ausschließlich den Granden vorbehalten ist), wo vor einem Spalier aus Wachen und Sklaven Barashau mit seiner Frau Idrizai seine Lieblingstochter in Empfang nimmt. Jen hat den Eindruck, dass Idrizai ihre eigene Tochter nicht sonderlich mag, was auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint, wohingegen Kara mit ihrem Vater durchaus herzlich umgeht. Offenbar fragt dieser, wer jene unübersehbaren Leute sind, die Kara mitgebracht hat, aber leider verstehen die beiden nicht, was Kara antwortet, und Ierendi hat sich nun nach ihrer neuen Herrin zu richten und nicht Jen und Raif zur Verfügung zu stehen.

 

Kara schließt sich ihren Eltern an und zwinkert Raif lächelnd zu, und Maiuri geleitet die beiden zu ihren Gastgemächern – garantiert nicht die besten Räume des Hauses, aber für ihre Begriffe natürlich sehr feudal. Dass sie selbst Sklaven dabei haben (auch wenn diese furchtbar abgerissen aussehen), könnte ihrem Status gut tun, argumentiert Raif, doch Jen lehnt diese Denkweise komplett ab. Raif entgegnet mit der Frage, was ihnen übrig bleibt. Jen und er sehen schick aus, besitzen aber kein Kupferstück. Selbst wenn sie ungesehen aus diesem Haus herauskämen – was nicht passieren wird, dafür bräuchte man Jaq –, fänden sie ohne Sprachkenntnisse keinen Hehler, um ihren Schmuck zu verkaufen, müssten dies also weit unter Wert tun und könnten nur ein paar Tage davon leben. Und dann? Nein, sie sitzen hier fest und brauchen in jedem Fall Karas Hilfe, wenn sie je wieder mit ihren Freunden zusammenkommen wollen.

 

Valmaxian ist sich aus astronomischen Erwägungen heraus sicher, Munaria wegen der Quipus: Man muss in der Nähe des Ziels sein. Und siehe da, als die Abenteurer ein Tal betreten, sehen sie schon auf Meilen das im Nebel liegende Ende der Talsenke, davor aber zwei einander gegenüber liegende Stufenpyramiden. Auf der Spitze der einen befindet sich ein riesiges Bodenrelief mit einem Block aus elf mal elf Glyphen, aber in unregelmäßigen Abständen fehlen von den 121 insgesamt drei, ohne dass ein Muster erkennbar wäre. Auf der Spitze der anderen befindet sich ein besonders großer Quipu, der Kena Qera huldigt, einem der letzten Könige der Cuori. Amaraeus erkennt sofort, dass auch dieser Quipu in der echsischen Lesart der Ersten Ära verfasst ist. Dessen Inschrift, sobald sie erst mal verstanden wurde, sollte den Kontext zur Verfügung stellen, den man benötigt, um das Relief im Tempel am Palanai zu verstehen.

 

Während die drei Gelehrten oben auf der Pyramide mit den unvollständigen Glyphen beraten, diskutieren und ihre mitgebrachten Unterlagen wälzen, wird zwischen den Pyramiden das Lager errichtet. Fleece findet es hier oben sehr still und friedlich. Das untätige Warten lässt langsam wieder die Gedanken kreisen. Cormyr, Stony Rock, das Warten im Heerlager auf die Schlacht, die Angst um ihre Freunde in Chessenta, die beschwerliche Reise nach Tethyr, am Tag nach der Ankunft der Sprung nach Manshaka, keine Ruhe und Rückbesinnung, die Seereise, Mezro, Tashluta, J'avo, die Angst um Jen und Raif, Tulwood...

 

Sie spürt, wie ihre Augen feucht werden und sie am ganzen Körper zu zittern beginnt, und bevor irgendjemand zu viel mitbekommt, geht sie erst zügig davon, muss dann aber laufen, um genug Entfernung zwischen sich und das Lager zu bringen. Zhai, die Bernsteinlinsen vor den Augen, sieht das und folgt ihr, holt sie ein und umarmt sie einfach, und Fleece sinkt schluchzend in die Knie und heult sich aus.

 

Jen und Raif, die zumindest anständige Kleidung zum Wechseln mitbekommen haben, werden zum Abendessen gerufen. Ierendi hat den Auftrag bekommen, alles zu übersetzen, was sie betrifft, und die beiden gehen davon aus, dass die Danhamurs gewiss einen Visaru haben, dieser aber nicht abkömmlich ist. (Wobei längst nicht alle Magier auch Tongues im Repertoire haben. Tashalari spricht hier unten einfach jeder.) Es gehört sich, Sklaven nicht untätig sein zu lassen, "damit sie nicht faul werden", also hat Kara Zinakai und Paloi neu einkleiden lassen, und sie dürfen ihre beiden "Besitzer" bedienen – Paloi bedient Jen, Zinakai bedient Raif. Als beim höflichen Geplauder Barashau ihn darauf anspricht, meint Raif gut aufgelegt, er müsse sich erst daran gewöhnen, Sklaven zu besitzen, um nicht gleich eine Diskussion aufkommen zu lassen, auf die Jen sicher nicht schlecht Lust hätte.

 

Kara ist absolut bewusst, dass Raif nicht weiß, was und wie viel sie ihren Eltern von den beiden erzählt hat, und beobachtet ihn, wie er auf Fragen zu reagieren versucht, damit seine Antworten auf alle Möglichkeiten passen. Das gelingt ihm mit Int- und Diplomacy-Checks sogar sehr gut, was sie freut. (Direkte Kommunikation wäre einfacher, aber das sind die kleinen Machtspielchen der reichen Tashalari. Man nimmt dergleichen hier schon an der Mutterbrust auf.) Jens Checks verlaufen dagegen heute Abend eher mau, aber dennoch ist sie ein Hingucker und schon allein deshalb interessant für Barashau. Dafür hat sie das bessere Gespür für Mimik und Gestik als Raif und verschafft sich viele Eindrücke.

 

Die Nacht ist über den Hazurbergen hereingebrochen. Fleece, die sonst abends immer für gute Laune oder eine beruhigende Atmosphäre sorgt, indem sie etwas spielt oder singt, ist emotional zu leer dafür und fängt in ihrem Zelt vor Rührung an zu weinen, als sie hört, wie Zhai draußen leise ein Lied singt, als wolle sie sie vertreten, nun, da sie gerade keine Kraft dafür hat. Danach legt sich Zhai zu ihr, um ihr Nähe zu spenden, und Fleece fragt sich wie so oft, wie man einer so lieben Seele wie ihr etwas Böses zutrauen kann, nur weil sie wie eine Dunkelelfe aussieht.

 

Im Lager kehrt Stille ein, die Stimmen von Munaria, Amaraeus und Max sind zu weit entfernt, aber mitten in der Nacht hört man Munaria und Amaraeus lauter, und sie klingen freudig erregt. Fleece kann sowieso nicht schlafen, steht auf und erklimmt die Pyramide. Die in der Luft schwebende Zauberkugel wirft das vertraute Sodiumlaternenlicht auf zahllose vollgekritzelte und -gemalte Papierseiten.

 

Fleece: Die Herrschaften klingen zuversichtlich.

Valmaxian: Wir gingen davon aus, dass wir im Rückblick das Relief im Shanxar-Tempel verstehen würden, wenn wir den Kontext hätten. Wie sich herausstellt, war das nicht der Fall. Also bin ich ein paar Kombinationen durchgegangen. Ich habe—

Fleece: Kombinationen von was?

Valmaxian (als wäre das das Normalste der Welt): Sämtlicher Glyphen beider Reliefs.

Munaria: Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, Fleece. Ich hätte vielleicht eine Zeile eines Reliefs und dann eine des anderen genommen, aber das war Valdorax zu offensichtlich. Er hat jeder Glyphe beider Reliefs eine Zahl zugewiesen  und dann versucht, sie mittels der Zahlenmystik der Alaru neu zu ordnen. Zahlen wohnte in den Augen der alten Stämme Magie inne, und viele standen symbolisch für etwas Besonderes: sieben, elf, 21, 37 und so weiter. Das ist schrecklich kompliziert.

Valmaxian: Alles nur eine Frage der Geduld.

Meranilius: Der Magister kombinierte, und wir lasen: Dr. Thulcandra nach Cuori-Art, ich nach echsischer. Wenn es überhaupt keinen Sinn ergab, konnten wir die Kombination getrost verwerfen, wenn man etwas hineininterpretieren konnte, legten wir sie für später beiseite, und wenn etwas konkret wurde, beschäftigten wir uns näher damit. Wir wussten, dass wir die richtige Kombination hatten, als es sehr konkret wurde. Nach echsischer Lesart, wohlgemerkt.

Fleece: Wie konkret?

Valmaxian: So konkret, dass die neugeordneten Glyphen relativ klar – so klar es eine primitive piktografische Schrift eben kann – aussagten, dass diesem Relief (Er zeigt auf den unvollständigen Block.) drei Glyphensteine fehlen.

Fleece: Das... wussten wir bereits?

Valmaxian: Diskutier das mit dem Autoren dieser Botschaft aus, nicht mit mir. Drei Glyphensteine fehlen. Sie sind nicht erst kürzlich abhanden gekommen, es ist erwünscht, dass sie fehlen. Der Text bestätigt die Situation.

Munaria: Und sie werden behütet von drei Königen: Sinchi Chiqu, Meha Irda und Qira Oru. Die Könige der Cuori gaben sich, sobald sie König würden, neue Namen, sprechende Namen. Das heißt, dass ihre Namen keine eigens für sie entworfenen Glyphen benutzen, sondern mit den üblichen Glyphen abbildbar sind. Sinchi Chiqu, singender Adler. (Sie zeigt auf die von Valmaxian neu gezeichneten Glyphen.) Meha Irda, springender Affe. Qira Oru, weiser Mann. Das sind drei der letzten vier Könige, die wir von den Cuori kennen. (Sie zeigt auf die andere Pyramide.) Dort ruht der letzte, Kena Qera. Alle diese Namen in einer "zufälligen" Anordnung? Ausgeschlossen. Das ist die Kombination.

Fleece: Ich hoffe, sie sagt noch mehr als das.

Munaria: Das tut sie. Behütet von diesen Königen, die bereits tot waren, als Kena Qera König wurde – das bedeutet, die Glyphensteine liegen in ihren Grabstätten. Pyramiden wie diese hier.

Valmaxian: Dazu Richtungsanweisungen im altbekannten Format des Freskos von der Courageous. (Er hält seine Sternenkarten hoch.) Keine Tagesreise von hier sollten wir in der Richtung eine finden, etwa eine ganze Tagesreise in der Richtung die zweite und wieder eine halbe in der Richtung die dritte.

Fleece (zu Meranilius und Munaria): Wenn Ihr Eure Erkenntnisse in Euren wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht, erwarte ich eine namentliche Nennung des Magisters. Eine Belobigung der Universitäten von Esmeltaran und Tashluta wäre auch angemessen.

 

Alle bis auf Valmaxian lachen, und die Begeisterung in Meranilius' und Munarias Augen gibt auch Fleece wieder Auftrieb.

 

Sex hat in Tashalar ohnehin schon einen weit höheren Stellenwert als im viel verklemmteren Norden, und von den gelangweilten Reichen wird er einfach als Grundbedürfnis betrachtet, das zum Tag dazugehört, und Lust oder auch Stehvermögen kann jederzeit nachgeholfen werden. Natürlich muss Raif also auch in dieser Nacht Karas Lager teilen. (Zum Schlafen wird er natürlich stets auf sein Zimmer geschickt.) Beim Abendessen hat er sich durchaus geschickt angestellt, und Kara ist heute besonders sinnlich. Raif fragt sich, ob sein cleveres Umschiffen möglicher Probleme sie heute Abend angemacht hat. Na ja, sagt er sich, jeder nach seiner Façon, aber was würde so etwas über jemanden aussagen?

 

Danach steht Raif auf, geht aber nicht raus, um sich zu erleichtern, sondern um sich und Kara etwas zu trinken einzuschenken. Sie wird sauer, schimpft vor sich hin und deutet auf Maiuri mit einer "Was glaubst du, warum die da sitzt?"-Geste. Er wundert sich, hat er das doch vorher auch immer so gemacht. Dass er auf Gut Surmakar etwas anderes war als jetzt, da er hier als Gast residiert, weshalb es lächerlich ist, sich etwas zu holen, anstatt einen Sklaven zu schicken, begreift er nicht. Selbst nach seiner "Freilassung" auf Surmakar hätte er sich von Kara eine gefangen, hätte er Maiuri irgendetwas befohlen. Jetzt ist es offenbar umgekehrt. Um die Feinheiten der Dos und Don'ts der tashalarischen Gesellschaft zu verstehen, braucht es Jahre. Kara kann sich aber nicht in geringer Geborene hineinversetzen und schwankt in ihrer Sicht auf Raif ständig zwischen "Hey, gut gemacht, du kannst ja was!" und "Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen!" – und lässt ihn das auch immer deutlich spüren. Nicht genug damit, dass er ihrem Wohlwollen ebenso auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist wie zuvor den Neramus, es ist auch ein ständiger Spießrutenlauf, ihre Launen zu umschiffen. Er ist froh, dass zumindest Ierendi nicht hier ist, so dass er nicht gleich im Gespräch den nächsten Fehler begehen kann.

 

Jen liegt wach und grübelt. Sie hasst ihre momentane Situation, weiß aber, dass sie sie nicht ändern kann. Jedoch kennt sie die Aufmerksamkeitsspanne der calishitischen Erhabenen, die ein neues Spielzeug aufregend finden, bis es sie langweilt. Sie befürchtet, auch Raif könnte Karaqana bald langweilig werden, und was wird dann aus ihnen, mittellos in diesem Moloch, in dem ein Menschenleben nichts gilt, wenn man nicht in teure Seide gehüllt ist?

 

Am nächsten Nachmittag erreicht die Expedition eine geografische Sackgasse, in der ein verwitterter Alaru-Bau steht (Shadow of the Tomb Raider, Kuwaq Yaku, Kuwak Yaku Ruins (mittig)). Da Munaria den Cuori-Dialekt gut beherrscht, ist sie sich sehr sicher, dass nur dieser Weg zur Grabstätte von Meha Irda führt, und nur einer darf ihn betreten – und sobald er das tut, muss er drei Herausforderungen auf dem Weg bewältigen – die Prüfung des Fisches, der Spinne und des Adlers –oder sterben. Es wird nicht viel diskutiert: Zhai argumentiert, dass sie in Abwesenheit von Spider die Geeignetste ist, wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Fleece erinnert sich an #28 – THE SHINING SOUTH zurück, wo Jewel sich an den Wasserfällen bereit erklärte, ins Ungewisse zu springen, und Zhai ihr kurzerhand zuvorkam. Seitdem hat sich charakterlich viel bei ihr getan.

 

Zhai wagt sich also in die Tiefe, und der Tauchgang gerät zum reinsten Albtraum: Sie zwingt sich, immer weiterzutauchen – eine Herausforderung muss ja möglich sein, oder? –, doch als sie das Gefühl hat, dass die Luft zum Umkehren nicht mehr reicht, verfällt sie fast in Panik, vermag sich durch einen gelungenen Will-Save aber zu kontrollieren. In einem Lufteinschluss kann sie kurz durchatmen, und weiter geht's an Muränen vorbei zum nächsten Luftloch, dann durch einen brutal engen Schacht, der Zhai endgültig mit blanker Furcht erfüllt, erinnert er sie doch schmerzhaft an den Abfluss in Trademeet – nur viel, viel schlimmer, weil ihr die Atemluft ausgeht.

 

Pure Angst vor dem Ertrinken lässt sie die Prüfung des Fisches bewältigen, doch ihr ist klar, zurückkehren wird sie nicht auf diesem Weg, und wenn sie im Dschungel verhungern muss. Die Prüfung der Spinne fällt ihr dank ihres magischen Kletterhakens sogar relativ leicht, während die Prüfung des Adlers wieder zur wahnwitzigen Herausforderung gerät, bei der sie mehr denn je bedauert, dass niemand hier ist, um zu bewundern, was sie für die Gemeinschaft leistet.

 

Nach weiteren Kletterpassagen erreicht sie ein idyllisch gelegenes Plateau (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Quipu Outlook) mit atemberaubendem Ausblick auf die Berge. Hier sitzt, von kostbaren Grabbeigaben und vielen weniger edel anmutenden Mumien umgeben, eine besonders reichhaltig geschmückte Mumie, die in ihren Händen einen quadratischen Stein von der richtigen Größe hält. Zhai nimmt ihn vorsichtig, und tatsächlich ist auf allen sechs Seiten je eine andere Glyphe abgebildet. Da sie sich beobachtet fühlt (und nicht weiß, ob die Magie der Alaru die Jahrtausende überdauert hat), lässt sie die Finger von allem anderen. Gut, sie hatte eine Pyramide erwartet, wie es die Forscher angekündigt hatten, aber sei's drum, sie hat den Stein.

 

Vom Plateau aus führt ein schwindelerregend schmaler Sims an der Felswand um die Rundung. Zhai bleibt keine Wahl, denn noch mal durchs Wasser kommt nicht infrage, also nimmt sie ihn, denn unter Höhenangst leidet sie absolut nicht. Vorsichtig tastet sie sich voran, und hinter der Biegung wird der Sims abschüssig, bis sie durch die Bäume hindurch 20 Yards unter ihr ihre Leute sehen kann. Leider hat niemand verfolgt, was sie hat leisten müssen, aber sie ist unglaublich stolz auf sich.

 

Barashau geht mit Raif und Jen (und Ierendi) in seinen Gartenanlagen spazieren, und Jen merkt an seinen vielen Fragen, dass er diplomatisch herauszufinden versucht, ob und wie sie ihm nützen können. Leider wissen sie noch immer nicht, wie Kara sie vorgestellt und was sie von ihnen erzählt hat, und sie müssen den Spagat schaffen, nicht zu interessant zu wirken, damit er mit ihnen nicht einfach macht, was er will, aber auch nicht zu uninteressant, damit er sie nicht auf die Straße setzt. Wie gut ihnen das gelingt, können sie unmöglich einschätzen.

 

Am Abend stellt Raif fest, dass Kara weg ist, und niemand sagt ihm, wohin. Hat das etwas mit Jen und ihm zu tun? Was führt sie im Schilde? Auch den ganzen nächsten Tag ist sie verschwunden. Dafür wird Ierendi zu Jen geschickt, um sie zu fragen, ob sie im Atrium ihre Kampfkünste vorführen würde, da die Herrschaften gehört haben, dass sie den Furcht erregenden R'a'ilo besiegt hat. Natürlich muss sie Barashau und Idrizai diesen Gefallen tun und führt den Tanz der Morgenröte auf, den man hier tatsächlich nicht kennt, schon gar nicht in Jens persönlicher amnischer Repräsentation.

 

K'uro, Kebla und drei der sechs anderen Piraten erreichen völlig abgekämpft und abgerissen Teomura und sehen die Endeavour vor der Küste liegen. K'uro verengt seine Augen hasserfüllt zu Schlitzen und beschließt, noch etwas zu warten und dann ein Boot zu stehlen. Kebla widerspricht, dass die Neraida zu weit entfernt vor Anker liegt, um mit einem Boot erreicht zu werden, aber K'uro fährt sie an, ob sie eine bessere Idee habe.

 

Jen unterhält sich mit Raif darüber, was die Danhamurs mit ihnen im Schilde führen mögen, denn aus purer Güte beherbergen sie sie garantiert nicht. Raif schränkt ein, dass Kara vielleicht einfach Lust auf ihre Gesellschaft hat, wofür er nur eine hochgezogene "Du Vollidiot"-Augenbraue erntet. So gut sei er nun ganz sicher nicht.

 

Tags drauf erreicht die Expedition ihr zweites Ziel. Man probiert im Gelände herum, aber der einzige Weg scheint durch eine Felshöhle zu führen – und wie man bei der letzten Grabstätte gesehen hat, muss es ja keine Pyramide sein. Erst mal gehen also nur Zhai, Fleece (die ein Speechlink auf Munaria legt) und Max hinein, der gerade seine Zauberkugel rausholen will, als Fleece ihn staunend aufhält: Sobald sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann man überraschenderweise sehen. Zigtausende biolumineszenter Glühwürmchen an den Höhlenwänden sorgen für dieses bezaubernde Licht. Die drei folgen dem Wasser, die Höhle öffnet sich wieder, von oben dringt Tageslicht ein, und das Trio sieht eine beeindruckende Pyramide mitten in dieser Höhle (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Subterranean River (östlich im reichen Viertel, weil darunter)).

 

Fleece kann sich ja mit Munaria unterhalten, die sicher ist, dass man auf der flachen Spitze fündig wird. Architektur und Verfall machen ein Erklimmen zwar unmöglich, aber Zhai klettert auf eine brüchige Holzkonstruktion, und Max lässt sie per Telekinese von dort aus rüber und nach oben schweben, wo die Halbdrow den Quipu mit den reichhaltigen Opfergaben erreicht – aber keinen weiteren Würfel findet. Max, genervt von Zhais Inkompetenz, weil sie runterruft, dass hier nichts ist, schwebt per Levitation (nicht vorbereitet, aber in seinem Zauberstab) hinauf und sieht selbst nach: Nein, er ist auch nicht irgendwo in einem Relief versteckt, hier ist kein Stein wie der, den Zhai zuvor gefunden hatte.

 

Kara kehrt nach Hause zurück und meint, von Raif via Ierendi darauf angesprochen, dass sie schließlich auch noch ein Leben außerhalb dieser Mauern hat. Sie stellt ihm Marshapuram vor, den Magier des Hauses, der jedoch ein klassischer studierter Thaumaturge ist, kein Visaru. Offenbar hat er sich wegen des Besuchs Tongues besorgt (quasi die Vollversion, nicht die abgespeckte, die Hashandra besaß), belegt Raif damit, und dieser ist froh, endlich mal wieder jemanden außer Jen verstehen zu können (auch wenn vieles ungelenk klingt, weil der Zauber viele Idiome und Wortspiele dem Sinn nach übersetzt und man oft nicht mitbekommt, wie geschickt etwas formuliert wurde). Marshapuram will diesen Zauber auf ein paar Schmuckstücke legen und permanent verankern, also verabschiedet er sich und macht sich an die Arbeit.

 

Raif begleitet Kara zum Swimmingpool in den Innenhof, wo sich viele Leute herumtreiben, aber im schamlosen Meridiana wird nun mal nackt geschwommen. Die Vorstellung, dass die Eltern des Mädchens, dessen Bett er teilt, ihn so sehen, behagt Raif ganz und gar nicht – Gewohnheiten sind schwer abzulegen, er kam schließlich in den konservativen Dalelands zur Welt und hält sich als Wahl-Amnier schon für fortschrittlich und weltoffen, aber viele Gebräuche hier unten sind wirklich meilenweit von allem Vertrauten entfernt. Nach ein paar Runden setzen sie sich in den flachen Bereich, lassen sich Drinks servieren, und Raif ergreift die Gelegenheit, zu versuchen, ihr zu entlocken, welche Pläne sie für ihre Gäste hat und inwieweit sie sie überhaupt von der Leine lässt.

 

Raif: Wenn unsere Freunde nach Tashluta zurückkehren, werden sie sich an Haus Neramu wenden. Aber dort wird man dann ja gar nicht wissen, wo wir sind. Sollten wir denen nicht—

Kara (mütterlich tadelnd): Oh, du kannst so dumm sein. Katarai hat längst vergessen, wer ihr überhaupt seid.

Raif: Bist du sicher? Er hat uns schließlich eingeladen, oder besser gesagt: Er wollte uns als Pfand, damit er kriegt, was er will.

Kara: Raif, es gibt nichts, das Katarai Neramu haben möchte, das ihr ihm verschaffen könnt. Dass er euch "eingeladen" hat, hatte ganz andere Gründe und nicht das Geringste mit euch zu tun. Er würde sich nicht mal mit meinem Vater abgeben, und du bildest dir ein, ihr wärt wichtig genug? Woher nehmt ihr Fremdländer nur immer dieses alberne Selbstvertrauen?

Raif: Und wenn wir vielleicht Sarab Hamur besuchen...?

Kara: Du glaubst, dass der sich für irgendetwas anderes als schöne Geschichten interessiert, ja? (Sie wird sehr unschuldig-ironisch.) Denkst du, er dankt Kyrysir auf Knien für euren Besuch, öffnet seine Pforten und beherbergt euch als Ehrengäste?

Raif: Nein, aber—

Kara (etwas giftig): Würde dir seine Gastfreundschaft besser gefallen als meine? Er ist schließlich ein Grande, nicht wahr?

Raif: Nein, absolut nicht! Kara, versteh doch, ich mache mir nur Sorgen, wie... wie meine Freunde und wir uns wiederfinden.

Kara: Überlass das mal mir und konzentrier dich darauf, hübsch zu sein. Das kannst du besser.

 

Sie sagt das bestens gelaunt und herzlich strahlend mit einer tröstenden Hand auf seiner Wange und ist sich gar nicht klar, wie verletzend das ist und wie klein sie ihr Gegenüber macht. Raif zwingt sich dazu, ihr Strahlen mit einem gequälten 'Ja, ich bin so ein Dummerchen'-Lächeln zu erwidern und zu nicken.

 

Am Nachmittag des folgenden Tages erreicht die Expedition das dritte Gebiet, das Valmaxian lokalisiert hat. An einer guten Stelle inmitten verwitterter Ruinen schlägt man ein Lager auf, und Zhai, Fleece, Max, Milandre, J'avo, Skaar, Amaraeus, Jiv, Munaria, Manaq und Sumukopa gehen allein weiter.

 

Bald meint Sumukopa, dass sie beobachtet werden, und angesichts des unübersichtlichen Geländes ist das durchaus vorstellbar, man fühlt sich an manchen Stellen wie auf dem Präsentierteller. Manaqs geschulter Blick macht endlich einen Alaru-Bogenschützen (vermutlich Oijaniha) zwischen den Ruinen aus, ruft eine Warnung, Fleece schreit sofort: "Zusammenbleiben! Max, Wind Wall!", und Max (der nach der ersten Expedition von Vir Bhadra aus stets eine Wind Wall vorbereitet hat) zieht einen Windzylinder um die Gruppe herum. Zahllose Pfeile regnen von zwei Seiten auf sie herab, die sie übel zugerichtet hätten. Jetzt sind die Gegner gezwungen, sich entweder zurückzuziehen oder direkt anzugreifen, und es passiert... nichts. Einige hören leises Rascheln, und Manaq erklärt, die Feinde formieren sich neu – das ist ihre Chance, sie verlassen die schützende Wind Wall und rennen los, um einen Punkt zu finden, an dem sie sich besser verteidigen können. Dabei laufen sie in eine Ruine, die eine Sackgasse zu sein scheint, aber J'avo probiert es aus und stellt fest, dass man die unter Wasser stehende Stelle leicht untertauchen kann.

 

Auf der anderen Seite (Shadow of the Tomb Raider, Peruvian Jungle, Jungle Cavern (ganz nördlich)) muss man eine extrem schmale und wacklige Hängebrücke überqueren, und bevor man weiß, welche Zauber man guten Gewissens verschwenden kann, gehen wieder Zhai, Fleece und Max allein weiter.

 

Nach einer weiteren untertauchten Stelle wirft Zhai ihren Kletterhaken und hilft den anderen beiden von oben hoch, erklettert im nächsten Areal das Holzgerüst, das als Ersatz für die zusammengestürzte Wand fungiert, und findet oben einen Durchbruch. Die anderen kommen nach und bestaunen den unglaublichen Anblick einer weiteren Pyramide in einer gigantischen Höhle (Shadow of the Tomb Raider, Cozumel, Cozumel Tidal Caverns). Doch hier kommt nur über der weit entfernten Pyramide genug Licht von oben durch, ansonsten ist es stockfinster, also schickt Max sein Irrlicht los. Die Sprung- und Kletterpartie wirkt nahezu unschaffbar, aber Max belegt Zhai mit Jump (was ihr einen irrsinnigen Bonus von +30 verleiht). Fleece und Max sehen Zhai also zu, wie sie einen tödlichen Stunt nach dem anderen absolviert, und das Irrlicht schwebt mit, damit sie etwas sehen können, falls Max per Telekinese eingreifen muss.

 

In einer unglaublich anstrengenden Tour de Force schafft es Zhai, sich über der Spitze der Pyramide abzuseilen. Die Abenteurer hatten die vage Hoffnung, dass hier vielleicht zwei Steine hinterlegt sein könnten, aber Zhai findet nur einen.

 

Nur dank Jump ist es Zhai überhaupt möglich, von hier aus eine der hängenden Konstruktionen zu erreichen und über sie einen Rückweg zu haben. Nachdem alle wieder vereint sind, fragt man sich, was man nun tun soll. Zwei Steine reichen nicht – ohne den dritten hätte man sich das alles auch sparen können. Jetzt muss man aber erst mal zu Baltram und den Matrosen zurück.

 

Draußen hat es wie jeden Tag zu regnen begonnen. Auf dem Rückweg untertaucht J'avo wieder das kurze Stück, zieht sich aber sofort wieder zurück, als der erste Pfeil fliegt: Da lauern zahllose Alaru-Krieger! Steigt man der Reihe nach aus dem Wasser, ist man ihnen hilflos ausgeliefert, aber das ist auch der einzige Weg hier raus. Max erwägt die Strategie, mit der man letztes Mal auch aus Cimbar rausgekommen ist: Es geht den ganzen Weg zurück in den Innenhof, wo Max per False Gravity die Mauerkrone erreicht. Oben hält er Ausschau nach einem Landepunkt, den er sehen kann, aber das Blätterdach wuchert bis über die Mauern hinaus und ist viel zu dicht, ein Absturz ab dort ohne Frage tödlich. Gute Idee, funktioniert aber nicht. Was nun?

 

Mage Armor und Shield stehen auch nicht zur Verfügung (weil zu viele Endure Elements benötigt wurden, dazu Jump und Feather Fall), sonst hätte man Skaar ausstatten und ihn Chaos stiften lassen können, und unter seinem Schutz hätten die anderen dem Wasser entsteigen können. Wäre Jaq hier, könnte sie die Gegner leicht mit einer Illusion ablenken oder gar vertreiben. Hätte Fleece noch ihr altes Grimoire, könnte sie sich unsichtbar machen und mit Wail of Doom oder Song of Discord loslegen. Besäße Valmaxian Silence, könnte er den Spruch auf alle Gefährten legen, und Fleece könnte am Durchbruch Eerie Chords spielen, die Alaru würden vertrieben, und der Rest könnte nachrücken. Wäre Spider hier... Hätte, wäre, könnte.

 

Im Grunde ist das eine Belagerungssituation: Die einen können nicht rein, die anderen nicht raus. Jetzt stehen sie hier im Dauerregen und wissen tatsächlich nicht mehr ein noch aus. Gereiztheit wird zu Wut, und ein paar Streitereien brechen aus. Fleece hat ihre Laute nicht dabei, singt aber ein ermutigendes Lied und erfüllt die Gemüter durch Invoking the Passions mit Zuversicht.

 

Der Schamanin der Oijaniha draußen vor der Ruine ist die Situation ebenso bewusst. Sie beginnt ein fremd und unangenehm anmutendes Ritual, an dessen Ende sie ein blutendes Hühnerherz mit einem Dolch durchbohrt und dann verspeist – und auf der anderen Seite der verfallenen Mauer breitet sich Angst aus. Zhai, Skaar, Milandre, J'avo und Jiv versagen bei ihrem Will-Save und werden panisch. Hastig kramt Fleece in ihrem Beutel, legt den Cloak of Bravery an, alle erhalten einen zweiten Save mit +10, und die Situation beruhigt sich. Jetzt weiß man, dass die Oijaniha auch aus der Entfernung angreifen können. Die Eingeschlossenen müssen jetzt handeln, wenn sie sich wehren wollen, oder auf das nächste Ritual warten. Zhai erspäht einen fehlenden Stein weit oben in der Frontmauer, man spricht sich kurz ab, und dann nutzt Max die letzten Minuten der Wirkungsdauer von False Gravity, erklimmt die Frontmauer, indem er sie zum Boden macht, "legt" sich dann bäuchlings über das Loch, so dass er die Alaru sehen kann, und holt mit zwei Telekinese-Attacken sämtliche Gegner von den Beinen – Zeit genug für die anderen, ganz schnell die Öffnung zu durchtauchen und sofort zum Angriff überzugehen.

 

Skaar rennt mit Dire Charge mitten hinein, Fleece nimmt auf der anderen Seite mit Song of Discord gleich einen Haufen Krieger aus dem Spiel und unterstützt dann Skaar, Zhai und J'avo singend mit Inspire Greatness. Milandre, Manaq und Sumukopa greifen natürlich auch an, Amaraeus, Munaria und Jiv bleiben zurück und drücken die Daumen. Die Schamanin lässt J'avo mit Hold Person innehalten, der somit durch einen Speer in die Seite schwer verwundet wird, Max dispelt den Zauber von oben, und Fleece unterbricht ihr Lied, um die Schamanin anzugreifen und – inzwischen dank viel Training mit einiger praktischer Übung – zu töten. Skaar und Milandre (dank Great Cleave) räumen am stärksten auf, und weil die Oijaniha auf einer Seite auch noch gegen ihre eigenen Leute kämpfen müssen, entschließen sie sich zur Flucht. Für die Abenteurer bleiben nun nur noch die mit Song of Discord Verzauberten, die in Unterzahl auch bald Geschichte sind.

 

Fleece kniet bei J'avo nieder, flößt ihm Hartknollentunke ein und legt ihm ihren vorletzten Steinmoos-Umschlag an, denn anderenfalls würde die Verletzung in ein paar Stunden zum Tod führen. Fleece hat bis jetzt kein Gespräch über jene eine Nacht zugelassen, und J'avo erspart es ihr glücklicherweise auch, das Thema anzusprechen, während sie ihn verarztet. Schnell sieht man zu, zu den Matrosen zu gelangen und von hier zu verschwinden.

 

Die Hauptfrau der Oijaniha, die sadistische, narzisstische, selbstverliebte Batari, die nie mit der Zivilisation in Berührung gekommen ist und sich für eine Nachkommin der Götter hält, flippt völlig aus, als die Überlebenden zu ihr zurückkehren und von ihrer Niederlage berichten, und verlangt das Ritual, das die Helden später als Kathoga-Ritual kennen lernen werden. Die Schamaninnen versammeln also den ganzen Stamm, und alle stimmen in die Beschwörung ein...

 

Die Abenteurer haben die lagernden Matrosen aufgescheucht, und zusammen ziehen alle auf der Suche nach einem neuen Lagerplatz weiter. Eine Stunde später glauben sie, genug Abstand zwischen sich und die Oijaniha gebracht zu haben, und bauen ihr Lager in einem von Ruinen geschützten Bereich auf – so hat man etwas Deckung, und mehr als eine Stunde länger wäre man auch nicht gegangen, da es bald dunkel wird. Sie beraten, was nun zu tun ist, denn während Amaraeus und Munaria zu den Zwillingspyramiden zurückkehren wollen, weil sie etwas übersehen haben müssen, widerspricht Max entschieden, dass er definitiv nichts übersehen hat.

 

Die Moral kriecht auf dem Zahnfleisch, und die Matrosen, die natürlich mitbekommen haben, was geschehen ist, stecken die Köpfe zusammen. Fleece hat keine Kraft mehr, die nächste Meuterei zu stoppen, und sitzt einfach nur untätig da, während Zhai auf sie einredet, dass sie etwas unternehmen muss, weil sonst gleich alles den Bach runtergeht. Dabei wird es im Hintergrund handfester, als Manaq Raelan widerspricht und dieser den Tocamuyak anschreit, von einem Wilden lasse er sich nicht den Mund verbieten. Baltram bringt die beiden auseinander und weist Raelan an, auf Abstand zu bleiben und sich abzukühlen.

 

Nun sehen wir die vor Teomura vor Anker liegende Endeavour, auf der plötzlich alles in hektische Betriebsamkeit verfällt: Sie wird angegriffen, und zwar von der Neraida. Der Anker wird gelichtet, die Segel gesetzt, als schon die ersten Salven fliegen, die die Endeavour beantwortet, auch wenn sie nicht halb so schwer bewaffnet ist. Die Neraida will das Schiff offenbar nicht erobern, sondern vernichten, denn es fliegen brennende Tonkugeln, die beim Aufprall brennendes Öl verspritzen und immer mehr Stellen des Schiffes in Brand setzen, so dass man mit dem Löschen kaum noch hinterherkommt. Die Neraida nähert sich, Seile mit Enterhaken fliegen rüber und ziehen die Endeavour heran. Unten in den Laderäumen sieht Caldaia erschrocken Spider an, der ihr bedeutet, ihm nach oben zu folgen.

 

Es ist bereits schummrig geworden, und im Lager entzündet Max ein Feuer. Raelan geht ein paar Schritte, regt sich immer noch auf, und die Kamera schwenkt hoch zu einer Furcht erregenden Kreatur, die auf einem Mauerrest hockt, runterspringt und Raelan brutal zerfleischt. Abermals bricht im Lager Chaos aus, Menschen rennen entweder zu ihren Waffen oder suchen panisch das Weite. Fleece unterstützt ihre Leute singend, Zhai, J'avo, Milandre, Skaar, Baltram, Rimgal, Manaq und aus der Ferne Sumukopa greifen die wirklich wütend und blutrünstig wirkende Bestie an, aber nichts scheint das Ungeheuer verletzen zu können, die Wunden schließen sich rasch wieder. Max hat nicht mehr viel in petto, steuert aber Mindwedges bei, die jedoch ebenfalls nichts auszurichten scheinen. Sumukopa schreit "Kathoga!" und bedeutet allen, zu fliehen, und Munaria, die sie versteht, verleiht ihr panisch Nachdruck. Nach und nach lösen sich die Kämpfer, holen sich dabei blutige Wunden und beginnen zu rennen – doch der Kathoga stürzt sich immer auf den Letzten und zerfetzt ihn – erst Moche, dann Sivariu, dann Rhonwin, dann Jiv.

 

Im Gegensatz zu den Fliehenden scheint der Kathoga unermüdlich zu sein, und immer wieder lassen sich J'avo, Milandre, Skaar und Manaq zurückfallen, um ihn aufzuhalten und den anderen wieder einen Vorsprung zu verschaffen. Aus Verzweiflung beginnt man sogar zu improvisieren: Max lässt Zhai eine Ölflasche öffnen und werfen, und Max entzündet das Öl, als es auftrifft, mit Spark – der Kathoga brennt, zeigt aber weder Panik, noch wird er nennenswert langsamer, auch wenn er beim Rennen mal rechts, mal links an den Büschen entlangläuft, um die Flammen zu ersticken. Diese verzehren sich jedoch bald von selbst.

 

Die Neraida und die Endeavour nähern sich immer weiter an, und die Matrosen teilen sich auf, sowohl die Brände zu löschen als auch zu versuchen, die Enterseile zu durchtrennen. Wütend schreien sie Spider an, der, anstatt ihnen zu helfen, auf der anderen Seite mit Caldaia ein Boot herablässt – das hat er sich nämlich gleich zuerst von Gradon zeigen lassen und danach für den Ernstfall mit Caldaia geübt. Die Truhe liegt natürlich bereits im Boot, aber als nun Caldaia die Strickleiter sucht, stellt sich ihr Spider in den Weg. Währenddessen entern die Piraten bereits die Endeavour, und Kämpfe Mann gegen Mann brechen aus, so dass man sich nicht mehr ums Löschen kümmern kann. Spider hat keine Zeit mehr für Erklärungen: Er herrscht die völlig panische Caldaia an, sich sofort zu ergeben, man werde ihr nichts tun – Spider brauche nur Zeit. Schon wendet er sich um und zerschneidet die Seile, so dass das Boot abtreibt.

 

In den Hazurbergen klettern, rutschen und purzeln die Flüchtenden sehr abschüssiges Gelände hinab, um zu einem Flussstück zu gelangen, Amaraeus verdreht sich den Knöchel, Skaar schultert ihn, Fleece bricht zusammen und kann nicht mehr, J'avo, der längst sein Schwert verloren hat, ergreift sie unterm Arm und zerrt sie weiter – die einzige winzig kleine Chance ist nur noch, dass der Kathoga Wasser nicht mag. Als sich die Baumreihen lichten, erspäht Zhai – was für ein unglaublicher Zufall! – drei primitive Flöße am Ufer. Sie mobilisiert ihre letzten Reserven, sie und ein paar andere erreichen die Flöße und schieben sie ins Wasser, während Skaar Amaraeus fallen lässt, um kämpfen und den anderen den Kathoga vom Hals halten zu können. Er ist konditionell am besten in Form, und nur seine Schläge entfalten eine Wucht, die das Ungetüm aus dem Gleichgewicht bringen kann. Sumukopa hat ihren letzten Pfeil verschossen, Manaq springt Skaar bei, wird aber unter den geschockten Schreien Munarias erwischt, und der Kathoga beißt ihm den Kopf ab.

 

K'uro geht badass durch die Kämpfenden, bringt hier und da jemanden um, erreicht das Achterdeck, das Gradon verteidigt, bullrusht ihn, liefert sich einen kurzen Kampf, tötet auch ihn, und Teremon wirft seine Axt auf den Boden und reißt die Arme hoch: Er ergibt sich. Das ist K'uro aber egal, er erschlägt ihn dennoch. Währenddessen sieht Caldaia erschrocken einige Piraten auf sich zukommen, dreht sich zu Spider um, doch der ist spurlos verschwunden. Schon wird sie unter lüsternem Gelächter ergriffen ("Was haben wir denn da? So ein hübsches Vögelchen!"), hochgerissen.und weggetragen.

 

Die Flöße werden ins Wasser geschoben, und wer es nicht rechtzeitig draufschafft, hält sich an ihnen fest, um sich mitziehen zu lassen, weil die Strömung sie erfasst. Fleece schreit Skaar an, mitzukommen, aber er reagiert nicht auf sie – auch wenn der Kampf aussichtslos ist, aber einer Herausforderung geht ein Goliath nicht aus dem Weg. Das weiß sie, charmt ihn und fleht ihn an, sie auch weiterhin zu beschützen, und schließlich muss er Turmschild und Großaxt fallen lassen, um sich noch am letzten Floß festzuhalten. Der Kathoga walzt durch das Wasser, ist aber zu massiv, um schwimmen zu können, und fällt damit immer weiter zurück.

 

Im Zwielicht liegen zu Tode erschöpfte Menschen kreuz und quer auf den Flößen, während dort, wo es geht, noch jemandem heraufgeholfen wird. Sämtliche Ausrüstung ist verloren, ebenso die Vorräte, viele sind verletzt, und allein heute gab es fünf Tote zu beklagen. 25 Köpfe sind aus Teomura aufgebrochen und wurden noch durch Sumukopa ergänzt. Jetzt sind es insgesamt nur noch 16. In entsprechend bedrückter, trostloser Atmosphäre treiben die Flöße den Fluss entlang, aber Max macht darauf aufmerksam, dass hier in den Bergen der nächste Wasserfall nie weit ist.

 

Es vergehen nur ein paar Minuten, bis man an den Ufern Lichter erspäht, und wenig später sind im Wald Ruinen zu erkennen, dann Alaru an den Ufern. Mit finsteren Gesichtern macht man wieder seine Waffen bereit, obwohl man nun ohnehin schon Jergals Flüstern hört. Munaria war noch nie hier, ruft aber hoffnungsvoll: "Anoiha?" Über den Stamm weiß sie nicht mehr als über die Oijaniha, aber solange es die nicht sind, hat man vielleicht eine Chance. Sie bittet alle, die Waffen wegzustecken, denn wenn man sich angriffsbereit zeigt, werden die Alaru sie sowieso aus sicherer Entfernung mit ihren Bögen töten.

 

Die Alaru schicken die Kinder weg, die am Ufer mit Fröschen spielten, und zerren die Fremden unsanft von den Flößen, sprechen auch barsch mit ihnen, aber niemand versteht sie, auch nicht Munaria oder Sumukopa. Die 16-köpfige Expedition wird ungeachtet ihrer Verletzungen (wer schlecht laufen kann, wird geschubst, bis ein Kamerad beim Laufen hilft) durch das vor den steinernen Ruinen aus Holz errichtete Dorf geführt, das von mehreren Wasserfällen begrenzt wird. Teils unverwandt, teils staunend, teils ablehnend, teils bedrohlich beäugen zahlreiche Eingeborenen die Fremdlinge.

 

An Bord der Neraida ist K'uro jetzt der neue Kapitän. Im finsteren Laderaum des Piratenschiffs befinden sich Käfige für Gefangene, die in die Sklaverei verkauft werden sollen, und in einem sitzt ein besonders hübsches Exemplar: Caldaia. Darauf, andere Gefangene zu machen, hat K'uro verzichtet – er wollte nur so viel Blut wie möglich vergießen und sich an J'avo und seinen neuen Freunden rächen. Zufrieden mustert er die junge Frau und weist dann Kebla an, sie zu waschen und in die Kapitänskajüte zu bringen.

 

Die Abenteurer wurden inzwischen zu einem Tempel gebracht (FarCry 3, Citra's Temple), wo weitere, noch kräftigere Krieger warten. Anhand ihrer Beobachtungen ist Munaria inzwischen sicher, dass es die Anoiha sein müssen – die Oijaniha sind es auf keinen Fall, da bleibt hier nicht mehr viel. Eine charismatische junge Frau tritt auf, deren Name Unuratu zu sein scheint. Sie beäugt die Fremden, besonders Skaar, aber vielleicht hat sie noch nicht mal jemals Mittelländer gesehen. Sumukopa hatte einem besiegten Oijaniha den Federschmuck abgenommen und hält ihn nun triumphierend hoch. Das scheint Unuratu zu interessieren. Sie nimmt ihn ihr ab, betrachtet ihn und wirkt minimal weniger streng. (Alle wissen, dass Anoiha und Oijaniha bis aufs Blut verfeindet sind. Hoffentlich gilt: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.)

 

Da ihr Tonfall wiederholt fragend war, erkundigt sich Fleece mit Gesten, ob sie aufstehen darf – man lässt sie, aber die Speere bleiben auf sie gerichtet –, und beginnt mit einer Scharade, in der sie versucht, ihre Geschichte zu erzählen. Unuratu lässt etwas holen, und ihre Leute bringen eine verdeckte Trage, schlagen das Tuch zurück, und man sieht allerlei Ausrüstungsgegenstände aus der Zivilisation, teilweise noch blutverkrustet. Meranilius darf ein Buch aus der Nähe sehen: Weil es nass geworden war, kleben die Seiten zusammen, und durch die verwaschene Tinte ist es nahezu unlesbar geworden, aber Kleinigkeiten reichen ihm, mit Sicherheit zu schlussfolgern, dass Harukar Kurash der Autor war, und durch Fragen von Fleece und Gesten von Unuratu erfährt man, dass seine Expedition wohl den Oijaniha zum Opfer gefallen ist. Max merkt trocken an, dass Kurash immerhin die Dreizehn als Acht identifiziert und die Präzession beachtet hat.

 

Fleece lässt sich die beiden Steinwürfel geben, zeigt sie Unuratu und versucht, verständlich zu machen, dass sie deswegen hier sind und der dritte nicht da war, wo er sein sollte. Dabei denkt sie sich schon, dass Kurash vielleicht sogar eher zufällig die Pyramide in der Höhle untersucht und den Würfel erbeutet und die Oijaniha ihn getötet haben könnten. Fleece weiß nicht, ob Unuratu die Würfel für sich selbst haben wollen würde – momentan zählt nur, dass ihre Leute völlig fertig sind und sie Verbündete brauchen.

 

Unuratu, obwohl sie weiß, dass man sie nicht versteht, erzählt nun recht viel – verstanden zu werden, ist offenbar weniger wichtig, als zu sagen, was sie zu sagen hat. Sie nimmt Munaria, Amaraeus und Max mit in den hinteren Teil des Tempels und zeigt ihnen in den Stein gemeißtelte stilisierte Wandbilder, aus denen die Wissenschaftler schließen können, dass es hier tatsächlich um den Pfad der Sterne geht – was immer er darstellen mag, hier wird er ebenso genannt, was man an dem stilisierten Weg erkennen kann, über dem Sterne am Himmel stehen –, aber aus dem Rest werden sie nicht schlau.

 

Fleece hat den Eindruck, dass Unuratu wegen irgendetwas Blut geleckt hat. Vielleicht will sie, dass Fleeces Leute den Oijaniha den dritten Stein abnehmen, damit sie alle drei benutzen kann, und solange lässt sie Fleece im Glauben, dass man zusammenarbeiten könnte? Die kulturelle Kluft ist zu gewaltig, als dass sie Unuratu einschätzen könnte. Mit Gesten weist sich Unuratu hier als Chefin aus und fragt dann gestisch die Expedition, worauf sich Fleece meldet. Diese wird daraufhin ergriffen und hinter Unuratu nach draußen geführt.

 

K'uro sieht auf Corozals Stuhl mit den Beinen auf dem Tisch recht zufrieden mit sich aus. Corozal war ihm schon lange ein Dorn im Auge, aber zu berüchtigt, als dass sich ein nennenswerter Teil der Mannschaft K'uro angeschlossen und gemeutert hätte. Nun, da er tot ist, gab es allerdings keine Frage, wer ihm nachfolgen würde. Gewiss, die Mannschaft der Neraida ist stark geschrumpft, aber K'uro hat jetzt eine von denen, denen J'avo nun folgt, und er hat ein Schiff – die nicht.

 

Kebla bringt die völlig verängstigte Caldaia herein, und K'uro bedeutet seiner neuen Bootsfrau, zu gehen. Cal ist am Ende, sie kann die Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzt haltlos, weil sie weiß, was jetzt passieren wird...

 

Fleece darf Unuratu und einige Krieger zu den großen Ruinen bei den Wasserfällen begleiten. Im Inneren einer solchen sieht sie viele sitzende Mumien, ganz ähnlich wie in dem verlassenen Dorf, und dann besonders prominent eine sehr reich geschmückte. Mit dieser hält Unuratu Zwiesprache, die Krieger packen Fleece, führen ihr Gesicht dicht an das Gesicht der Mumie heran, Unuratu schließt die Augen, eine Minute vergeht, und Unuratu verkündet etwas, woraufhin Fleece losgelassen wird. Alle kehren zum Tempel zurück, von wo die Fremden zu einer anderen Ruine geführt werden, in der man ihnen aus Holz, Bast und Bambus provisorische Lager errichtet und ihnen zu essen und zu trinken gibt. Einige Anoiha kommen sogar, um sich um die zahlreichen Wunden zu kümmern. Noch währenddessen schläft einer nach dem anderen ein. Es war schließlich ein irrsinnig anstrengender, schwarzer Tag, und hier ist man ausnahmsweise mal tatsächlich beschützt und sicher – wenn schon nicht vor den Anoiha, denen man nun ausgeliefert ist, aber wenigstens vor den Gefahren des Dschungels.

 

Fleece rafft noch ihre letzte Kraft zusammen und fragt mit Munarias Hilfe Sumukopa, ob sie weiß, was für ein Untier sie da überfallen und so viele getötet hat. Sumukopa erklärt, dass die Shemu diese Bestie als Kathoga kennen, den Geist des Waldes, der sich an Frevlern rächt, die nicht dorthin gehören. Die Alten sagen, dass die Shemu auch mal das Wissen darum besessen hatten, wie man ihn ruft, aber im Laufe der Zeit ist es in Vergessenheit geraten.

 

Obwohl er weiß, dass sie ihn nicht versteht, redet K'uro mit Caldaia und regt sich über J'avo auf, diesen verdammten Verräter – typisch, das ist das Marakai-Blut in ihm, das hat ihn schon immer zurückgehalten. Allmählich kommt K'uro auf andere Gedanken, zerreißt brutal Caldaias Oberteil und legt ihre Brüste frei, spottet verächtlich darüber, dass diese ausgesprochen klein sind, ergreift dann grob ihr Kinn und brummt süffisant, dass dann ihr hübsches Gesicht, ihre Schreie und die Vorstellung, dass sie vielleicht J'avos Mädchen ist, reichen müssen. Plötzlich zersplittert das Fenster hinter ihm, er wirbelt herum – aber da ist nichts, nur das kaputte Fenster. Stattdessen schiebt sich über Caldaias Schulter hinweg langsam die Schneide eines Krummschwerts unter K'uros Ohrläppchen, er wirbelt abermals aus Reflex herum, schneidet sich dabei und sieht Spider hinter Cal stehen.

 

Der Tiefling schiebt sie, K'uro nicht aus den Augen lassend, zur Seite und hält ihr ein aufgerolltes Seil vor die Brust. Hier, in der finsteren, nur von drei Kerzen erleuchteten Kapitänskajüte, sieht Spider, fast vollständig im Schatten stehend, geradezu Furcht erregend aus, aber jetzt ist er ihre Rettung. Sie nimmt das Seil, sieht sich um, bindet es ans Bein des schweren Schreibtischs, öffnet das Fenster und klettert vorsichtig am Seil hinaus, während Spider den Schlüssel im Türschloss herumdreht. Dabei hört sie ihn reden – wenngleich auch er weiß, dass K'uro ihn nicht versteht.

 

Spider: Ich glaube mich zu erinnern, dass ich euch in Tashluta habe ausrichten lassen, dass meine Geduld endlich ist. In der Tat waren meine genauen Worte, dass ich nicht glaube, dass ihr so viel Angst vor mir habt, wie ihr solltet.

 

Ein dumpfer Knall ertönt, und er erscheint per Shadow Jump hinter K'uro und zerschneidet ihm mit einem Streich die Kniekehlen. Schreiend stürzt der neue Kapitän der Neraida zu Boden. Spider presst die blutige Klinge an K'uros Gesicht und macht "Shhhhh." Er legt die Ölfläschchen frei, die er an seinem Gürtel trägt, öffnet eins nach dem anderen und gießt es aus – über K'uro, den Tisch, die Wände. Dabei redet er weiter, und zwar ungewohnt gepresst, energisch, zischend.

 

Spider: Denkst du, ich verspürte Lust, ständig über meine Schulter zu sehen, um herauszufinden, ob nichtswürdiges Gewürm wie du auf der Suche nach Streit ist? (Er schneidet ihm mit einer Bewegung des Handgelenks ein Ohr ab.) Ihr hattet so viele Chancen, mit eingeklemmten Schwänzen, aber eurem Leben das Weite zu suchen. Stattdessen... das hier. (Er zieht die Schneide quer über K'uros Brust.) Ihr lasst mir keine andere Wahl. Wenn du darauf bestehst, nichts anderes als eine Bedrohung für uns zu sein, musst du wohl als abschreckendes Beispiel dienen. Immerhin dazu bist du nütze. Vielleicht findest du darin ein wenig Trost, hm?

 

Er wirft den Kerzenleuchter auf K'uro, der sofort Feuer fängt und wie am Spieß schreit. Im Nu steht die ganze Kajüte in Flammen. Seine Schreie hatten schon zuvor seine Leute angelockt, aber die schwere Tür ist verschlossen, wild wird an der Klinke gerüttelt. Spider ist nicht mehr zu sehen. Stattdessen materialisiert er sich an Deck am Bug, sieht von hinten den aufgescheuchten Piraten zu, kippt ein vorbereitetes Ölfass aus und entzündet auch das.

 

Caldaia wusste nicht, ob sie auf weitere Instruktionen Spiders warten sollte, und hielt sich über der Wasseroberfläche am Seil fest, aber nachdem sie alles mitangehört hat und nun Flammen aus den Fenstern schlagen, lässt sie das Seil los und fällt ins Wasser. Das Geschrei wird vielstimmiger, lauter, ängstlicher, während offenbar mehrere Feuer an Bord der Neraida ausbrechen. Jedoch ist auch immer wieder mal ein schriller Schrei zu hören, der nicht nach Panik klingt.

 

Diese steigt nun wieder in Caldaia auf. Es ist stockdunkle Nacht, die Lichter Teomuras sind zwar zu sehen, aber viel zu weit entfernt. Minutenlang tritt sie Wasser und hört Panik und Kämpfen an Bord zu, dann lange einer gleichbleibenden Geräuschkulisse, derweil die Neraida nun lichterloh brennt, und schließlich hört sie das Glucksen von Wasser an einem Bootsrumpf. Im Boot sitzt Spider, fischt sie aus dem Wasser, und man sieht schon andere Köpfe, die um Hilfe rufend näher kommen, aber Spider rudert los in Richtung Teomura, und die verzweifelten Rufe werden hinter ihnen leiser.

 

Am nächsten Morgen wird die Expedition geweckt, und Unuratu kommt mit ihrem engsten Kreis und verkündet etwas, und die Gäste verstehen, dass sie sich mit ihnen zum Kämpfen auf den Weg machen will. Fleece kann ihr erklären, dass hier nicht jeder ein Krieger ist, und weist auf Zhai, Milandre, J'avo, Skaar, Valmaxian, Sumukopa und sich selbst. Außerdem signalisiert sie, dass Skaar und J'avo noch eine Waffe gebrauchen könnten, da sie ihre verloren haben. Unuratu ist einverstanden, aber gibt ihnen noch die Zeit, um die Fleece bittet, denn Max und sie müssen ihre Zauber vorbereiten.

 

Sie staunen nicht schlecht, als sie von etwa 50 Kriegern erwartet werden. (Die Anoiha sind weit, weit zahlreicher, aber Unuratu setzt nicht das Schicksal ihres ganzen Stammes aufs Spiel, denn sollte das entsandte Kommando sterben, darf die Verteidigungsfähigkeit des Dorfes nicht nennenswert geschwächt worden sein.) Sie bekommen ihre Waffen zurück, J'avo erhält eine einhändige Keule, und für Skaar ist wohl eine aufwändig geschnitzte Wandverkleidung zu einer großen Keule umfunktioniert worden. Fleece schlussfolgert aus Unuratus Gesten, dass es gegen die Oijaniha geht – weil die Anoiha jetzt Verstärkung in Form der Fremden haben? Und warum kommt Unuratu überhaupt mit?

 

Was nicht mal Munaria weiß, ist, dass die Anoiha stets von einem toten König "regiert" werden. Dessen Nachfolger übernimmt quasi stellvertretend die Amtsgeschäfte und regelt die alltäglichen Dinge. Die wichtigen Entscheidungen, so sind die Anoiha überzeugt, trifft aber der König im Jenseits. Daher ist Unuratu auch nicht die Königin, sondern nur die Nachfolgerin, also die Königin in Wartestellung – tatsächliche Königin wird sie erst mit ihrem Tod, womit sie den jetzigen König ablöst, und dann auch nur, wenn ihre Leiche mumifiziert und im "Palast" platziert werden kann. Sie glaubt fest daran, dann aus dem Jenseits den Stamm zu regieren, ebenso, wie sie glaubt, dass der tote König zu ihr sprach, als sie ihm Fleece präsentierte. (Religiöser Glaube versetzt bekanntlich Berge: Wenn man eine Eingebung erwartet, hält man die erste Phantasie, die das Unterbewusstsein entwirft, eben für eine Eingebung. Zumindest wäre das Max' Erklärung – aber vielleicht werden die Anoiha ja auch wirklich aus dem Jenseits regiert?) Da sie unbedingt Königin werden will, geht sie keinem Kampf aus dem Weg, und welch glorreicher Einzug ins Jenseits wäre es, den Oijaniha mithilfe der Fremden einen harten Schlag beizubringen und nebenbei den Pfad der Sterne zu öffnen, der ewig nicht mehr beschritten wurde? Natürlich gibt es neben Idealisten wie Unuratu, die den für den Stamm sinnvollen und Gewinn bringenden Tod suchen, um König zu werden, auch Realisten, die einfach nur herrschen wollen, das eben nur als Stellvertreter eines Strohmanns tun können und die eigenen Entscheidungen als Eingebung aus dem Jenseits ausgeben, aber glücklicherweise ist ein solcher gerade nicht an der Macht. Die Helden wissen also noch gar nicht, dass Unuratu tatsächlich nichts Böses mit ihnen im Schilde führt, sondern sie nur für ein Zeichen und ein Mittel zum Zweck hält.

 

Sie wandern durch sehr bergigen Regenwald in einem Tempo, das die meisten Nicht-Alaru schon bald an den Rand ihrer Belastbarkeit führt – nur Skaar, der die dünne Luft liebt, hält mit Leichtigkeit Schritt und fordert immer wieder dazu auf, noch schneller zu marschieren, weil hier endlich mal Leute mit ihm mithalten können. Die Anoiha scherzen untereinander gut gelaunt über die schlechte Kondition der merkwürdigen Fremden, haben aber am Goliath ihre Freude.

 

Die Ausblicke, die sich den Reisenden unterwegs bieten, sind atemberaubend: Zahlreiche Wasserfälle ergießen sich über unter Wasser stehende oder daraus aufragende Ruinen (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Cenote Vista (nördlich)). Man braucht diesen Tag und den Vormittag des nächsten, um es bis ganz nach unten zu schaffen. (Beim Abendlager instruiert Fleece ihre Leute diskret, sich beim Kampf zurückzuhalten, solange es so aussieht, dass die Anoiha das Kind geschaukelt kriegen: "Wir haben genug geblutet.") Bevor sie am zweiten Tag aber unten ankommen, zeigt Unuratu den Gästen schon aus sicherer Entfernung von oben die Hängebrücken: Der Eingang zum Heiligtum der Oijaniha ist natürlich bewacht. Sie "fragt", ob die Helden die Wachen unauffällig ausschalten können, und sie bejahen. Unuratu befiehlt den Angriff am hellichten Tage, weil das Heiligtum tagsüber spärlich, abends aber viel zu gut besucht ist.

 

Unten müssen die Angreifer natürlich nahe genug herankommen (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Temple of Kukulkan (westlich)). Drinnen patrouilliert offenbar ein Krieger und taucht regelmäßig auf einem Balkon auf, während sich auf dem Felsen in der Mitte des tosenden Wassers vier Krieger aufhalten. Man passt das Timing so ab, dass Zhai in einem unbemerkten Moment über die erste Hängebrücke huscht und sich versteckt hält. Max lässt seine Zauberkugel, sobald der patrouillierende Krieger wieder verschwunden ist, über dem Wasser in einiger Entfernung losschweben, die er mit gelungenem Check sicher abschätzt: nahe genug, um irgendwann aufzufallen, aber weit genug weg, dass man nicht gleich weiß, was man da eigentlich gerade sieht (zumal sie durchsichtig ist). So wird die Aufmerksamkeit von vier Kriegern gebündelt, und während sich leider nur drei der vier am Rand versammeln, geht auch Skaar vorsichtig über die erste Brücke und stößt zu Zhai. Max wirft Deep Slumber auf das Trio, das wunschgemäß zusammensackt, Zhai erledigt mit ihren Dolchen den vierten, und als sich der patrouillierende Krieger wieder auf dem Balkon blicken lässt, erledigt ihn Skaar mit dem Bogen, bevor er Alarm geben kann. Das war eine Sternstunde, denn die Würfel hätten auch allesamt anderer Meinung sein können, doch alles lief exakt nach Plan.

 

Skaar behält den Haupteingang und die Fenster im Auge, während nach und nach alle Helden und Anoiha sich auf dem Felsen in der Mitte versammeln. Derweil laufen Max und Zhai über die zweite Brücke, und obwohl die Tür von innen verbarrikadiert ist, hat sie Knock nichts entgegenzusetzen. Alle defilieren leise hinein – sämtliche Anoiha sind leiser als die meisten Helden –, und als sie die Vorhalle zum Heiligtum erreichen, rennen sie los (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Cenote Tomb (nördlich)). Max wirft eine Wind Wall über das Wasser, die die Bogenschützen auf der rechten Galerie komplett aus dem Spiel nimmt, so dass sich alle auf den Nahkampf konzentrieren können – und der gerät für örtliche Verhältnisse mit etwa 50 gegen 50 schon geradezu episch. Hier im Heiligtum verrichtet eine Schamanin ihren Dienst, der es gelingt, die Wind Wall aufzulösen, aber Max wirft sogleich eine weitere, und die Schamanin verlegt sich darauf, einzelne Gegner anzuvisieren und sie mit Crippling Pain kampfunfähig zu machen, wobei sie die Wind Wall nicht stört. Dafür wird sie wiederum Ziel der Mindwedges, die ihre Konzentration brechen.

 

Fleece unterstützt die Anoiha singend, wobei ihr Gesang kulturell natürlich gar nicht zu dem Naturvolk passt und an diesem Ort völlig deplaziert wirkt, und die Krieger verstehen auch kein Wort davon, spüren aber trotzdem, wie sie von noch mehr Zuversicht und Kampfkraft erfüllt werden. Bis auf Skaar, der mittendrin mitmischt, halten sich aber sonst alle zurück und konzentrieren sich darauf, Max und Fleece zu beschützen, wenn einzelne Kämpfer durchkommen. Sie nutzen die Chance, einmal nicht in vorderster Front zu stehen, und überlassen so den Anoiha den Ruhm. Tatsächlich müssen sie ihre Strategie nicht ändern, die Anoiha tragen einen klaren Sieg davon. Unuratu scheint nicht ganz zufrieden zu sein (niemand weiß, dass sie gehofft hatte, in der Höhle des Löwen einen Heldentod zu sterben, anstatt so deutlich zu obsiegen), präsentiert aber den fehlenden dritten Stein. Bevor Verstärkung eintrifft, treten alle den Rückzug an und kehren am nächsten Tag ins Dorf der Anoiha zurück.

 

Raif, obwohl von zahlreichen Annehmlichkeiten umgeben und dank eines magischen Armreifs auch nicht mehr auf Ierendi angewiesen, fühlt sich zunehmend wie ein Gefangener, weil ihn die launische und leicht erzürnbare Karaqana stets unterschwellig spüren lässt, dass er ihr für ihre Gastfreundschaft, die ja in der Tat mehr als großzügig ist – wenn er nur wüsste, warum er überhaupt in ihren Genuss kommt! –, Gehorsam und Gefolgschaft schuldet. Jen merkt noch deutlicher, dass der Reiz Raifs für Kara spürbar zu verblassen beginnt: Sie verbringt weniger und weniger Zeit mit ihm und lässt abends öfter einen Lustsklaven kommen. Dann aber möchte sie immer wieder mal aus heiterem Himmel ausgehen, und so bekommt Raif (und manchmal auch Jen, die dann und wann mitgenommen wird) mehr von den schönen Seiten Tashlutas zu sehen, wobei Jen auffällt, wie ausgesprochen wohl sich Kara bei diesen Gelegenheiten zu fühlen scheint und wie witzig und charmant sie Raif dann plötzlich wieder findet. Ihr ist klar: Kara möchte mit ihnen gesehen werden, aber warum und von wem?

 

Kara kündigt die Exkursionen, zu denen sie mal nur Raif, mal beide mitnimmt, selten im Vorfeld an, so auch jetzt nicht. In einer großen Sänfte geht es für Kara, Raif, Maiuri, R'a'ilo und einige Wachen zum Hafen und von dort mit einer Privatfähre nach Urathapur, einer der schwer bewachten Inseln in der Goldenen Bucht, wo die Reichen und Schönen in einer Art Beach Resort unter sich sind. Auch wenn sich hier keine Granden herumtreiben (Urathapur ist unter ihrer Würde, weil sie eigene Inseln besitzen und die zweite Riege zusammengelegt hat, um auch eine zu haben), ist Urathapur doch ganz und gar luxuriöser Müßiggang: Man liegt in der Sonne, schwimmt, isst und trinkt, lässt sich von Sklaven verwöhnen, und die, die sich ihr gutes Aussehen erarbeitet oder bewahrt (oder auf magischem Wege nachgeholfen) haben, tragen ihre Körper so freizügig wie möglich zur Schau.

 

Raif kann Kara inzwischen nicht mehr sonderlich gut leiden, weil auch für ihn langsam unübersehbar geworden ist, wie oberflächlich, flatterhaft und schnell gelangweilt die junge Frau ist, obwohl sie sich nach außen gut verkauft und, wenn man es nicht besser weiß, wirklich ansteckend fröhlich wirkt. Er spielt aber mit, weil sie ihm gegenüber sehr gelöst und vertraut tut. Sie erklärt ihm, dass er jetzt Sadrak Ulondil heißt, alles Weitere soll er ihr überlassen. Sollte er angesprochen werden, möge er so tun, als ob er außer Kara niemanden verstünde. Das leuchtet ihm ein, denn er ist lange genug mit Fleece und Max unterwegs, um zu kapieren, dass Tongues und Minor Tongues, von einem Magier untersucht, einander wohl recht ähnlich sehen dürften. Es sollen also alle glauben, dass der Armreif, den er trägt, nur mit Minor Tongues, auf Karaqana abgestimmt, verzaubert ist. Außerdem trägt sie ihm auf, darauf zu achten, dass man sich bei ihrem Umgang fragen soll, ob sie miteinander schlafen, sich aber nicht sicher sein können soll. Daraus schlussfolgert Raif, dass Kara irgendjemanden eifersüchtig machen möchte.

 

Im Dorf der Anoiha überreicht Unuratu Fleece ohne Aufforderung den dritten Würfel. Die Bardin vermutet, dass es Unuratu vielleicht als ihre Aufgabe betrachtet, jenen zu helfen, die den Pfad der Sterne beschreiten wollen, oder vielleicht haben die Oijaniha gegen die Regeln verstoßen, indem sie den von den fremden Forschern erbeuteten Würfel behielten, anstatt ihn zurückzubringen, und die Anoiha haben das Gleichgewicht wiederhergestellt? Die Sprachbarriere verhindert, es genauer herauszufinden, aber Unuratu bedeutet den Abenteurern, dass sie sich ausruhen sollen und morgen gehen können.

 

Das laissez-faire auf Urathapur wirkt wie die Forgotten-Realms-Entsprechung eines karibischen Strandurlaubs, und auch die ganze Infrastruktur der Insel ist nur darauf ausgelegt, es den Gästen so angenehm wie möglich zu machen. Nach einigen Würfelglück-Durchhängern legt Raif famose Sense-Motive- und Spot-Checks ab und merkt, was so subtil ist, dass man von Glück reden muss, wenn es einem auffällt: Kara hat so demonstrativ viel Spaß mit ihm und tut so verliebt, um die Aufmerksamkeit einer bestimmten Gruppe gut aussehender Herren zu erwecken, obwohl sie nicht einmal hinüberschaut. Raif legt sich ins Zeug und liefert einen guten Bluff-Wurf, denn da Jen und er den Danhamurs ausgeliefert sind, ist es ratsam, bei Kara Punkte zu machen.

 

Irgendwann kommt einer aus der Gruppe herüber, die "zufällig" auf Kara aufmerksam geworden ist, um Hallo zu sagen und sie zu den anderen einzuladen. Am Tisch begrüßt Kara den Ältesten, einen immer noch sehr ansehnlichen Mittfünfziger, als Ban Heoma, aber Raif weiß inzwischen, dass damit nicht das Familienoberhaupt gemeint sein muss, sondern dass man damit auch eine gesellschaftlich höhere, ältere Respektsperson so ansprechen kann. Dies sind Indrabar Heoma und drei seiner Söhne, Karmunir, Kaladesh und Jarabar. Raif weiß, dass Tongues zahlreiche Zwischentöne nicht übersetzen kann, und das Tashalari ist ebenso wie das Alzhedo voll davon, also kommt er nicht mal mit dieser magischen Hilfestellung beim Gespräch mit und ist froh, nur auf Kara reagieren zu müssen. Nur dann und wann fällt ihm auf, dass das, was sie für ihn "übersetzt" (während niemand sonst weiß, dass sie das gar nicht muss), von dem abweicht, was zuvor von einem der Männer gesagt wurde. Raif muss das aber im Zweifel auf die Unzulänglichkeiten von Tongues schieben, mehr lässt sein Int-Check nicht zu. Ihm fällt jedoch durchaus auf, dass Kara auf Fragen nach "Sadrak Ulondil" stets gekonnt ausweicht und sie nur schwammig beantwortet. Immerhin scheint er die Neugierde der Herrschaften geweckt zu haben, und das war wohl auch der Plan. Kara möchte die Heomas in den nächsten Tagen zum Essen einladen.

 

Wieder zurück im Anwesen der Danhamurs erstattet Raif Jen Bericht. Sie haben sich schon mehrmals darüber unterhalten, dass sie keine Optionen haben. Sollten sie Karaqana oder Barashau irgendwie erzürnen und auf der Straße landen, könnten sie sich bestenfalls ein paar Tage durchschlagen, und sie hätten ohne Hilfe keine Chance, ihre Freunde wiederzufinden oder von ihnen gefunden zu werden. Natürlich könnte man es bei Sarab Hamur versuchen, aber Jen weiß nicht, wie der es finden wird, wenn die nette Ablenkung vom Alltag zu einer Belastung wird. Was für keinen der beiden infrage kommt, ist, sich an Katarai Neramu zu wenden – obwohl der ja derjenige sein wird, auf den Fleece zutritt, wenn sie ihre Freunde auslösen will.

 

Die Anoiha geleiten die Fremdländer zurück, nähern sich den Zwillingspyramiden aber nur auf eine Tagesreise, doch Sumukopa findet den restlichen Weg. In dem Tal liegt der übliche Nebel. Auf dem Bodenrelief fehlen drei von 121 Steinen, und nun besitzt man drei Würfel mit je sechs Glyphen. Weil es um den Pfad der Sterne geht, wartet man vorsichtshalber auf den Einbruch der Dunkelheit, falls ihr Vorhaben nur nachts funktionieren sollte. Valmaxian, Meranilius und Munaria doktern bis dahin an den Kombinationen herum, setzen die Steine aber nicht zufällig, sondern so, dass sie nach echsischer Lesart in den Kontext passen. Da Meranilius mit der echsischen Lesart sehr vertraut ist – es ist schließlich seine eigene Theorie –, findet er mehrere sinnvolle Kombinationsmöglichkeiten. Er probiert eine aus und wartet geduldig, ob etwas passiert, und erst nach ein paar Minuten versucht er sich an der nächsten.

 

Bei der dritten fällt Sumukopa auf, dass sich der Nebel lichtet, der stets in diesem Tal liegt. Die Abenteurer verlassen die Pyramide, um sich umzusehen – und unglaublicherweise liegt jenseits der Zwillingspyramiden ein unübersehbarer Pfad, wo zuvor nur unüberwindbare Felswände waren. Der Pfad der Sterne hat sich geöffnet, und wahrlich, die Cuori verfügten offenbar über mächtige Magie, wenn sie so etwas wie einen kleinen Mythal zu erschaffen vermochten. Meranilius weist ehrfürchtig darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, dass dieser Pfad das letzte Mal von dem König der Nahual, Qechua, beschritten wurde – bevor die ersten calishitischen Siedler an diesen Gestaden anlandeten...

 

Im nebligen Tal konnte man es nicht beurteilen, aber jetzt ist die Nacht sternenklar, und man kann ungewöhnlich gut sehen. Das Lager wird abgebrochen, und 15 Leute machen sich auf die Nachtwanderung: Dr. Thulcandra, Dr. Meranilius, Valmaxian, Fleece, Zhai, Milandre, J'avo, Skaar, Sumukopa, Baltram und nur noch fünf Matrosen. Der Pfad ist steil und windet sich spiralförmig den Berg entlang, ist dafür aber gut begehbar.

 

Da man nicht weiß, ob der Pfad der Sterne tagsüber vielleicht nicht oder anders funktioniert, beißen alle die Zähne zusammen und behalten ein ordentliches Tempo bei. Nach Tagesanbruch ändert sich jedoch nichts, so dass man mittags eine ausgedehnte Rast einlegt, da man schließlich die Nacht durchmarschiert war. Als sich die Expedition wieder aufmacht, erblickt sie im Licht der tief stehenden Nachmittagssonne schon bald zahlreiche schräge Felder auf dem abfallenden, aber fruchtbaren Gelände, die obendrein von Alaru bestellt werden (die wie die meisten Alaru nur Lendenschurz tragen und von Munaria nicht identifiziert werden können). Da sie nicht weiß, was sie erwartet, schlägt Fleece vor, dass sich die meisten versteckt halten. Meranilius und Munaria sind nicht zu halten, also begleitet Fleece sie, nachdem sie ein Speechlink mit Max hergestellt hat, und nimmt noch Zhai mit.

 

Die vier zeigen sich also offen, und die Feldarbeiter reagieren ganz unterschiedlich: Einige schauen nur zu ihnen, während sie weiterarbeiten, einige laufen rufend davon. Verständigungsversuche gehen komplett ins Leere, Munaria versteht kein Wort. Zu dritt folgen sie dem Weg, der sich den Berg hochschlängelt, und erreichen schließlich den Außenbezirk einer Alaru-Stadt (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Abandoned Village (nordwestlich), von hier aus weiter nach Paititi).

 

Munaria gehen die Augen über: Es gibt keine bewohnten Städte der Alaru mehr, diesen Rang der Zivilisation haben sie bereits vor vielen Jahrhunderten verlassen. Hier betrachtet sie keine uralten Ruinen und fragt sich, wie sie mal zu ihrer Hochzeit ausgesehen haben könnten, hier sind diese Bauten lebendig. Munaria tippt darauf, dass es sich hier um die Cuori handeln könnte, die als lange ausgestorben gelten.

 

Schaulustige haben sich versammelt, aber auch aufwändig geschmückte und gerüstete Wachen, deren Helme stilisierten Echsenköpfen ähneln. Durch barsche Befehle und ihre Körpersprache machen sie den vieren klar, dass sie mitkommen sollen. Sie führen sie durch die Straßen zum Fuße einer steil aufragenden Pyramide, die unten einen eigenen Eingang aufweist (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Paititi). Im Inneren werden sie der Hohepriesterin vorgeführt. (Wie so viele Alaru-Stämme scheint auch dieser matriarchalisch strukturiert zu sein.) Diese fackelt jedoch nicht lange und ordnet die gewaltsame Verschleppung der vier an. Fleece raunt Zhai zu, sie solle weglaufen (damit sie die anderen holen und sie befreien kann), und lenkt alle mit Voice of the Dragon ab (wobei die inbegriffene Suggestion an der Sprachbarriere scheitert), so dass sich niemand herantraut. Zhai gelingt es, mit flinken Haken ins Freie zu rennen und sich eine Verfolgungsjagd mit den Wächtern zu liefern, die sie gewinnt: Sie versteckt sich in einem Haus und schüttelt so die Verfolger ab. Da bemerkt sie erst die Menschen, die sich ängstlich in eine Ecke kauern. Zhai macht beruhigende Gesten und zieht sich zurück, aber sie machen auch keine Anstalten, zu schreien.

 

Beim Verlassen des Hauses ist Zhai natürlich wieder unübersehbar, aber immerhin sind keine Wachen in der Nähe. Sie läuft los und stellt erstaunt fest, dass die meisten Alaru sie nur ansehen, aber nicht um Hilfe schreien – doch davon gibt es auch einige, und so heften sich bald wieder Wachen an ihre Fersen. Zhai rennt auf demselben Weg aus der Stadt, den sie hineingekommen ist, und an den Feldern vorbei. Viele der Wachen sind ausdauernd und bleiben ihr auf den Fersen, und die anderen, durch Fleeces Speechlink vorgewarnt, lauern den Verfolgern auf und machen sie unschädlich. Fleece berichtet währenddessen, auf welchem Weg sie gerade tiefer in den Tempel verschleppt wird und dass der schreckliche Verwesungsgestank dort immer stärker zunimmt. Schließlich bricht die Verbindung ab, weil die Zauberdauer abgelaufen ist.

 

Ohne die Mediatorin Fleece löst sich an dieser Front allerdings der Zusammenhalt in Luft auf: Baltram lehnt ab, auch nur einen Schritt in diese Stadt zu tun – von seiner Mannschaft sind nur noch fünf Mann übrig, und die wird er nicht auch noch in den Tod führen. Streitereien brechen aus, die nun Zhai zu schlichten versucht, obwohl sie doch viel lieber darüber spräche, wie man die drei Gefangenen da rausbekommt. Max meint wenig hilfreich, aber nüchtern, dass man sich hier mit einer ganzen Stadt anlegt, was die Matrosen natürlich in ihrer Verweigerung bestärkt. Zhai wiederum hatte auf ihrer Flucht den Eindruck, dass viele Menschen dort vielleicht gar nicht so glücklich mit der Herrschaft sind, aber niemand hört ihr zu oder gibt viel auf ihre Eindrücke, ist sie doch nicht gerade als Menschenkennerin bekannt.

 

Da es inzwischen schon dunkler geworden ist, meint Zhai kurzerhand, es sollen bis auf Weiteres alle hier bleiben und warten, und schon läuft sie allein zurück zur Stadt. Es sind nur wenige Menschen unterwegs, aber es ist unüberhörbar, dass sich die meisten irgendwo versammelt haben. Zhai schleicht sich in ein Haus, nimmt sich eine hübsche gestickte Decke und hüllt sich darin ein. Auf ihrem weiteren Weg sieht sie von oben (da die Stadt sehr steil ist, weil sie schließlich an den Berg gebaut wurde) eine große Menschenmenge, die sich wie vor einem Gott zu Boden wirft – und eine Sänfte, getragen von den bekannten Wachen, auf der ein Echsenmensch sitzt!

 

Zhai nutzt die Gunst der Stunde, erreicht den Tempel und schleicht sich hinein. Im Inneren gibt es mehrere Wege, aber viele Stimmen aus einer Richtung lassen sie die andere einschlagen. Als sie Verwesungsgestank wahrnimmt, weiß sie, dass sie auf der richtigen Fährte ist (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Belly of the Serpent). Nur mithilfe ihres magischen Kletterhakens gelingt es ihr, die senkrechte Höhle voller Leichen nach oben zu durchqueren, eine Wache zu töten, die gerade ein weiteres Menschenopfer vorbereitet, und zu den Verliesen zu gelangen, wo einige Alaru sowie Amaraeus und Munaria festgehalten werden, die überglücklich sind, Zhai zu sehen. Zu ihrem Erschrecken erfährt sie aber, dass die Wachen Fleece von hier auch weiter mitgenommen haben, sie war nie hier eingesperrt.

 

Zhai befreit alle, man folgt den Alaru auf einem anderen Weg nach draußen, und diese zeigen auf eine andere Pyramide – dorthin muss Fleece verschleppt worden sein, aber warum? Durch Zeichensprache stellt sich bald heraus, dass nur wenige der Befreiten von hier stammen, die anderen Alaru können aber nicht kommunizieren, woher sie kommen. Zhai erdolcht die beiden Männer, die draußen Wache halten, und im Schutz der Dunkelheit geht es hinunter in den Randbereich der Stadt, wobei die ortskundigen Alaru die anderen leiten und zu einem ihrer Häuser führen. Zhai weiß, dass jeden Augenblick im Tempel Alarm geschlagen werden kann, also muss es schnell gehen. Sie nimmt die beiden Forscher mit und läuft mit ihnen zum Versteck der anderen, wo sie die Matrosen bittet, wenigstens auf sie aufzupassen.

 

Max verteilt die von Fleece zurückgelassenen Tränke, und er, Zhai, Skaar, Milandre, J'avo und Sumukopa machen sich wieder auf den Weg. Sobald Zhai Wachen erspäht, schleicht sie allein weiter und macht sie unschädlich, doch trotzdem schaut hier und da auch mal jemand aus dem Fenster oder schüttet Essensreste auf die Straße und erblickt die unübersehbaren Eindringlinge – doch niemand schlägt Alarm, sondern zieht sich einfach nur wieder zurück.

 

Die Wachen vor der anderen Pyramide werden wegen des offenen Geländes aus sicherer Entfernung von Skaar und Sumukopa getötet, und es geht hinein. Nach einigen düsteren Gängen öffnet sich das Tempelinnere in eine gigantische Halle (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Temple Barracks), in deren Mitte Fleece mit in X-Form ausgebreiteten Gliedmaßen festgebunden auf einem Altar liegt, umringt von reich geschmückten Echsenmenschen, während einer von ihnen zischelnd auf Tashalari mit ihr spricht, aber sie kann nur ein paar Brocken, und das, was sie sich über Alzhedo zusammenreimen könnte, scheitert an der undeutlichen Aussprache des Echsenmenschen. Weil ihre Peiniger so unmenschlich und damit unberechenbar sind, steht sie Todesängste aus, denn ihr Verhörer will wirklich etwas aus ihr herauspressen und hat ihr schon die Opferdolche zeigen lassen.

 

Max belegt Skaar und Zhai mit Haste und Mage Armor, erwischt die meisten Echsenmenschen mit Slow, und Skaar rennt mit Dire Charge ins Getümmel. Weil sie überrascht (und obendrein verlangsamt) sind, richtet der Goliath schon zum Auftakt ein Blutbad an. Hinter ihm stürzen sich Zhai, Milandre und J'avo in den Kampf, und Sumukopa nimmt auf Max' Geheiß den Hohepriester aufs Korn, den er zusätzlich noch mit Mindwedges beharkt. Weil hier jede Menge Gegner zur Auswahl stehen, die obendrein auch nicht gerade niedrigstufig sind, wird es sehr taktisch. Alle Helden sind effektive Kämpfer, aber Skaar hat wirklich seinen lange ersehnten moment of glory, und Zhai verteilt dank Tumble in Kombination mit Haste völlig unverletzt Nadelstiche, wobei Vampire's Kiss und Poisonfang ihr gute Dienste erweisen, und räumt so zahlreiche Gegner mit dem entscheidenden Angriff ab. Als sie es sich leisten kann und gut rankommt, zerschneidet sie Fleeces Fesseln, und diese steigt singend mit Inspirational Boost gekoppelt mit Inspire Greatness auf Skaar, Milandre und J'avo ein (ihre Stimme zittert, doch das tut der Magie keinen Abbruch), muss sich aber in Sicherheit bringen, da sie unbewaffnet ist.

 

Auf Skaar kann man nur insofern zählen, dass er mächtig aufräumt, aber nicht darauf, dass er taktisch vorgeht. Daher liegt es bei Milandre und J'avo, die Wege zu Max und Fleece zu versperren, während Skaar die meisten Angreifer bündelt und mit seiner Anoiha-Keule Echsenschädel zerschmettert, während er sich trotz Mage Armor allein durch die Masse der Angreifer Wunde um Wunde zuzieht.

 

Fleece, die irrsinnige Todesangst ausgestanden hat, greift sich einen der Opferdolche und bewegt sich zum Hohepriester, da sie erkennt, dass er zaubert und Max seinen Zauber mit Dispel Magic unschädlich macht. Diese Gelegenheit nutzt sie, sich auf ihn zu stürzen und ihn mit dem Dolch wutentbrannt zu töten.

 

Ein neonartig glühendes stilisiertes Netz bündelt die Echsenmenschen, gegen die Milandre und J'avo nun kämpfen, und Battering Ram holt weitere, die herangeeilt kommen, von den Beinen und erkauft den Helden Zeit, die eigenen Gegner stehen zu lassen, hinzulaufen und die am Boden Liegenden schnellstmöglich zu töten.

 

Fleece, schwer atmend vor Panik und Adrenalin, schafft es dank jahrelanger Erfahrung, sich automatisch so günstig wie möglich zu positionieren und einen Wail of Doom loszulassen, der vier Echsenmenschen tötet und weitere vier panisch davonrennen lässt. Währenddessen ist die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner nicht mehr zu lenken, und die Struktur des Kampfes bricht zusammen, als viele Gegner auf Max und Sumukopa zurennen. Geistesgegenwärtig levitiert er sich und holt Sumukopa per Telekinese zu sich. Einer der Gegner reagiert jedoch sogleich und wirft seinen Speer, der Max hart in der Seite erwischt, aber dank seines hohen Skills bricht seine Konzentration nicht ab, er und die Shemu bleiben in der Luft und schweben seitwärts, um zumindestens ein bewegtes Ziel abzugeben. Mirror Image sorgt für zahlreiche Ziele und erkauft ihm Zeit.

 

Fleece schneidet den Zustrom an neuen Gegnern ab, indem sie mit ihrem Song of Discord für Aufruhr und Kämpfe untereinander sorgt, so dass die drei Frontkämpfer etwas entlastet werden, denn auf jeden prasseln pro Runde drei bis sechs Attacken ein. Zhai beweist derweil ständig den richtigen Riecher, indem sie die Angeschlagensten aussucht und somit mit fast jedem Angriff einen Gegner vom Spielfeld nimmt.

 

Per Mnemonic Enhancer aktiviert Max den nur einmal vorbereiteten Slow ein weiteres Mal und entspannt die Lage zusätzlich, und während die Helden eben noch überrannt zu werden drohten, scheint ein Überleben dieses wahnsinnigen Kampfes fast schon wieder möglich, wenn das Trio nur die Linie hält. J'avo hat sich total verausgabt und zwar den zweithöchsten Bodycount auf dem Kerbholz, ist aber auch am Ende seiner Kräfte und blutet aus mehreren Wunden. Max schwebt über ihm, ruft ihn und lässt einen Heiltrank fallen, der ihn wieder etwas auf die Beine bringt.

 

Fleece räumt einige angeschlagene Gegner mit Shout ab, so dass den sterbenden Echsenmenschen das Blut aus den Ohrlöchern fließt, und bis auf einige versprengte Gegner, die nun unkoordiniert die Flucht ergreifen, scheint die Gefahr ausgestanden. Fleece und Zhai fallen sich erleichtert in die Arme, und Fleece bedankt sich überschwänglich für die Rettungsaktion. Zhai meint, als sie die unzähligen Opfertoten gesehen hatte, habe sie so gehofft, Fleece nicht darunter zu finden, und Max, der zu Boden schwebt, fragt, wie viele denn "unzählige" seien. (Einen Trank hat er sich schon gegönnt, um die Speerwunde abzuschwächen.) Auf Zhais Antwort hin meint er, dass die Stadt im Nu entvölkert wäre, wenn man hier regelmäßig so viele Menschen opferte, und Zhai steuert bei, dass die Alaru, die auf ihre Opferung warteten, weit überwiegend von außerhalb waren – doch auch die Anoiha und die Oijaniha sind nicht so zahlreich, dass man sich dort so ausgiebig bedienen könnte.

 

Währenddessen sieht sich Fleece Skaars Wunden an und findet zu ihrem Erstaunen mehrere Verletzungen, die für sich schon tödlich sind, obwohl er zufrieden lächelt, weil er heute so viele Gegner besiegt hat – erstmals weit mehr als jeder andere. Sie kann nicht fassen, dass dieses Glück die Schmerzen, die er erleiden muss, so stark zu dämpfen scheint. Jetzt, wo das Adrenalin sinkt, hockt er sich auf den Boden, und ihm bleiben vermutlich nur noch Augenblicke. Panisch fragt Fleece nach ihrem Beutel, aber Max hält ihr schon das letzte Herrschaftliche Tonikum hin. Sie gibt es Skaar zu trinken, und diese 50 HP + 5 WP machen den Unterschied zwischen Leben und Tod aus, auch wenn er danach immer noch völlig fertig ist.

 

J'avo sieht Milandre entgeistert an: So einen Kampf haben beide noch nie erlebt – den überlebt und so viele Gegner getötet zu haben, lässt schon mal die Knie weich werden. J'avo lacht ungläubig, muss sich aber auch erst mal setzen, weil die Beine nachzugeben drohen.

 

Max könnte sich vorstellen, dass diese verhüllte Stadt über ein Portal verfügt, über das die Echsenherrscher ihren "Bedarf" deckten. Am logischsten wäre es jedoch, wenn es nicht in dieser, sondern in der ersten Pyramide zu finden wäre (die vielleicht einst darum herum errichtet worden ist?), da dort die Opferungen stattfinden. Vielleicht gibt es auch keins, und die Stadt existiert seit Jahrhunderten abgeschnitten vom Rest der Welt, aber falls doch – woher sonst sollten all die Opfer kommen? –, könnten die geflohenen Echsenmenschen Verstärkung von Oghma weiß woher holen.

 

Fleece hat, als sie von der ersten zu dieser Pyramide geführt wurde, von den meisten Menschen denselben Eindruck erhalten wie Zhai und baut nun darauf, dass der Großteil erleichtert sein mag, wenn er von der Echsenherrschaft erlöst würde. Sie bittet J'avo, dem am aufwändigsten geschmückten Gegner, nämlich dem Hohepriester, den Kopf abzuschlagen, geht mit allen hinaus, sieht wie erwartet den Menschenauflauf, streckt den Kopf des Hohepriesters in die Höhe und wirft ihn schließlich vor die Alaru auf den Boden. Dazu singt sie eine heroische Melodie, mit der sie zuletzt den Cormyrianern im Heerlager Mut gemacht hat – den Text verstehen die Menschen nicht, aber Inspire Courage rührt dennoch an ihre Herzen. Viele werfen sich nun vor den Helden auf den Boden. Fleece ruft die Menschen zum Widerstand auf, zeigt auf die andere Pyramide und marschiert mit ihren Freunden los. Einige Alaru schreien sie panisch an (vermutlich, wie sie es wagen konnten, ihnen ihre Götter zu nehmen), aber die meisten lassen sich aufstacheln und halten den Helden die anderen vom Leibe.

 

Mehr und mehr Menschen ziehen durch die Stadt, und hier und da sieht man menschliche Wachen, die von der Menge umzingelt und überrollt werden. Von den Helden angeführt strömen die Menschen in die Pyramide und in den Bereich, aus dem Zhai zuvor die vielen Stimmen gehört hatte. Hier haben sich die restlichen menschlichen Wachen verschanzt, die für die Echsenmenschen Polizei gespielt hatten. Die Enge gereicht ihnen zum Vorteil, aber die aufgekratzten Menschen sind nun nicht mehr aufzuhalten – die vorderen werden niedergemacht, aber der Rest überrollt auch diese Wachen und verteilt sich in den Gängen. Die Helden und die Masse folgen aber dem Hauptgang und erreichen den Altarraum (Shadow of the Tomb Raider, Hidden City, Temple of Kukulkan, von hier aus zurück), der tatsächlich von etwas beherrscht wird, das ein Portal sein könnte. Auf dem Podest haben sich wenige Wachen zurückgezogen, angeführt von einer Jaguarkriegerin, und beschützen die bei den Unruhen schwer verletzte und hierher geflohene Hohepriesterin. Die Kriegerin schreit einschüchternde Worte, die die Menge innehalten lassen – vermutlich, wie sie es wagen können, diesen heiligen Ort zu besudeln, und das auch noch für fremde Kreaturen wie jene dort. Die Helden verstehen sie nicht, aber an den Gesten können sie ablesen, dass die Kriegerin einen Kampf gegen sie fordert. Gingen sie trotzdem gemeinsam auf sie los, könnte die Stimmung kippen, aber sie muss aus dem Weg, denn die Gruppe muss an das Portal, bevor jemand durchkommt. Zhai meldet sich freiwillig. Max belegt sie diskret mit dem Mnemonic Enhancer aus dem Zauberstab, mit dem er Haste reproduziert.

 

Die Wachen verlassen das Podest, Zhai erklimmt es und liefert sich mit der verdammt guten Kriegerin einen ungleichen Kampf – ungleich, weil Zhai ihr als Rogue im Kampf eins gegen eins nicht gewachsen ist, aber auch, weil Poisonfang dafür den Job erledigt und die Kriegerin mit jedem Treffer schwächt. Diese kommt auch mit einem Crit durch und bricht Zhai mit ihrer Keule ein Bein, aber Vampire's Kiss macht die Verletzung ungeschehen. Schließlich sackt die Kriegerin zusammen, und Zhai gibt ihr den Todesstoß.

 

Fleece denkt sich, dass die Antworten, die Dr. Meranilius sucht, vielleicht hinter diesem Portal liegen. Aber er ist nicht hier, und wer weiß schon, wie es überhaupt funktioniert? Sie kann und will das Risiko nicht eingehen, dass weitere Echsenmenschen hindurchkommen und die Stadt zurückerobern. Fleece weiß, dass man sie nicht versteht, aber sie redet feurig und präsentiert sich und ihre Leute als offensichtlich von den Göttern ausersehen, und mit Gesten macht sie klar, dass das Portal fallen muss, das der Quell allen Übels ist. Die Menschen erklimmen das Podest und schlagen mit allem, was sie haben, auf den Stein ein, und irgendwann liegt das Portal in Trümmern.

 

Sie sind alle zu Tode erschöpft, müssen aber noch mal in die andere Pyramide zurückkehren, um sicher zu gehen, dass sie alle erwischt haben, und Zhai holt währenddessen die anderen. Munaria ist überglücklich, jetzt die Stadt (von der sie erfahren wird, dass sie Arekatera heißt) in Ruhe erkunden zu können, aber Meranilius regt sich dermaßen über die Zerstörung des Portals auf, dass man fürchten muss, dass er gleich einen Herzanfall erleidet. Fleece nimmt ihm das nicht übel: Sie weiß, dass er das momentan noch nicht einordnen kann.

 

Die Menschen in Arekatera kennen "Götter" nicht anders als sterblich (nur eben sehr mächtig) und finden es nicht merkwürdig, dass Götter essen und schlafen müssen. Sie streiten sich geradezu darum, wer sie beherbergen darf, und versorgen die Wunden.

 

In den nächsten Tagen sind Amaraeus und Munaria (für sie ist das hier living history) natürlich schwer beschäftigt und können rekonstruieren, dass die Echsen hier schon seit Ewigkeiten herrschen – die Zeit außerhalb Arekateras ging spurlos an der Stadt vorbei. Einige versprengte Echsenmenschen wurden gefangen und sitzen nun in den Zellen, in denen zuvor die künftigen Menschenopfer gehalten wurden. Menschenopfer haben in den Alaru-Kulturen tiefe Wurzeln, so versuchte man schon immer, die Götter zu besänftigen, je mehr und je grausamer, desto besser. Die Echsen, die hier Oghma weiß wann die Herrschaft übernahmen, machten sich das zunutze, scherten sich aber gar nicht um die Opferungen, die die Menschen durchführten, um sie milde zu stimmen, sondern verspeisten die Leichen.

 

Es gibt verschiedene Echsenvölker, und anhand der Leichen und der Gefangenen kann Meranilius nachvollziehen, dass die Iksar die herrschende Kaste darstellten, schlank und leicht gebaut, aber gerissene und grausame Echsenmenschen, beschützt von den massiven, kriegerischen, aber nicht sehr hellen Maru. Zum Reden sind aber beide nicht zu bringen.

 

Die Geheimnisse um die Verzauberung des Bergpfads sind nicht zu lüften: Wann wurde sie vorgenommen, von wem und zu welchem Zweck? Fest steht nur, dass sie mindestens seit Qechua von den Nahual existiert, denn dieser begab sich auf eine sehr weite, beschwerliche Pilgerfahrt hierher. War das Wissen um Arekatera damals verbreiteter? Und warum brachte sich Qechua nach seiner Rückkehr um? Weil er die leibhaftigen "Götter" gesehen hatte und sich dafür, dass er es gewagt hatte, am selben Ort mit ihnen zu sein, bestrafen wollte, um sich einen guten Platz im Jenseits zu verdienen? Oder hatte er hinter die Fassade geblickt, erkannt, dass die Echsen keine Götter waren, und versuchte sich von dieser lästerlichen Erkenntnis zu reinigen – oder sich für die Sünde zu bestrafen, Götter nicht als Götter zu erkennen? Hier gibt es auf diese Fragen keine Antworten. Wohin nur mag das Portal geführt haben...?

 

Fleece hat diese schreckliche Nacht unverletzt überstanden, aber außer ihr und Sumukopa sonst niemand. Die Heiltränke sind nun komplett aufgebraucht, herkömmliche Pflege und Ruhe müssen die verbliebenen Wunden ausheilen lassen, so dass man ein paar friedliche Tage in Arekatera verbringt. Die Menschen hier reagieren ganz unterschiedlich auf ihre Befreier: Die einen lassen sie in Ruhe, weil sie sich nicht als würdig empfinden, mit ihnen Kontakt zu haben, manche laufen sogar vor ihnen weg, andere wiederum baden in der Gunst der "Götter", wieder andere verfluchen sie dafür, ihnen die wahren Götter weggenommen zu haben, die ja auch in den uralten Reliefs in Stein gemeißelt sind. Munaria und Fleece finden es faszinierend, dass diese Leute vom Rest Torils nicht die leiseste Ahnung haben, und Fleece spricht die Verantwortung an, die damit einhergeht. Sie weiß, wenn Munaria nach Tashluta zurückkehrt und ihre Arbeiten veröffentlicht, werden zahlreiche Expeditionen hierher kommen, mit Sklavenjägern in ihrem Kielwasser.

 

Fleece macht sich daran, trotz der Sprachbarriere die wichtigsten Menschen kennen zu lernen und eine geordnete Herrschaftsübergabe einzuleiten, womit sie ganz gut beschäftigt ist. Skaar geht oft spazieren, obwohl er seine schweren Verletzungen auskurieren sollte, und liegt ständig jedem damit in den Ohren, dass er mehr Echsen getötet hat als jeder andere, Milandre erleidet aus der Kombination so verdammt vieler Gründe einen kleinen Nervenzusammenbruch und kapselt sich ab. Zhai genießt das Bad in der Menge, da die Menschen in Arekatera noch nie von Dunkelelfen gehört haben.

 

Die Helden müssen sich tatsächlich damit auseinandersetzen, dass ihnen Opfergaben dargebracht werden. Zwar hat Fleece klar gemacht, dass hier nie wieder Menschen geopfert werden dürfen, aber die Arekateraner, für die dieser Berg ihre ganze Welt ist, kennen es nicht anders, als ihren Göttern zu opfern, und so können sich die Abenteurer nicht retten vor Geschenken. Als Fleece signalisiert, dass jemand Skaars behelfsmäßige Keule reparieren soll, machen sich die besten Schnitzer der Stadt daran, ihm einen einzigartigen Greatclub mit scharfen Zähnen aus Obsidian maßzuschneidern, und auch sonst versuchen die Menschen, ihren Rettern jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Als Höchste unter den "Kleinen Göttern", die Arekatera erlöst haben, erhält Fleece ein besonders wertvolles Geschenk: Ixalan, ein Armband mit einem stilisierten Goldkopf. Indem sie seinen Namen ausspricht, kann sie dreimal am Tag für zehn Minuten eine am Goldkopf verankerte Version eines Cuori-Schildes hervorrufen, die entweder wie ein herkömmlicher Schild funktioniert, aber ihre linke Hand freilässt, oder sich über einen tatsächlich getragenen Schild legt (deflection bonus +2 auf AC, kumulativ mit Schildbonus, wenn vorhanden, der force effect dämpft die Wucht von Schlägen, wehrt automatisch magic missiles ab). "Nalaxi" löst den Schild wieder auf.

 

Fleece weiß, dass Munaria Arekateras Existenz nicht verschweigen wird. Daher bespricht sie sich mit Max und schließlich mit den Persönlichkeiten der Stadt, die sie ohne Munarias Wissen zu einem "Ausflug" zu den Zwillingspyramiden mitnimmt und ihnen zeigt, wie der Pfad geöffnet wurde – um ihnen dann die drei Würfel anzuvertrauen, damit sie entscheiden, was damit geschehen soll. Fleece bemüht sich auch, ihnen per Scharade klar zu machen, dass, wenn sie sich nicht schützen, böse Menschen kommen werden, und dass sie jetzt für sich selbst verantwortlich sind, aber besser für sich bleiben sollten.

 

Natürlich macht sich Fleece auch darüber Gedanken, dass sie nicht mit leeren Händen bei Katarai Neramu anklopfen kann, aber die Schlüssel zur Stadt will sie ihm auch nicht gerade überreichen. Sie bittet um Steintafeln mit einer Chronologie der Stadt, die natürlich für sie angefertigt werden, und macht mit Max ab, Arekatera Neramu gegenüber dort zu verorten, wo man zuvor angenommen hatte, dass Harukar Kurash irrtümlich hätte suchen können – dann kann er gern seine eigene Expedition losschicken. Natürlich plant sie, das Ganze damit auszuschmücken, dass mächtige Magie die Stadt beschützt und sie nicht weiß, warum Arekatera seine Pforten ausgerechnet ihr geöffnet hat.

 

Fleece sucht auch das Gespräch mit Milandre, der einfach alles zu viel geworden ist: Zum ersten Mal weg von der Drachenküste, zum ersten Mal per Schiff unterwegs, dann in ein so exotisches, lebensfeindliches, gefährliches Land, die Fremdartigkeit dieser Welt, die sie sich nie hätte vorstellen können, weil sie einfach viel zu weit weg ist, als dass man in Cormyr etwas darüber wüsste, ständig diese schwüle Hitze, das Fehlen von allem Vertrauten, die Abgeschnittenheit und das Ausgeliefertsein, und all das nicht nur monatelang, sondern obendrein ohne ihre Kameraden, dazu das Heimweh und vor allem dieses schreckliche Gefühl der Schutzlosigkeit: Ihr Kampfstil beruht darauf, schwer gerüstet zu sein und auf harmlosere Angriffe gar nicht erst achten zu müssen – sie musste sich umgewöhnen und kämpft sehr vorsichtig und bleibt damit unter ihren Möglichkeiten, was ihr Selbstbewusstsein zusätzlich untergräbt. Und nun ist seit über einem Monat der Einzige, der ihr wegen ihrer besonderen Beziehung zueinander halbwegs vertraut war, auch weg. Hinzu kommt Tulwoods Tod, neben ihr der einzige Cormyrianer, der zudem mit ihr den ganzen weiten Weg aus Marsember gereist ist. Sie fühlt sich schrecklich allein, kann aber auch weder auf Menschen zugehen noch Handreichungen annehmen und steht sich selbst im Weg, weil sie sich für unwürdig und wertlos hält (was man ihr aber wiederum überhaupt nicht anmerkt). All das kulminierte im tödlichsten, chaotischsten, panischsten und aussichtslosesten Kampf ihres Lebens: gegen die Echsen in deren Pyramide.

 

Im Gespräch mit Fleece macht sie aber einen großen Schritt, denn sie bescheinigt der Bardin, eine wirklich gute Anführerin zu sein. Von Milandre kommend bedeutet Fleece das eine ganze Menge.

 

Baltram und die fünf Seeleute sind zwar glücklich, ein paar Tage in Sicherheit zu verbringen, und auch wenn sie keine "Götter" sind wie jene, die im Echsentempel waren, gehören sie doch zu ihnen und werden sehr gut behandelt. Dennoch wollen sie nun, da Dr. Meranilius offenbar sein Ziel erreicht hat, den Rückweg endlich hinter sich bringen und auf die Endeavour zurück. Natürlich ahnen sie noch nicht, dass Baltrams Bruder wie auch der Rest der Besatzung tot ist.

 

Fleece beruhigt einerseits die Seeleute und drängt andererseits bei Amaraeus auf die Abreise, was dieser natürlich überhaupt nicht einsieht – deswegen ist er hierher gekommen! Er hat einen lebenden Beweis für von Echsen beherrschte Alaru gefunden – das hat er schon seit Jahren gemutmaßt, dass so etwas im Laufe der Jahrtausende öfter vorgekommen sein könnte, und ist dafür von seinen Peers verlacht worden. Mit dem Portal hätte er vielleicht sogar Beweise für die torilumspannende Echsenverschwörung finden können, aber das mussten die Abenteurer ja unbedingt zerstören!

 

Zumindest weiß er, dass die Arekateraner Nachfahren der Cuori sind, was bedeutet, dass dieser Stamm nicht ausgestorben ist, auch wenn er von seiner eigenen Geschichte keine gute Vorstellung mehr hat, da die Echsen ihre eigene Propaganda verbreitet haben. Wenn Munaria sich aus ihren Gesprächen mit den Eingeborenen alles richtig zusammengereimt hat, haben die Echsen Arekatera sowohl als verflucht geschildert als auch diese Menschen als auserwählt dargestellt, denn den Rest der bekannten Welt hätten die Großen Götter mit Krieg und Pestilenz überzogen und nur die Cuori verschont, weil die Kleinen Götter sich für sie verbürgt hätten.

 

Es würde Ewigkeiten dauern, alle Reliefs, Tafeln, Wandbilder und Aufzeichnungen zu entschlüsseln, und indem sich Munaria von den Eingeborenen die Glyphen vorlesen lässt, erlernt sie ihre Sprache jeden Tag etwas besser, so dass Amaraeus auch immer neue Details von ihr erfährt. Nein, auf gar keinen Fall will er hier weg.

 

Die Danhamurs empfangen die Heomas zum Abendessen, und es wird fürstlich aufgetafelt, wobei "Sadrak und Peranzia Ulondril" (die beiden spielen Geschwister aus Baldur's Gate) ganz normale Gäste sind. Die Heomas, so beeilt sich Indrabar gleich anzukündigen, sind aus Respekt vor den Gästen heute ebenfalls mit Tongues versehen, so dass Jen und Raif aufpassen müssen, was sie sagen. Auch Badrashau und Idrizai beherrschen das Spiel des charmanten Ausweichens auf konkrete Fragen hervorragend, doch viel interessanter sind die direkten Fragen der Heomas an die Ulondrils. Mit Bluff und Diplomacy schlagen sich beide sehr gut (endlich lohnt es sich mal, Jen, die nie diplomatisch ist oder schauspielert, wenn sie nicht unbedingt muss, die ganzen Punkte gegeben zu haben), niemand gibt sich eine Blöße, sie weichen ebenso gekonnt aus wie ihre Gastgeber und spielen tatsächlich überzeugend Leute von Stand. Da beide schon einige Zeit in Baldur's Gate verbracht haben, können sie auch glaubwürdig von der Stadt erzählen.

 

Indrabar hat Charisma, dem sich beide nicht völlig entziehen können, und er interessiert sich unübersehbar für sie, während wiederum beiden auffällt, dass Karaqana und Indrabars jüngster Sohn Jarabar sich gut zu verstehen scheinen. Indrabar spricht natürlich seinerseits eine Einladung aus, die selbstredend auch für die Ulondrils gilt.

 

1374 DR, Year of Lightning Storms: Der Jahreswechsel geht nahezu unbemerkt vonstatten. Zwangsläufig vernachlässigt Munaria Sumukopa, die sehr in sich gekehrt wirkt. Fleece fragt sich, wie es auf sie wirken muss, ihre eigenen "Landsleute" so vergleichsweise hochzivilisiert zu erleben – und doch so unselbstständig unter dem Joch fremder Wesen. (Während die Hauptgottheit der Alaru die sich ewig häutende Eidechse Satwa geblieben ist, haben sie doch im Laufe der Jahrtausende die anderen Echsengötter durch ihnen vertraute Tiere ersetzt, ohne zu wissen, dass sie mit dem Jaguar Karkon eigentlich den H'Ranga Kr'Kon'Yssr anbeten.)

 

Fleece bestaunt die Heilungsfortschritte ihrer Kameraden: Die Tinkturen und Umschläge, die die Arekateraner ihnen verabreichen, weisen magische Kräfte auf. Je absehbarer wird, dass bald wieder alle reisen können, desto ruheloser werden die Matrosen. Zwar wissen sie, dass sie es auf sich allein gestellt wohl nicht nach Teomura zurück schaffen, aber deswegen bleiben sie auch nicht still und klaglos sitzen, sondern setzen Fleece immer mehr unter Druck. Diese wiederum weiß, dass Meranilius im Zweifel hier bleiben würde, aber erstens kann sie einen Freund Valkazars nicht einfach so im Stich lassen, und zweitens stellt sich die Frage, wie Arekatera nach der Abreise aller anderen im Laufe der Zeit auf ihn reagieren würde, denn er würde sich hier ja nicht nützlich machen, sondern müsste durchgefüttert werden. Ein Volk, das den Rest der Welt überhaupt nicht kennt, ist unmöglich einzuschätzen. Natürlich käme das aber so oder so nicht infrage, weil Fleece Amaraeus inzwischen lieb gewonnen hat und ihm das niemals antäte. Max rät ihr, ihn mit einer Suggestion zu belegen, um ihn von hier wegzukriegen. Fleece täte das sehr ungern, aber vermutlich bleibt ihr nichts anderes übrig.

 

Auch nach ihrem Sieg über die Echsen ging Fleece J'avo konsequent aus dem Weg. Dass er zuerst das Bett hüten musste, machte ihr das sehr leicht, aber anständig wird es dadurch nicht, hat sie sich doch bei jedem für ihre Rettung bedankt, nur bei ihm nicht. Sie ist wütend auf und unzufrieden mit sich selbst, und ihn bestraft sie dafür – und wenn sie darüber nachdenkt, ist ihr das auch klar. Unangenehmes verdrängen, wegschieben, ignorieren, auf morgen vertagen, all so etwas sähe Raif ähnlich, aber doch nicht ihr. Fleece hat damit normalerweise eigentlich kein allzu großes Problem, also warum fällt es ihr so schwer, sich dazu zu überwinden, mit J'avo zu reden?

 

Eines Morgens sucht sie wieder mal Amaraeus auf, um ihn unter Druck zu setzen, und findet ihn übernächtigt, aber aufgekratzt vor. Lebhaft erklärt er ihr, dass er mit Munarias Hilfe Aufzeichnungen entschlüsselt hat, dass die im Leuchtenden Süden berühmte Historikerin Ankhra Ankhradur hier in Arekatera war. Munaria kennt ihr Siegel aus dem Effeff, und eine Glyphe vollzieht dieses Siegel stilisiert nach und wird als Name verwendet für einen Besucher aus fremden Landen, der die Rache der Großen Götter überlebt hat. Dass sie hier ehrenvoll erwähnt wird, kann nur bedeuten, dass sie als wichtige Person wahrgenommen worden sein muss – ein Menschenopfer erhält keine eigene Namensglyphe. Das wiederum heißt, dass die Echsen sie ebenfalls wohlwollend empfangen haben müssen, denn hätte Ankhra gegen sie opponiert, hätten sie ihre Verewigung nicht zugelassen. Obendrein kommt, wenn man die Lebensspannen der Hohepriesterinnen nachrechnet, sogar die Zeit in etwa hin, denn Ankhradur ging vor 200 Jahren mit ihrer Heimatstadt Karmakar unter.

 

Karmakar war eine tashalarische Stadt, die in den Mhair-Dschungeln südlich von Sammarash an der Quelle des Solivai gegründet wurde, nachdem Pioniere dort ein Portal gefunden hatten, das entweder beschädigt war oder nie enträtselt werden konnte, weil man es nur als Ziel zu nutzen vermochte, nicht aber als Startpunkt. Dennoch bot dieser Ort eine gute Verbindung zum Lapalsee, denn der Solivai ist über seine gesamte Länge schiffbar. Schnell wurde Karmakar für den Maharana vor über 800 Jahren zum Prestigeobjekt, weil er die Gelegenheit hatte, den Prunkteil der Stadt direkt in eine riesige Karsthöhle zu bauen, und er und die örtlichen Ranas stampften eine über alle Maßen prachtvolle Stadt aus dem Urwald. 1196 DR, im Year of the Shrike, brach in Karmakar jedoch die Schuppensieche aus, und zwar in einem bisher ungekannten Ausmaß: hochansteckend, mit sehr kurzer Inkubationszeit und in den meisten Fällen auch bei Behandlung mit tödlichem Verlauf. Keine Gegenmaßnahmen griffen, und viele nahmen sogar an, das sei die Rache der H'Ranga dafür, dass sich Siedler im Dschungel breitmachten. Das prächtige Karmakar wurde zur Geisterstadt und bekam den Namen Kilmakar. (Makar bezeichnet einen bedeutenden Ort, in diesem Fall eine Stadt, und die Vorsilbe Kar- symbolisiert Stärke, die Vorsilbe Kil- jedoch etwas Vergangenes. Aus "Starkstadt" wurde somit "Totstadt".) In den Wirren der Tage, in denen Karmakar aufgegeben wurde, verliert sich auch die Spur von Ankhra Ankhradur, die an der dortigen Akademie forschte und lehrte.

 

Natürlich hatte Amaraeus Karmakar nie auf dem Schirm: Es hat schließlich weder mit den Geschuppten noch mit den Alaru zu tun und ist nur ein großes Abenteurergrab für Glücksritter, die dort Beute machen wollen. Aufgeregt fragt Amaraeus rhetorisch, ob Fleece noch mehr Beweise für das unheilvolle Wirken der Geschuppten brauche. Hier in Arekatera ist ein Portal, in Karmakar war eins, und die Echsen haben Ankhradur hier willkommen geheißen. Fleece soll es recht sein, solange das dem Historiker nur einen Anlass bietet, Arekatera zu verlassen, also bestärkt sie ihn in seinen Annahmen und rät ihm, keine Zeit zu verlieren. Das bedeutet zwar nicht, dass er jetzt schon aufbrechen und so viele Fragen unbeantwortet lassen will, aber nun ist er für Argumente viel empfänglicher, da er Blut geleckt und ein neues Ziel vor Augen hat, also stimmt er schweren Herzens zu, und Fleece ist erleichtert, ihn nicht magisch manipulieren zu müssen. Sie informiert alle, dass man sich übermorgen auf den Rückweg macht, und bereitet die Abreise vor.

 

Die Arekateraner überschlagen sich, letzten Feinschliff an Schmuck, Werkzeug und andere Geschenke zu legen, und die sehr geschrumpfte Expedition bekommt fast mehr Proviant mit, als sie tragen kann. Von den Persönlichkeiten der Stadt, die man etwas näher kennen gelernt hat, verabschiedet man sich herzlich, und es geht auf den langen und beschwerlichen Rückweg.

 

Unterwegs passiert von den üblichen Unwägbarkeiten abgesehen wenig Gravierendes bis auf eines: Eines Morgens wachen alle auf, nur eine nicht – Sumukopa. Sie ist unzweifelhaft tot, ist bläulich angelaufen und sieht schrecklich eingefallen aus. Eine Stelle am Rücken weist zwei Einstiche auf und ist großflächig pechschwarz angelaufen und nekrotisiert. Amaraeus und Munaria kennen das von früheren Expeditionen: Das ist der Biss des Totengräbers, einer seltenen, aber sehr tödlichen Spinne, die sich im lockeren Waldboden eingräbt. Sumukopa hat wohl versehentlich auf einer gelegen. Der Todeskampf geht lautlos vonstatten, da innerhalb von Augenblicken der ganze Körper verkrampft, und in weniger als einer Minute ist es vorbei. Die Gruppe betrauert die zuverlässige Gefährtin, die mit ihr wirklich durch Dick und Dünn gegangen ist und sich oft als sehr hilfreich erwiesen hat. Ist es Schicksal, dass auch ihr verwehrt blieb, die Kunde von Arekatera zu ihrem Volk zu bringen? Da es nicht mehr weit bis zu den Shemu ist, wird ihre Leiche in Decken eingewickelt und mitgenommen, auch wenn die Verwesung in diesem Klima schnell einsetzt.

 

Unterwegs wird Fleece 30 Winter alt und merkt es noch nicht mal.

 

Unglaublich erleichtert erreicht die 14-köpfige Expedition Teomura und denkt sich noch nichts dabei, dass die Endeavour nicht in der Delfinbucht ankert (wofür z. B. das Wetter verantwortlich sein könnte). Im Ort findet man aber leider schnell heraus, was passiert ist. Caldaia hat mitbekommen, dass die Gruppe zurück ist, rennt hinaus und fällt Fleece vor Erleichterung weinend um den Hals. Die Rückkehrer lassen sich alles von ihr erzählen, und als Spider dazustößt, gehen ihm Baltram und die Matrosen fast an den Hals – sie haben seine mächtige Magie miterlebt, aber zur Verteidigung der Endeavour hat er sie nicht eingesetzt. Fleece schlichtet, muss aber die ganze Zeit den Kloß im Hals bekämpfen, denn hätte sie K'uro und seine Leute nicht gehen lassen, wären Kapitän Teremon und seine Leute noch am Leben.

 

Fleece und nimmt Spider mit auf einen Strandspaziergang. Es ist so schön, wieder Sand zwischen den Zehen zu haben und zwischen Palmen aufs Meer hinauszusehen, und doch haben sie hier nach allem, was sie durchmachen mussten, obwohl sie sich eine schöne Rückkehr so verdient hatten, so schlechte Nachrichten erwartet. Damit nicht genug: Spiders Vorgehensweise sagt ihr alles andere als zu. Erbost hält sie ihm einen Vortrag darüber, wie die Gemeinschaft der Ersten Sonne auftritt, was sie tut und was sie nicht tut – als wolle sie laut vor sich selbst rechtfertigen, dass es richtig war, die Gefangenen gehen zu lassen...

 

Spider: Well, if you find you're not happy with my decisions, don't make me make them. I didn't ask for a tagalong who needs protection. She shouldn't even be here, but seeing that she is, she should be the responsibility of those who brought her and allowed her to come, respectively, don't you think? But no, as per usual, you turn to old reliable Spider to remain behind and make that millstone around your neck his problem. "See that nothing happens to her. And take good care of the chest in which we store all our riches. Oh, and adhere to the highest standards I've set for us which are much easier to meet for a beautiful human bard-turned-knight people love than for a tiefling people fear and want to see dead." Maybe, just maybe you've asked this of me one too many times. I've protected this Fellowship from the shadows for seven years now. I already did so when you were still busy "finding yourself". But if all the sacrifices you ask of me without me complaining turn my sacrifices into a matter of course, if you take them for granted while pampering the would-be priestess of Sune and her like, you might make me remember that the tiefling used to be a more integral part of the Fellowship when the Fellowship was led by a priest of Lathander. Do not presume to rebuke me, my dear, unless you're willing to trade places and see how comfortable you'd feel in mine.

 

Er funkelt sie auf gewohnt unheimliche Weise an, doch trotz Sonne, Meer und Palmen wirkt er dabei diesmal noch viel bedrohlicher, weil er nie – absolut nie! – wütend wird, und jetzt ist er es ganz unübersehbar. Weil Fleece vor ihm steht wie ein Reh im Scheinwerferlicht und kein Wort herausbringt, wendet er sich schließlich ab und geht. Fleece verharrt noch einen kurzen Moment wie erstarrt, ruft ihn dann aber bei seinem Namen. Spider bleibt stehen, schaut sie aber nur aus dem Augenwinkel über seine Schulter hinweg an.

 

Fleece: You're right. About everything. Would you... would you let me try and explain? (Spider wendet sich etwas weiter um, so dass er seitlich zu ihr steht und sie mit einem "Und?"-Gesichtsausdruck ansieht. Fleece atmet durch und setzt sich fahrig auf eine waagerecht Richtung Wasser wachsende Palme.) Look, I... I try to be everything to everyone. I've been teaching myself how to do that since the day Theon died. Vardis insisted I take on the mantle, and, uh... Our friends clearly needed someone to do that. I didn't think I was fit to succeed Theon, but... most of the others seemed to think otherwise. And when I started trying to be more than just the group's bard, they encouraged me to keep going. But for the longest time I... I've felt like a fraud. I mean, a Scardale miller's daughter of 27 winters tried to appear as someone who knew more than she did for the... for what she thought was the sake of her friends. I was afraid of making a mistake, you know? Afraid of being found out. For whatever reason I was able to fool a battle-hardened Chessentan soldier and a well-traveled priest of Helm and all the others, but I've never felt I was able to fool you. You've always seemed to see right through me. You're the oldest one of us. Not the smartest, nobody can outsmart Max, that's for sure, but... I've always considered you the wisest. With you looking at me, I was struggling to not let show I didn't feel as confident in myself as I tried to seem, because I thought that you had my act all figured out. And I was afraid of you telling someone. Ripping the mask off my face, you know?

     I've never understood how naturally Theon managed to deal with you. How you never were a problem for him, unlike Ashe or Zhai or even Raveena. I didn't know how he did it, but it was hard to miss that he held you in high regard. Few people he trusted more than you, and come to think about it, he never even seemed particularly scared of you. See, aside from our first year together, I've always trusted you, but... I can't say I was never scared of you. After all, pretty much everybody else was. Remember 1366 DR when we thought one of us was a traitor? Everybody thought it was you, and I... I remember thinking that yes, you were the obvious choice, but it was also very unfair thinking that just because of... what you were. You know, some nights I felt protected, knowing you were sitting at the fire, keeping watch. Who'd be crazy enough to attack a camp guarded by you? Other nights I had bad dreams about you. And it's not really getting any easier, is it? With you becoming more and more acquainted with the Shadowfell, seeming... seeming more and more at home in the place nightmares are made out of. And yes, I know that's not fair because I used to try to excuse what Ashe's doing, but... (Sie wirft hilflos die Arme hoch.)

     Looking at Theon and his ease in dealing with you, I was glad I didn't have to walk that tightrope. And after his death, when I did have to, I didn't know how. What I took from Theon is his certainty that he could always rely on you – he knew you would always have his back, no matter what. But I... I guess I couldn't bring myself to show you the same support I was able to give to Ashe or Zhai. But not because of thoughtlessness... or even indifference. I thought about you often. Felt guilty that I couldn't show you the same affection I showed many others, because the more I dealt with you, the bigger my fear became you'd just come out and say: "Hey, why don't we choose a leader who actually knows what they're doing?" With you around, I don't feel like Dame Jhessail Scarpe. I feel like Jhess from Chandler's Cross, who ran away from a perfectly cozy home in search for adventure, just like Tulwood.

     I'd like to make it up to you, Spider. I just don't know how.

Spider (sieht sie noch sehr lange weiterhin an, dann schließlich): Let me know when you do.

 

Damit wendet er sich ab und geht zurück zu den Häusern. Fernab von allen anderen gestattet sich Fleece endlich, zu weinen. Die letzten Monate waren so beschwerlich, die Angst und Sorge um Jen und Raif so dauerhaft und prominent, die Verantwortung so groß, nicht mit leeren Händen zurückzukommen und ihre sichere Auslöse zu gewährleisten, die Selbstzweifel, eine gute Anführerin zu sein, die ihre Leute zum Sieg führt, anstatt einen nach dem anderen begraben zu müssen, das Gefühl, für Tulwoods Tod verantwortlich zu sein, die Wut auf sich selbst, bei J'avo auch mal schwach geworden zu sein, die Vorwürfe, die sie sich nun macht, weil die Besatzung der Endeavour tot ist, weil sie K'uro hat gehen lassen, und jetzt hat ihr ältester Gefährte, zusammen mit ihr und Jewel das älteste Gruppenmitglied, Fleece eine sehr schmerzhafte Wahrheit ins Gesicht geschleudert, die ihr ihre Selbstgefälligkeit und ihre Bigotterie, ihre Bevorzugung und ihre Günstlingswirtschaft vor Augen führt. Garantiert hatte Spider sich an die Belagerung des Rathauses von Brost im Frühling 1372 DR erinnert, als Ashe so furchtbar mit der Scythe of the Reaper aufgeräumt hatte, was vielen außerhalb und innerhalb der Gruppe sauer aufgestoßen war. Und Fleece nahm ihn in Schutz und sagte, dass er getan hatte, was getan werden musste, um den Kampf zu beenden, den die Berstende Truhe der Gemeinschaft der Ersten Sonne aufgezwungen hatte, und dass starke Zauber nun einmal dafür da sind, weh zu tun, wenn man sie wirklich braucht. Wie unterscheidet sich das von der Neraida? Es ist ja nicht so, dass Spider viele Möglichkeiten gehabt hätte, Caldaia und die Truhe zu retten, und das obendrein auf eine Weise, die verhindert, dass der Feind nachsetzt und die nächste Gelegenheit nutzt, denn ohne Schiff waren die beiden gestrandet und hilflos. Anstatt zu loben, wie clever er vorgegangen war, um seine Schutzbefohlene und den ganzen Gruppenbesitz in Sicherheit zu bringen und den Feind endgültig zu besiegen, kritisierte sie Spider. Wäre die ganze Gemeinschaft da gewesen, wäre ebenfalls viel Blut vergossen worden, also welchen Unterschied macht es, dass Spider K'uro bei lebendigem Leib verbrannte, um ihn gleichzeitig als Ablenkungsmanöver zu benutzen und seinen Gegnern, die ihm zahlenmäßig so massiv überlegen waren, das Schiff zu nehmen und sie ertrinken zu lassen? Es wirkt viel grausamer als der offene Kampf, ja, aber am Ende wären auch mit dem Angriff der ganzen Gemeinschaft alle tot gewesen – und ist es nicht vielmehr so, dass es so besonders grausam wirkt, weil es Spider getan hatte und niemand anderes?

 

Sie hatte nicht gelogen: Sie wusste, dass sich Theon damals blind auf Spider verließ – und das auch konnte. Ebenso wie Fleece es kann, ebenso wie die ganze Gemeinschaft es kann, in deren Dienst Spider sich stets mehr gestellt hat als jeder andere. Niemand musste so viel verzichten, so viel zurückstecken, so viele unschöne Aufgaben übernehmen, ohne die Früchte zu genießen, an denen sich fast alle anderen laben durften, doch Anerkennung gab es dafür nicht. In Lanamores Die Unbeugsamen war es genau das, was Galath vom Helden zum Bösewicht mutieren ließ, und Fleece könnte ganze Aufsätze über dieses Theaterstück schreiben – und erkennt doch erst heute, was sie Spider fortgesetzt antut mit der Selbstverständlichkeit, mit der sie ihn nimmt, als sei das schon Belohnung genug. Wo sie stets für Ashe und Zhai Partei ergriffen und sie unterstützt und ihnen geholfen hatte, hatte sie Spider ignoriert. Wem auch immer sie eine gute Anführerin gewesen sein mag – ihm war sie keine, ihm war sie nicht mal eine Freundin. Bei ihm hat sie versagt.

 

Baltram und die Jungs müssen den Verlust ihrer Kameraden und ihres Schiffes verarbeiten, und da Teomura nicht gerade Zazesspur ist, muss man warten, bis ein Schiff des Weges kommt, das nach Tashluta will. Fleece kann die Matrosen nicht mir nichts dir nichts zurücklassen, und selbst wenn, ist doch niemandem zuzumuten, schon wieder zu Fuß loszumarschieren. Dieser Marsch an der Küste entlang wäre zwar nicht annähernd so beschwerlich und unwegsam wie der in den Dschungel und die Östlichen Hazurberge, aber dafür auch doppelt so weit. Fleece möchte Jen und Raif lieber heute als morgen wiedersehen, und vor allem Caldaia, aber auch Amaraeus und Munaria können es nicht abwarten, doch alle sind am Ende ihrer Kräfte und brauchen eine Pause.

 

In den nächsten Tagen hält Fleece natürlich die Seeleute aus, die sich auch tüchtig volllaufen lassen, und ansonsten tut man nicht viel, außer am Strand zu sitzen oder spazieren zu gehen. Tieferen Gesprächen geht Fleece aus dem Weg. Caldaia muss erst mal Tulwoods Tod verarbeiten, versteht aber auch, dass vor allem Fleece daran zu knabbern hat. Und die lenkt sich wie immer von ihren eigenen Problemen ab, indem sie sich um die anderer Leute kümmert, hier gut zuredet und dort Trost spendet und abends sogar zum Tanz aufspielt.

 

Endlich legt ein von Osten kommendes Schiff an – es segelt also schon mal in die richtige Richtung. Doch als ein Boot übersetzt, sieht man schnell, dass es sich um Piraten handelt. Jedoch weiß man nicht, wann sich die nächste Gelegenheit bietet, also muss Fleece J'avo bitten, für sie zu übersetzen, denn sie ist auf eine riesige, kräftige Zuma-Kriegerin aufmerksam geworden. Diese stellt sich als J'oia vor. Man setzt sich zu dritt in die "Strandbar" und unterhält sich, und Fleece kann nicht umhin, zu denken: 'Seht euch beide an. Ihr passt zueinander.'

 

J'oia kann diese Entscheidung nicht treffen, lädt die beiden aber auf die Fleeting Passion ein, ihr Schiff, wo sie mit der Kapitänin Matoia sprechen sollen. Fleece warnt kurz die anderen vor und setzt dann mit J'avo zum Schiff über, wo Fleece und J'avo sofort auffällt, dass die Mannschaft mindestens zur Hälfte aus Frauen besteht, darunter einige besonders bunte Gestalten, so z. B. ein halblinggroßer, offenbar intelligenter Affe von der Art, die sie auch schon damals in Mezro oder auf Ayeshas Party gesehen hatte. J'oia stellt die beiden Neuankömmlinge erst mal der mit Brand- und Kampfnarben verunstalteten, aber charismatischen und (im völligen Gegensatz zu Milandre) selbstbewussten Jala Jahendar vor. Normalerweise geht es den meisten Menschen mit Fleece so, aber jetzt ist es Fleece, die ihr Gegenüber auf Anhieb ziemlich faszinierend findet. Obendrein spricht Jala – mit auffallend rauer, aber sympathischer Stimme – fließend Chondathanisch mit einem leichten calishitischen und amnischen Akzent, und da sie von der Abstammung her eher mittelländisch wirkt, würde Fleece ihre Herkunft in Myratma verorten. Während sich J'avo mit J'oia unterhält, geht Jala mit Fleece aufs Achterdeck, wo man etwas Ruhe hat, und lässt sich ihr Anliegen erläutern. Fleece kann nicht umhin, sich ihr gegenüber sehr offen zu verhalten und frei heraus nach der Fleeting Passion zu fragen. Ja, das ist ein Piratenschiff, in der Tat, aber ein besonderes, auch wenn Jala einschränkt, dass sie befangen sein könnte. Die Kapitänin, Matoia, ist eine Pacamuyada, und eine sehr gerissene, weise Frau noch dazu, die nicht interessiert, wer du bist oder woher du kommst, sondern nur, wozu du bereit bist. Weil aus Notlagen befreite Menschen ohne Perspektive in der Regel besonders treu sind (das weiß Matoia vermutlich aus eigener Erfahrung, auch wenn niemand ihre Vergangenheit vor der Piraterie kennt), hat sie viele aus ihrer Mannschaft auf diese Art rekrutiert und kann auf eine loyale Schiffsbesatzung zählen.

 

Fleece: Yeah, but piracy...?

Jala: Beats slavery, doesn't it? You have any idea how many fuck puppets we have on board whose only purpose in life was to gobble dick and be a hole in the mattress that, curious enough, answers to a name?

Fleece prustet los.

Jala (grinsend): It's true.

Fleece: I don't mean to be forward, but at first I assumed you were Calishite. The name, a faint accent. Myratma maybe, I thought. (Muss wieder lachen.) But you don't talk like a Calishite at all.

Jala: Not bad. Born in Myratma, ran away as a wee one.

Fleece: There's more than a hint of Amnian in your consonants.

Jala: Damn, missy! What's a smart lass like you doing in Teomura of all places?

Fleece: I was gonna come to that. If you need to know one thing about me, it's that in dealing with me, you gotta have patience. I can be a bit loquacious at times.

Jala: Lo-what?

Fleece: Wordy. I'm a bit wordy at times. But I'm worth it. Really worth it.

Jala: Hm.

 

Sie sehen sich an und wundern sich gerade beide, dass sie so locker und offen miteinander umgehen, als kannten sie sich schon lange, und das Gegenüber auf Anhieb so sympathisch finden – bzw. fragen sich beide, ob ihr jeweiliges Gegenüber sie gerade nur spiegelt und etwas vorspielt. Aber falls nicht, spielt es ja vielleicht eine Rolle, dass Jala ihre Zweitmuttersprache, mit der sie den größten Teil ihres Lebens bestritten hat, hier unten so selten sprechen kann, und fühlt man sich in der Fremde einer Mehr-oder-weniger-Landsfrau nicht ein wenig näher? Fleece nimmt das Gespräch wieder auf, indem sie sehr knapp erklärt, dass ihre Leute ein paar Forscher beschützen, die ihr Schiff an Piraten verloren haben und nach Tashluta müssen.

 

Jala: So who's "we"?

Fleece: Let's see. Two scholars, a wizard, the Cyclopean over there, two ladies, a drow, a tiefling, a goliath and me. Oh, and six able seamen looking for a ship to call home.

Jala: Damn again, missy! A drow and a tiefling? Do I even wanna know what a goliath is?

Fleece: A nine foot guy who can beat up a troll.

Jala: Do I have to worry if you wanna take over the ship once you're on board?

Fleece: The Cyclopean's a seaman, the rest of us have trouble telling starboard and portside apart, so no worries there.

Jala: What in the Nine Hells are you doing with a drow and a tiefling and a trollsmasher?

Fleece: Having trouble finding passages, first of all. (Beide lachen.) They're my friends. It's kind of a long story.

Jala: Bad company makes you look like bad news, doesn't it?

Fleece: That's why I'm the one who does all the talking. Boy, am I glad I didn't bring the necromancer. (Jala schmunzelt, nicht ahnend, dass das kein Scherz war.) Seriously, we're the good guys here. You're the pirates, and you wanna berate me because of the company I keep?

Jala: Touché. What else do I need to know before I risk my head vouching for you?

Fleece (sanft und unironisch): Would you?

Jala: I just might. I usually go by what my gut tells me. Of course that could just be the grub talking I had today, so... Go on.

Fleece: I could seriously muck this up by telling the truth you wouldn't believe. I'm tempted to go for a plausible lie.

Jala: Your call.

Fleece: We're the Fellowship of the First Sun. We're known by name in the Lands of Intrigue, Amn, Tethyr and Calimshan. We fought in the Tethyrian Reclamation War, we helped evacuate the people when Esmeltaran fell to the Sothilisian Empire, we served Tethyr on a number of occasions, got sent as part of a relieving force to the Cormyrian civil war, and in our spare time we seek adventure because our lives aren't exciting enough.

Jala (mit hochgezogenen Augenbrauen): That's what we're going with here?

Fleece: Come on, do you expect anyone to tell you the truth in your line of work?

Jala: Well, there's that. Come on, then.

 

Jala nimmt Fleece mit unter Deck, wo sie die rätselhafte Kapitänin kennen lernt, eine unerwartet kleine, zierliche Alaru von schwer schätzbarem Alter, vielleicht 60, vielleicht sogar 70? Bei ihr ist eine spröde, abweisende Piratin, die Jala irgendetwas übel zu nehmen scheint. Was Fleece erst später herausfinden wird: Das ist Uraba, Matoias rechte Hand, und Jala hätte damit zuerst zu ihr kommen müssen, nicht direkt zur Kapitänin. Jala erklärt das, ohne für Fleece zu übersetzen, damit, dass sie Uraba nicht finden konnte und annahm, sie sei eh hier bei Matoia.

 

Mit Jala als Dolmetscherin – und Uraba, die manche Übersetzung "richtigstellt", also spricht auch sie Chondathanisch – fühlt Matoia Fleece auf den Zahn, und die Kapitänin gehört fraglos zu den Menschen, die mit zunehmendem Alter so wirken, als wüssten sie viel mehr, als sie eigentlich können dürften, und einen Lügner schon durch ihren beständigen, misstrauischen Blick dazu bringen, sich zu verzetteln. Fleece kann sich vorstellen, dass sie Matoia beeindruckend fände, wäre es ihr möglich, direkt mit ihr zu reden. Natürlich ist die Fleeting Passion auf dem Weg nach Westen, aber ein Halt in Tashluta war eigentlich nicht geplant. Das bedeutet, dass Dr. Meranilius zusätzlich zur Überfahrt die Zölle und Liegekosten übernehmen muss. Fleece, die sein Budget kennt, sagt zu und kehrt nach Teomura zurück, denn sie hat bei der Fleeting Passion einfach ein gutes Gefühl, nicht zuletzt wegen der vielen Frauen, deretwegen ein anderer Umgang an Bord herrscht und wo jemand wie Caldaia nicht jederzeit gierigen Blicken ausgesetzt ist – wie schnell mit etwas Alkohol aus Blicken Übergriffe werden, hat Liandris ja am eigenen Leib erfahren. Natürlich traut Fleece hier niemandem, denn unorganisierte Fahrgäste haben keine Lobby und sind schnell über Bord geworfen und ihr Besitz verteilt, aber sie weiß auch, dass man sich das bei Skaar, Max, Spider und Zhai dreimal überlegen wird, und J'avo und Milandre sind ja auch noch da.

 

Während J'oia und ein paar Piraten ihre Einkäufe fortsetzen, fragt Fleece J'avo nach seinem Eindruck. Er fand J'oia sehr offen ihm gegenüber und glaubte ihr, dass sie findet, dass die Passion eine tolle Mannschaft hat. So viele Frauen als Matrosen findet er zwar ungewöhnlich, aber alles macht einen guten Eindruck – so viel Glück hat man bei Piraten fast nie.

 

Fleece informiert die anderen, lässt sich von Amaraeus das Geld geben und spricht schließlich Baltram an, um ihn vorsichtig zu fragen, ob er oder einer seiner Leute auf einem Piratenschiff anheuern würde. Baltram aber hat Gradons Tod noch längst nicht verwunden – ihm ist alles egal, er will nur hier weg. Rimgal schließt sich noch mit an, die anderen vier warten hier lieber auf ein seriöseres Schiff. Fleece lässt ihnen etwas Geld von Meranilius da.

 

In zwei großen Booten setzen alle zur Passion über und lernen den Dreimaster kennen, der dementsprechend auch größer als die Endeavour ist. Die meisten Besatzungsmitglieder kommen aus Meridiana, haben von Drow und Tieflingen also keine vorgefertigte Meinung und finden sie nur interessant, aber Skaar wirkt auf alle mehr als beeindruckend. Matoia hat sich ausbedungen, die Gäste selbst in Augenschein zu nehmen, bevor sie ihr Okay erteilt, gibt sich aber mit dem Versprechen zufrieden, dass niemand Ärger machen wird, und nach einem kurzen Interview werden Baltram und Rimgal der Mannschaft überlassen, um zu zeigen, was sie können. Zu vertrauten Soul-Calibur-Klängen wird der Anker gelichtet.

 

Die Danhamurs und die "Ulondrils" sind zu Besuch bei Indrabar Heoma und werden dort feudal bewirtet. Jen ist so viel dauerhaften Luxus gewohnt und vermisst ihn nicht, weil er für sie untrennbar mit ihrer Zeit als Jhasina verbunden ist, aber Raif ist schon ein wenig neidisch – dieses Leben zu führen, entbehrt nicht eines gewissen Reizes.

 

Er hat den Eindruck, dass Indrabar ihn auf die Probe stellen möchte, als er ein Schwert von mittelländischer Machart holen lässt, hier unten ein seltener Anblick. Er meint, er habe es geschenkt bekommen, kenne sich aber mit geraden Schwertern aus dem Norden nicht aus, und da Karaqana gelobt hatte, welch begabter Schwertkämpfer Sadrak Ulondril sei, bittet er ihn um seine Meinung. Raif probiert es aus und fällt sein Urteil.

 

Raif: It's not comfortable to use. It doesn't handle well. This is not a two pound sword with a seven inch point of balance, this is more like two and a half pound sword with a seven inch point of balance. So when you swing it, it really pulls you, it's difficult to control, difficult to recover from your blows. The second thing which kinda goes hand in hand with that is that this pommel is very uncomfortable. The edge is rounded over, it's not sharp, but it just digs into your palm. The grip is just four inches for a blade with more than thirty inches, thirty-two maybe, so...

     If you hold the sword like this with your index finger over the cross, it's a whole different story. The ricasso is what? Two inches? It practically invites a finger over the guard. Your hand moves up on the grip, the uncomfortable pommel isn't an issue anymore, but that's a stopgap solution, isn't it? I mean, the guard is supposed to protect your fingers, you're not supposed to put your fingers on top of it because the sword doesn't handle well at all if used as is.

     I guess you can make it work, but even under the best circumstances you'll invest way too much strength in defending yourself, and you'll get a sore palm for good measure. Not a good sword.

 

Indrabar zeigt sich zufrieden, denn wer sich nicht mit Schwertern auskennt, hätte dazu nicht viel sagen können. Vor allem scheint er zu schätzen, dass Raif ehrlich war und ihm nicht mit erfundenem Lob über ein schlechtes Schwert zu schmeicheln versuchte.

 

Während der Reise verbringt Fleece viel Zeit mit Jala und anderen aus der Mannschaft (einige kommen auch aus dem chondathanischen Sprachraum), weil hier viele Lebensläufe sehr interessant sind. Die meisten an Bord sind Veolen, so etwa der schwule Navigator Savak, die sehr abergläubische Sirani, der Schamane Ilur oder die einst wunderhübsche, aber von ihrem Besitzer verunstaltete Ulandri. Auch lernt Fleece den zwergischen Schiffszimmermann Grabosh kennen, den sehr beleibten, aber bärenstarken Kabil, Bastard eines tief nach Süden vorgedrungenen Ruathyn-Piraten, Tianalu, die von weit aus dem Osten stammt und zwar Tashalari versteht, aber aus irgendeinem Grund nie den Mund aufmacht, den flamboyanten, aber sehr höflichen, stets ansteckend gut gelaunten calishitischen Luftgenasi Pashtal, den Sharakai Thunata, sogar eine Visaru namens Peroni, die ungewöhnlicherweise gleichzeitig eine Sharakai ist, und natürlich den leider nicht des Sprechens mächtigen Xarfai. Uraba geht sie lieber aus dem Weg, weil diese den Gästen misstraut und es für eine schlechte Idee hält, dass ein Piratenschiff Passagierschiff spielt.

 

Jala erzählt Fleece von Xarfais Rasse, den Vanaras, intelligenten affenartigen Kreaturen aus den Dschungeln von Chult. Die Tashalari fingen viele von ihnen ein und "brachten ihnen die Zivilisation", denn sobald erst mal einer einen Vanara-Sklaven hatte, wollten alle einen, und so kamen immer mehr in die Städte, so dass sich die seit Generationen menschlich sozialisierten Vanaras von ihren Vettern im Urwald mittlerweile deutlich unterscheiden. Xarfai war ein solcher Sklave. Der Halbling Sungai Rual stahl ihn, wurde wegen anderer Vergehen aber selbst in Ketten gelegt und beim Transport zum Sklavenmarkt von der Passion befreit. Rual ist ein autodidaktischer Heckenmagier, auf dessen Dienste Matoia nicht mehr verzichten möchte. Er ist zwar ein geborener Tashalari, spricht aber sauberes Chondathanisch, und trotz seiner ausgesuchten Höflichkeit künden Gesichtsausdruck und Tonfall stets von distinguierter Langeweile, was ihn Fleece auf Anhieb sympathisch macht. Mit ihm freundet sie sich rasch an, und damit auch mit Xarfai, der sich meistens in Ruals Nähe aufhält.

 

Matoia führt ein für Piratenverhältnisse sehr anständiges Schiff. Jedes Handelsschiff ist ein erlaubtes Ziel, aber wenn sich dieses ergibt, wird es nur ausgeraubt, und unter keinen Umständen werden Gefangene genommen, um sie in die Sklaverei zu verkaufen. Daher finden sich hier viele Besatzungsmitglieder, die sonst unter keinen Umständen etwas mit Piraterie zu tun haben wollten. Tatsächlich hat Matoia viele aus Mitleid aufgenommen, die das Schiff nicht unbedingt verstärken. Jedoch kann man mit purer Menschenliebe keine schlagkräftige Mannschaft zusammenstellen, also ist Matoia auch auf hartgesottenere Seeräuber wie Uraba, Qudara oder viele andere angewiesen.

 

Mit dem ruhigen, ausgeglichenen, freundlichen Sharakai Thunata verbringt Fleece gern Zeit, denn er ist ein faszinierender Zeitgenosse, folgt er doch dem Sharakur, einem mystischen Dogma, das mit großer Körperbeherrschung, magischen Tätowierungen und magischen Fähigkeiten einhergeht – so wie 1370 DR auch Prinz Neru. Leider spricht Thunata nur Tashalari, so dass Fleece auf Hilfe angewiesen ist.

 

Die Sympathie zwischen Jala und Fleece blüht weiter auf, und beide gehen sehr offen miteinander um. Jala lief als Kind vor ihrem Vater weg, als sie alt genug geworden war, um für ihn... interessant zu werden, versteckte sich als blinder Passagier an Bord eines Schiffes nach Murann, wurde natürlich entdeckt und in Murann von Bord geschmissen, musste sich als Bettlerin, dann als Hure und Diebin über Wasser halten, versuchte sich später als Abenteurerin und heuerte schließlich als Seesöldnerin auf einem Schiff an, das nach Port Nyranzaru fuhr. Zwischen Port Nyranzaru und Port Castiliar verbrachte sie ein paar Jahre und heuerte schließlich wieder auf einem Schiff an, das aber von der Passion überfallen wurde. Sie wechselte kurzerhand die Fronten und freundete sich hier ganz besonders mit J'oia an.

 

Einerseits klingt das, was Fleece erwähnt hat, zu groß für im tiefen Leuchtenden Süden in Teomura gestrandete Leute, andererseits ist Fleece ganz klar eine weit herumgekommene Weltenbummlerin, und Drow, Tiefling und Goliath sind eine verdammt originelle, alles andere als alltägliche Begleitung – das eine oder andere wird wohl dran sein, doch Jala vermutet, dass Fleece maßlos ausschmückt und übertreibt.

 

Was kaum verwundert, ist, dass sich J'avo und J'oia gut verstehen, aber Fleece zieht es vor, das zu ignorieren. Auch Caldaia knüpft hier Kontakte, denn hier sind auch ehemalige Lustsklavinnen an Bord, die wegen der harten Arbeit teilweise nicht mehr viel Ähnlichkeit mit solchen haben. Zhai wiederum, die es genießt, so viele Sozialkontakte zu haben – und wenn es nur per Zeichensprache ist – hat es dem Luftgenasi Pashtal angetan, der sich im Krähennest am wohlsten fühlt. Da Pashtal als Calishit neben Tashalari natürlich auch Alzhedo spricht, aber kein Chondathanisch, bittet Zhai Fleece, zwischen ihnen ein wenig zu dolmetschen, und Fleece freut sich sehr für Zhai, dass sie Pashtal offenbar ebenso gut gefällt wie er ihr. Wenn er nicht eingebunden ist, verbringt sie Zeit mit ihm und hat Spaß an der Herausforderung, sich mit Gesten mit ihm zu unterhalten, und ihm geht es offenbar ähnlich, obwohl es natürlich für beide auch frustrierend ist, kaum noch kommunizieren zu können, wenn es persönlicher wird. Daher bittet sie Fleece, ihr ein bisschen Alzhedo beizubringen: Zeit genug haben sie ja gerade.

 

Eines Abends bittet Zhai Fleece um Narawurzeltee, womit klar ist, was sie vor hat. Pashtal scheint dieselbe Idee zu haben, denn er nimmt Zhai später ins Krähennest mit, um ihr zu zeigen, wie sehr er es mag, nachts hier oben zu stehen und die Sterne zu betrachten – und hier hat man wenigstens ein bisschen Privatsphäre. Zhai geht kurzerhand in den Angriff über und küsst ihn, und die beiden schlafen an einem wahrlich originellen Ort hoch über der Fleeting Passion miteinander.

 

Am selben Abend sucht Fleece das Gespräch mit Dr. Meranilius, der sich immer noch grämt, so viele ungelüftete Geheimnisse in Arekatera zurückgelassen zu haben, aber auch schon darauf brennt, nach Kilmakar zu reisen. Er hat zwar nichts gesagt, aber für ihn geht die Fahrt nach Tashluta in die falsche Richtung, denn er will ja nach Osten – von Teomura aus ist es nicht mehr weit bis nach Sammarash. Vorsichtig deutet Fleece an, dass es alle nicht erwarten können, nach Hause zurückzukehren, aber Amaraeus entgegnet fröhlich, dass die Suche doch gerade erst begonnen habe. Fleece schränkt ein, dass nicht jeder seinen Enthusiasmus teilt. Genau genommen hatte er vor, die Suche von Col Marena weiterzuführen, und das ist ihm gelungen – dabei sollten Fleece und ihre Freunde ihn beschützen, und das haben sie getan, und zwar unter großen Opfern. Amaraeus widerspricht energisch, dass es Col Marena und ihm darum ging, Fordred Gamaras' These zu beweisen, dass die Alaru der Schlüssel zur Enträtselung der echsischen Geheimnisse sind, und dieser Beweis ist keineswegs erbracht. Fleece versetzt, dass das viel zu grob gefasst ist – das würde ja bedeuten, ihn bis an sein Lebensende zu begleiten. Er wisse doch genau, dass das nicht der Deal war. Außerdem weiß sie über sein Budget Bescheid: Eine neue Expedition zusammenzustellen, kann er sich nicht mehr leisten. Amaraeus widerspricht, dass er einen Wechsel der Ritter der Unermüdlichen Wache besitzt, den er in Tashluta einzulösen gedenkt, dann ist er auch wieder flüssig. Fleece bittet ihn, zu verstehen, dass sie ihre Freunde wiederhaben will, Jen und Raif, und sobald sie wieder zusammen sind, werden sie in einem Tempel Helm danken und zusehen, wie sie ohne die Endeavour wieder nach Manshaka kommen.

 

Durch den Druck der letzten Monate ist sie dünnhäutig, und es versetzt ihr einen Stich ins Herz, den alten Historiker so staunend-enttäuscht zu sehen – er kann nicht fassen, dass sie ihn jetzt so hängen lässt. Fleece weiß, dass sie Recht hat, versteht aber auch, dass Amaraeus das von seiner Warte aus nicht begreifen kann und als tiefe Enttäuschung wahrnehmen muss. Sie kann ihm nicht mehr in die Augen sehen und geht.

 

Die Fleeting Passion muss zwei Schiffen der Schwarzen Armada ausweichen, die sie glücklicherweise rechtzeitig genug gesehen hat, erreicht aber ohne weitere Zwischenfälle Tashluta. Es fühlt sich an, als sei es Ewigkeiten her, dass man hier war.  Die Abenteurer verabschieden sich von Munaria, mit der sie ja nun auch viele Tendays Schulter an Schulter verbracht haben. Glücklicherweise war das mit Max für sie auch keine große Sache. Dieser und Meranilius begleiten sie zur Universität, um noch weitere Informationen über Kilmakar zu sammeln, und für die anderen geht es wieder ins Ban Banoi, wo noch genug Betten frei sind, aber der Jaspisdrache ist leider ausgebucht, so dass Fleece auf den Wunschstein ausweicht, um für eine Antwort angemessen zu logieren. Wie schon zuvor stellt sie Sarab Hamur ein Schreiben mit der Bitte zu, einen Kontakt zu Haus Neramu herzustellen, damit der Tausch vollzogen werden kann.

 

Alle sind erleichtert, endlich wieder in einer richtigen Stadt zu sein, und mit Jala, J'oia, Pashtal und einigen anderen war auch verabredet, hier richtig einen loszumachen, aber Fleece muss im Wunschstein warten, bleibt somit gezwungenermaßen allein und stellt sich vor, wie viel Spaß J'avo mit J'oia haben muss. Jedoch sieht sie auf dem Weg zwischen Abort und ihrem Zimmer zwischendurch Spider an einem der Tische im Gastraum sitzen, der gerade mit der Wirtin diskutiert und erklärt, dass er zu Fleece gehört. Fleece gestikuliert ihr, dass es okay ist, und sieht ihn an. "Nur vorsichtshalber", meint Spider, und Fleece treten vor Scham und Dank die Tränen in die Augen. Sie kann nur lächeln, nicken und auf ihr Zimmer gehen.

 

Diesmal, da der Brief nicht aus heiterem Himmel kommt, ist Sarab Hamur vorbereitet und empfängt ihn sogleich. Er besucht Katarai, der zufällig zu Hause ist, und fragt ihn nach den beiden nordländischen Sakai, denen er seine Gastfreundschaft angeboten hatte. Wie sich herausstellt, hat Katarai seit jenem Abend nie wieder an sie gedacht und hat dementsprechend keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist, und es interessiert ihn auch nicht. Sarab fragt ihn, was er denn meine, wie er jetzt dasteht, hat er doch diesen Kontakt hergestellt. Aber hier zeigt sich, dass Sarab in Grandenkreisen nicht ernst genommen wird. Tja, dann ist das halt so – was will er dagegen schon tun?

 

Das kann er nicht auf sich sitzen lassen, also schreibt er zurück und lädt Fleece für morgen zum alten Treffpunkt ein: in den Park. Sie soll etwas mitbringen, das zu den beiden Gesuchten gehört.

 

Fleece ist alarmiert, bedeutet das doch, dass Hamur nicht weiß, wo Jen und Raif sind, und sie magisch aufspüren lassen möchte. Aber ihr bleibt nichts anderes übrig, als zur vereinbarten Zeit den Park aufzusuchen, diesmal in hübschem Räuberzivil, und Spider folgt auf Sichtweite. Sie erinnert sich unterwegs daran, wie sie damals, von den Tukanen dirigiert, mit Theon denselben Weg entlanggegangen war, so positiv gespannt und hoffnungsfroh, ohne irgendeine Verantwortung, die auf ihren Schultern lastete.

 

Hamur, begleitet von seiner Visaru, zwei Leibwächtern und alten, unheimlichen siamesischen Veolenzwillingen, entschuldigt sich im Pavillon, dass er nichts in Erfahrung bringen konnte, und die Zwillinge vollziehen mithilfe des Challengers und Nebula Scrying. Ihre Beschreibungen sagen Hamur nichts, deuten sie doch auf ärmlichere Gegenden Tashlutas hin, aber die Zwillinge erkennen schließlich ein Schild: Feuerschlund. Hamur kann nun leider nicht mehr weiterhelfen, gibt aber den Tipp, dass dieser Name auf die Flammensenke schließen lassen könnte, nicht die schlimmste Gegend, aber eine sehr arme, und lässt Fleece versprechen, sich wieder zu melden.

 

Fleece und Spider durchqueren die halbe Stadt und fragen, so gut sie können, nach dem phonetisch gelernten Adelrumun herum, und erst am Abend finden sie das einfache Gasthaus. Tatsächlich sind Jen und Raif hier, und Fleece heult fast los vor Erleichterung und fällt ihrer Freundin in die Arme. Nachdem man sich begrüßt hat, berichten Raif und Jen, wie es sie hierher verschlagen hat:

 

Karaqana standen zwei Spielfiguren zur Verfügung: Raif und Jen, beide attraktiv und gut gebaut, beide gesellschaftsfähig (wenn auch in der tashalarischen Gesellschaft unerfahren) und beide blond, was hier unten sehr selten ist. Gewiss sieht man dann und wann einen blonden Seemann, aber in der feineren Gesellschaft gibt es eigentlich nur die Keldorans, weshalb blondes Haar auch immer automatisch mit ihnen assoziiert wird, und sei es noch so unbewusst. Was noch wichtiger ist: In den höheren Gesellschaftsschichten weiß jeder alles über jeden, über den sich etwas zu wissen lohnt, aber diese beiden sind unbeschriebene Blätter, über sie ist nichts herauszufinden. Kara hatte Gerüchte lancieren lassen, dass ihr Vater Barashau mit Manolai Keldoran ins Geschäft kommen könnte, und andere, dass in seinem Haus Besuch aus fernen Landen zu Gast ist. Deutlicher musste sie gar nicht werden (allein schon, um es nicht zu übertreiben und ihre Gerüchte damit verdächtig zu machen), weil sie wusste, dass sich die Gesellschaft in Ermangelung von Informationen eventuelle Erklärungen zusammenreimen würde, weil sie es gewohnt ist, dass nur sehr spärliche Hinweise die Öffentlichkeit erreichen, wenn überhaupt. Kara sorgte dafür, mit ihren Gästen gesehen zu werden, und da in ihren Kreisen True Seeing zum alltäglichen Rüstzeug gehört und man sah, dass nicht illusionär nachgeholfen worden war, hatte sie nun zwei attraktive blonde Gäste, derweil ihr Vater mit Manolai Keldoran in irgendwelchen Verhandlungen stehen sollte. Besuch aus der Fremde – könnte das Baldur's Gate sein, von wo die Keldorans stammen und wo sie noch immer Familie haben, und ist Barashau nicht gerade auf der Suche nach einem Mann für Karaqana?

 

Barashau stand mit Indrabar Heoma in Verhandlungen über Karaqanas Hand für Indrabars jüngsten Sohn Jarabar. Es gab auch andere Kandidaten, aber die Heomas sind finanziell und vom Ansehen her die begehrenswertesten Anwärter, und Kara fand Jarabar obendrein sehr anziehend. Jedoch liefen die Verhandlungen schleppend, weil Indrabar ein zu halbherziges Angebot gemacht hatte und dies nicht wirklich verfolgte. Sobald sich aber das Gerücht herumsprach, dass die Danhamurs mit Manolai Keldoran anbandeln, deren jüngster Sohn nun ins heiratsfähige Alter kommt und mit der Indrabar im Zinnabbau und -handel konkurriert, kam Fahrt in die Sache, und dann kamen ja auch noch die blonden Gäste aus Baldur's Gate hinzu. Indrabar nahm die Verhandlungen also wieder auf, und plötzlich war es Barashau, der auf Zeit zu spielen schien, so als wollte er Indrabar hinhalten, wobei er auch noch ein Angebot Indrabars ablehnte, nach dem er sich eigentlich die Finger hätte lecken müssen. Das war hoch gepokert, sollte Indrabar aber dazu verleiten, im Zweifel schnell zuzuschlagen und sich Karaqana als Schwiegertochter zu sichern, bevor es Manolai Keldoran tut und sich den Zugriff auf die Zinnmine der Danhamurs sichert.

 

Sobald das funktioniert hatte und der Heiratsvertrag aufgesetzt war, brauchten die Danhamurs Raif und Jen nicht mehr, und Kara war seiner ohnehin überdrüssig geworden. Kurzerhand drückte sie ihm etwas Geld in die Hand und forderte ihn auf, sich ruhig zu verhalten, sie würde ihn finden, sobald seine Freunde Tashluta erreichen. Natürlich war das gelogen, sie wollte ihn einfach nur noch loswerden und nichts mehr von ihm hören. Dessen konnten Raif und Jen aber nicht sicher sein (und selbst wenn, aussprechen durften sie es so oder so nicht), also bedankten sie sich für die Gastfreundschaft und die immense Großzügigkeit und zeigten sich erkenntlich, indem sie den Danhamurs Zinakai und Paloi schenkten: "Das Mindeste, das wir tun können." Für sie sorgen konnten sie nicht und sie selbst für sich auch nicht, und dort hatten sie es wenigstens vergleichsweise gut. Raif und Jen teilten sich ihr Geld ein und bezogen so billig wie möglich Quartier. In einem Helm-Tempel dankten sie dem Achtsamen für seinen Schutz und beteten, dass Kara entweder nicht gelogen hatte (sehr unwahrscheinlich) oder Fleece sich etwas einfallen lassen würde, sie zu finden (viel wahrscheinlicher) – und siehe da, es hat funktioniert.

 

Von allem, was sich vorher ereignet hatte, berichten sie nur das Nötigste, da sich schnell erweist, dass Fleece bis heute nicht ahnt, was auf Hazaphars Party passiert ist – Caldaia hat offenbar nichts erzählt.

 

Die Art und Weise, wie hier mit ihnen allen umgesprungen wurde, holt sie spürbar auf den Boden der Tatsachen zurück und lehrt sie Demut: Während ihnen in Tethyr Tür und Tor geöffnet werden, wurden sie hier als das behandelt, was sie im Leuchtenden Süden sind: Niemande.

 

Raif wiederum nimmt erschrocken zur Kenntnis, dass Tulwood tot ist und von der Besatzung der Endeavour nur noch sechs Leute leben. Er war sich sicher gewesen, Tulwood würde seinen Weg machen, und er hatte ihn wirklich gemocht. Verdammt, was hatte er alles für ihn getan, und plötzlich ist der Bursche tot, obendrein zurückgelassen auf einem Berg in den Schwarzen Dschungeln. Das wird Bran das Herz brechen. Jen meint, Tulwood habe sich diesen Werdegang ausgesucht, und den überlebt nun mal nicht jeder – aber das ist niemandes Schuld.

 

Jetzt will sie aber endlich Caldaia wiedersehen, also geht's zur Tanzenden Schlange, in der Caldaia ihre Zeit verbringt und zu deren Bewachung Fleece Milandre abgestellt hat. Caldaia spielt gerade auf ihrer Harfe freundliche Hintergrundmusik für die Unterhaltungen, bricht angesichts der Eintretenden in Tränen aus und fällt Jen um den Hals. Milandre begrüßt ehrlich erleichtert Raif, aber auch herrlich linkisch und unsicher, weil sie sich keine Blöße geben möchte. J'avo, Zhai und Skaar ziehen garantiert gerade wieder mit den Leuten von der Passion um die Häuser, und Meranilius und Max sind in der Universität.

 

Erneut muss Jen von ihrer Zeit auf Surmakar und bei den Danhamurs berichten, erneut lässt sie das Schlimmste aus und schildert es eher so, als sei alles eher langweilig als unangenehm gewesen, und unausgesprochen steht zwischen den beiden im Raum, was sich davor zugetragen hatte – Cal befürchtet, dass Jen vieles nicht verrät. Als Jen hört, wie Spider Cal gerettet und dabei die Neraida versenkt hat, sieht sie ihn nur mit einem ganz besonderen, langen, dankbaren Blick an. Mit der Art und Weise hat sie dabei übrigens überhaupt kein Problem – angesichts dessen, was K'uro mit Cal vorhatte, ist Jen nur neidisch, nicht selbst dabei gewesen zu sein.

 

Fleece hat gern das Kommando und die Kontrolle, aber sie mag Paroli nicht nur, sie wünscht es sich oft sogar – ohne das wird der Druck, alles allein entscheiden zu müssen, irgendwann sehr unangenehm, und wenn sie sich gegen Widerstände behaupten muss, hat sie oft die besten Ideen. Dementsprechend genießt sie auch, endlich wieder mit Jen und Raif über ihre Mission reden zu können, denn gerade von Ersterer kriegt sie eigentlich ständig Contra. Doch während Fleece erzählt, merkt sie selbst, dass sie Zweifel hat, ob man nun wirklich geschlossen nach Manshaka zurückkehren sollte. Meranilius ist da offenbar einer großen Sache auf der Spur, und so völlig ohne Vertraute kann man ihn hier doch nicht im Stich lassen. Natürlich bekäme sie ihn mit einer Suggestion von hier weg, die sie täglich erneuern würde, aber welchen Eindruck würde das auf Valkazar machen? Kurz vor dem Ziel haben die Bewacher keine Lust mehr und verzaubern den Forscher, damit er beschließt, dass alle nach Hause gehen können? Die Option, ihn im Stich zu lassen, ließe sie nicht besser dastehen: Sie hatten die Aufgabe, ihn bei seinen Forschungen zu unterstützen, und lassen ihn dort zurück (obendrein ohne Schiff), weil sie ihrer Aufgabe überdrüssig geworden sind? Kehren aber nur einige zurück, und man erklärt, was man hier alles hat erleiden müssen, wird Valkazar alles Verständnis der Welt dafür haben und wertschätzen, dass zumindest einige bei Meranilius geblieben sind.

 

Während Fleece nun sanft einleitet, dass Meranilius' Abenteuer noch nicht abgeschlossen ist, regt sich Jen schon auf und macht klar: Bis hierher und nicht weiter. Fleece aber stoppt sie: Jen sollte in der Tat nach Manshaka zurückkehren, um Caldaia von hier fortzubringen, und auch sonst sollte jeder abreisen, der möchte. Aber wenigstens Fleece wird bei Meranilius bleiben. Es wird hin- und hergestritten, denn nach dem, was Fleece erzählt hat, kann sich Jen nicht vorstellen, dass irgendjemand freiwillig bleiben möchte, aber Spider mischt sich ein: Er bleibt auch, und er könnte sich vorstellen, dass Zhai ebenso wenig das Heimweh nach Tethyr plagt. Skaar hat hier unten auch die besseren Aussichten, etwas zu erleben, und genießt das ganz offensichtlich.

 

Während Fleece und Jen hitzig diskutieren ("Hast du auch mal an Bran gedacht? Er wartet nur wegen uns mit seiner Hochzeit!" – "Ich zwinge ihn doch nicht dazu, Jen! Glaubst du, ich bliebe aus einer Laune heraus hier?"), denkt Raif nach und bemerkt, dass Milandre ihn aufmerksam beobachtet. Verdammt, er ist ja insofern für sie verantwortlich, dass er seine Entscheidung, wohin er geht, auch für sie fällt. Er möchte Fleece nicht hängen lassen, aber er hat ein furchtbar schlechtes Gewissen: Schließlich trägt er das Schwert von Sir Coren Belgrave, das im Grunde Milandre Belgrave zustünde, und sie besitzt es nur deshalb nicht, weil beide den letzten Wunsch Sir Corens von jenseits des Grabes respektieren. Dass Milandre die lange Überlandreise nach Tethyr machen musste – Pech gehabt. Aber ihr den Leuchtenden Süden anzutun, war schon eine andere Hausnummer, und was sich in seiner Abwesenheit alles zugetragen hat, klingt nach dem reinsten Albtraum. Sie hat es sich verdient, nach Hause zurückzukehren. Verdammt, er gäbe ihr den Challenger, ohne mit der Wimper zu zucken, müsste er nicht annehmen, sich damit gegen Tempus zu versündigen. Und er weiß: Wohin er geht, wird sie gehen. Ohne die Verantwortung für Milandre bliebe er bei Fleece, aber nun beschließt er, Jen und Cal zu begleiten. Das sagt er der Runde auch und tut so, als sei es keine große Sache und dass er einfach erschöpft sei, aber Milandre, die schweigt, bedenkt ihn mit unentschlossenen Blicken. Einerseits ist sie dankbar und vor allem gerührt, weil sie weiß, dass er das nur wegen ihr tut, andererseits plagt sie das schlechte Gewissen: Ihr zuliebe, dieser unwürdigen, hässlichen, entstellten Cormyrianerin, lässt er seine Freunde hängen. Sie nimmt sich vor, ihn darauf anzusprechen, findet danach aber keine günstige Gelegenheit mehr, und als sich endlich eine bietet, bringt sie es schon nicht mehr über sich.

 

Als sie auf ihrem Zimmer sind, versucht Cal, mit Jen über die Nacht auf Zurinals Anwesen zu sprechen, aber Jen möchte nicht darüber reden. Cal bedrängt sie sanft, dass sie das nicht in sich hineinfressen dürfe, aber Jen wehrt ab, dass sie ihre Probleme schon immer mit sich selbst ausgemacht habe. Unerwartet resolut erwidert Cal: "Dazu hast du jetzt nicht mehr das Recht. Jetzt hast du eine Geliebte. Mich." Jen sieht sie nur an, sagt aber nichts.

 

Am nächsten Morgen begibt sich Fleece mit Spider zur Universität, um Meranilius die frohe Kunde zu unterbreiten. Dieser freut sich natürlich außerordentlich und zeigt ihr auch gleich aufgeregt, was er sonst noch alles über Ankhra und Karmakar herausgefunden hat. Danach sucht Fleece in den weitläufigen Hallen nach Max, der hier dank Munarias Fürsprache unter Kollegen studieren kann, und berichtet, was passiert ist. Ob er sich vorstellen könne, Meranilius dabei zu helfen, seine Forschung abzuschließen? "Ja, natürlich kann ich mir das vorstellen. Aber ich werde es selbstverständlich nicht tun." Ihn lockt die Rückkehr nach Zazesspur, wo er ein Jahr lang an der Königlich Tethyrianischen Akademie der Arkanen Künste studieren kann. Fleece ist davon ausgegangen, bedauert seinen Weggang aber sehr, da seine Unterstützung bislang von unschätzbarem Wert war.

 

Im Anschluss begleitet sie Meranilius zum Helm-Tempel, den zuvor auch schon Jen und Raif aufgesucht hatten, und während der Forscher den Wechsel einlöst, opfert Fleece und dankt Helm.

 

Währenddessen begrüßt Zhai außer sich vor Freude Raif im Ban Banoi. (Sie war zwar mit den anderen unterwegs, kann aber nichts trinken, und daher ist sie schon wieder aktiv, während die anderen noch ihren Rausch ausschlafen.) Zuerst muss er natürlich von seiner Zeit erzählen, und wie zuvor Jen lässt er das Wichtigste weg, denn das alles auf den Tisch zu packen, obläge ihr, nicht ihm. Auch Zhai merkt, dass das nicht alles war, aber er lenkt ab: Viel wichtiger ist, dass sich ihre Wege erneut trennen werden. Zhai hatte sich darauf gefreut, wieder Zeit mit Raif verbringen zu können. Raif meint, da habe sie ihm etwas Schönes eingebrockt, als sie ihm den Challenger anschleppte, und Zhai versteht, dass er wegen Milandre geht. Sie kann noch nicht mal widersprechen, denn sie hat ja viel Zeit mit ihr verbracht und gesehen, wie nahe sie davor steht, zu verzweifeln. Zhai erginge es an ihrer Stelle nicht anders, doch der Unterschied ist eben: Sie hat Freunde, so eng wie Familienmitglieder, und ein Selbstverständnis als Mitglied der Gemeinschaft der Ersten Sonne, aus dem sich unglaublich viel Mut und Zuversicht ziehen lassen. Und ja, nur wegen Raif würde sie die Heimreise nicht antreten, denn sie fühlt sich wohl, hier normal auftreten zu können – in Tethyr kann sie das nicht. Tatsächlich freut sie sich jetzt, denn bis eben dachte sie ja noch, dass sie von Meridiana bald Abschied nehmen muss.

 

Ironischerweise verschweigt Zhai Raif auch etwas, nämlich dass Fleece mit J'avo geschlafen hat. Gesprochen hat Fleece weder mit ihr noch sonst jemandem darüber, und angesichts ihrer schlechten Laune danach scheint sie das als Fehler zu betrachten, also muss es nicht jeder wissen – jedenfalls nicht von Zhai.

 

Fleece und Meranilius regeln mit Matoia die Überfahrt nach Sammarash, und Fleece geht mit Spider einkaufen, um die Heiltrankapotheke aufzustocken. Das könnte man in Sammarash zwar auch, aber hier weiß sie wenigstens, wohin sie muss und wie gut sie verhandeln kann. Fleece investiert auch in einige Zaubertränke, die nicht der Heilung dienen, da ihre Gruppe ohne Max fast keine magische Unterstützung hat. Bei dieser Gelegenheit wird auch die bislang gemachte Beute verkauft – weit unter Wert, aber so ist das Leben. Dennoch hat die Gruppe selbst nach Abzug der horrenden Kosten für die Heiltränke immer noch ein Plus gemacht, es hat sich wirklich gelohnt. Vom Geld der Gemeinschaft legt Fleece genug beiseite, dass sich Jen, Cal, Raif, Milandre und Max eine Fahrt nach Manshaka leisten und bis dahin im Ban Banoi bleiben können.

 

Die Helden verbringen in der Tanzenden Schlange also noch einen letzten Abend miteinander, und trotz der gelösten, fröhlichen Atmosphäre macht sich Wehmut breit, denn abermals weiß man nicht, wann man sich wiedersehen wird. Am nächsten Morgen verteilt Fleece die wichtigsten Dinge aus der Truhe (so z. B. Milandres Rüstung und ein paar von Raifs, Jens und Cals Garnituren, die sogleich in Max' Kleiderschrank deponiert werden). Die Zurückbleibenden (bis auf Max, der lieber ausschläft) bringen die anderen zur Fleeting Passion. Nach einem herzlichen, tränenreichen Abschied geht es an Bord, und die Abreisenden winken ihren Freunden ein letztes Mal zu.

 

Während der langen Fahrt nach Sammarash sitzt J'avo eines Tages auf einem Fass und unterhält sich (natürlich auf Tashalari) mit J'oia über Fleece. Er ist ein entspannter Gemütsmensch und lässt sich auch nicht viel anmerken, aber Fleece kann einen wirklich wahnsinnig machen. Er berichtet J'oia, wie sie miteinander geschlafen haben und wie sich Fleece ihm gegenüber seitdem verhält. J'oia wird auch nicht schlau daraus, weiß aber, dass die kulturelle Kluft viel zu groß ist, um so eine Nordländerin zu verstehen. J'avo widerspricht, dass er mit der chondathanischen Lebensart durchaus vertraut ist und gut mit ihr zurechtkommt, daran liegt es nicht. Aber am Stand, entgegnet J'oia: Fleece ist dort, wo sie herkommt, anscheinend etwas Besseres, und J'avo ist ein zyklopäischer Veole, für jemanden wie Fleece also nur ein ungebildeter Barbar. (Die Szene ist dabei so zugeschnitten, dass die Frage, wie J'avo überhaupt zu Fleece steht, davor oder danach erörtert worden sein kann.)

 

Unterwegs wird zur Gefechtsbereitschaft gerufen: Die Passion nimmt die Verfolgung eines kleinen Handelskonvois auf. Fleece hasst es, zu wissen, was gleich passieren wird, und hat klar gemacht, dass sie und ihre Leute an so etwas nicht teilnehmen werden. Bis auf J'avo versammeln sie sich unter Deck und lauschen den Schritten und den Rufen. Glücklicherweise ergeben sich die Händler nach ein paar Salven und lassen sich ohne weitere Gegenwehr ausrauben. Fleece denkt sich, wie bigott sie ist: Diese Vergangenheit wirft sie J'avo vor, aber jetzt, wo sie auf die Passion angewiesen ist, akzeptiert sie sie, ohne zu versuchen, zu verhindern, dass Unschuldigen etwas zustößt. Obendrein weiß sie: Auch Baltram, der immer so auf Piraten geschimpft hat, steht da oben zusammen mit Rimgal, bereit, gegen Matrosen zu kämpfen, wie er einer war. Man kann die Welt nicht ändern, nur versuchen, in ihr zurechtzukommen. Den Luxus, sich nicht an ihre Regeln zu halten, muss man sich erst mal leisten können...

 

In mehreren Gesprächen mit Jala zeigt diese sich beeindruckt von der Beute, von der Fleece erzählt hat – und das war ja längst nicht alles, was man hätte mitnehmen können, nur eben so viel, wie man tragen konnte. Scherzhaft (jedenfalls hoffentlich) meint Jala, dass sie Fleece ja auch ausrauben könnte, und nähert sich dabei der Truhe – und fällt vor Schreck zu Boden, als diese ihr Maul aufreißt und die Zähne bleckt. Ein andermal schlägt sie vor, Matoia zu fragen, ob sich ein paar Leute vielleicht der Expedition anschließen könnten, worauf Fleece meint, dass sie ihnen keine Beute streitig machen würde – von ihr aus können sie gern so viel mitschleppen, wie sie tragen können.

 

Daraufhin will sich Matoia irgendwann selbst anhören, was Fleece zu erzählen hat, während Jala übersetzt. Nicht ganz ohne Hintergedanken legt sich die Bardin ins Zeug, verzichtet natürlich auf Magie, versucht aber, an den richtigen Schrauben zu drehen, die Begehrlichkeiten wecken. Sie selbst hat nicht vor, bei dem Ausflug nach Kilmakar reich zu werden – sie hat vor, zu überleben, und wenn ein paar Leute mehr mitkommen, sind die Chancen dafür höher.

 

Jen, Cal, Raif, Milandre und Max verbringen ihre Zeit so preiswert wie möglich und verzichten auf überflüssige Ausgaben – sogar Tempelbesuche zählen dazu, da dort natürlich Spenden erwartet werden. Jeden Tag geht einer zur Hafenmeisterei und erkundigt sich nach Schiffen nach Calimshan, vorzugsweise nach Manshaka. Da diese beiden Nationen aber nicht gut aufeinander zu sprechen sind (seit der Tharsult-Krise und der Invasion von Almraiven noch weniger als ohnehin schon), kann es Oghma weiß wie lange dauern, bis sich etwas ergibt. Dafür freunden sie sich in ihrer Gegend mit dem einen oder anderen Fana an, denn mit zwei hübschen Damen bzw. zwei Blonden ist das gar nicht so schwierig.

 

Während Jen zum Hafen unterwegs ist, schnappt sich Caldaia Raif und fragt ihn, was auf Surmakar vorgefallen ist. Er tut so, als wüsste er nicht, wovon sie redet, und bleibt auch trotz ihres Insistierens dabei, aber da sie nicht locker lässt, meint er, es sei an Jen, davon zu erzählen, und wenn sie das nicht will, dann werde eben nichts erzählt, fertig. Dabei tut Caldaia ihm schrecklich leid, zumal er ihr gegenüber auch ein furchtbar schlechtes Gewissen hat, weil er vor ihren Augen mit ihrer Geliebten Sex hatte. Ja, unter magischem Einfluss, aber trotzdem: Er hasst es, Caldaia das angetan zu haben, weil er sie trotz der kurzen Zeit, die sie sich kennen, wirklich lieb gewonnen hat.

 

Die Passion erreicht Sammarash, und inzwischen hat sich Matoia ganz klar dagegen entschieden, sich an Meranilius' Expedition zu beteiligen. Jeder Tag ohne Beute kostet Geld – wie lange soll sie mit einer geschwächten Mannschaft über die Leuchtende See segeln, wie oft soll sie Sammarash anlaufen, um zu sehen, ob ihre Leute zurück sind? Jala hat versucht, sie umzustimmen, aber es ist zwecklos.

 

Das Schiff muss im Hafenbecken warten, bis ein Liegeplatz frei wird, da gerade viel los ist. Westlich der Stadt sieht man ganz weit entfernt und ganz klein die Ruine eines Strandhäuschens mit einem verfallenen Angelsteg. J'avo steht an der Reling und sieht die ganze Zeit schweigend hinüber: In jenem Haus hat er über vier Jahre seines Lebens in der Obhut von Denerim verbracht. Seit dessen Tod war er nie wieder hier.

 

Fleece kommt vorbei, und betont beiläufig und ihm nicht in die Augen sehend meint sie zu J'avo, dass er bestimmt an Bord der Passion bleiben wolle. Falls er sich wegen des Geas Sorgen machen sollte: Fleece betrachte es als erfüllt, ihn werde kein schlimmes Schicksal ereilen, er habe seinen Teil der Abmachung eingehalten. J'avo lässt sich ein paar Sekunden Zeit mit der Antwort, da ist sie schon wieder weitergegangen. Nachdenklich sieht er ihr hinterher.

 

Endlich kann die Passion anlegen, die Zöllner kommen an Bord und müssen sich überzeugen lassen, dass Skaar kein Sklave für die Arena ist. Der Papierkram wird erledigt, sie gehen wieder, doch in all dieser Betriebsamkeit kommen zwei sehr auffällige, offensichtlich kampferfahrene Männer mit identischen Tätowierungen im Gesicht an Bord, die auftreten, als gehöre ihnen das Schiff, und unten an der Pier warten weitere. Fleece sieht an den Reaktionen der Mannschaft, dass sie diese Leute kennt und sich ernsthafte Sorgen macht. Uraba geht ihnen gleich entgegen und fragt sie barsch, was sie wollen. Unauffällig begibt sich Fleece zu Pashtal, der bei Zhai steht, und bittet ihn auf Alzhedo leise um eine Erklärung. Er meint, diese beiden seien Mas Raldo und Mas Ganis, die dem Balan Cantara angehören, was übersetzt so viel bedeutet wie Bund des Lindwurms, eine mächtige kriminelle Organisation, die in Sammarash und anderen Orten großen Einfluss besitzt. (Mas ist ein von diesem Bund verliehener Ehrentitel, der den Zivilisten zeigt, dass man etwas zu sagen hat. Ihnen übergeordnet ist der Dan, sozusagen ein Gebietsleiter.)

 

Matoia kommt an Deck, und Fleece bemerkt sofort, dass es ihr gar nicht recht ist, das vor allen Augen auszutragen, aber dass Mas Raldo und Mas Ganis genau das tun, um sie zu demütigen und ihr zu zeigen, wo ihr Platz ist. Als Fleece Pashtal bittet, zu übersetzen, flüstert er zurück, dass er das lieber nicht täte. Sie bekommt aber auch so mit, dass die beiden Matoia massiv unter Druck setzen. Zwar macht sie zuerst ein paar scharfe, knappe Entgegnungen, sagt dann aber immer weniger. Die beiden bestaunen auch Skaar (Spider hält sich wie gewohnt gut verborgen). Nun übersetzt Pashtal, da es Fleece etwas angeht: Sie wollen wissen, ob man Skaar kaufen kann, und Uraba erklärt, dass er nur ein Passagier sei. Jetzt will Mas Raldo aber erfahren, was so jemand in seiner Stadt will. Bevor ein unvorhersehbares Unglück geschieht, eilt Fleece hinzu und bittet Uraba, zu übersetzen, dass sie nur Glücksritter sind, die gehört haben, dass in den Mhair-Dschungeln Gold zu finden sein soll. (Die üblichen Gerüchte, die es immer wieder mal gibt.) Der Bluff-Check ist nur okay, scheint aber zu reichen. Mas Raldo tritt nahe an sie heran, streicht mit den Fingern über ihre Wange, während er selbstzufrieden-lüstern etwas sagt, das Uraba nicht übersetzt. Da sich die ganze Mannschaft wegduckt, muss sich Fleece das wohl gefallen lassen. Mas Raldo sagt laut noch etwas Mahnendes zu Matoia wie ein Lehrer zu seinem Kind, und er und Mas Ganis gehen von Bord.

 

Die ganze Passion diskutiert nun, und Fleece hat das Gefühl, die Einzige zu sein, die nicht weiß, was los ist, und auch Jala und J'oia beantworten ihre Fragen nicht. Nach eingehender Rücksprache mit einigen Besatzungsmitgliedern lässt Matoia Fleece erklären, dass sie Dr. Meranilius einige Leute mitgeben wird. Nach und nach bastelt sich Fleece aus Andeutungen und Aufgeschnapptem zusammen, dass die Fleeting Passion auch schon für und mit dem Balan Cantara gearbeitet hat. Offenbar bestand ihr letzter Auftrag darin, etwas sehr Wertvolles zu beschaffen. Entweder ist Matoia der ehrlichen Meinung, dass sie es hat überbringen lassen, und der Empfänger hat es sich unter den Nagel gerissen und behauptet, es nie erhalten zu haben, oder der Bote hat es einkassiert, oder sie hat den Balan Cantara betrogen. Gegen die letzte Version spricht, dass sie dann wohl kaum leichtfertig den Hafen von Sammarash angesteuert hätte. Jedenfalls hat Dan Girdar, der Boss der beiden Besucher, durch geschmierte Zöllner Wind davon bekommen, dass die Passion auf einen Ankerplatz wartet, und beschlagnahmt nun das Schiff: Wenn Matoia ihre Schulden nicht bezahlt, nimmt er eben die Passion. Deshalb muss jetzt rasch Geld her. Das ist zwar insofern gut für Fleece, dass man mit massiv verstärkter Kampfkraft loszieht, aber auch insofern schlecht, dass man mit wenigen Leuten und zurückbleibenden Trägern leiser und unauffälliger wäre. Die Piraten werden nicht mit der Gruppe am selben Strang ziehen, denn wenn es etwas zu erbeuten gibt, werden sie sich draufstürzen, auch wenn das gegen das Interesse der Gruppe geht. Ohne den Druck, Schulden zurückzahlen zu müssen, wäre eine Zusammenarbeit viel einfacher gewesen.

 

Fleece bekommt bei den Unterhaltungen an Bord auch mit, dass J'avo die Expedition begleiten wird. Das leuchtet ihr ein, selbst wenn er an Bord der Fleeting Passion hätte bleiben wollen. Baltram und Rimgal werden natürlich ebenfalls zu der Expedition verdonnert, weil sie zum einen neu an Bord sind und zum anderen mit solchen Unternehmungen und mit den Gästen Erfahrung haben.

 

23 Köpfe zählt die Reisegemeinschaft: Dr. Meranilius, Fleece, Spider, Zhai, Skaar, J'avo, Baltram, Rimgal, Jala, J'oia, Pashtal, Kabil, Sirani, Tianalu, Thunata, Pasaz, der amnische Pirat Morrin, der Tocamuyak Maqaru, die grobschlächtige, aber massive Buralba, die fiese Kriegerin Qudara (beide hat  Fleece aus Antipathie bisher gemieden), und sogar Sungai Rual, Xarfai und Ilur lässt Matoia mitkommen. Peroni jedoch ist ihr zu wertvoll, um sie für so ein Alveranskommando zu riskieren. Uraba hält dieses Unterfangen ohnehin für eine irrsinnige Idee und sieht die Mannschaft massiv geschwächt. Sie denkt, man sollte besser mit Dan Girdar um die Erlaubnis verhandeln, abzulegen und das Geld mit Piraterie aufzutreiben.

 

Im Einkaufen für eine Expedition haben die Piraten keine Erfahrung, Meranilius und Fleece dagegen sehr viel, also koordinieren sie das. Von seinem letzten von Sammarash ausgehenden Exkurs kennt Meranilius noch die Paavani, einen ausschließlich aus Nicht-Alaru bestehenden "Stamm" und nach seiner Meinung "eine Modebewegung, die Narren anzieht, die förmlich danach schreien, versklavt zu werden". Ursprünglich war es nur eine sehr charismatische Aussteigerin, Paavi Hiliar, die sich mit ein paar Getreuen für ein Leben fernab der Zivilisation entschied, aber bald schon formte sich eine Kommune, die in ihrem zusammengeklaubten (und mit romantischer Idealisierung ergänzten) Halbwissen über die Alaru den Schlüssel zum Glück entdeckt zu haben glaubte. Heute wird sie von Paavis Enkelinnen geführt, Subura und Nanurta. Auch einige der Piraten kennen die Paavani, und die meisten halten sie ebenfalls für Idioten, denen es zu gut geht, aber sie kennen sich im Dschungel aus. Praktischerweise leben sie auch ganz in der Nähe, falls sie z. B. in medizinischen Notfällen doch mal die Errungenschaften der Zivilisation benötigen, die sie so ablehnen. Sie bieten sich sogar als Führer nach Kilmakar an, denn es ziehen immer wieder Abenteurer dorthin, auch wenn nur wenige wieder zurückkehren.

 

Nach einer letzten Nacht an Bord bricht die schwer beladene Expedition auf, und am Nachmittag findet man in den für meridianische Verhältnisse noch lichten Wäldern die Paavani. Angst vor Überfällen haben sie nicht, da bei ihnen nichts zu holen ist, also laden sie die Reisenden ein, bei ihnen ihr Lager aufzuschlagen. Fleece findet es spannend, sich mit der alten Paavi und ihren Töchtern Subura und Nanurta zu unterhalten, die auf alles eine Antwort haben, kommt aber ebenfalls zu dem Urteil, dass es sich hier um Träumer handelt, die ihren Jüngern Luftschlösser mit wenig Substanz anbieten. Sie wird mit ihnen handelseinig: Ab morgen werden Viraniu und Jiroba sie begleiten und nach Kilmakar führen. Und ja, die wenigen Abenteurer, die zurückkehren, berichten meistens von Echsenmenschen, die sich dort breitgemacht haben, und tief in die Stadt eingedrungen sind die Rückkehrer auch nie.

 

Nach einem Tag und einer Nacht mit den Piraten findet Fleece, dass sie manche etwas besser einschätzen kann. Als Passagier ist man oft unter Deck, um nicht im Weg zu stehen (und tut es oft selbst dort), und alle sind immer mit irgendetwas beschäftigt, so dass sich Gesprächsmöglichkeiten oft nicht ergeben. Von ihren Freunden und Baltram und Rimgal abgesehen kann sie hier mit Jala, Morrin und Sungai auf Chondathanisch und mit Pashtal auf Alzhedo sprechen.

 

Was Meranilius an Bord nie aufgefallen war, ist, dass Lizardweed großen Zuspruch genießt – vor allem Morrin raucht das Zeug am laufenden Band. (Normale Dosen erzeugen Zufriedenheit und Entspannung, wirken leicht schmerzlindernd und rufen leichte Euphorie hervor. Starke Dosen jedoch können wirre Träume von schemenhaften, reptilienartigen Formen und überwucherten Städten im tiefen Dschungel hervorrufen.) Da es gerade geraucht wird und Morrin es Fleece gegenüber anpreist, hält Meranilius ihm eine Standpauke, dass die Echsen es unter die Ungeschuppten gebracht hätten, um sie zu kontrollieren. Wenn es drauf ankommt, wer weiß dann schon, ob sich Morrin nicht auf ihre Seite schlagen wird? Hier äußert sich schon deutlich lästiger, was man sonst gern als harmlose Spinnerei abtut: Meranilius' endlose Echsenparanoia.

 

Fleece beobachtet lächelnd Zhai und Pashtal, die sich trotz Sprachbarriere viel miteinander beschäftigen und später ein gemeinsames Zelt beziehen. Wehmütig denkt sie daran, wie lange das bei ihr schon wieder her ist. Ihr Blick streift J'avo, und in diesem Moment lacht dieser herzlich über irgendetwas, das J'oia gerade erzählt. Missgestimmt schaut sie wieder weg und konzentriert sich auf Xarfai, der mit geschickten Fingern ein neues Band in einen Lederbeutel einfädelt. Wer weiß, wie viele intelligente Rassen es noch geben mag, von denen sie in ihrem Teil Faerûns noch nie gehört hat? Schade, dass er nicht sprechen kann, aber von Sungai weiß sie, dass sie sich so gut kennen, dass der Halbling die Laute des Varanas zumindest im Groben oft deuten kann.

 

Mit Viraniu (von der Fleece findet, dass sie für den Urwald ein bisschen zu aufwändig geschmückt herumläuft, aber damit kompensieren offenbar alle Paavani ihr Nicht-Alaru-Sein) und Jiroba geht es am nächsten Morgen weiter, und wie man es leider schon gewohnt ist, sind die Tage im Dschungel drückend heiß und schwül, und die Nächte geraten meistens keinen Deut besser. (Dafür verfügt Ilur über Repel Vermin, was das Schlafen deutlich angenehmer macht.) Ohne Max' Endure Elements wird es für Amaraeus weit beschwerlicher, und Fleece stellt den Unterschied ganz klar fest: Der Historiker ist viel zu alt für den Dschungel. Er mag für sein Alter fabelhaft beisammen sein, aber das Klima belastet ihn sehr, und es geht durchgehend langsamer voran, weil man auf ihn Rücksicht nehmen muss.

 

Nicht ohne Bewunderung fragt sich Fleece, woher Dr. Meranilius die Kraft nimmt. Ohne Max' Endure Elements, von dem sie an den meisten Tagen profitiert hat, führt diese Etappe auch sie selbst an den Rand ihrer Belastbarkeit – aber sie ist weniger als halb so alt wie der Historiker und durch jahrelanges Reisen und ihr Schwerttraining wirklich in Topform. Obendrein wirkt er ohne Munaria und Max sehr einsam, weshalb sie sich noch stärker um ihn kümmert und sich noch mehr Zeit nimmt, mit ihm zu reden – nach ihm ist sie als Halbmagierin hier jetzt die Gebildetste.

 

Manch einer murrt auch deutlich darüber, dass so ein alter Sack im Urwald nichts zu suchen hat, und Fleece bittet Jala, bei ihren Leuten noch einmal zu betonen, wer hier wem folgt. Jetzt kommt es tatsächlich zu einer ersten Meinungsverschiedenheit, denn Jala erwidert resolut, dass die Piraten weder den Forscher noch sonst jemanden brauchen, um nach Kilmakar zu kommen – aber wenn sie Schritt halten können, dürfen sie sie gern begleiten. Fleece setzt um des lieben Friedens willen nicht nach. Die Piraten haben nur eine Ahnung, was Fleece alles auf dem Kasten hat, und wissen nicht, wie mächtig Spider ist. Wenn das wichtig wird, wird man sich erneut darüber unterhalten müssen, wer hier das Kommando hat. Sie mag Jala und versteht auch, dass diese sich nicht zu sehr mit ihr solidarisieren darf, aber so einfach gedenkt sich Fleece nicht das Heft aus der Hand nehmen zu lassen.

 

J'avo, Baltram und Rimgal haben natürlich bereits viel von der Gruppe erzählt, so dass die meisten Piraten einigen Respekt vor ihr haben, aber Qudara hat das Kommando, und von den Abenteurern hat diese keine hohe Meinung. Jala kann es sich daher nicht leisten, zu eng mit der Gruppe verbandelt zu sein und damit zu wenig mit den eigenen Leuten. Baltram und Rimgal sitzen zwischen den Stühlen: Sie haben eine Menge mit der Gruppe erlebt, haben sich dafür ihren aufrichtigen Respekt erworben und bringen ihr diesen auch entgegen – aber sie müssen im Zweifel zu ihren neuen Kameraden stehen, auch wenn sie nicht scharf darauf sind, jetzt Piraten zu sein.

 

Im abendlichen Lager spielt Fleece auf der Laute ein wenig (hier im Urwald sehr merkwürdig wirkende) Musik aus der Heimat, die besonders Morrin und Baltram rührt und auch sonst allgemeinen Anklang findet und damit für etwas mehr Friedlichkeit sorgt. Spider näht eine Zeltplane, weil gestern jemand draufgetreten und gestürzt war und sie damit eingerissen hatte.

 

Fleece: Ist hier noch frei? (Spider sieht sie nur an, sie hat aber auch keine Antwort erwartet und setzt sich.) Kann ich dir helfen?

Spider: Ist gleich fertig. Gibt's etwas Neues vom epischen Kampf der Löwinnen?

Fleece (schmunzelt): Ich lasse sie im Glauben, die Oberhand zu haben, und warte auf eine günstige Gelegenheit, ihr anschaulich das Gegenteil aufzuzeigen.

Spider: Nun, du brauchst mich nicht, um dir zu sagen, dass bei diesem unausgewogenen Zahlenverhältnis Fingerspitzengefühl gefragt ist.

Fleece (selbstbewusst): Da hast du Recht – brauche ich nicht. (Warm und versöhnlich:) Was denkst du über sie?

Spider: Dafür weiß ich zu wenig. Bedauerlicherweise sprechen außer uns nur fünf Chondathanisch, und von denen wahren vier so viel Abstand zu mir wie nur irgend möglich.

Fleece: Da geht's mir nicht viel anders als dir. Na ja, vom Abstand abgesehen, ich meine—

Spider: Ich weiß, was du meinst.

Fleece: Ich beneide J'avo. Er kann hier mit jedem reden. (Ihr fällt etwas ein.) Hm! Weißt du, warum Tianalu, obwohl sie Tashalari versteht, kein Wort spricht? (Spider sieht sie fragend an.) Wie ich gehört habe, hat sie nach ihrer Befreiung aus der Arena aus Dank an Selûne ein Gelübde abgelegt, dass sie nur noch ihre Muttersprache benutzen will. Soweit ich weiß, stammt sie aus Var der Goldenen. Dort sprechen sie Arkalan, das beherrscht hier niemand.

Spider: Interessant. Allemal hinderlich, aber wer will etwas gegen ein heiliges Gelübde einwenden?

Fleece: Götterfürchtiger als jeder Einzelne von uns. Wir opfern gern und viel, aber außer Geld geben wir nicht wirklich etwas auf. Wissen die Wunder, die sich in unserer Mitte ereignen, oftmals gar nicht zu schätzen.

Spider: Die Priester?

Fleece: Die Priester. Wo wir gerade dabei sind: Weißt du, worüber ich vorhin nachgedacht habe? Darüber, dass ich nicht genug nachdenke. Über manche von uns. Ich denke oft an Theon. Ich denke auch oft an Cordian. An Rhoedry? Selten.

Spider: Und warum, glaubst du, ist das so?

Fleece: Weil ich ihm nie verziehen habe. Ich habe mich einfach nie damit auseinandergesetzt. Es war bequem auf meinem hohen Ross der moralischen Überlegenheit. Wozu absteigen, hinab in den Schlamm, den du so schlecht von den Stiefeln kriegst, wenn es sich von dort oben so leicht urteilen lässt? Der Ausblick ist ja auch viel besser, nicht wahr? (Spider sieht sie nur an, hat aber mit dem Nähen innegehalten.) Er muss das Bedürfnis gehabt haben, es rauszulassen, sonst hätte er es Kithain nicht erzählt – der einen, die es am wenigsten einordnen konnte. Mir hat er es vermutlich nicht erzählt, weil er sich denken konnte, wie ich reagieren würde. (Sie atmet durch und denkt nach.) Wir haben den Verlauf unseres Lebens nicht immer in der Hand. Ich wünschte, ich hätte das schon früher so sehen können.

Spider: Du warst jung.

Fleece: Rhoedry starb im Sommer 1372 DR, Spider. Ich war 28 Winter alt.

Spider: Du bist immer noch jung.

Fleece: Ich bin 30 Winter alt. 30!

Spider: Theon war deutlich älter, als er endlich anfing, seinen Kopf zu benutzen.

Fleece (schmunzelt): Er war ein Priester. Er durfte das.

Spider: Er war ein Geweihter. Zum Priester Lathanders wurde er erst bei uns.

Fleece (melancholisch lächelnd): Das ist wahr.

 

Sie zwinkert ihm noch einmal zu und steht wieder auf. Spider hatte Fleece aufgefordert, ihn wissen zu lassen, wenn ihr eingefallen ist, wie sie ihre Verfehlungen ihm gegenüber wiedergutmachen will. Hier tat sie einen Anfang: Sie bezieht ihn wieder mehr ein und behandelt ihn als den, der er eigentlich immer war: als einen engen Vertrauten, mit dem man auch ganz offen Dinge teilt, die man den meisten nicht auf die Nase bindet.

 

Sie hat auch bereits Viraniu und Jiroba auf den Zahn gefühlt, empfand beide aber nur als phantasielose Langweiler, die lediglich Platitüden von sich zu geben in der Lage sind, die sie sich (obendrein falsch oder unvollständig) von den Hiliars gemerkt haben.

 

Die Route, die die beiden Paavani nehmen, führt über Lrr'Zzkrrt, ein Achaz-Dorf, das Sammarash tributpflichtig ist. Meranilius ist komplett dagegen, es anzusteuern, weil er denkt, dass alle Echsen unter einer Decke stecken und die Achaz jene, die in Kilmakar unzweifelhaft auf sie warten, vorwarnen werden. Da das aber sonst niemanden interessiert, bekommen die, die neugierig darauf sind, tatsächlich ein Echsendorf zu sehen. Jiroba beherrscht ein paar Worte, und die Dorfälteste wiederum spricht (sehr schlecht und kaum verständlich) Tashalari. Kilmakar ist zu weit entfernt, als dass man hier etwas darüber wüsste, doch Meranilius meint, natürlich müssen sie das vorgeben.

 

Fleece findet es faszinierend, so fremdartigen und doch intelligenten Wesen zuzusehen, wie sie ganz normal und unaufregend vor sich hinleben. Ja, die regungslosen Gesichter ohne Mimik und der starre Blick lassen Amaraeus' Verschwörungstheorien nicht ganz ausgeschlossen erscheinen, und von menschlichen Gefühlsanwandlungen ist dort auch nichts zu erkennen – aber vielleicht kommunizieren sie die anders? Fleece wünscht sich jedenfalls, dass sie Gefühle haben.

 

An einem anderen Tag gerät die Expedition mitten in den Revierkampf zwischen zwei Dire Gorillas. Skaar muss zurückgehalten werden, damit er nicht die Aggression dieser Ungeheuer auf die Expedition lenkt, alle anderen sind damit beschäftigt, wegzulaufen, was nicht so einfach ist, da der Kampf hin- und herwogt. Die beiden riesigen Brocken schlagen aufeinander ein, verkrallen sich ineinander und rollen über den Boden, wobei Pashtal schwerelos wirkend und unmenschlich weit aus dem Weg springt und Buralba Pasaz aus dem Weg reißt, der sonst nur noch Brei gewesen wäre. Ein paar Ausrüstungsteile und etwas Proviant gehen verloren, aber alle kommen unbeschadet davon.

 

Bei den normalen Verletzungen und Vergiftungen, die sich so mancher während der Reise zuzieht, schreitet Fleece nicht ein, obwohl sie es könnte, denn noch will sie ihre Zaubertrankapotheke nicht preisgeben. Ansonsten begegnet man auffällig wenig direkten Gefahren: Einerseits erzeugen so viele Leute auch entsprechend viel Lärm und machen damit den Dschungel auf sich aufmerksam, andererseits verschrecken sie auch Tiere, die sich durchaus gern auf eine kleinere Gruppe gestürzt hätten, so z. B. Jaguare.

 

Als der Urwald immer sumpfiger wird, weiß man, dass Kilmakar nicht mehr weit ist. Die Paavani suchen sich eine höher gelegene Stelle und schlagen dort ihr Lager auf, denn weiter werden sie nicht gehen. Wer übermorgen früh bei Sonnenaufgang wieder hier ist, kann sich ihnen auf dem Rückweg anschließen, jeder andere hat Pech gehabt. Fleece überlegt, dass es wohl vernünftiger wäre, die Truhe hier zu lassen, aber was, wenn einige Piraten früher als sie zurückkehren, Sungai die Aktivität der Truhe mit einem Dispel unterdrückt, und diese Idioten brechen sie auf (und vernichten damit unwissentlich alles, das in ihr ist)? Das Risiko will Fleece nicht eingehen, sie fühlt sich wohler, wenn sie sie mitnimmt.

 

Die 23-köpfige Expedition wagt sich also durch die Sumpfniederung, und bald tritt Pashtal unachtsam auf eine undefinierbare Kreatur und zieht sich eine schwere Vergiftung zu. Zhai sieht Fleece bittend an, und die verabreicht ihm einen Heiltrank, der den Vorteil hat, dass man nicht die Art der Vergiftung kennen muss, aber dafür auch sehr teuer ist.

 

Sie passieren eine große Wasserstelle, die von wirklich vielen Kreaturen bewohnt wird, wobei die kaulquappenartigen, beinlosen Geschöpfe wohl die Vorstufe der vierbeinigen krötenartigen Wesen darstellen. Diese erweisen sich aber als ausgesprochen angriffslustig, und gefühlte Hunderte springen die Abenteurer an. Bloßer Hautkontakt ruft ein Brennen hervor, und zu viel davon geht ins Blut und mündet in eine Vergiftung. Die Expedition durchquert das Gelände, das die kleinen Biester verteidigen, und sucht sich eine trockene Stelle, wo Maqaru Umschläge für die härteren Fälle zubereitet.

 

Nachdem man die ersten Ruinen passiert hat, stellt man fest, dass das Gelände größtenteils wegen der Mauern, aber auch wegen natürlicher unpassierbarer Hindernisse nur einen Weg über eine unter knöcheltiefem Wasser stehende Lichtung zulässt, die von zahlreichen tellergroßen Fröschen bevölkert ist, die merkwürdige Schoten auf dem Rücken tragen. Fleece spricht sich dafür aus, einen anderen Weg zu suchen, aber Karmakar war einst eine große Stadt, der heutige Tag ist bald vorüber, und übermorgen früh müssen sie wieder bei Viraniu und Jiroba sein, also drängen viele Piraten zur Eile, und Qudara befiehlt den Abmarsch.

 

Die Frösche regen sich kaum und hüpfen nur hier und da aus dem Weg. Schließlich aber, als zu viele Störenfriede auf der Bühne sind, stößt einer der Frösche ein schrilles Pfeifen aus, dann alle zusammen im Chor, und die Schoten platzen und setzen grünen Nebel frei. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass diese Tiere eine Alarmanlage darstellen, denn bullige Garak kommen angelaufen, krokodilartige Echsenmenschen, die gegen die giftigen Dämpfe immun sind. (Meranilius fällt auf, wie gut ausgerüstet und wie reich geschmückt sie sind.) Den Abenteurern jedoch setzen sie ziemlich zu, indem sie Schwindel, Übelkeit und Desorientierung erzeugen, und wegen der Windstille treiben sie auch nicht ab.

 

Die, die kämpfen müssen, deren Spezialität das aber nicht ist (Baltram, Rimgal, Pashtal, Pasaz und Morrin), schlagen sich wacker und stellen die letzte Verteidigungslinie vor den Nichtkämpfern dar (Meranilius, Ilur, Sungai und Xarfai), Maqaru unterstützt mit dem Bogen, Ilur und Sungai mit niedrigstufigen Zaubern, und die Kämpfer unter den Piraten sind alle eine echte Bank: Der Sharakai Thunata und die Arenasklavin Tianalu sind selbst den erfahrensten Mitgliedern der Gemeinschaft der Ersten Sonne überlegen und würden eins gegen eins auch Jen oder Raif in ihre Schranken verweisen, Qudara, Jala und J'oia sind Jen oder Raif mindestens ebenbürtig, und Kabil, Sirani und Buralba würden zumindest zu dritt mit Jen den Boden aufwischen. Unterstützt von Skaar, J'avo, Zhai und Spider stellt die Expedition also eine echte Macht dar. Weil die Garak aber nicht aus Zucker sind und ziemlich schwere Brocken als Gegner darstellen (und weil die Dämpfe je nach Fort-Save verschieden hohe Mali verleihen), ist der Kampf kein Selbstläufer und kostet viel Energie.

 

Alle ziehen sich in ein überwuchertes Gebäude zurück, um ihre Wunden zu lecken. Qudara befiehlt Fleece, ihre Heiltränke aus der Truhe zu holen. Fleece versucht um des lieben Friedens willen, vernünftig zu diskutieren, und lässt Morrin übersetzen, dass die Tränke sehr wertvoll und mächtig sind und für schwere Verletzungen aufgespart werden sollten, aber Qudara ist noch aufgekratzt vom Kampf und aggressiv. Auch J'avo und Jala versuchen sie zu überzeugen, aber sie will Einigkeit durch Stärke erzwingen, packt Fleece brutal am Hals und schnauzt sie an. Weit kommt sie mit ihren Worten aber nicht, denn in einer schwarzen Explosion erscheint Spider hinter ihr, reißt ihren Kopf am Schopf zurück und legt seinen Dolch an. Alles, was kann, springt auf, einige haben die Waffen gezogen, einige rufen Spider beruhigend zur Ordnung, andere versprechen ihm, ihn zu töten, und Jala kann nur mühsam für Ruhe sorgen. Spider fordert J'avo auf, Wort für Wort zu übersetzen, was dieser auch tut, und Spider zischt Furcht erregend in Qudaras Ohr.

 

Spider: Hör zu, Schlampe. Der Tag, an dem ein wertloser Dunghaufen wie du einen von uns herumkommandiert, ist noch weit entfernt. Ich bin bereit, dir dein jämmerliches Leben zu lassen, aber ich muss sicher sein, dass du nicht das tumbe Kalb bist, für das ich dich halte. Überzeuge mich, dass du niemanden von uns je wieder mit deinen dreckigen Pfoten beschmutzen wirst, und du darfst leben. Ich sagte: Überzeuge mich, Schlampe!

 

Qudara kocht vor Wut, aber nun zieht Spider die Klinge tief durch die weiche Haut ihrer Halsbeuge, und sein nun gepresst-wütendes Zischen geht durch Mark und Bein und überzeugt sie, dass er ihr gleich die Kehle durchschneiden wird. Doch noch immer ist sie viel zu aggressiv und stolz – und hartgesotten und erfahren genug –, um sich nicht einschüchtern zu lassen.

 

Auffälligerweise verhielt sich Fleece, die bis zu Qudaras Übergriff ihren Stolz runtergeschluckt hatte und auf Dialog bedacht war, ruhig, womit sie Solidarität mit Spiders Vorgehensweise demonstriert. Jetzt meint sie, sie habe genug von diesem Kinderkram, sieht Qudara hypnotisch in die Augen und zählt, ohne dass die Angesprochene sie verstehen kann, Heldentaten der Gemeinschaft auf, würfelt auf Oratory und belegt Qudara mit Fascinate und Suggestion, indem sie J'avo, ohne den Blick von ihr abzuwenden, fragt, was "Arbeite mit uns statt gegen uns" auf Tashalari heißt, und dies dann Qudara gegenüber wiederholt. Da dies Bardenfähigkeiten und keine Spells sind, sagt sie keine Formeln auf und gestikuliert auch nicht, weshalb es für die Laien nicht nach Magie aussieht, auch wenn Sungai Rual es besser weiß.

 

Hoffend, dass Qudara ihren Will-Save nicht geschafft hat, nickt Fleece Spider zu und meint, sie werde sich jetzt hoffentlich zu benehmen wissen. Qudara lässt es sich kaum anmerken, aber sie ist endlos verwirrt: Sie will Spiders und Fleeces Blut sehen, und doch ist ihr die Zusammenarbeit mit ihnen wichtiger. Spider lässt sie los, und es folgt kein Angriff ihrerseits. Dafür reden, schimpfen und schreien jetzt alle durcheinander in einem Gerangel, in dem man nervös werden könnte, aber niemand nähert sich Spider. Skaar, der als Ausguck postiert war und wegen des Lärms zurückkommt, stellt sich sofort hinter Fleece. Da die Piraten auch untereinander streiten, schubst der eine den anderen, und ein Dritter geht dazwischen, damit kein offener Kampf ausbricht, und erneut setzt Fleece ihre Bardenfähigkeiten ein: Sie singt herzergreifend schön Woodland Serenity, das sie von Kithain inspiriert in Mosstone komponiert hat. Das kommt aus heiterem Himmel und ist so unpassend in dieser hitzigen Atmosphäre, aber auch so rührend und fragil schön, und Fascinate betrifft jetzt die sieben Lautesten, die den Will-Save nicht schaffen und ihr nun gebannt zuhören. Es gibt keine wörtliche Suggestion (die ohnehin nur gegen einen ginge), aber die Intention ist auch über die Sprachbarriere hinweg klar.

 

Tatsächlich beruhigt sich die Situation, auch wenn immer noch durcheinander geredet und diskutiert wird. Jala tritt an Fleece heran und zischt sie wütend an, was das jetzt sollte. Fleece hätte Spiders Weg nicht gewählt, versteht aber, warum er diese Entscheidung getroffen hat, und demonstriert Einigkeit nach außen, indem sie sie verfechtet. Außerdem meint sie, dass der Kampfeslärm draußen doch wohl gereicht haben dürfte, ob man sich jetzt vielleicht langsam mal leiser verhalten möchte? Jala müsse ferner bitte verstehen, dass Fleece keine Untergebene Qudaras ist. Jala widerspricht wütend, dass Fleece doch sicher klar sei, dass nur einer das Kommando haben kann, und das sei nun mal Qudara. Fleece erwidert verärgert, dass Jala doch verdammt genau wisse, dass, wenn Fleece sich von Qudara wie ein Lakai behandeln lässt, Fleeces Chancen, den Dschungel lebend und mitsamt ihrer Besitztümer zu verlassen, massiv sinken – sie hat es schließlich mit Piraten zu tun! Darauf kann oder will Jala nichts erwidern. Ja, für den Zusammenhalt war dieser Zwischenfall Gift, aber er hat die Position von Fleeces Leuten gestärkt, und vor Spider hat man nun angemessenen Respekt, wenn nicht gar Angst. Mit jemandem, der in einem Wimpernschlag hinter dir stehen kann, ist nicht zu spaßen.

 

Fleece bemüht sich Jala gegenüber wieder um Konstruktivität, aber auch um Konsequenz: Die besten Chancen hat man in Kilmakar gemeinsam, aber wenn das nicht möglich ist, dann sollte man vielleicht besser getrennte Wege gehen. Ob die Piraten dabei jedoch auch die bestmögliche Beute machen, wenn sie nicht wissen, wo sie suchen sollen, ist natürlich die Frage...

 

Fleece ist überzeugt davon, dass die Suggestion bei Qudara sitzt, also kann diese nichts gegen sie und ihre Leute unternehmen. Dieser magische Zwang hält aber nur etwa 16 Stunden, also bis morgen früh, und was dann? Sie ist ja nach wie vor die Anführerin. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Ilur oder Sungai die Suggestion dispellen. Sie sind zwar beide niedrigstufige Magiewirker, aber Level-3-Sprüche haben sie im Repertoire.

 

Fleece liest die Piraten ganz genau: Buralba möchte sie ganz offensichtlich tot sehen, Kabil, Sirani, Maqaru, Morrin und Ilur sind ihr gegenüber nun auch deutlich feindseliger eingestellt. Die Pokerfaces von Sungai, Xarfai, Tianalu und Thunata kann Fleece nicht entschlüsseln. Baltram und Rimgal sind emotional klar auf ihrer Seite, müssen sich aber nach ihrer Anführerin richten und bedauern, dass es zu so einer offenen Konfrontation gekommen ist. Pashtal und Pasaz merkt sie an, dass es beiden wohl lieber wäre, Fleece hätte das Kommando – oder wenigstens überhaupt jemand anderes als Qudara. Von Jala weiß sie, dass sie Qudara nicht mag, aber Jala will dennoch ihre Pflicht erfüllen, und die besteht darin, Matoias Befehl auszuführen. J'oia hält es garantiert wie ihre Freundin.

 

Die Wachen kehren auf ihre Posten zurück, um das Gebäude zu sichern, und auf herkömmlichem Wege werden die Wunden versorgt. Sobald es weitergehen kann, konsultiert Meranilius den Stadtplan, von dem in den Archiven der Freien Universität eine Kopie für ihn angefertigt wurde, und Fleece spürt, wie manch einer ihm die Karte einfach entreißen möchte. Sie können nur raten, wo in etwa sie sind, und bewegen sich grob in die gewünschte Richtung, denn Meranilius will zu der alten Akademie.

 

Auf dem Weg passieren sie ein kleines Lager von Nerzul (einer molchartigen Echsenmenschen-Unterart), das Maqaru aber rechtzeitig genug bemerkt. Aus dem Hinterhalt greifen sie es an und strecken alle nieder, bevor sie Hilfe holen können. Die Geräusche von etwas Großem lassen aber alle aufschrecken, und schon naht ein tatsächlich wunderschönes Ungeheuer, das aussieht, als hätte man eine Kobra mit einem Koikarpfen und einem Löwen gekreuzt und das Resultat auf eine Größe gebracht, die mühelos auf Skaar hinabblickt. Das Wesen erschrickt vor den schreienden und schnell umherwimmelnden Menschen, aber auf Fleece wirkt es eher gestresst und nicht aggressiv. Die Piraten jedoch greifen natürlich alles an, was sich bewegt, und so versucht es, sich zu wehren, und schlägt und beißt zurück. Fleece ruft dazwischen, wird aber bei dem Krach nicht gehört. Bevor Spider oder Zhai sie aufhalten können, rennt sie los, mitten ins Getümmel, schubst den zuhackenden Morrin weg und versucht, die Piraten davon abzuhalten, das Tier abzuschlachten. Spider und Zhai verstehen nicht, was los ist, flankieren sie jedoch rechts und links und helfen ihr, und auch Skaar, J'avo, Baltram und Rimgal schließen sich daraufhin an, einfach weil sie Fleece kennen und wissen, dass sie weiß, was sie tut. Fleece wirft Charm Monster, und weil es angegriffen wird, erhält das Wesen +5 auf den Save, versagt aber trotzdem. Fleece schickt Detect Magic hinterher, stellt den aktiven Charm fest, weiß nun, dass sie Erfolg hatte, und macht damit weiter, sich den Piraten entgegenzuwerfen und zu schreien. Da das nichts nutzt und Qudara schreit, dass man bloß weiter angreifen solle, lässt sich Fleece von J'avo "Lasst das Tier in Ruhe" auf Tashalari vorsagen und wirft Mass Suggestion auf Qudara und ihre Mitstreiter. Ausgerechnet die nicht allzu helle Buralba schafft ihren Save, alle anderen hören endlich auf, auf die Kreatur einzuschlagen.

 

Das Tier ist verängstigt, kann sich aber auch nicht von Fleeces Anblick lösen. Die Bardin beruhigt es und legt ihre Hand auf die prächtig gemusterten Schuppen, während Jala die weniger Aggressiven unter den Piraten unter Kontrolle bringt. Zhai fragt Fleece flüsternd, was sie da tut, und Fleece antwortet nur, dass sie es selbst nicht weiß.

 

Eine Ahnung hat sie schon, denn sie fand ja, dass sich die Kreatur auf eine Art und Weise wehrte, die zeigte, dass sie kein Raubtier und nicht im Kampf erprobt ist, und wie da alle Piraten schreiend und mit wilden Grimassen auf sie einschlugen, tat sie ihr furchtbar leid. Aber ein großes Wesen, das nicht zum Kampf taugt, ist keine Verstärkung und diesen Zauber nüchtern betrachtet nicht "wert", zumal sich Fleece nun auch vor den Laien als (so etwas Ähnliches wie eine) Magierin zu erkennen gegeben hat. Dennoch ist sie heilfroh, die Angreifer gestoppt und dieses Leben gerettet zu haben. Bei ihren eigenen Leuten, die aus Reflex ein harmloses Tier angegriffen hätten, wäre sie vermutlich nicht mal eingeschritten, aber diesen Leuten gesteht sie das Recht nicht zu, so etwas Schönes unnötig zu töten. Sie nennt das Tier Sindel wie die treue Hündin des Helden aus dem Epos Der Nebelherr.

 

Qudara möchte Fleece einfach nur noch töten, ist aber wegen der Suggestion an einer Zusammenarbeit interessiert und hält tatsächlich Buralba und Kabil davon ab, auf die Bardin loszugehen. Jala wagt sich in die Nähe des Wesens, packt Fleece am Arm und zerrt sie zur Seite, um sie anzufauchen, was ihr einfällt, ständig Entscheidungen zu treffen. Sindel sieht Jala strafend an, und Fleece platzt der Kragen.

 

Fleece: Ich habe vor acht Jahren mein Abenteurerleben in Myth Drannor begonnen. Schon mal davon gehört? Und seitdem war ich an den gefährlichsten götterverlassenen Orten in ganz Faerûn: auf der Untoteninsel Xalaron in der Sea of Fallen Stars, im Gauntlet, in einer mulhorandischen Nekropole und in einem von Feuerriesen bewohnten Vulkan, in diversen Ruinen der Uraku und Alaru in Chult und Tashalar, in der von der Wüste Calim verschlungenen Stadt Zakkar und in der calishitischen Anderswelt Inziladun. Und ihr? (Schwer atmend starrt sie Jala aus großen, wütenden Augen an.) Ich habe jeden dieser Orte überlebt und dabei mehr Erfahrungen gesammelt als die gesamte Besatzung der Fleeting Passion zusammengenommen, also werde ich gewiss nicht wie eine Närrin blutigen Anfängern hinterherstolpern, sondern das tun, was ich immer tue: für den verdammten Erfolg sorgen!

 

Jala schnaubt verächtlich, hebt rückwärts gehend die Hände in einer bissig-spöttischen "Hey, mit so einer großen Heldin lege ich mich lieber nicht an"-Geste und wendet sich ab. Fleece tut es schon wieder leid, weil mit Jala die Falsche ihre Wut abbekommen hat, und Fleece hat schließlich die gesamte Mannschaft abqualifiziert, Jala inbegriffen. Spider jedoch flüstert ihr "Sehr gut" über die Schulter zu.

 

Fleece beruhigt sich, indem sie die Hand auf Sindels Brust legt. Sie hat ganz klar ihren Führungsanspruch geltend gemacht, muss sich nun aber auch überlegen, was sie mit Sindel eigentlich anstellen soll. Sie hat ja gerade so anschaulich argumentiert, dass alles, was sie tut, Hand und Fuß hat, also wohin mit dieser Kreatur, die zum Kämpfen wenig taugt, aber auch groß und auffällig ist und sie eher verrät, als ihr nützlich zu sein? Natürlich könnte sie den Charm mit einem Dispel von Sindel nehmen, aber damit müsste sie ja eingestehen, dass sie einen Fehler gemacht, mindestens aber aus einer unüberlegten Laune heraus gehandelt hat, und kann sie sich das den Piraten gegenüber leisten? Will sie das überhaupt? Ungeachtet der Tatsache, dass man hier in Kilmakar steht, von dem man schon viel gehört hat, wie gefährlich es ist, möchte sie so etwas Schönes nicht einfach wieder wegschicken. Aber sie wird es zurücklassen müssen, wissend, dass dieses Tier sie für die Dauer des Zaubers liebt.

 

Nun muss sie jedoch wirklich zwei weitere Heiltränke gegen Gift aus der Truhe holen, denn Sindel hat Thunata, Pasaz und Sirani mit ihren Bissen erwischt. Thunata hat den Biss weggesteckt, als wäre er nichts, aber die anderen beiden liegen bewusstlos da, und niemand weiß, was das Gift sonst noch bewirken mag.

 

Es beginnt wie jeden Tag zu schütten, und obendrein wird es bald dunkel, also ist es langsam an der Zeit, sich nach einem Lager umzusehen. Das ist nicht so einfach, da die Ruinenstadt teilweise unter Wasser steht, weil mehrere hier zusammenfließende Flüsse ihre einstigen wegen Begradigung oder Umleitung künstlich geschaffenen Flussbetten wieder verlassen haben.

 

Fleece fällt eine schmale, intakte Treppe auf, die zu einer Promenade führt, die sonst nur über einen langen Umweg die ansteigende Straße weiter geradeaus entlang zu erreichen ist. Wissend, dass Sindel diese Treppe nicht meistern kann, bittet Fleece Zhai, sich dort mal umzusehen, und in der Tat, dort oben könnte man sich in ein Gebäude zurückziehen, ein Wachposten hätte einen guten Blick auf diese Straße und zwei weitere würden Straße und Platz oben im Auge haben. Kurzerhand erklärt Fleece auf Alzhedo in Richtung Pashtal (da Jala gerade nicht in der Nähe ist und sie nicht denkt, dass Morrin für sie übersetzen würde), dass das da oben nach einem guten Lager aussieht, und geht nach einem traurigen Blick zu Sindel mit Meranilius, Spider und Skaar hinauf. Ob die anderen auch kommen, soll ihr nun herzlich egal sein.

 

Karmakar wurde teilweise in die Spalte eines riesigen Felsmassivs gebaut (jedenfalls der Palast des Ranas und die wichtigsten Verwaltungs- sowie die Wohngebäude der führenden Familien), was guten Schutz bot, aber der Rest des Geländes um den Cenote herum ist schon während der Blütezeit der Stadt versumpft, und nachdem sich niemand mehr darum kümmerte, umso mehr. Den Witterungseinflüssen und dem teilweise nachgebenden Boden ausgeliefert, haben die letzten Jahrhunderte der Stadt übel zugesetzt, aber dem grandiosen Baustil – der Maharana wollte schließlich die schönste Stadt des Reiches aus dem Boden stampfen – ist es zu verdanken, dass so viele Gebäude noch stabil stehen. In einem bezieht man nun Unterschlupf für die Nacht, und es wird Ruhe verordnet.

 

Bei der Wahl der Wachposten will Qudara ihre eigenen Leute einsetzen. Eigentlich hat die Expedition mit Spider und Zhai zwei Leute dabei, die im Dunkeln so gut sehen können wie am Tag und wenig Ruhe brauchen, und Skaar kann bei schlechtem Licht immer noch besser sehen als jeder Mensch. Aber Fleece will es nicht schon wieder eskalieren lassen und belässt es dabei.

 

J'oia fragt J'avo, was Fleece einfällt, ständig zu versuchen, Qudara das Kommando streitig zu machen, denn ihr muss doch klar sein, dass sie damit in ein Wespennest sticht. J'avo wiederholt den Tenor dessen, was Fleece auf Chondathanisch zu Jala gesagt und was fast niemand verstanden hatte, und stimmt Fleece darin zu. Er hat, seit er sich im Frühjahr 1373 DR in Marsember wiedergefunden hatte, sehr viel von ihr gehört und sie im letzten Spätsommer endlich kennen gelernt. Seitdem reist er mit ihr, und ja, die Gemeinschaft der Ersten Sonne ist offenbar ziemlich gut in dem, was sie tut, und Fleece nach allem, was er gehört und beobachtet hat, eine wirklich gute Anführerin. Qudara, meint J'avo leise, ist das nicht, beileibe nicht. J'oia widerspricht ihm nicht direkt, erinnert ihn aber daran, dass man sich gerade im Kampf gegen die gefürchtete Schwarze Armada blind auf den Nebenmann verlassen können muss, und Qudara hat schon vielen Piraten der Passion das Leben gerettet. Mag sein, erwidert J'avo, aber das macht einen nur zu einem guten Kämpfer, zu nichts anderem.

 

Währenddessen fragt Zhai Fleece vorsichtig, ob man nicht versuchen könnte, weitere Konfrontationen zu vermeiden.

 

Fleece: Zhai, wenn das hier Cormyr wäre, und wir reisten im Gefolge eines Barons, der einen Gnoll nicht von einem Troll unterscheiden kann, dann wüsste ich, was mich erwartet, wenn ich mich seinem Befehl nicht unterwerfe. Aber das hier ist nicht Cormyr, das ist Kilmakar, und Qudara ist keine Baronin, sondern eine Gesetzlose, die Gesetzlose anführt. Das sind 18 Köpfe, Zhai. Wir sind vier, Dr. Meranilius nicht mitgezählt. Wenn die—

Zhai: Rechnest du J'avo jetzt gerade zu den Piraten?

Fleece: Natürlich.

Zhai: Fleece, er würde nach allem, was wir miteinander durchgemacht haben, niemals—

Fleece: Das ist jetzt auch egal. 17 oder 18, vier oder fünf, das macht keinen Unterschied. Die wischen mit uns den Boden auf, wenn wir es zulassen. Es ist so schon fraglich, was sie tun werden, wenn wir es lebend aus dieser Stadt schaffen.

Zhai: Glaubst du, sie haben den Befehl, uns zu töten, wenn sie uns nicht mehr brauchen?

Fleece: Ich denke nicht, dass Matoia den geben würde. Aber Qudara könnte diese Entscheidung treffen, und sie hat hier das Kommando inne. Falls du es noch nicht bemerkt hast, wir haben hier nicht gerade viele offene Sympathisanten, und im Zweifel stellt sich niemand im letzten Moment auf die Verliererseite, wenn er sieht, dass das mit seinem Tod endet. Baltram nicht, Rimgal nicht und auch Pashtal nicht.

     Sie dürfen nicht vergessen, mit wem sie es zu tun haben. Wenn wir uns ihrem Befehl fügen, haben sie am Ende viel weniger Hemmungen, den Sack zuzumachen.

Zhai: Vielleicht siehst du zu schwarz, Fleece. Schau, sie sehen Skaar die ganze Zeit, diesen Riesen von einem Kerl.

Fleece: Zhai, du hast Tianalu kämpfen sehen. Ich bin nicht sicher, ob er einen Kampf gegen sie überleben würde – und das ist nur eine von ihnen. Spider würde durch seine Schattensprünge viele von ihnen mitnehmen. Deshalb ist es gut, dass er ihnen demonstriert hat, warum sie Angst vor ihm haben sollten. Skaar ist beeindruckend, aber nicht beeindruckend genug für anderthalb Dutzend. Spider schon.

Zhai: Und jetzt du. Ich meine, nun, wo sie wissen, dass du mehr kannst als hübsch singen.

Fleece: Einordnen können sie es allemal. Ich meine, sie haben Ilur und Rual, aber beide sind nicht besonders gut. Wenn es zu weiteren Kämpfen kommt – und davon gehe ich aus – und ich Anlass habe, meine Schreie einzusetzen, werden sie noch viel mehr Angst vor mir haben.

Zhai: Denkst du nicht, dass es vielleicht gerade die Angst davor ist, dass du sie Dinge tun lassen kannst, die sie nicht wollen... dass gerade das sie dazu ermutigen könnte, dich aus dem Weg zu schaffen?

Fleece: Ich weiß es nicht, Zhai. Ich weiß es nicht.

 

Die Piraten meiden die Abenteurer, und sei es nur, um nicht von Qudara beim Verbrüdern gesehen zu werden, die das dann nur in den falschen Hals bekäme. Wären die Helden weniger mächtig und wüsste man mehr darüber, was einen hier noch erwartet, hätten sie garantiert längst versucht, kurzen Prozess mit ihnen zu machen – natürlich unter für sie günstigen Bedingungen, damit die Abenteurer so wenig wie möglich von ihnen mitnehmen.

 

Alle, die schlafen (also alle außer Spider und Zhai) träumen in dieser Nacht schlecht, nicht in jedem, aber in vielen Fällen so, als hätten sie zu viel Lizardweed geraucht. Weil sich die meisten nach dem Aufwachen nicht mehr daran erinnern können, fällt es auch nicht auf, dass sie dies alle gemeinsam haben.

 

Es geht weiter, und bald pirscht die Expedition bei strahlendem Sonnenschein (von dem man wegen der offeneren Stadt auch mehr abbekommt) durch die Ruinen. Hinter jeder Ecke könnte etwas Unerfreuliches warten, also sind die Piraten vernünftig und überlassen nicht nur Xarfai und Maqaru, sondern auch Spider und Zhai (natürlich mit den Bernsteinlinsen vor den Augen) die Vorhut. Die erste Echsenpatrouille kann noch problemlos unschädlich gemacht werden, aber ohne das Wissen der Expedition kann einer flüchten und stillen Alarm geben. Nachdem sie einen Damm überquert haben (Uncharted – Lost Legacy, Encounter APC Attack, vom Start zurücklaufen), werden die Abenteurer in der Nähe eines Marktplatzes von einer plötzlich auftauchenden Patrouille kräftiger Maru auf selbigen gelenkt, und dort schlägt die Falle zu. Ein fetter Nerzul-Schamane sieht von einem noch gut erhaltenen Turm herunter und quetscht ein kleines, wie ein voller Blasebalg aufgepumptes Tier, das darauf einen gellenden, spitzen, langgezogenen Schrei ausstößt, und schlanke, bewegliche, ebenfalls gut ausgerüstete Iksar kommen unten aus ihren Verstecken in den Hauseingängen gesprungen.

 

Ilur und Rual buffen mit ihren niedrigstufigen Zaubern ihre Kameraden, und der offene Kampf auf dem überwucherten Marktplatz beginnt. Natürlich schert sich nun keiner der Piraten mehr darum, auf Meranilius aufzupassen, und auch Skaar ist nicht zu halten und stürzt sich in den Kampf. Eher, als ihr lieb ist, muss Fleece also mit Song of Discord und Shout loslegen, um dem Forscher und sich die meisten Gegner vom Hals zu halten. Danach macht sie mit Inspire Courage weiter, aktiviert aber Ixalan und hat ihr Schwert griffbereit, und hin und wieder schafft es einer durch die Linien, der aber schon HP-Abzüge hinter sich hat – da aber immer nur der entscheidende Schlag zählt, macht sie nach außen eine sehr gute Figur, wie sie nacheinander drei Gegner abräumt.

 

Inmitten der Kämpfenden breitet sich plötzlich eine giftgelbe Cloudkill-Wolke aus, aber Fleece kann keinen Magier entdecken. Zhai erspäht ihn in seinem Turm, zeigt hinauf und schreit Spider zu, und dieser kann mangels Schatten nicht den Weg durch den Schattengrund wählen, sondern muss per anstrengendem Schattensprung den weiten Weg zurücklegen. Er materialisiert sich an der Wand unterhalb des Fensters, klettert per Wallcrawl seitlich herum, gleitet mit Move Silently durch ein anderes Fenster hinein, doch der Check gelingt nur mäßig – der Schamane beschwört gerade etwas und ist abgelenkt, aber seine Iksar-Leibwachen werden auf Spider aufmerksam. In der Enge entbrennt also ein Kampf, aber zumindest kann der Schamane dadurch auch nicht zaubern.

 

Unten räumen Tianalu und Thunata auf wie Götter. Als Thunata seinen Säbel verliert, reißt er sich sein Oberteil vom Körper und zieht zwei Säbel aus seinen Rückentätowierungen, die sich grün leuchtend manifestieren. J'avo, der den beiden nicht das Wasser reichen kann, kriegt es dafür mit einem besonders bulligen, aggressiven Maru zu tun, und die beiden schenken sich nichts. Zhai, die sieht, dass er sich nicht um andere Gegner kümmern kann, hält ihm den Rücken frei, so gut es möglich ist, damit er sich auf seinen Gegner konzentrieren kann.

 

Im Turm erledigt Spider einen seiner beiden Gegner, springt per Shadow Jump hinter den anderen, um auch ihn zu töten, wird aber nun von dem Nerzul wie ein Fliegengewicht am Hals gepackt – der Schamane ist ja obendrein auch noch sehr massiv und bärenstark – und kurzerhand aus dem Fenster geworfen. Der Boden rast auf Spider zu, und in letzter Sekunde rettet ihn ein weiterer Shadow Jump, doch seine HP schmilzen wie Butter in der Sonne. Der Nerzul setzt nun ungestört seine Beschwörung fort. Spider sieht wieder zum Turm und überlegt kurz, ob er sich noch einen weiten Sprung leisten oder an der Wand hochklettern soll, als er ein Brüllen hört: Am anderen Ende des Marktplatzes ist ein gigantisches Reptil aufgetaucht (Erinnerungen an den Koloss in #28 – THE SHINING SOUTH werden wach), das gerade Pasaz zerbeißt und die beiden Hälften in die Piraten schleudert. Panik breitet sich nun unter diesen aus.

 

Fleece und Meranilius stehen quasi direkt neben dem riesigen Monster, als es wie aus dem Nichts auftaucht. Aus einem Reflex heraus stößt Fleece den alten Forscher in einen Hauseingang und rennt um ihr Leben, dicht hinter ihr Jala, die gerade vor zwei Angreifern zurückgewichen war, welche dem Ungetüm nun aber selber respektvoll Platz machen. Fleece sieht die Straße entlang, in die gerade ein durchgehend mit Bögen bewaffneter Iksar-Trupp einbiegt und anlegt. Fleece zwängt sich in den erstbesten durch das Licht im Dunkeln liegenden Eingang, stoppt aber im letzten Moment: Hier ist der Boden weggebrochen, stattdessen führt ein steiler Abhang aus Erde und Schutt zu einer abrupten Kante, hinter der ein Wasserfall tost. Nun aber stößt die nachfolgende Jala gegen die abrupt stehen gebliebene Fleece, und beide kippen vornüber und rutschen die Schräge hinab.

 

Davon bekommen Zhai und Skaar nichts mit, als Erstere versucht, Letzteren dazu zu bringen, vor dem Ungeheuer wegzulaufen. Bestimmt sei Fleece da vorne bei den anderen, und die müsse er doch beschützen, oder?

 

J'avo ist schwer mitgenommen, sein Gegner lässt ebenso wenig anbrennen wie er. Als ihm der Maru auch noch die Keule aus der Hand schlägt, wirft sich J'avo gegen ihn, damit er nicht nachsetzen kann, zieht die Zweitwaffe des Maru aus dessen Gürtel und durchbohrt ihn. Er grinst ungläubig über seinen Sieg über diesen harten Gegner, aber das Grinsen erstirbt, als angsterfüllte Piraten rechts und links an ihm vorbeilaufen – und er hinterher, und dann mit schwerem Stampfen das riesige Ungeheuer.

 

Spider klopft im Vorbeirennen auf die stehen gebliebene Truhe, damit sie ihm folgt (noch immer liegt die zweite Bindung auf ihm), wirft sich gegen Meranilius, der immer noch in seinem Hauseingang kauert, und erschafft um sie herum Dunkelheit, so dass der Eingang im Kontrast mit dem starken Sonnenlicht leer wirkt, und die zahlreichen Echsenmenschen rennen an ihnen vorbei.

 

Neben J'avo rennt Rimgal, aber ein Iksar bleibt stehen und wirft ihm seinen Speer in den Rücken. Rimgal fällt vornüber, ruft J'avo noch um Hilfe an, doch das Ungeheuer trampelt ihn, ohne hinzusehen, zu Tode. Ilur hat dreimal Blindness vorbereitet, verhaut beim panischen Davonlaufen aber zwei Concentration-Checks, und der dritte funktioniert zwar endlich, aber dafür besteht das Monster den Fort-Save. Sungai wirft seinen höchsten Zauber, Confusion, schafft seinen Concentration-Check, und das Ungetüm besteht seinen Will-Save nicht. Eine 89 auf dem Prozentwurf lässt es die ihm nächsten Iksar attackieren, so dass die Flüchtenden ihren Vorsprung ausbauen können.

 

Spider wartet ab, bis alles komplett ruhig geworden ist, schaut dann vorsichtig hinaus und kann auch im Turm niemanden mehr entdecken. Allein schleicht er zu dem Durchgang, in dem er Fleece hat verschwinden sehen.

 

Die ist zusammen mit Jala die Schräge runtergerutscht, gegen einen Felsen geknallt und hat sich dabei ein Bein gebrochen, aber so konnte sich wenigstens Jala an ihr festhalten, weil ihre Rutschpartie damit beendet wurde. Unter Schmerzen ruft Fleece hinauf, dass sie Bonemend-Salbe braucht, und Spider möge bitte noch ein paar Tränke und seinen Lichtstein mitbringen. Spider holt das Gewünschte aus der Truhe, aber es führt kein sicherer Weg hinunter (und hoch schon gar nicht), so dass er per Schattensprung hinab muss.

 

Fleece reibt sich mit einem unterdrückten Schrei die magische Salbe in die Haut, und der Knochen richtet sich knirschend wieder. Hoch kann man nicht, denn für das Seil in der Truhe ist die Distanz zu groß, und das andere trägt Skaar. Ach, wäre doch nur Valmaxian hier... Fleece bittet Spider also, sich um Meranilius und die Truhe zu kümmern und sich in die Richtung zu bewegen, die die beiden hier unten auch nehmen müssen, und belegt ihn mit Speechlink, so dass sie sich zumindest für fast drei Stunden verständigen können. Hoffentlich finden sie in dieser Zeit einen Weg, der sie zusammen- statt weiter voneinander wegführt.

 

Spider, schon etwas mitgenommen auf Grund der Kraftanstrengungen durch die Schattensprünge, springt wieder hoch, und Fleece und Jala sind allein und suchen sich ihren Weg (Uncharted – Lost Legacy, Save 4). Spider sieht sich oben um, als suche er etwas, und scheint es dann zu finden.

 

Die geflohenen Piraten versammeln sich schwer atmend oder sogar vor weichen Knien zusammenbrechend wieder. Es fehlen Fleece, Meranilius, Spider, Jala, Pasaz, Rimgal und Morrin. Die drei Letzteren hat je mindestens einer sterben sehen. Während sich Skaar bei Zhai beschwert, dass Fleece nicht hier ist, wie sie gesagt hatte, meint J'oia (natürlich auf Tashalari), dass sie zurück müssen, um Jala zu finden. Qudara widerspricht: Mit Verlusten ist zu rechnen, und in der Richtung, aus der sie kommen, lauert die bisher mit Abstand größte Gefahr. J'avo springt J'oia bei, was Kabil zu einem verächtlichen Kommentar über Zuma veranlasst. Zhai will wissen, was los ist, und J'avo, der sich auf die Diskussion konzentrieren will, übersetzt nur knapp, aber Zhai schaltet schnell und fordert ihn auf, auf Meranilius hinzuweisen.

 

J'avo: Gute Idee. (Auf Tashalari zu allen:) Wir brauchen den Forscher.

Kabil: Dieser alte Sack Scheiße wäre besser gar nicht erst hergekommen.

Sirani: Ein alter Mann hat im Dschungel nichts verloren.

J'avo: Na ja, ich meine ja nur, wir sind ja dahin gegangen, wo er hinging. Vielleicht hab ich's nur nicht mitgekriegt, aber ich hab bisher noch keine Beute gesehen. Nur sehr viel Moos und Stein.

Qudara: Wir finden schon etwas. Wir gehen weiter.

J'avo: Und wo willst du suchen? Die Stadt ist groß.

Qudara: Ich sagte, wir gehen weiter, Zuma.

J'avo: Der Stadtplan ist auch beim alten Mann. Wenigstens der wäre ganz nützlich.

Qudara (tritt dicht an J'avo heran, muss zwar zu ihm hochsehen, wirkt aber trotzdem bedrohlich): Hast du ein Problem mit deinen Ohren?

Pashtal (beruhigend): Qudara, er hat Recht. Wohin wollen wir gehen?

Qudara (J'avo nicht aus den Augen lassend): Nicht zu diesem riesigen Ungeheuer, so viel steht fest.

J'avo (ruhig lächelnd): Ein bisschen Mut gehört schon dazu. (Qudara wird unübersehbar wütender.)

J'oia: Rual kann in die Ferne blicken. Vielleicht reicht es, wenn wir uns dem Platz nähern. Wie weit kannst du sehen, Sungai?

Sungai: 200 Schritt vielleicht.

Buralba (aufbrausend): Zurück zu diesem Monster, das ist doch idiotisch!

J'oia: Wer vor jedem Schritt Angst hat, hätte gar nicht erst nach Kilmakar kommen dürfen.

Buralba (stapft wütend auf J'oia zu): Nennst du mich feige, Cyclopaiurash? (Schimpfwort, zusammengezogen aus Zyklopäer und Hure.)

J'oia: Wenn du dich traust, mich anzufassen, dann nicht, du Butterfass.

Qudara (laut): Ruhe! (Sie sah bis jetzt immer noch den entspannten J'avo an, blickt nun zu den anderen.) Rual wird aus der Ferne sehen, ob die Luft rein ist.

J'avo: Gute Idee.

 

Das war natürlich sehr ironisch gemeint, da der Einfall ja nicht von Qudara kam, aber J'avo lächelt dabei so gelassen, dass Qudara nicht sicher sein, sondern es nur annehmen kann.

 

Fleeces und Jalas Weg führt sie in eine wunderschöne Grotte (Uncharted – Lost Legacy, Save 3), aus der kein Weg zu führen scheint, bis Jala das unter Wasser stehende Loch in der Wand findet. Bald sind sie fernab von Tageslicht, und Fleece holt den Gwen Petryl hervor. Geduckt kriechen sie durch eingestürzte Gänge, und es fühlt sich immer unwahrscheinlicher an, dass sie gerade einen Weg nehmen, der zufällig die Straße, von der sie kommen, kreuzen wird, was Fleece Spider via Speechlink auch mitteilt.

 

Nachdem sich die auf 16 Köpfe zusammengeschrumpfte Schar weit genug genähert hat, wirft Rual Clairvoyance und sieht sich in alle Richtungen auf dem Marktplatz um: Die Luft scheint rein zu sein. Vorsichtig kehrt man zurück und sieht auch die Leichen von Rimgal, Pasaz und Morrin. Baltram kniet völlig erschöpft bei seinem letzten Kameraden nieder, und Zhai sieht ihm an: Er kann emotional einfach nicht mehr. Wie viel soll er noch ertragen? Sie lässt ihn mit Rimgal allein und läuft weiter in der Hoffnung, irgendein Zeichen auf den Verbleib ihrer Freunde zu finden.

 

Spider und Meranilius schleichen ganz allein durch die Stadt, wobei Spider alles hört, was Fleece sagt (und umgekehrt), so dass er sich mit guten Würfen auf Dungeoneering orientiert und immer in etwa dieselbe Richtung einhält, selbst wenn er mal einen Umweg machen muss, weil wieder ein Echsenmenschenlager zu sehen ist. Meranilius trägt einen Arm voll teils abgebrochener Speere.

 

Zhai erklettert ein paar niedrige Ruinen, um einen etwas besseren Blick auf den Marktplatz zu haben, und plötzlich fällt ihr mit einem gelungenen Spot-Check auf, dass inmitten der Leichen zwei Speere leicht gekreuzt auf dem Boden liegen – Zufall, sähe sie dasselbe nicht 20 Yards weiter. Das sind Pfeile, die einen von sechs Wegen anzeigen, die vom Platz abgehen. Sie macht die anderen darauf aufmerksam, es wird noch etwas herumdiskutiert, aber letztlich folgt man den Pfeilen.

 

Fleece und Jala, die seit ihrem Aufbruch öfter aneinandergeraten sind, was im gestrigen Abend kulminierte, beschränken ihre Kommunikation auf das Wesentliche, um hier endlich wieder rauszukommen, zumal die lichtlosen Gewölbe, in die sie vordringen, immer klaustrophobischer werden und von Jahrhunderte alten Skeletten übersät sind, die hier unten von Wetter, Flora und Fauna unbeeinflusst vor sich hinrotten konnten. Endlich öffnet sich wieder alles, von ferne hören sie rauschende Wasserfälle, und von weit oben dringt Tageslicht zu ihnen herab – sie haben es in einen Spalt des Felsens geschafft, in den Karmakar einst gebaut wurde (Uncharted – Lost Legacy, Save 5). Unglaublicherweise treffen sie hier unten auf Sindel, die sie hinter einer Ecke züngelnd erwartet. Fleece fragt sich, ob sie ihre Witterung aufgenommen hat, und kann nicht ausschließen, dass dieses fremdartige Wesen über angeborene magische Fähigkeiten verfügt, auf die ihr Detect Magic logischerweise nicht anspringt, wenn sie sie gerade nicht einsetzt.

 

Erleichtert darüber, endlich die finsteren, einsturzgefährdeten Gänge hinter sich gelassen zu haben, begrüßt Fleece Sindel, die Fleece ausgiebig bezüngelt. Aus einem Impuls heraus steigt diese auf eine Brüstung und von dort auf Sindels Rücken und bedeutet Jala, es ihr nachzutun. Sie weiß, wegen des Charms wird Sindel ihr folgen und sich nicht rühren, wenn Fleece es nicht tut, aber wenn sie Fleece mitnimmt, geht sie vielleicht dorthin, wohin ihr Instinkt sie führt, denn irgendwie muss sie ja auch hierher gekommen sein.

 

In den vergangenen Jahrhunderten ist der Urwald in der riesigen Felsspalte ungehindert gediehen, und auf einem magisch anmutenden Wesen durch selbigen zu reiten, obendrein in einem Felsmassiv, das den Himmel ersetzt und nur hier und da Sonnenstrahlen durchlässt, während die Urwaldgeräusche durch die Höhlenakustik hallen, sorgt für eine ganz besondere Atmosphäre, die Fleece Spider via Speechlink zu beschreiben versucht. Jala fragt sich, wie man in so einer aussichtslos wirkenden Situation so gelöst und positiv die Wunder beschreiben kann, die sich ihnen darbieten, wird aber ein wenig davon angesteckt und meint, dass Fleece das wohl wirklich öfter tue – womit sie Fleeces sehr harsche Zurechtweisung wiederaufgreift. Fleece schweigt einen Moment, setzt dann aber zu einer Entgegnung an.

 

Fleece: Wegen gestern Abend... Schau, Jala... Ich bin es gewohnt, dass sich alle auf mich verlassen. Wann immer es eine schwierige Entscheidung zu treffen gilt, ruhen viele, viele Augenpaare immer wieder auf mir – und von meinen Entscheidungen hängen die Leben derer ab, die mir lieb und teuer sind. Je mehr man in diesem Leben erlebt hat, umso schwerer fällt es, sich unterzuordnen, weißt du? Niemand ist frei von Fehlern, und... na ja, ich nehme an, meiner liegt darin, zum Hochmut zu neigen.

Jala (nach einer Pause): Immerhin siehst du's ein.

Fleece sieht erstaunt zu Jala zurück, die mit einem Grinsen erwidert, und beide müssen lachen.

Fleece: Ich möchte dich um Entschuldigung bitten, Jala. Manche Dinge hätte ich besser nicht gesagt – oder jedenfalls nicht so. In jedem Fall trafen sie die Falsche.

Jala (nickt deutlich): Lassen wir das hinter uns, hm?

Fleece: Ähm... (Sie sieht sich um und lacht beeindruckt.) Schau!

 

Sie waren so aufeinander konzentriert, dass sie nicht darauf geachtet hatten, dass Sindel in einem kleinen, kristallklaren See stehen geblieben ist, der von einem Wasserfall gespeist wird. Der Ausblick nach oben zu dem bisschen Himmel, das von hier zu sehen ist, ist fantastisch. Am Rande des Sees führen verzierte Stufen hinauf, die sich an der Felswand nach oben ziehen – gewiss war das früher eine der Wasserquellen. Sie folgen den Stufen (ohne die Uncharted-Kletterpassagen) und erreichen einen teilweise eingestürzten Torbogen, über den sich ein Wasserfall ergießt, der den Ausblick versperrt. Sie durchqueren ihn, und beiden stockt der Atem: Der prunkvolle Teil Karmakars mit dem Palast des Ranas, gebaut in die Felswände mit zahlreichen Wasserfällen, ist nur teilweise verfallen, teilweise sieht er wohl noch immer so aus wie vor 200 Jahren.

 

Links führt ein Balkon an der Wand entlang, der aber nach wenigen Schritten abgebrochen ist, so dass die beiden nur eines der zahllosen Fenster in dieser Schlucht nehmen können. Durch dieses kann Sindel nicht folgen. In der Annahme, dass es ein zu großer Zufall gewesen sein müsste, dass sie hier wieder auf Sindel stößt, instruiert Fleece Spider, die Augen nach der Kreatur offen zu halten und ihr zu folgen – vielleicht wird sie sich einen Weg zu Fleece suchen.

 

Fleece verabschiedet sich also erneut von Sindel – fürs Erste, wie sie hofft –, und Jala und sie landen in einem Bad (Uncharted – Lost Legacy, Save 6), in dem jedoch beide Gänge, die hinaus führen, eingestürzt sind. Sie können aber durch den Kanal tauchen, der es speist, und finden sich in einem naturbelassenen See wieder, zu dem wiederum prachtvolle Treppen hinabführen. Hier sind einst garantiert einige der Granden Karmakars ihre Runden geschwommen, und von diesem See führen andere Kanäle zu anderen Bädern. Über dem Wasser geht es von hier aus in einen sehr gut erhaltenen Raum, in dem zahlreiche Kunstgegenstände und (leider verrottete) Schriften zu finden sind. Jala flucht, denn genau danach haben sie gesucht, aber die schönsten Kostbarkeiten sind viel zu groß, zu schwer oder zu sperrig, um sie mitzunehmen, zumal sie jetzt nur zu zweit sind. Fleece beruhigt sie: Die werden ihnen nichts nützen, wenn sie tot sind, also suchen sie besser erst mal einen Weg hier raus.

 

Der Gang danach ist nur teilweise eingestürzt, aber noch passierbar, doch die Brücke danach, die einst über eine wunderschöne Grotte unter ihnen führte, ist längst eingestürzt. Auch wenn sie es irgendwie auf die andere Seite schaffen: Die Kunstwerke hinter ihnen kriegen sie nicht aus Kilmakar heraus. Jetzt bleibt ihnen nichts übrig, als ins Wasser zu springen und das Beste zu hoffen, denn die Grotte muss ja früher auch erreichbar gewesen sein. Sie finden einen unter Wasser stehenden Gang, müssen die Wurzeln beiseite drücken, die sie am Weitertauchen hindern, und schaffen es mit der letzten Atemluft auf die andere Seite – in eine weitere, diesmal naturbelassene Grotte. Mühsam erklettern und erspringen sie sich ihren Weg, wobei auch mal ein Check daneben geht – anstatt in den Tod geht es aber nur wieder ins Wasser zurück.

 

Oben geht es durch einen weiteren eingestürzten und daher klaustrophobisch engen Gang, in dem Fleece auch kurz stecken bleibt und ihre Panik runterkämpfen muss. Beide Frauen sind nicht sonderlich muskulös, nicht gerüstet und sehr leicht bekleidet – anderenfalls hätten sie keine Chance darauf, durchzukommen. Sie erreichen die Grotte wieder von oben, tasten sich links aber auf einem einsturzgefährdeten Balkon zur anderen Seite entlang, zu der einst die Brücke geführt hatte. In dem nächsten prächtigen Bad angekommen schaut Fleece noch mal zurück und bedauert, diese Bilder nicht festhalten zu können. Wie oft schon hat sie sich gewünscht, einen Maler dabeizuhaben, der irgendwie im Nu Gemälde von den unglaublichsten Anblicken erschafft, die ihre Augen schon sehen durften. Jala fragt ratlos und aus der Puste, wie sie jetzt an einen solchen Unsinn denken kann, und geht weiter. Auch dieses Bad hat eine Wasserspeisung, die durchtaucht werden kann, und eine winzige Höhle bietet kurz Zeit zum Luftholen. Sie zwängen sich einen langen, halb unter Wasser stehenden, erneut schrecklich engen Riss im Felsmassiv entlang und scherzen herum, um die eigene Angst zu besiegen, aber als sich der Spalt öffnet, breitet sich ein Lächeln auf Jalas Gesicht aus.

 

Regen setzt ein, und wie jeden Tag gießt es bald wie aus Eimern, was die Ruinenstadt erscheinen lässt, als liege sie in einem grünlichen Nebel. Spider markiert gerade wieder eine Kreuzung mit zwei Speeren, sieht sich um, hört Fleece, die von guten Neuigkeiten berichtet, drückt Meranilius in einen Eingang und klettert per Wallcrawl die schräge Fassade eines abgesackten Gebäudes hinauf, um sich von oben einen Überblick zu verschaffen.

 

Zhai ist einmal falsch abgebogen, hat dann sehr lange mit dem Umkehren gewartet, bis sie wirklich sicher war, dass keine weitere Markierung kommt, und sich bei der Rückkehr verlaufen, da durch den Wildwuchs viele Ecken gleich aussehen. Xarfai konnte von oben aber die richtige Route wiederfinden. Alle sind bis auf die Knochen nass und können im Regen nicht gut sehen und erschrecken dementsprechend, als Spider auftaucht, sie zu sich winkt und weiterläuft. Sie folgen ihm nach einigen nervösen Blicken ins Innere eines einst garantiert schönen, aber verfallenen Gebäudes, wo es halbwegs trocken ist, und finden Spider, Meranilius, Fleece, Jala und Sindel vor. Nachdem Fleece Spider mitgeteilt hatte, dass sie auf einer breiten Prachtstraße (auf der dem Cenote abgewandten Seite) gelandet war, hielt er nach Sindel Ausschau, und das Tier tauchte tatsächlich irgendwann auf und führte ihn zur richtigen Straße.

 

J'oia umarmt Jala erleichtert, und diese macht auch auf Tashalari darauf aufmerksam, dass sie ohne Sindel nicht wieder zusammengefunden hätten. Jedenfalls haben sie den Zugang zum Palastviertel entdeckt, und Jala lässt ihre Kameraden natürlich wissen, dass dort vieles so wirkt, als sei noch kein Schatzsucher dorthin vorgedrungen – sie haben bereits einige (leider unzugängliche Schätze) entdeckt. Allerdings informiert sie ihre Leute auch darüber, dass Spider, während er nach Sindel Ausschau hielt, Leute beobachtet hat. Genaueres war nicht zu erkennen, weil sie Mäntel mit Kapuzen gegen den Regen trugen, aber es waren definitiv keine Echsenmenschen. J'oia fragt sich, ob wohl auch andere Schatzsucher gerade in Kilmakar seien. Jala erwidert, das habe sie auch gleich angenommen, aber Spider sagte, dass sie sich wie Ortskundige bewegten, die von A nach B wollen, nicht wie Abenteurer, die hinter jeder Ecke Echsenmenschen oder Raubtiere vermuten müssen. Qudara schnaubt verächtlich in "Was weiß der schon?"-Manier. Das ändere nichts, sagt sie.

 

Qudara will natürlich zum Palast des Ranas, Meranilius dagegen zur Akademie. Fleece meint, dass sich ihre Wege hier dann wohl besser trennen. Natürlich ist die Suggestion längst verflogen, und Qudara befiehlt, dass alle zum Palast gehen – je mehr sie sind, desto größer die Überlebenschancen und umso mehr können die Beute tragen. Anstatt zu übersetzen, widerspricht ihr Jala: Das war nicht der Plan. Qudara erwidert, jetzt sei er es. Nun mischt sich auch J'oia ein: Was Qudara glaube, was passiert, wenn sie die Abenteurer dazu zwingen will, und ob sie denke, dass das, was gestern Abend geschah, dann nicht wieder geschehen würde (womit sie natürlich Spiders Einschreiten meint).

 

Fleece, Zhai, Spider und Skaar verstehen kein Wort, aber Fleece liest den Raum und ahnt, was los ist. Sie tritt beiläufig hinter Skaar, als wolle sie nur um ihn herumgehen – sein breites Kreuz schirmt sie vor Blicken ab –, flüstert die magischen Worte und vollführt die Gesten von Voice of the Dragon. Wenn diese verdammte Sprachbarriere nicht wäre! Und wenn sie doch nur J'avo trauen könnte...

 

Die Piraten streiten währenddessen erhitzt herum, wobei klar ist, dass Jala und J'oia allein gegen Qudara, Buralba, Kabil, Sirani und Maqaru stehen, während sich die anderen nicht beteiligen.

 

Fleece: Jala?

Jala: Qudara will, dass alle zum Palast gehen.

Fleece: Denkst du nicht, dass ihre Entscheidungen dein Leben noch stärker gefährden werden, als es ohnehin bereits ist? (Diplomacy inkl. VotD-Bonus: 34.)

Qudara (auf Tashalari): Hör auf, mit ihr zu diskutieren! Sag ihr, was sie wissen muss, und dann hat sie zu gehorchen!

Fleece (sehr einschüchternd zu Qudara auf Chondathanisch): Schweig! (Intimidate inkl. VotD-Bonus: 33. Nun halten plötzlich sämtliche Piraten den Mund.) Jala? (Jala sieht Fleece unschlüssig an.) Schließ dich uns an.

 

J'oia sieht Jala bohrend an, denn im Gegensatz zu Jala versteht sie nicht, was Fleece sagt. Jala erwidert J'oias Blick, sieht zu Fleece, dann zu Qudara, dann wieder zu J'oia, kurz deutend zu Fleece und dann wieder fragend zu J'oia. J'oia atmet durch, nickt aber grimmig, und beide treten zu Fleece. Qudara flippt aus, was hier vor sich gehe, und hat die Hand auf dem Griff ihres Säbels, aber Fleece funkelt sie immer noch eiskalt an, und der magisch unterstützte Intimidate-Wurf war zu gut, als dass Qudara die offene Konfrontation wünschte. Damit ist ihr ihre schärfste Waffe genommen worden, und ihre Position beginnt zu wackeln.

 

J'avo, Baltram und Pashtal treten nun zu Fleece, und daraufhin auch Xarfai, dem Sungai mit überrascht hochgezogenen Augen hinterhersieht. Schließlich tauschen auch Thunata und Tianalu einen Blick, und Fleece hat angesichts ihrer Körpersprache und ihrer leicht abseitigen Positionierung den Eindruck, dass sie sich nicht mit Qudara solidarisieren, ihr aber auch nicht den Rücken kehren wollen. Zumindest aber stehen noch Buralba, Sirani, Maqaru, Kabil, Ilur und Sungai dicht bei Qudara.

 

Also entweder elf zu neun oder elf zu sieben plus zwei Enthaltungen: so oder so deutlich genug. Fleece bittet Jala, zu übersetzen, und sagt in die Richtung von Qudara und ihren Leuten, dass sie es auf eigene Faust versuchen dürfen, wenn sie möchten. Klüger wäre es jedoch, an einem Strang zu ziehen, denn gemeinsam sind sie am stärksten. Aber wer Fleece begleitet, wird sich nach ihr richten müssen.

 

Natürlich wäre es am vernünftigsten, zusammenzuhalten, aber Qudara nimmt diesen "Verrat" persönlich und würde sich niemals dieser dummen Schlampe aus dem Norden unterordnen. Trotzig erwidert sie Fleeces Blick und befiehlt den Abmarsch, und sie und ihre sechs Leute verlassen das Gebäude. Tianalu und Thunata scheinen jeder für sich zu überlegen, aber letztlich folgen beide Qudara nicht.

 

Fleece entschuldigt sich bei Jala, sie so unter Zugzwang gesetzt zu haben, aber Fleece muss auf ihre eigenen Leute aufpassen, und Qudara gefährdet mit jeder dummen, eigensinnigen Entscheidung ihre Leben, und das kann Fleece nicht zulassen. Jala übersetzt J'oias Bemerkung, dass das dicke Ende erst noch kommt, wenn man wieder die Fleeting Passion erreicht. Fleece entgegnet sachlich, dass Matoia nicht vor falschen Entscheidungen gefeit ist. Einem Menschen wie Qudara überträgt man keine Verantwortung für andere, verleiht ihr keine Machtposition. Nicht Uraba sollte Matoias rechte Hand sein, sondern Jala, und nicht Qudara sollte Urabas rechte Hand sein, sondern J'oia die von Jala.

 

Fleece bittet Jala, sich auch bei Thunata und Tianalu für ihre Unterstützung zu bedanken, aber die beiden erwidern darauf nichts. Auch wenn es sich um Gesetzlose handelt und nicht um Soldaten: Garantiert hat sich auch hier niemand die Entscheidung leicht gemacht, den eingesetzten Anführer zu verraten.

 

Jetzt sind sie also 13. Fleece lässt ihren Blick schweifen, setzt sich dann ganz langsam auf den Boden und bedeutet allen mit ruhigen Gesten, es ihr nachzutun, und bittet Jala erneut, zu übersetzen. Zum Main Theme von Legends of the Fall erzählt Fleece davon, wie sich in #28 – THE SHINING SOUTH Fleece, Theon, Cordian, Jewel, Jen, Raif, Kithain, Ashe, Raveena und Nefirti im Vault von New Crimmor in einem unübersichtlichen Gewirr von übereinander und parallel verlaufenden Stegen zahlloser Echsenmenschen erwehren mussten: Cordian war abgestürzt und seines Schilds und seiner Waffe verlustig gegangen und konnte sich gerade noch an einem Seil festhalten, das jedoch unbefestigt war. Jen warf sich darauf, um es festzuhalten, musste dafür aber die Verteidigung nach oben aufgeben und nun selbst von Raveena und Nefirti verteidigt werden, denn sie hielt das Seil nur mit einem Knie und beiden Händen fest, doch da es auf den Bodenplanken auflag, vermochte sie nur zuzudrücken, so fest sie konnte, greifen konnte sie es nicht. Da baumelte Cordian nun wehrlos vor den heranstürmenden Echsenmenschen... Kithain konnte mit ihrem Bogen lediglich die Gegner auf der gegenüberliegenden Seite von den Stegen holen, nicht aber die unter ihr auf der eigenen, denn diese kamen auf das Geländer zugerannt und stachen mit ihren Speeren nach Cordian, und nur mit Müh und Not konnte er sie beiseite treten und stets vor- und zurückschwingen, um ein schwierigeres Ziel zu bieten, während Fleece und Jewel ihr Bestes taten, Jen zu entlasten. Ashe beschwor mit dem Stab des Narzod einen Reaper und platzierte ihn direkt zwischen den Verteidigern und den Angreifern mit dem Befehl, alle Echsenmenschen zu töten und von der Gruppe fortzutreiben. Dafür jedoch kamen von unten zu viele Echsenmenschen hoch – nicht mehr nur über die Leitern, sondern auch auf dem Rücken eines Dracotauren –, so dass die Stellung aufgegeben werden musste. Raif und Theon, vom Reaper abgelöst, zogen den von Jen gehaltenen Cordian hoch, und Jewel schrie Ashe an, den Rückzug zu decken, woraufhin dieser einen Wraith beschwor, den er am Kopf der Leitern postierte. Unglaublicherweise kamen hier alle mit dem Leben davon.

 

Sie erzählt so gefühlvoll und packend und anschaulich, dass Jala mit dem Übersetzen kaum hinterherkommt. Die Piratin formuliert es auf Tashalari nicht annähernd so kunstvoll, aber Fleeces leuchtende Augen und ihr Tonfall machen hier den Unterschied. Der Oratory-Check inkl. VotD-Bonus ergibt 37, und Fleece wirkt Fascinate und beendet die Erzählung mit der Moral der Geschichte: Jeder steht für jeden ein, keiner wird im Stich gelassen. "Das ist, was wir tun."

 

Sie lässt alle noch eine Stunde ausruhen, dann geht es weiter. Während ihrer Rast hatte der Wolkenguss aufgehört, doch nun regnet es leicht, aber beständig. Spider, Zhai und Xarfai übernehmen als Vorhut die Führung durch die Ruinenstadt im Dschungel, und Erinnerungen an Parlainth werden wach. Ihren guten Hide- und Spot-Checks ist es zu verdanken, dass sie die Gruppe von einer beeindruckenden Echsenpatrouille weglenken können: Iksar auf prachtvoll gerüsteten Reitechsen, dazu ein ebenso aufwändig geschmückter mutierter Maru, der fast Skaars Größe erreicht, aber sehr viel mehr Masse hat – Meranilius gehen die Augen über, denn so müssen sie damals zu ihrer Hochzeit ausgesehen haben.

 

Erleichtert, sich nicht mit denen angelegt zu haben, schleichen sie weiter, doch bald hören sie von weit her ganz leise Schreie und Kampfgeräusche – Qudaras Leute müssen ihnen in die Arme gelaufen sein. Fleece möchte das wirklich ignorieren und weitergehen, aber sie weiß, dass das bei Jala und den anderen Piraten wohl nicht gut ankäme. Spider und Xarfai erklettern höhere Punkte, können aber von hier nichts sehen. Schweren Herzens lässt Fleece umkehren, und alle bewegen sich eilig in die Richtung.

 

Plötzlich werden sie von Sungai Rual erschreckt, der sich hinter einem zusammengestürzten Torbogen versteckt hatte. Er berichtet, dass diese Patrouille aus dem Nichts auftauchte (tatsächlich hat sie niemand gehört, weil die Piraten leichtsinnig und undiszipliniert auf offener Straße herumdiskutiert haben, aber das erwähnt er lieber nicht), und nach einem kurzen Kampf ergaben sich alle und wurden mitgenommen.

 

Als hätte sie Qudara nicht schon genug gehasst, wird Fleece nun noch wütender auf sie, denn sie kann unmöglich weitermachen, als wäre nichts gewesen, und nicht wenigstens versuchen, sie zu befreien. Also geht es weiter in die von Sungai angegebene Richtung. Immer noch im Palastviertel sehen sie eines der prächtigen Gebäude, vor dem zwei Reitechsen und der riesige Maru abgestellt wurden. Bevor sie einen unnötigen Kampf vom Zaun brechen, bittet Fleece Spider, es erst mal allein zu versuchen. (Speechlink nützt nichts, da Spider diese Ebene verlassen wird.)

 

Spider sieht sich um und wählt dann ein halb eingestürztes Haus aus, in dessen Eingang er verschwindet, denn drinnen ist es dunkel genug, um in den Schattengrund überzutreten. Als er wieder herauskommt, bietet sich ein grandios originelles Bild, als hätte Tim Burton die Ruinenstadt designt. Dabei fällt Spider auf, dass eines dieser Gebäude, die in der materiellen Ebene in etwa gleich groß sind, hier im Schattengrund größer und bedrohlicher wirkt, aber es ist nicht das, zu dem er möchte. Also läuft er erst mal über den offenen Platz, ständig die bittenden, weinenden, schreienden Stimmfetzen von Geistern im Ohr, und dringt ungehindert in das Gebäude ein, in dem die Patrouille verschwunden ist. In der Annahme, dass Gefangene in die Kellergewölbe gebracht werden, sucht er nach einem Weg nach unten, findet eine beengte Stelle als Übertrittspunkt und wechselt, hoffend, dass gerade niemand in der Nähe ist, denn der Wiedereintritt in die materielle Ebene ist immer ein Vabanque-Spiel. Er hat Glück, niemand zu sehen, nichts zu hören, und es ist stockfinster, was seine Darkvision jedoch nicht stört.

 

Er schleicht eine ganze Weile ziellos herum und kehrt gerade an einem eingestürzten Gang um, als er Stimmen hört, und schließlich sieht er Sirani, von zwei kräftigen Maru an den Schultern gehalten, vor einer verhüllten Frau knieend, offenbar ein Mensch, die ihr leise, aber bedrohlich zischend Fragen stellt, und Sirani antwortet panisch, und sie antwortet viel – aber Spider versteht leider kein Wort.

 

Spider kehrt zu den Wartenden zurück und berichtet, dass es sich bei dem Gebäude um eine Art Kaserne mit zahllosen Echsen handle – unmöglich, da jemanden herauszubekommen, er habe die Gefangenen nicht mal gefunden. Fleece lässt ihren Blick durch die Runde wandern und meint dann, man habe es wenigstens versucht, sollte nun aber nicht dieselbe Dummheit wie Qudara begehen. Jala nickt düster, übersetzt, und man zieht sich zurück. Dabei fragt Fleece Spider im Flüsterton, ob das die Wahrheit war. Nein, antwortet dieser, und Fleece versteht. Qudaras bloße Anwesenheit wäre bereits Gefährdung genug, ohne sie und ihre undisziplinierten, unzuverlässigen Getreuen sind sie besser dran – und Spider hat diese Entscheidung getroffen, damit Fleece es nicht muss. Sie nickt Spider zu. Vor einigen Monaten, selbst noch vor einigen Tendays hätte ihre Reaktion anders ausgesehen.

 

Spider berichtet ihr natürlich auch diskret, dass eine Menschenfrau Sirani verhört und dass diese sehr viel geplaudert hatte, und er macht auch auf das Gebäude aufmerksam, das im Schattengrund anders ausgesehen hatte – das ist für sie ebenso gut wie jedes andere, also geht's los.

 

Beim nächsten Gebäude verfährt man schlauerweise wie zuvor: Spider dringt über den Schattengrund ein und findet sich in einer riesigen Eingangshalle mit geschwungenen Treppen und Balkonen wieder. Er zieht sich oben auf dem Balkon in eine der Türöffnungen zurück, die sich als Wiedereintrittspunkt eignet, und er tat gut daran: Direkt davor ist in der materiellen Ebene der Balkon längst weggebrochen, und auch die Treppen sind eingestürzt, so dass man von hier aus gar nicht in die oberen Etagen gelangen kann. Viel wichtiger ist jedoch, dass eine riesige, mit Schmuck verzierte Naga mitten in der Halle aufgerollt liegt und sie bewacht – glücklicherweise von Spider weg- und zum Eingang sehend.

 

Erneut erstattet er Bericht, und man einigt sich darauf, dass er drinnen versuchen wird, sie abzulenken, so dass die anderen ungehindert eindringen können, wozu Sungai als Level-7-Magier seinen einzigen 4er-Zauber Arcane Eye einsetzen wird. Das Zaubern erfordert ein zehnminütiges Ritual, währenddessen sich alle vorbereiten. Schließlich schickt Sungai seinen magischen Sensor hinein, aber um sich umzusehen, hat er nur sieben Minuten. Von unten führen drei große Durchgänge offenbar in verschiedene Trakte, nach oben geht es von der Eingangshalle nicht mehr. Er schickt den Sensor jeweils nicht weit, weil seine Zeit begrenzt ist, findet aber hinter allen drei Durchgängen Gänge mit teilweise offenen Räumen, die überraschend gut in Schuss sind. Was er nicht weiß, ist, dass die drei Trakte drei unterschiedliche Herausforderungslevel darstellen: links sehr schwer, Mitte schwer und rechts leicht. Er entscheidet sich glücklicherweise aufs Geratewohl für den rechten Durchgang, was bedeutet, dass Spider die Wächternaga nach links locken muss. Nur wie, ohne sie dazu zu veranlassen, Alarm zu schlagen? Fleece hat eine Idee: Sindel ist auf sie fixiert, folgt ihr überall hin und kann sie auch über weite Strecken finden, und sie ist unzweifelhaft ein einheimisches Tier. Fleece fragt Sungai, ob sie durch die Durchgänge passen würde – durch den mittleren schon, durch die anderen beiden jedoch nicht.

 

Nun sieht der Zuschauer Sindel in ruhigem, unaufgeregtem Schritt die Eingangshalle betreten, eben wie eine Katze, die nicht weiß, wohin sie will. Die Naga hisst sie bedrohlich an, Sindel reagiert auch leicht darauf, geht aber weiter. Was die Naga nicht weiß (und auch nicht wissen kann, weil Fleece dank Knowledge (Arcana) wusste, dass Nagas nur über Darkvision verfügen, aber über keine weitere übersinnliche Wahrnehmung), ist, dass Sindel der mit einem ihrer beiden Tränke unsichtbar gewordenen Fleece folgt, deren Move-Silently-Checks nicht schwer sind, aber trotzdem daneben gehen können – tun sie aber nicht. Fleece hält sich links und tritt in den Durchgang, weshalb es so aussieht, als wollte Sindel dort hinein, obwohl sie nicht durchpasst. Nun erklingt aus eben diesem Bereich jenseits des linken Durchgangs ein schnarrendes, schmerzgeplagtes Geräusch eines Echsenmenschen – wie das klingt, weiß Fleece seit über zwei Jahren nur allzu gut, und das erschafft sie nun mit Ghost Sound, für den sie weit rein musste, weil er nur 20 Schritt weit reicht. Die Naga, durchaus intelligent, fragt etwas in den Gang hinein, aber weiterhin erklingt nur leises Schnarren. Sie schlängelt sich näher, fragt erneut, und diesmal klingt es wie der unverständliche Versuch einer Antwort, aber zu schwach, um Genaueres zu hören. Irgendetwas stimmt nicht, also muss die Naga nachsehen. Daraufhin gibt Spider den anderen das Signal, rein- und in den rechten Durchgang zu laufen, den Sungai inzwischen bereits mit Arcane Eye checkt.

 

Schweren Herzens wirft Fleece Dispel Magic auf Sindel und löst das Band, damit sie nicht wie ein Hund vor dem rechten Durchgang stehen bleibt und die Naga nach ihrer Rückkehr misstrauisch macht. Sie berührt sie kurz zum Abschied und läuft den anderen hinterher.

 

Sungais Arcane Eye bleibt nicht mehr viel Zeit, aber es entdeckt noch eine Gruppe von vier Menschen, die einen Gang entlanggeht, schlimmstenfalls in ihre Richtung, falls sie zum Eingang will. Rasch verteilen sich die Eindringlinge auf mehrere Räume, die von ihrem Gang abgehen und die jeweils fensterlos sind und somit im Dunkeln liegen. Einige der Abenteurer merken sofort, dass sie aus welchem Grund auch immer wahrgenommen werden, und alles geht ganz schnell: Zhai und Spider springen raus und töten je einen, Thunata und Tianalu tun dasselbe auf ihrer Seite. Hinter der nächsten Biegung sieht man schwachen Fackelschein, aber hier ist es zu dunkel, also wirft Fleece Light (ihres ist blau) auf ihr Schwert und leuchtet: Da liegen keine Menschen, sondern Yuan-Ti-Purebloods. Meranilius ist schockiert und fasziniert zugleich, und er weiß: Yuan-Ti verfügen über einen ausgezeichneten Geruchssinn – sie haben sie gerochen. Schnell werden die Leichen in einen der Räume geschafft, die übrigens möbliert sind und tatsächlich benutzt aussehen. Man schließt die Tür, aber die Nächsten, die hier vorbeikommen, riechen sie vielleicht trotzdem.

 

Jetzt wird Meranilius auch klar, warum die Echsenmenschen getan haben, wofür sie absolut nicht bekannt sind: Gefangene nehmen. Aus denen rekrutieren die Yuan-Ti ihre niedrigste Kaste. Raif kann ein Lied davon singen, wie knapp er damals in den Gewölben unter Tashluta diesem Schicksal entronnen ist. Damit weiß man auch, was Qudara und den anderen bevorsteht.

 

Fleece und Jala wechseln nur kurze Blicke, mit denen sie sich versichern, dass beide weitermachen wollen, wo sie schon mal hier sind, also schleicht der Leiseste und Geschickteste voran – überraschenderweise weder Spider noch Zhai, sondern Xarfai.

 

Zwei Kämpfe mit Purebloods und Halfbloods später hat man immer noch nicht irgendetwas Verwertbares gefunden, ist aber bereits tief in das Gebäude eingedrungen, und Meranilius ist sich inzwischen ziemlich sicher, dass sich Spider tatsächlich die Akademie ausgesucht hat, auch wenn nicht mehr viel auf die ehemalige Nutzung hinweist. Es beginnt die Diskussion, ob man umkehren sollte. Meranilius will natürlich die Geheimnisse dieser Akademie ergründen, Jala möchte inzwischen zurück und hat dabei ihre Leute hinter sich. In dem Moment kommt Xarfai zurück und signalisiert in Zeichensprache (was Sungai übersetzt, für den wiederum Jala übersetzt), dass er einen Gang entdeckt hat, der von vier großen Abominations bewacht wird. Okay, meint Jala, auf den Kampf lassen sie sich noch ein, aber wenn dabei nichts herauskommt, kehren sie um. Fleece stimmt zu.

 

Dieser Kampf gerät schon härter, da die vier keine Low-Level-Abominations sind, und Fleece spart sich ihre Zauber schlauerweise auf und unterstützt nur durch Inspire Courage. Von diesem Gang gehen vier große Räume ab. Einer dient als Zelle, ist aber leer. Einer dient als Umwandlungskammer, ist aber ebenfalls leer. Der dritte dient als Brutgehege, und hier sieht man zumindest noch Reste von Eierschalen. Im vierten befindet sich jede Menge Ausrüstung, die Schatzsuchern und Abenteurern abgenommen worden ist, und Fleeces Detect Magic weist gleich mehrere Auren aus: ein Amulett (schwache Conjuration), drei Ringe (durchschnittliche Conjuration, starke Aura ohne Schule, durchschnittliche Abjuration), ein einheimischer Säbel (durchschnittliche Conjuration), zwei identische Armreifen (durchschnittliche Divination) und zwei kurze rituelle Zepter, eines ganz zweifelsfrei Alaru- und eines mittelfaerûnischen Ursprungs (beide starke Conjuration), dazu noch einige unsortierte Zaubertränke.

 

Mit Spellcraft kann Fleece keinen der Ringe identifizieren und auch die Zepter nicht, aber den Rest: ein Amulet of Sustenance, den Säbel Serpentbane (+1, gegen Scalykind +3 sowie +2D6 Extraschaden) und die Bracelets of Brotherhood. Das Amulett, zwei der Ringe, das Zepter, die Armreifen und die unbekannten Tränke werden erst mal verstaut. Der Abjuration-Ring ist zwar nicht identifiziert, aber garantiert schützt er gegen irgendetwas, also setzt Fleece ihn auf. Serpentbane sichert sich Jala.

 

Meranilius interessiert das alles nicht, er beschäftigt sich mit der Umwandlungskammer und dem Brutgehege und studiert die in Stein gemeißelten Gebete an Sseth. Wie viele Schatzsucher sind hier bereits in Schlangenmenschen verwandelt worden? Er entdeckt auch Hinweise auf Chimärologie, und als er Fleece davon erzählt, schießt ihr die Frage durch den Kopf, ob Sindel wirklich ein einheimisches Tier war – oder ein umgewandelter Abenteurer, der sich entweder nicht mehr verständlich machen kann oder sein Menschsein vergessen hat, wie es auf kurz oder lang bei Polymorph-Zaubern der Fall ist?

 

Auch bei der weltlichen Ausrüstung ist das eine oder andere nützliche Kleinod dabei, das man sich einsteckt, vor allem zwei gusseiserne Bomben, die gleich in die Truhe wandern. Doch Beute, die den Balan Cantara besänftigen würde, ist das alles offensichtlich nicht. Jala meint, das war's, sie probieren ein anderes Gebäude, denn hier werden offenbar keine Kostbarkeiten aufbewahrt. Fleece muss sich geschlagen geben, aber schon kommt Xarfai wieder angelaufen, der am Gang Schmiere stand, und schlägt Alarm. Schon hört man sehr viele Geräusche aus der Richtung, aus der man kam.

 

Alles nimmt die Beine in die Hand und flieht in den nach wie vor unbekannten Teil des weitläufigen Gebäudes, liefert sich einen weiteren kurzen Kampf und entdeckt die dringend benötigte Treppe nach oben Richtung Erdgeschoss (hier unten säße man in der Falle). Die Abenteurer rennen oben weiter, kehren angesichts der Naga und zwei Dutzend Yuan-Ti, die ihnen entgegenkommen, wieder um, und dann wird ihnen von einem weiteren Dutzend der Weg abgeschnitten, es bleibt nur ein letzter langer Korridor ins Ungewisse, aber durch die schmalen Fenster über dem Tor dringt Tageslicht ein. Spider meint, er werde sie aufhalten, und bleibt zurück, um jede Menge HP zu investieren, die er selbst auf magischem Wege bis zur nächsten Rast nicht zurückerhalten kann: Er verbraucht sechs seiner sieben Darkness-Beschwörungen, die er pro Tag hat: Am Beginn des Korridors legt er zweimal je 30 ft. Fearful Gloom (2x4), danach zweimal je 30 ft. Sickening Shadows (2x5), einmal Deadly Shade mit 30 ft. (1x6) und auf denselben 30 ft. (also überlappend) einmal Grasping Shadows (1x7), macht 31 HP.

 

Am Ende des Korridors liegt eine große, schwere Tür mit einem magischen Siegel, aber glücklicherweise hat Sungai Knock vorbereitet und kann sie öffnen. Zum Schrecken aller liegt dahinter aber nicht die Straße, sondern ein weitläufiger und verwilderter, zum Cenote ausgerichteter Innengarten, und kurz vor dem Geländer, hinter dem es in die tödliche Tiefe geht, steht das, weshalb Karmakar überhaupt erst entstand: das Portal, klar echsischen Ursprungs. Natürlich: Wo, wenn nicht in der Akademie?

 

Meranilius ist panisch und völlig außer Atem, aber auch ehrfürchtig, denn er ist völlig davon überzeugt, dass die offizielle Version – man habe nie enträtseln können, wie das Portal funktioniert – gelogen war und dass die Yuan-Ti von vornherein durch ihre Verbindungen in die hohe Gesellschaft dafür gesorgt haben, dass hier die Akademie gebaut wird, dass Ankhra Ankhradur eine von ihnen war und dass dieses Portal eines von vielen ist, mit dem die Geschuppten die Weltverschwörung, an die er glaubt, koordinieren.

 

Allen anderen ist das herzlich egal, sie sehen nur, dass sie in der Falle sitzen: Von hier aus führt kein Weg in die Freiheit. Die einzige Chance besteht darin, das Portal irgendwie zum Funktionieren zu kriegen. Fleece koordiniert, drückt wortlos J'avo den Abjuration-Ring in die Hand, weil sie vorhat, im Hintergrund zu bleiben, und dirigiert jeden an seinen Platz. Jenseits der Türschwelle liegt tintenschwarze Dunkelheit, und unidentifizierbare Geräusche sind zu hören. Um zum Garten zu gelangen, muss man 60 ft. Fearful Gloom bewältigen, ohne panisch zu fliehen, 60 ft. Sickening Shadows, die jeden schwächen (bzw. immer noch eine Chance haben, den Durchquerenden panisch fliehen zu lassen), 30 ft. Deadly Shade, der negative Level beschert, und darin Grasping Shadows, die Gegner festhalten, damit sie noch mehr Level verlieren oder evtl. erblinden, wenn die Saves nicht hinhauen. Wer es durch diesen Schattenparkours schafft, mit dem ist nicht zu spaßen.

 

Meranilius macht sich daran, die Sarrukh-Glyphen, die mit den echsischen nicht viel und mit den Alaru-Glyphen gar nichts mehr zu tun haben, zu entziffern, und Sungai belegt die nach seinem Empfinden neben Tianalu und Thunata "schwachen" Kämpfer Jala und J'avo mit den Buffs, die er noch hat: Bull's Strength für beide und Bear's Endurance für Jala. Pashtal hält sich mit seiner Armbrust bereit, Tianalu, Thunata, Skaar, Baltram, J'avo, Jala und J'oia sind zum Kampf aufgestellt, Zhai am Rande als Abräumerin, Spider auf der anderen Seite ebenfalls, aber er wird sich zurückhalten, da er sich heute schon sehr verausgabt hat. Fleece hat ihre eigenen Tränke zurechtgelegt, die sie mit Mage Hand zu denen bringen wird, die sie brauchen, wirft Inspirational Boost und stimmt ein Mut machendes, heroisches Lied an, das sie nur unterbrechen wird, wenn sie andere Zauber werfen muss. Sungai stehen nur noch Burning Hands zur Verfügung. Xarfai kann sich nicht nützlich machen.

 

Da stehen sie nun, sehen auf die Schwärze und warten. Was sie nicht mitbekommen, ist, dass auch die Yuan-Ti Magier haben, denen in dieser Welle insgesamt vier vorbereitete Dispels zur Verfügung stehen. Die beiden Fearful-Gloom-Wolken sind mit DC 21 schnell entzaubert und wirken sich nicht mehr aus, und auch einmal Sickening Shadows wird entfernt, der Rest bleibt. Jetzt geht das große Rechnen los, aber das ist angesichts der Gegnermasse auch nötig.

 

Keines der Pure- und Halfbloods schafft es durch Spiders tödlichen Albtraumparkours, aber einige höherstufige Abominations, die glücklicherweise erst dann durchkommen, wenn sie ihren letzten Save schaffen, also nicht zu geballt, so dass mit ihnen recht schnell kurzer Prozess gemacht werden kann. Das ist absolut kampfentscheidend: Nicht mal ein Viertel schafft es überhaupt bis zum Ziel, und dann nur peu à peu. Dabei sind die wirklich nicht von schlechten Eltern, aber einzeln stehen sie Tianalu, Thunata, Skaar, J'avo, Jala, J'oia und Baltram gegenüber und haben keine Chance.

 

Meranilius zwingt sich, nicht auf den Kampfeslärm zu achten, und redet laut übersetzend vor sich hin und probiert diverse Anrufungen, was ihm aber schwer fällt, denn anders als die Hochzeit der Alaru liegt die der Sarrukh nicht 2.000, sondern über 30.000 Jahre zurück, dementsprechend fragmentarisch sind die überlieferten Kenntnisse – und Meranilius ist schon ein absoluter Experte auf seinem Gebiet.

 

Fleece schaut singend dem Kampf zu, den Spider bereits entschieden zu haben scheint: Die Situation ist absolut unter Kontrolle. Dann aber wendet sich das Blatt, denn die zweifellos mächtigste Bewohnerin der Akademie bricht durch: eine Marilith. Dieser wandelnde Fleischwolf hat mit sechs Schwertern in sechs Händen bei der Full Attack zehn Angriffe pro Runde, von ihren magischen Fähigkeiten ganz zu schweigen. (Mit zwei negativen Levels verliert sie nicht viel.) Das bedeutet nun aber auch, dass die Verteidiger, auf die ein wahres Klingengewitter herniedergeht, den Eingang nicht mehr kontrollieren können, und weitere Abominations dringen durch, dazu sogar einer der beiden Halfblood-Magier. Zhai und Spider können nicht mehr die Abräumer spielen, sondern müssen frontal kämpfen.

 

Knowledge (Arcana) verhaut Fleece total, aber Bardic Knowledge rettet sie, und so erkennt Fleece den Yuan-Ti-Magier, hört auf zu singen und wirft Silence, scheitert aber an seinem Save. Glücklicherweise steht ihr der Zauber ein zweites Mal zur Verfügung, und er gelingt: Plötzlich ist der Kampf zehn Fuß um ihn herum gespenstisch still. Die nächste Aktion verwendet Fleece auf ihren höchsten Zauber: Mass Charm Monster, womit sie 32 HD beeinflussen kann. Mit 15 HD pro Abomination sind das zwar nur zwei von vieren, aber da auch zwei ihren Save nicht schaffen, passt es, und die Verteidiger haben etwas mehr Unterstützung, erledigen den Magier, und die gecharmten Abominations bekämpfen auf Fleeces Befehl hin die eigenen Artgenossen.

 

Das ist auch nötig, denn Baltram liegt bereits in Stücke zerhackt am Boden, und gerade wird Thunata, der mit seinen magischen Tätowierungen angreift, von der Marilith geköpft. Spider und Zhai stürzen sich mit ihren Sneak Attacks auf die Marilith, die jedoch mit einer (gesenkten) AC von 26, einer DR von 10 und über 200 HP nicht leicht zu beeindrucken ist.

 

Kaum effektiv, aber mutig wagt sich Sungai heran (denn seine Burning Hands reichen nur zehn Fuß), um die Abominations zu bekämpfen, aber ein Yuan-Ti-Krummschwert im Kopf beendet auch seinen Einsatz.

 

Thunata und Tianalu waren mit Abstand die besten Kämpfer in dieser Gruppe, jetzt ist es Tianalu allein, die der Marilith auch ordentlich zusetzt, doch auch Skaar, J'avo und J'oia schlagen sich nicht schlecht. Die heute glücklose Jala, wenn sie denn mal durchkommt, richtet allerdings mit Serpentbane auch erhöhten Schaden an. Jedoch haben bereits alle schwer eingeschenkt bekommen und profitieren nun auch nicht mehr von Inspire Courage, und Fleece schickt per Mage Hand Heiltränke los und schreit Meranilius zu, wie lange das noch dauert.

 

Der probiert jede Kombination, die ihm dank seiner sehr speziellen Kenntnisse einfällt: Anrufungen, das Rezitieren der Glyphen in unterschiedlichen Reihenfolgen (in die er einen Sinn zu bringen versucht), mit und ohne Berührung, aber die richtige Vorgehensweise hat er noch nicht gefunden.

 

Die zweite Welle ist im Hintergrund angekommen mit weiteren vier Dispel-Versuchen, die zwar nur einen Schatten entfernen, nämlich Sickening Shadows, der aber Mali auf alles verliehen hat, die nun wegfallen. Die Grasping Shadows erledigen immer noch einen sehr guten Job, weil sie die Angreifer im Deadly Shade halten, der ihnen Levels entzieht, aber jede Runde kommen nun mehr durch, darunter nun auch Halfbloods und Purebloods inklusive eines weiteren Magiers. Fleece koordiniert mit einer Runde geopferter Angriffe für die Hälfte ihrer Leute freie Bahn für Wail of Doom, Shout und Song of Discord, was alles noch mal einen Riesenunterschied macht, das Unvermeidliche jedoch nur aufschiebt. Sie ist daher zu beschäftigt für Mage Hand, so dass sie Xarfai mit den Tränken losschickt, der es irgendwie schafft, die Angreifer auszutanzen. Jeder geht inzwischen auf dem Zahnfleisch und ist völlig ausgepowert, der nächste tödliche Angriff auf einen von ihnen ist nur eine Frage der Zeit.

 

Tianalu erzielt den entscheidenden Treffer gegen die Marilith und durchbohrt mit dem Speer ihren Hals, wird aber mit drei durchgekommenen Yuan-Ti-Angriffen in derselben Runde regelrecht abgeschlachtet.

 

Die beiden mit Abstand besten Kämpfer sind aus dem Spiel, insgesamt sind vier tot und jeder Nahkämpfer verletzt, und da Jala mit 38 HP die höchste Lebensenergie der Gruppe hat, ist der Sack schon so gut wie zu. Gegen die Marilith kam sie nur ein einziges Mal durch, aber immerhin rettet sie jetzt noch was gegen die Yuan-Ti, da sie schließlich Serpentbane führt. Es gibt bei dem wilden Gemetzel keine Gelegenheit für Blicke, keiner hat den Nebenmann richtig im Blick, aber jedem ist klar: Das war's jetzt.

 

Meranilius hat eine Idee: Die Unvollständigkeit der Glyphen deutet für ihn darauf hin, dass das Portal vielleicht nur mit einem Gegenstand funktioniert. Der schwer verletzte Spider hat sich bereits aus dem Kampf zurückgezogen und sich zum Portal geschleppt. Er hat das Symbol auf dem Amulett der Marilith aus nächster Nähe gesehen, aber rings umher wird gekämpft, da ist kein Herankommen. Mit letzter Kraft beschwört er eine Umbral Fist mit Quicker than the Eye, die er losschickt, mit ihr ein Halfblood zu Fall bringt und dann mit Sleight of Hand +15 tatsächlich dem Kadaver der Marilith das Amulett abnimmt und zu sich holt. Sobald Meranilius seine Anrufung wiederholt und mit dem Amulett eine der Glyphen berührt, tut sich endlich etwas, und er lacht fassungslos und erleichtert und beeindruckt zugleich. Die Symbole beginnen, blau zu leuchten, und hinter dem Torbogen liegen nicht das Geländer und der Cenote, sondern eine weite Landschaft aus braunen Gräsern. Meranilius schreit und winkt und läuft hindurch, und Pashtal und Xarfai eilen ihm nach, zwar sehr ängstlich, aber was bleibt ihnen übrig?

 

Für den Rückzug wird noch mal in die Total Defense geschaltet, aber J'oia erwischt es trotzdem. Skaar, nach wie vor nicht gewohnt, im Team zu arbeiten und aufeinander aufzupassen, muss von Fleece aufgefordert werden, die Zuma mitzuschleifen. Sobald alle das Portal erreicht haben, ziehen sich auch Fleece und Spider zurück, dann Zhai und Skaar mit J'oia, zuletzt Jala und J'avo, die den Rückzug decken.

 

Auf der anderen Seite hält Meranilius das Amulett an die zentrale Glyphe im Sockel und fragt Fleece, ob das alle waren. In dieser chaotischen Stresssituation ist das gar nicht so einfach: Wenn sie Ja sagt und jemanden vergessen hat, hat sie ihn damit getötet. Aber es bleibt keine Zeit, sobald J'avo und Jala durch sind, schreit sie "Ja!", Meranilius reißt das Amulett weg, und plötzlich liegt nicht mehr der Innengarten der Akademie hinter dem Portal, sondern nur noch die Grasebene, so weit das Auge blickt.

 

Ohne das Symbol kann man das Portal nicht benutzen, wie es aussieht, aber garantiert war dieses Amulett nicht das einzige in Kilmakar – möglicherweise ist es nur eine Frage von Minuten, bevor die Yuan-Ti die Verfolgung aufnehmen. Fleece weiß, wie erschöpft ihre Leute sind, aber sie haben keine Zeit zu verlieren. Sie bittet Skaar und J'avo, so viele Steine herbeizuschaffen, wie sie können. Fleece holt zwei starke Herrschaftliche Tonika aus der Truhe, lässt Xarfai diese zu Spider und J'oia bringen und holt die erbeuteten Bomben hervor, hoffend, dass sie stark genug sind. Sie platziert sie am Fuß des Portals, die Steine werden darum herum oder darauf gestapelt, alle ziehen sich zurück, Fleece entzündet mit einem Streichholz die Lunten und flieht. Die Detonation beschädigt den Fuß des Portals deutlich, und die weggeschleuderten Steine haben weitere Beschädigungen hervorgerufen. Fleece ist sich nicht sicher, meint aber, das könnte reichen.

 

Wenn jetzt trotzdem jemand kommt, haben sie Pech gehabt, aber weiter können sie nicht mehr. Alle haben sich hingesetzt oder hingelegt. Die Tonika haben J'oia und Spider von Jergals Schneide geholt, denn ihre Verletzungen waren absolut tödlich. Jetzt verteilt Fleece die leichteren Tränke, weil sich wirklich jeder, der im Nahkampf war, komplett verausgabt hat und kurz vor Erreichen der WP steht oder schon mittendrin steckt. Dabei versucht sie, das Zittern ihrer Hände zu verbergen, das sie nun, als das Adrenalin nachlässt, überkommt.

 

Allmählich fragt man sich, wo man überhaupt gelandet ist. Es ist ein warmer Spätnachmittag in einer hügeligen Graslandschaft, die Luft ist deutlich trockener, und hier, mitten in der Wildnis, steht dieses Portal. Das einzige Gebäude, das zu sehen ist, liegt in Sichtweite, aber einige Meilen entfernt, und Meranilius erkennt sofort, dass es Yuan-Ti-, wenn nicht gar Sarrukh-Architektur entspricht. Schwer zu sagen, ob man die Detonation dort gehört hat, aber wenn ja, und der Bau ist bewohnt, wird gewiss jemand kommen, um nachzusehen.

 

Jala würde sich vermutlich mit Fleece anlegen, wie sie sie nur dazu überreden konnte, ihr zu folgen, wenn sie die Kraft dazu hätte, aber jeder ist völlig fertig. Pashtal kümmert sich liebevoll, aber auch völlig verwirrt von der Situation um Zhai. Xarfai hockt allein da und sieht herzergreifend traurig aus. Halbwegs zufrieden ist nur Skaar, der genau mitgezählt hat und weiß, dass er zumindest von denen, die jetzt hier sind, die meisten Gegner erledigt hat – aber er hätte gerne so viele wie Tianalu geschafft, und auf Platz zwei war Thunata. Als er das erwähnt, flippt Fleece aus und fährt ihn an, ob das wirklich alles sei, das ihn gerade beschäftigt. Natürlich überkommt sie nun die Trauer: Sie haben gerade Baltram verloren, den letzten Überlebenden der Endeavour, der ihnen ein guter Kamerad geworden war und mit dem sie so viel durchgemacht haben. Niemand hatte den Tod weniger verdient. Sie haben einen aussichtslosen Kampf gefochten und mit ihrem Leben abgeschlossen und sind nun plötzlich mitten im Nirgendwo gestrandet, das überall in Faerûn liegen könnte. Aber solche Gedanken sind Skaar einfach zu fremd – und Gedanken über das Messen mit anderen zu prominent.

 

Fleece lenkt sich ab, indem sie sich um Spider kümmert, den sie noch nie so erledigt gesehen hat: Tödlich verwundet, per Tonikum gerettet, aber immer noch verletzt und völlig erschöpft liegt er mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Sie reicht ihm noch etwas Hartknollentunke, um ihn etwas zu stärken (sie ihm hinzuhalten und seinen Namen zu nennen, muss ausreichen, denn sie weiß ja, dass er Berührungen hasst), und flüstert ihm zu, dass sie alle ihm ihr Leben zu verdanken haben. Sie hatte ja keine Ahnung, was er sich im Schattengrund angeeignet und selber beigebracht hat.

 

Xarfai verbindet J'avos Wunden, und dieser kann ihm ansehen, dass er an Sungai denkt. Kann er ihm nicht verübeln: Er denkt an Baltram. Von allen stand ihm J'avo am nächsten, sie hatten sich gut angefreundet, und er hatte sich wirklich gewünscht, dass der arme, schwer gebeutelte und doch so widerstandsfähige Kerl zu seinem Matrosenleben zurückkehren kann.

 

Jala verarztet J'oia, und sie sprechen darüber, dass hier nichts nach einer Ecke aussieht, in der sie jemals waren. Vermutlich sind sie nicht gerade in der Nähe von Sammarash, und sie können sich ausmalen, was geschehen wird: Die Paavani kehren zurück und melden in der Stadt, dass von der 23-köpfigen Expedition kein Einziger zu ihnen zurückgekehrt ist, und Matoia wird glauben, dass sie alle in den Tod geschickt hat, und vermutlich ihr Schiff an den Balan Cantara verlieren. Bitter genug, dass sie in Kilmakar keine Beute gemacht haben, doch noch bitterer, dass garantiert welche da war, wenn man gewusst hätte, wo man suchen soll – aber selbst wenn, würde das keinen Unterschied machen, denn sie sind ja hier (wo auch immer "hier" ist) und nicht in Sammarash.

 

Meranilius sitzt allein auf dem Hosenboden, sieht ratlos in die Ferne und beginnt, lautlos zu weinen. Große Erwartungen, große Anstrengungen, große Opfer, und er ist felsenfest davon überzeugt, dass er der Chance auf der Spur war, seine Theorie der echsischen Verschwörung zu beweisen. Plötzlich jagt eine Lebensgefahr die nächste, und ehe er sich versieht, benutzt er zum ersten Mal in seinem Leben ein Portal – ein echsisches noch dazu! – und strandet im Nirgendwo, ohne auch nur einen kleinen Teilerfolg gehabt zu haben. Rückblickend macht alles Sinn: Die Gerüchte über nie gehobene Schätze haben die Yuan-Ti vermutlich selbst gestreut, und die Abenteurer, die sich davon anlocken ließen, trauten sich entweder nicht tief genug in die Stadt und kehrten mit leeren Händen zurück, oder sie gingen aufs Ganze und fielen den Echsen zum Opfer, die sowieso gern in Urwald und Sumpf wohnen und sich von denen ernährten, die sie töten – und die überlebenden Schatzsucher verstärkten bald die Reihen der Yuan-Ti. Das Portal in Kilmakar hat garantiert auch zu anderen Portalen geführt – Meranilius hatte sich halt aufs Geratewohl dieses Symbol "ausgesucht", eins musste er ja nehmen –, und wer weiß, wo die liegen? Wer weiß, was dort in jenem Bauwerk für Geheimnisse verborgen sind?

 

Er fasst sich wieder und fragt leise, ob man dort vielleicht mal nachsehen sollte. Fleece funkelt ihn nur an, und er verstummt. Jedoch kann er nun mal nicht anders, als an seine Lebensaufgabe zu denken. Fleece grübelt dann aber doch ein wenig darüber nach.

 

Nachdem sie sich etwas ausgeruht und gestärkt haben, meint sie, dass man zunächst mal zusehen sollte, vom Portal wegzukommen, da vielleicht jemand von dort drüben kommen könnte. Nur wohin? Jede Richtung ist so gut wie die andere, gute optische Deckung bietet nur das Bauwerk. Darüber geraten Fleece und Jala so sehr in Streit, dass sie sich anschreien.

 

Jala: I'm not going anywhere near it!

Fleece: Well, do you see anything else around here? Should we pick a direction and just... start walking and hope for the best?

Jala: Why don't you come up with something better than that? You got us into this mess!

Fleece: Lady, you went to Kilmakar because of Matoia's orders, as did your friends! I didn't make you go! And guess what, Baltram, Tianalu, Thunata and Sungai got off lucky, 'cause the rest of them awaits a fate far worse than death, and it would await you too if you'd stayed with Qudara! At least you're still drawing breath, aren't you? (Darauf kann Jala nichts erwidern. Fleece stampft ein paar Schritte und wirbelt wieder herum.)

     You think I'm happy with all this? I'm here 'cause I owed a favor, and I didn't even owe it to Meranilius. And guess what else, after months in those steaming jungles, after going through every bloody ruin in the Shining South, he doesn't even have anything to show for it! (Meranilius sieht sehr schuldbewusst zu Boden. Fleece wird wieder ruhiger.) Can't do anything about it, though. It is what it is, and we have to make the best of it. Or lay down and die. One or the other.

 

Tatsache ist, dass sie keine Ahnung haben, wo sie sind, ob die nächste Siedlung zehn oder 200 Meilen entfernt liegt und wie sie dahin kommen sollen. Dank des Decanter of Endless Water ist Wasser kein Problem, aber sie hatten nur minimale Verpflegung mitgenommen, und die ist bereits verspeist. Wie sollen sie an Nahrung kommen? Sie sind zu zehnt, und allein Skaar isst mehr als drei ausgewachsene Männer.

 

Weil sie nicht wissen, was sie erwartet, sollten sie auch mit den Tränken haushalten, anstatt gleich jeden wieder auf 100 % zu bringen. Die ärgsten Verletzungen sind magisch kuriert, den Rest besorgen Kräuter und Verbände. Jedoch haben sie natürlich auch ihre Zelte bei Viraniu und Jiroba zurückgelassen. Ban Bashurs Zelt wäre jetzt willkommener denn je.

 

Langsam rappeln sich alle auf und setzen sich in Bewegung, weg vom Portal, aber parallel zum Bauwerk, während es allmählich dunkel wird. Sie suchen sich ein paar Felsen, die ein wenig optische Deckung verleihen. Das Gelände ist auf Meilen bis zum Horizont zu überblicken, ein Feuer wäre also auch keine gute Idee. Das wird eine ungemütliche Nacht. Es hält auch niemand Wache, weil keiner lange genug durchhalten wird.

 

Obwohl alle so endlos erschöpft sind, wachen einige zwischendurch immer mal wieder auf, denn es wird überraschend kalt, erst recht für tashalarische Verhältnisse, und sie haben keine Zelte, keine Decken, lediglich ein paar Kleider, die Fleece zum Zudecken aus der Truhe geholt hat. Nur Zhai und Spider hätten in der Dunkelheit die Chance, zu sehen, ob das Portal tatsächlich erneut benutzt wird oder jemand vom Bauwerk dorthin geht.

 

Aus purer Gewohnheit erwacht Skaar als erstes und begrüßt mit seinem tiefen Gesang die Sonne, was die anderen weckt, die ihn davon abhalten. Gut, dann kann man auch wach bleiben, zumal man nicht weiß, in wie viel Gefahr man sich befindet. Wohin jetzt? Fleece meint, Norden wäre eine Idee, dann käme man ja zur Küste, wenn man sich noch in Meridiana befindet, oder...? Jala meint, dass man ebenso gut in Thindol oder Samarach gelandet sein könnte, dann müsste man nach Süden, um zur Küste zu kommen. J'oia widerspricht, dass die Luft für Thindol oder Samarach viel zu trocken ist, und es sieht hier absolut nicht wie irgendetwas aus, das sie schon mal gesehen hat. Gras und helle Erde, hier und da ein Baum oder drei, so weit das Auge reicht (Two Worlds II, Chapter 4, Erimos, Savannah, Halhin, 68:47:12).

 

Die Gestrandeten setzen sich also aufs Geratewohl in Bewegung, merken aber bald, wie hungrig sie sind, Skaar vor allem. Die letzte Mahlzeit hatten sie gestern Morgen, und seitdem haben sie sich sehr verausgabt. So langsam sieht das einzige Zeichen von "Zivilisation" weit und breit verlockender und verlockender aus. Fleece argumentiert, dass sie, wenn sie noch viel weiter gehen und den Bau aus den Augen verlieren und feststellen, dass sie nach wie vor nur von Wildnis umgeben sind, mit etwas Pech nicht mal den wiederfinden und bis dahin schon deutlich geschwächt sein werden. Resigniert fügen sich die meisten. Fleece macht Meranilius, der sich beherrschen muss, nicht zu jubeln, aber sofort deutlich klar, dass sie nur zurückkehren, um Vorräte zu erbeuten oder herauszufinden, wo zum Henker sie sind, nicht, um irgendwelche Geheimnisse aufzudecken.

 

Schon von Weitem ist klar, dass man in diesen Bau nicht einfach eindringen kann. Man wartet den Einbruch der Dunkelheit ab, und dann werden mehrere Rucksäcke geleert und Spider mitgegeben, der sich über den Schattengrund auf den Weg macht. Hier wirkt das Bauwerk noch bedrohlicher, noch mächtiger, noch älter. Er erklettert die hohe Mauer, überquert den Innenhof und sucht sich ein offenes Fenster. Aus der Nähe wird auch im Schattengrund die fremdartige Architektur noch offenbarer – viele Räume sind rund, und auf die verschiedenen Stockwerke gelangt man über an den gewölbten Wänden entlanglaufende Rampen –, und dieses Gebäude ist ganz fraglos von Energie erfüllt.

 

Da im Schattengrund meistens die Einrichtungsgegenstände fehlen, an denen man sich hinsichtlich der Raumnutzung orientieren könnte (weil die, die da sind, garantiert nicht aus der Bauzeit stammen oder thematisch eng mit dem Gebäude verbunden sind), muss Spider irgendwann die Ebenen wechseln. Worüber hier nicht viel zu schreiben ist, hat natürlich sehr lange gedauert und war auch dementsprechend spannend: ein Schleichkapitel á la Thief, in dem Spider versucht, jedem Kontakt aus dem Wege zu gehen, was bei den großen, runden, offenen Räumlichkeiten gar nicht so einfach ist. Dabei passiert er steinerne Türen, die garantiert mit Magie funktionieren und sich nur unter bestimmten Bedingungen öffnen, aber auch öffentliche Areale. Auf seinen Schleichwegen beobachtet Spider viele Yuan-Ti, teilsweise auch solche, die zumindest von Weitem nicht von normalen Menschen zu unterscheiden sind, doch auch wenn zwei deutlich verschiedene Sprachen gesprochen werden, versteht er doch keine davon. Da sie über Darkvision verfügen und die runden Grundflächen wenig Versteckmöglichkeiten bieten, braucht er eine Darkness-Benutzung nach der anderen auf.

 

Währenddessen sieht Zhai, dass sich das Tor öffnet und ein großer Trupp von etwa 20 überwiegend zweibeinigen Gestalten das Bauwerk verlässt. Da es nicht schaden kann, solange man Abstand wahrt, schleichen sie und Xarfai hinterher (der zwar im Dunkeln nichts sieht, aber im Ernstfall Hilfe holen kann).

 

Inzwischen hat Spider eine ganz banale, magisch gekühlte Vorratskammer gefunden. Er befüllt die Rucksäcke wahllos mit den genießbaren Dingen (hier werden auch viele Tiere mit abgezogener Haut, aber ansonsten roh gelagert) und nutzt auch noch zwei Beutel und kehrt über den Schattengrund schwer beladen zur Mauer zurück. Diese muss er zweimal überklettern, da er sonst für den Wallcrawl zu schwer wäre. Nachdem er das zweite Mal die Beute abgelegt hat, kehrt er aber vorsichtshalber doch noch mal um. Noch ist er nicht entdeckt worden, und wer weiß, was er noch finden kann?

 

Zhai beobachtet, wie die Yuan-Ti in absoluter Dunkelheit (sie verfügen schließlich über Darkvision) zum Portal marschieren, und einer von ihnen, der wiederum anders aussieht – größtenteils wie eine Schlange, aber mit Gliedmaßen und gekrümmtem Körper –, untersucht dieses. Zweifellos ist er der Wichtigste hier, denn die anderen haben ihn unterwegs abgeschirmt und lauern nun auch in alle Richtungen, und da sie im Dunkeln sehen können, wahrt Zhai viel Abstand und kann sich nicht nähern, um mehr zu erkennen. Sie kann nicht ahnen, dass sie einem leibhaftigen Sarrukh dabei zusieht, wie er das Portal untersucht.

 

Im Inneren des Bauwerks fällt die Orientierung nicht immer leicht, da viele der Räume rund oder oval und die Gänge geschwungen sind, und alles ist riesengroß: Hier würde selbst ein Drache auf keinerlei Hindernisse stoßen. Spider wird auf ein Royalblood mit sechs Halfbloods aufmerksam, denen er in gebührendem Abstand folgt, kopfüber an der runden Decke krabbelnd, damit sein Geruch nicht auf Nasenhöhe ist. Glücklicherweise ist es durch die durchgehend unverglasten, offenen Fenster im ganzen Gemäuer sehr zugig.

 

Er beobachtet, wie sich der Yuan-Ti-Trupp in einem riesigen Planetarium unterwürfig einer kolossalen Naga nähert, sicher 30 Schritt lang und mit einem nahezu menschlichen, wunderschönen Frauengesicht, die, als schwimme sie durch Wasser, sich zwischen den Planeten hindurchschlängelnd durch die Luft gleitet. Im Bodenbereich befinden sich Tische mit Büchern, Schriftrollen und allerlei Kram, dazu viele Kisten und etwas Mobiliar. Spider schaut sich an, wo er aus seiner Position die tiefsten Schatten erkennen kann, zieht sich auf den Gang zurück und betritt den Schattengrund. Nun kann er ungesehen in das Planetarium vordringen, das seiner weltlichen Entsprechung sehr ähnlich sieht – es muss also alt sein. Auf einer Art Altar entdeckt er acht Steintafeln, die er jedoch nicht lesen kann. Er sucht einen der Punkte mit besonders tiefen Schatten auf, kehrt in die materielle Ebene zurück und hört die zischelnde, unverständliche Unterhaltung zwischen der Naga und den Yuan-Ti. Geduldig wartet er ab, bis sich die Yuan-Ti wieder zurückziehen (da sie über Darkvision verfügen, ist die Gefahr zu groß, von acht Augenpaaren entdeckt zu werden), und die riesige Naga schwebt zu einem der Tische und hantiert mithilfe von Telekinese mit Büchern, in denen sie irgendetwas sucht. Die Chance nutzt Spider, sein Versteck zu verlassen und sich die anderen Tische aus der Nähe anzusehen, die im Schattengrund keine Entsprechung haben. Dabei fallen ihm drei Steintafeln auf, die aussehen wie die im Schattengrund, aber dort, wo der Altar stand, ist hier keiner. Kurzerhand packt er sie ein und schnappt sich auch gleich noch einen an den Tisch gelehnten Zauberstab in Schlangenform  und ein paar Gold- und Platinmünzen unbekannter Prägung. Für den Rückweg zieht er die Sicherheit des Schattengrundes vor.

 

Zhai erstattet Bericht, und Meranilius flippt fast aus: Das war ein leibhaftiger Sarrukh, der Beweis, dass die als ausgestorben geltende Erschafferrasse immer noch existiert. Er wusste ja schon immer, dass die Lenker des Echsengezüchts aus dem Verborgenen heraus wirken, aber dass es leibhaftige Sarrukh sind, hätte nicht mal er sich je träumen lassen. Fleece muss ihn scharf zurechtweisen, als er sie anfleht, unbedingt in dieses Bauwerk einzudringen.

 

Schwer beladen und außer Atem kehrt Spider zu den anderen zurück, und während sich alle freuen, dass er viele Vorräte mitgebracht hat, bedrängt Meranilius ihn sogleich mit seinen Fragen. Spider erzählt, und abermals kann sich der Echsenforscher kaum beruhigen: Spider hat eine Königsnaga beschrieben. Das sind unsterbliche Kreaturen von immenser magischer Macht, vermutlich die ersten Wesen, die die Sarrukh je erschaffen haben.

 

Fleece muss Meranilius an den Schultern greifen und richtiggehend anfahren, um ihm klarzumachen, dass sie sich so schnell wie möglich von hier entfernen werden.

 

Fleece: Wenn wir allein die, die Spider gesehen hat, und die, die Zhai beobachtet hat, zusammenzählen, kommen wir auf mindestens 40, und das waren ja garantiert nicht alle, da Spider schließlich nur einen Teil des Bauwerks erforscht hat. Dazu also auch noch eine unsterbliche Kreatur von immenser magischer Macht und ein Angehöriger einer seit 30.000 Jahren ausgestorbenen Rasse? Es ist aussichtlos, Dr. Meranilius.

Meranilius: Fleece—

Fleece: Hört mir zu.

Meranilius: Fleece, Ihr müsst verstehen—

Fleece: Hort mir zu! Ich möchte, dass Euch etwas klar ist. Jiv Hiriel, Tulwood Elemer, Sumukopa, Manaq, Sivariu, Baltram, Rimgal, Raelan, Moche, die gesamte Besatzung der Endeavour! Sie alle sind für Euch gestorben, Dr. Meranilius. Für Euch und Eure Forschung. Und die, die noch am Leben sind, haben Furchtbares ausgestanden. Furchtbares! Es tut mir leid, dass Eure Forschungen nicht von Erfolg gekrönt waren, aber ich werde nicht zulassen, dass sie auch nur ein weiteres Leben kosten. Haben wir uns verstanden?

Spider: Doktor? (Er hält ihm die drei gefundenen Steintafeln hin.) Es ist nicht viel, aber vielleicht wenigstens etwas.

 

Meranilius, mit Tränen in den Augen, weil er mit den namentlichen Toden konfrontiert wurde, nimmt stumm nickend die Tafeln entgegen. Fleece nimmt sie ihm ab, legt sie auf den Boden, drapiert die Decke aus der Truhe über Meranilius und belegt sein Schutzamulett des Oghma mit Light, damit er die Tafeln gleich studieren kann, ohne dass die Gruppe sich mit dem blauem Licht in der Dunkelheit verrät, denn natürlich tut er ihr ja auch leid, weshalb sie noch mal seine Schulter drückt. Sie bedankt sich bei Spider für die Vorräte, und man legt sich hin, um eine weitere ungemütliche, kalte Nacht zu verbringen.

 

Am nächsten Morgen wirkt Meranilius sehr betrübt und gar nicht aufgekratzt wie letzte Nacht, weil die Verantwortung nun schwer auf seinen Schultern lastet, nachdem ihn Fleece daran erinnert hat. Er berichtet, dass diese drei Tafeln auf Sarrukhar verfasst und offenbar verdammt alt sind. Leider hängen sie nicht zusammen, als wären sie willkürlich herausgerissene Buchseiten, und er bräuchte eine Bibliothek, um ein paar zeitliche Verweise in die menschliche Chronologie einzuordnen, aber die Gesamtheit der Tafeln (von denen es offenbar deutlich mehr geben muss als nur drei) erzählt offenbar vom Ende einer Ära, nämlich der unangefochtenen Vorherrschaft der Sarrukh, bis sie gegen die Drachen, Elfen, Zwerge und andere Rassen ins Hintertreffen gerieten und sich zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt entschlossen, die Bühne der Weltöffentlichkeit zu verlassen und in die Schatten zu gehen – und davon, wie sie das taten und wie sie sich dabei organisierten, um auch aus dem Hintergrund weiterhin die Fäden ziehen zu können. Eine bemerkenswerte, aber leider noch sehr inkonkrete Entdeckung – nicht genug, um in der akademischen Welt als Beweis zu gelten.

 

Einen Hinweis darauf, wo man sich hier befindet, hätte Spider zwar finden können, hat er aber leider nicht. Ohne Karte dürfte es schwierig werden, in der weitläufigen Savanne dieses Gebäude später genau zu lokalisieren, doch das ist leider nicht zu ändern. Das Gepäck wird verteilt, und die zehn Kilmakar-Überlebenden ziehen weiter ins Ungewisse.

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